Geschrieben von Drahbeck am 28. Februar 2005 03:23:36:
In der Endphase der "DDR", machte deren Staatssicherheitsminister im
"Parlament" (Volkskammer) mit einer Rede Furore, die je nach Standpunkt geeignet
war, Lachsalven oder auch das Gegenteil davon zu produzieren.
"Ich liebe doch alle Menschen. Ich liebe doch alle
" tönte da der Herr
Mielke.
So, so, mag man dazu nur sagen. Wer diese vorgebliche "Liebe" in der Praxis
erfuhr, wird da wohl andere Vokabeln dafür verwenden.
An vorstehendem fühlt man sich unwillkürlich erinnert, wenn man in "Erwachet!"
vom 22. 10. 1953 die nachfolgende Ausführung über die "Liebe" der Zeugen
Jehovas lesen konnte:
"Ein Abonnent schreibt: 'Gestern machte ich einen Nachbesuch bei einem Mann, der sich
erkundigte: 'Was denken Sie über die Katholiken?' Ich frage ihn: 'Was halten Sie von
ihnen?' Er antwortete: 'Nun, ich weiß nicht, aber ich hörte, daß Jehovas Zeugen sie
hassen.' Darauf erwiderte ich: 'Ich will Ihnen sagen, was wir wirklich von ihnen denken.
Wir lieben sie so sehr, daß wir von Haus zu Haus gehen, Stunde um Stunde, Tag für Tag,
Jahr um Jahr in jedem Lande auf der Erde, um ihnen von Gottes Königreich zu erzählen und
sie auf den Weg hinweisen, den sie einschlagen möchten, um ewig in Glück zu leben, und
dies trotz all der Dinge, die sie oder irgend jemand sonst uns deswegen antun mögen.
Lieben Sie so sehr?"
Mag man das auch als billige Polemik abtun, so besteht dabei doch ein tieferer
Hintergrund. Schon unmittelbar nach 1945 wurde ein örtlicher Zeugen Jehovas-Funktionär,
namens August Seck vor den Kadi gezerrt. Die WTG war darüber so erbost, dass sie eigens
unter dem Titel Gottesdienstfreiheit" eine Vortragserie dazu veranstaltete. Das
ganze spielte sich zu einer Zeit ab (1947/48), wo das DDR-Verbot der Zeugen noch nicht
Realität war. Und so findet man den in dem diesbezüglichen Vortragsmanuskript auch noch
solche Sätze wie die:
In der Ostzone suchte die Geistlichkeit beider Konfessionen, wie uns maßgebliche
Offiziere der Sowjetischen Militär-Administration bekundeten, einen Einfluß dahingehend
geltend zu machen, dass nur die katholische und evangelische Kirche als erlaubt anerkannt
würden. Alle Sekten, besonders Jehovas Zeugen, würden im Volke Unruhe stiften und
dürften nicht geduldet werden. Die sowjetische Besatzungsmacht hat sich aber klüger
verhalten
"
Die Attacke in Gottesdienstfreiheit" richtet sich also nicht vordergründig
gegen den Osten. Ziel der WTG-Attacke ist ein Gericht in den westlichen Bezirken
Deutschlands, zu einer Zeit, wo dessen Teilung noch nicht so zementiert war, wie dies
einige Jahre später der Fall war.
Auf Grund des Paragraphen 166 wurde am 3. September 1947 der Prediger August Seck
aus Recklinghausen durch das Amtsgericht Haltern i. W. unter der Amtsführung des
Amtsgerichtsrates Marx wegen angeblicher Beschimpfung der katholischen Religion zu einer
Geldstrafe von RM 900,, Ersatzweise 3 Monate Gefängnis verurteilt. Er soll in einem
Vortrage, der von Jehovas Zeugen veranstaltet worden war, gesagt haben, der Papst sei der
Steigbügelhalter des Faschismus gewesen und habe auf der Anklagebank in Nürnberg
gefehlt, ferner, die katholische Kirche trage die Hauptschuld an den Kriegen der letzten
Jahrhunderte.
Dieses Urteil wurde am 6. 11. 47 durch das Landgericht Münster in Westfalen, unter dem
Vorsitz des Landgerichtsdirektor Homost und unter Mitwirkung der Amtsgerichtsräte Dr.
Uppenkamp und Pardon bestätigt.
Es ist dies der erste Fall in der Geschichte der deutschen Nachkriegsjustiz, dass ein
Zeuge Jehovas wegen irgendwelcher Äußerungen, die er bei der Verkündigung des
Evangeliums vom Reiche Gottes gemacht hat, vor ein Gericht gezerrt wurde."
weiß die WTG dazu zu berichten.
Im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen erhält das erkennende Gericht von der WTG
massive Gerichtsschelte. Die Richter werden, via öffentliche WTG-Vorträge belehrt:
Unter offensichtlicher Missachtung der erwiesenen Wahrheit, nämlich, dass Seck in
seiner Rede überhaupt nichts gesagt hat, für das er den Beweis schuldig geblieben wäre,
wurde er unter Mißbrauch des Paragraphen 166 des Strafgesetzbuches verurteilt mit der
Behauptung, dass dieser Paragraph hauptsächlich die Erhaltung des Religionsfriedens zum
Ziele habe. Und hier
i r r t das Gericht! Von der Erhaltung eines sogenannten Religionsfriedens, den es in
Wahrheit gar nicht geben kann, spricht das Gesetz nicht. Man denke nur daran, dass der
Protestantismus überhaupt nur im Kampfe der Reformation gegen den Papismus entstanden
ist, und, falls er wirklich "protestantisch" wäre, nur im Kampfe gegen Rom
bestehen könnte. Der Protestantismus, die ganze protestantische evangelische Kirche, auf
Protest gegen Rom gegründet, hat Sinn und Zweck verloren, wenn sie aufhört zu
protestieren, wenn sie mit dem Papsttum einen Religionsfrieden schließt.
Wortlaut und Sinn des Paragraphen 166 StGB. lassen klar die Absicht des Gesetzgebers
erkennen, nicht einen Religionsfrieden von zweifelhaftem Wert, sondern innerhalb der
religiösen Auseinandersetzung lediglich die Rechte der verschiedenen
Religions-Organisationen und allenfalls die religiösen Empfindungen ihrer Anhänger zu
schützen. Aber weder diese noch jene werden dadurch verletzt, dass über die politischen
Machenschaften der religiösen Führer der Welt, auch wenn sie Kirchenfürsten genannt
werden, über ihr Paktieren mit politischen Abenteurern und über ihre machtpolitischen
Weltherrschaftsgelüste freimütig die Wahrheit gesagt wird.
Noch weniger besagt der Paragraph 166, dass es Beschimpfung einer Religionsgesellschaft
sei, wenn unbestreitbare Tatsachen, die man dem deutschen Volke lange genug vorzuenthalten
verstanden hat, in ruhiger und sachlicher Weise (wie das Gericht zugeben mußte) der
Öffentlichkeit unterbreitet wurden. Das deutsche Volk hat ein berechtigtes Interesse
daran und einen Anspruch darauf, zu erfahren, was alles dazu beigetragen hat, es in den
Abgrund seines unbeschreiblichen Unglückes zu stürzen, auch dann, oder erst recht dann,
wenn solche "Beiträge" in der Haltung oder im Versagen einer oder aller
christlichen Kirchen Deutschlands bestehen."
Weiter wird in jenem Gottesdienstfreiheit"-Vortrag
ausgeführt:
Weiteres Tatsachen-Material ist in der in Deutschland und anderen Ländern
verbreiteten Broschüre "Jehovas Zeugen im Feuerofen" zusammengestellt. Wir
können hier nicht alles mehr erörtern. Alle diese Dinge sind ja so überzeugend, so
eindeutig und klar, und die Zusammenarbeit zwischen der römisch-katholischen Hierarchie
und dem Faschismus ist darüber hinaus auch in der politischen Presse vielfach erwähnt
worden, daß jeder, der nur sehen will, die Wahrheit sieht:
Jawohl, der Papst ist der Steigbügelhalter des Faschismus gewesen!"
So also sah die Liebe" der Zeugen Jehovas zu den Katholiken, von der eingangs
die Rede war, in der Praxis aus.
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