Re: Weinerlich


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 07. Februar 2005 07:36:32:

Als Antwort auf: Re: Neues zu Herrn H. geschrieben von Drahbeck am 27. Dezember 2004 07:30:11:

Weinerlich belehrt Herr H. auf "seiner" Webseite jetzt:

"Bisherige Rezensionen haben sich eher durch eine oberflächliche Betrachtungsweise ausgezeichnet, als durch tatsächliches Hervorheben der neuen Erkenntnisse."

Einen den er damit meint ist neben Anke S. nun neuerdings auch der Herr Thomas Sch. und dessen Rezension des H.-Buches in einer Mailingliste für historisch Interessierte. Nachdem H. schon seit Ende vergangenen Jahres, das was er an Schmidt glaubt monieren zu sollen, auf "seiner" Webseite zu Protokoll gegeben; reichte ihm dies offenbar nicht aus. Auch der Redaktion jener Mailingliste stellte er nun seine Stellungnahme zu, welche auch dort nun lesbar ist. Ein inhaltlicher Unterschied zudem, was er auf seiner "eigenen" (auf den Namen W., sprich WTG) bei Denic eingetragenen Webseite dazu sagte, ist aber nicht erkennbar.

Ruft man H.'s Webseite auf, werden "künftige" Rezensenten seines Buches schon jetzt in "fünf Punkten" belehrt, was sie denn alles zu beachten hätten, um sich nicht das Mißfallen des Herrn H., respektive der WTG, zuzuziehen.

Weinerlich. Diese Vokabel wurde schon genannt. Weinerlich in Reinkultur auch diese "fünf Punkte".
Die Zeugen Jehovas seien die verfolgte Unschuld vom Lande, die da "plötzlich" zum Kinde gekommen und nicht wusste wie und warum. So der Tenor der H.'schen Ausführungen.
Kein Wort etwa über die Obrigkeitsdoktrin von 1929 bis 1962 der Zeugen, die bei dieser Entwicklung maßgeblich mitspielte.

Kein Wort von H. über "Erwachet!" jener Jahre, vergleichbar dem RIAS. Publizistisch zu Destabilisierung der östlichen Regime beitragend.

Kein Wort bei H., über den Kampf der WTG gegen den McCarthyismus in den USA; der sich dadurch auszeichnete, in WTG-Worten. Man werde in jenen Jahren in den USA schon deshalb als "Roter" verschrieen, wenn man nur rote Limonade verkauft hat und sonst nichts.

Kein Wort bei H., das in Abwehr dieser auch für die WTG gefährlichen Konstellation, die Verbote des Ostblocks "zur rechten Zeit" kamen, um den USA-Falken sagen zu können, und ihnen damit die Waffe aus der Hand zu schlagen.
Was, wir sollen "Kommunisten" sein. Und dann verbieten uns die Ostblockstaaten.

Kein Wort bei H. über die Resolution "Gegen den Kommunismus". Medienwirksam auf dem 1950er Zeugen Kongress in New York von WTG-Präsident N. H. Knorr höchstpersönlich zelebriert.

Kein Wort bei H. darüber, dass beispielsweise Sozialdemokraten, die sich der Zwangsvereinigung zur SED aktiv in Ostdeutschland widersetzten (auch solche Fälle gab es), ebenfalls die äußerst harte Hand des östlichen Regimes kennenlernten.

Kein Wort bei H., hätte es schon damals die WTG KdöR-Ambitionen gegeben (es gab sie damals nicht), dass auch die WTG "zu Kreuze gekrochen" wäre, wie vielleicht andere das auch getan.

Kein Wort bei H., über die Endzeit-Naherwartung als maßgeblichen Katalysator der damals aktiv Handelnden. "Er ist später als du denkst .... Die Tage dieser Welt werden nicht mehr viele sein. Jetzt nicht mehr ...") Solch religiöse Phantasten waren schon immer Kanonenfutter für Geschehnisse, die sie auf Grund ihrer religiösen Verblendung (abgesehen vielleicht von der Führungsspitze), nicht verstehen und zu werten verstanden.

Der Fall ZJ in Ostdeutschland ist ein Tragikfall. Darüber gibt es nichts zu deuteln. Sehr viel zu deuteln hingegen gibt es über den WTG-Anteil daran.
Und auch über die weinerlichen Apologeten H., B. und Co.

Und was die Überbewertung der CV durch H. anbelangt. Die startete erst im Jahre 1965. Also nachdem das DDR-Verbot schon anderthalb Jahrzehnte bestand. In der offiziellen Postzeitungsliste tauchte dieses Blatt nie auf. Wer nicht als Insider von ihrer Existenz irgendwie Wind bekam und sich um deren Bezug bemühte, was möglich war. Der wusste überhaupt nichts von der CV.
Und was die Zeugen anbelangte, welche die ungebeten zugesandt bekamen, ist festzustellen. Durchaus nicht alle erhielten sie.
Die Abwehrstrategie der WTG dazu zeitgenössisch war klar. Ungelesen verbrennen. So ihre Anweisung. Einen Beleg dafür, dass dies auch so praktiziert wurde, findet man (unter anderem) auch in der CV 178.

Insofern ist es eine Überbewertung die da seitens WTG und H. heute vorgenommen wird.
Erinnert sei auch daran, dass auch andere Religionsgemeinschaften in der DDR, etwa die katholische Kirche, mit Regimetreuen Blättern traktiert wurden (im Falle der katholischen Kirche war das die "begegnung", laut Untertitel "Zeitschrift progressiver Katholiken"). Auch da spielte sich das gleiche Spiel ab. Die Wirkung dieser Instrumentarien der DDR-Kirchenpolitik auf den beabsichtigten Adressatenkreis war mal sehr, sehr gering.
Ähnlich lässt sich auch im Bereich Evangelische Kirche nachweisen, mit dessen "Evangelischen Pfarrerblatt", das so "wirkungsvoll" war, das es in einem sanften Tode entschlief; und anderes mehr.

Insofern gilt es die von H. maßgeblich überschätzte DDR-Publizistik in Sachen Zeugen Jehovas, einige Nummern tiefer zu hängen.

Herr Sch. mag mit seiner Rezension oberflächlich sein. Das sehe auch ich so; aber aus anderen Gründen als Herr H.. Wird er jedoch vom Wolf namens H. übel angemacht, und dass ist wohl der Fall: dann gilt es die Relationen herzustellen, wer der Wolf und wer das Rotkäppchen.

Übrigens antwortete Herr Schmidt dem Herrn H. auf auf dessen Replik in der genannten Mailingliste. Nachstehend noch die Ausführungen des Herrn Schmidt dazu:

Thomas Sch.-Lux, Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie,
Universität Leipzig
E-Mail: schmidtt@uni-leipzig.de

Selbstverständlich habe ich in meiner Rezension vom 1.12.04 nicht, wie von Waldemar H. behauptet, "recht lässig" die wesentlichen Ergebnisse seiner Arbeit übergangen. Dieser so vage wie weitgehende Vorwurf ist inhaltlich keineswegs haltbar. Auf die Mehrzahl der erhobenen Einwände geht H. auch gar nicht ein und zeigt zudem an keiner Stelle seiner Replik, dass eine in der Rezension getroffene Einschätzung durch so seine implizite Unterstellung überlesene Passagen seiner Dissertation entkräftet werden könnte.

Ich gehe deshalb hier nur kurz auf einige Punkte ein. Dass die machtpolitische Stellung des MfS in H.s Dissertation widersprüchlich dargestellt wird und letztlich unklar bleibt, kann nicht einfach durch Verweis auf einen anderen Aufsatz entkräftet werden, denn nicht Waldemar H.s wissenschaftliches Gesamtwerk stand zur Besprechung an. Weiterhin schreibt H. in seiner Replik, es sei nicht seine Absicht gewesen, "bereits veröffentlichtes Wissen in seiner Dissertation zu wiederholen".
Hier scheint mir ein sehr spezielles Verständnis für den Umgang mit bereits zum Forschungsthema erschienener Literatur vorzuliegen. Nicht eine bloße Wiedergabe, sondern vielmehr ein systematischer Bezug zur vorliegenden Sekundärliteratur wäre in H.s Dissertation wünschenswert gewesen eigentlich kein sehr ungewöhnlicher Anspruch.

An anderer Stelle sieht H. das eigentliche Hauptkapitel seiner Arbeit, die Tätigkeit der CV, in der Rezension verkürzt dargestellt und verweist auf die "nationalen und internationalen Auswirkungen dieser intensiven geheimdienstlichen Arbeit". Hier liegt nun eine recht großzügige Interpretation der eigenen Forschungsergebnisse vor. Denn einerseits werden die Auswirkungen auf die ZJ auf Grundlage von MfS-Berichten und der generellen Entwicklung der Mitgliedszahlen nur vermutet und als gering eingeschätzt. Weitaus stärker wiegt für H. das Maß, in dem sich kirchliche Kreise in ihrem ZJ-Bild von der CV beeinflussen ließen. Dies wird an einigen Publikationen exemplarisch demonstriert (Kapitel IV.4). Die Behauptung, diese Abschnitte würden die "nationalen" und gar "internationalen Auswirkungen" der MfS-Bemühungen aufzeigen, weckt Erwartungen, die bei einer Lektüre kaum erfüllt werden - bis auf wenige Beispiele für den Schweizerischen Evangelischen Pressedienst finden sich keine weiteren "internationalen" Rezeptionsnachweise.

Wiederum andere Punkte der Rezension, die H.s Interpretationen ergänzen sollten, missversteht H. völlig. Denn im Bezug auf den Säkularisierungsprozess in der DDR ist gerade die Verschränkung von staatlicher bzw. geheimdienstlicher Politik mit den Einstellungen bzw. Verhaltensweisen weiter Teile der Bevölkerung zu erklären. Dies ist möglicherweise auch bei den ZJ-feindlichen Ausschreitungen in Bischofswerda der Fall, womit einer Initiativrolle des MfS überhaupt nicht widersprochen wäre.


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