Re: 1914

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 08. Dezember 2004 20:33:57:

Als Antwort auf: Re: s. geschrieben von Hannes am 08. Dezember 2004 20:21:06:

Um prophezeien zu können, dass die angesammelten Spannungen in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, nur in einem Ende mit Schrecken ihre Entladung finden könnten, muss man wahrlich nicht Charles T. Russell heißen. Folgt man indes der WTG so soll wohl der Eindruck übrigbleiben. Nur Russell wäre der diesbezüglich „große“ Prophet gewesen. So auch in der „Wachtturm“-Ausgabe vom 1. Juli 1952, welche die zeitgenössische Verkündigung der Bibelforscher selektiv verzerrt wie folgt darstellt:

„’Das Ende aller Königreiche im Jahre 1914!’ So lautete die auffallende Schlagzeile eines Artikels über Jehovas Zeugen, der in einer weltlichen Zeitschrift, im ‘New World Magazine’, in ihrer Ausgabe vom 30. August 1914, erschien. Ein Auszug aus dem Artikel lautet: ‘Der furchtbare Kriegsausbruch in Europa hat eine aussergewöhnliche Prophezeiung erfüllt. Während des vergangenen Vierteljahrhunderts haben die Internationalen Bibelforscher, die am besten als Millenium-Tagesanbruchleute bekannt sind, durch ihre Prediger und durch die Presse der Welt verkündigt, dass der Tag der Rache, wie er in der Bibel prophezeit ist, im Jahre 1914 anbrechen werde. ‘Blickt nach 1914 aus!’ ist der Ruf von Hunderten reisender Evangelisten gewesen, die als Vertreter dieses befremdenden Glaubens landauf, landab zogen und die Lehre verkündigten, dass das ‘Königreich Gottes herbeigekommen sei.’ Obwohl Millionen von Leuten diesen Evangelisten gelauscht haben müssen, obwohl eines ihrer Bücher, ‘Die Zeit ist herbeigekommen’, in mehr als vier Millionen Exemplaren in Umlauf gesetzt worden war, und obwohl religiöse Publikationen und der weltliche Pressedienst, drunter Hunderte von Zeitungen des Landes, wie auch Vorträge, Debatten, Studienbilder, ja selbst Filmbilder es anzeigten, weiss doch der Durchschnittsmensch nicht, dass solch eine Bewegung wie der ‘Millenium-Tagesanbruch’ besteht.“

Demgegenüber ist festzustellen. Russell hatte die ohne Zweifel vorhandenen realen Spannungen metaphysisch verklärt und in ein theologisches Prokrustesbett hineingezwängt. Auch andere registrierten diese Spannungen, und sahen in ihrer Konsequenz sorgenvoll in die Zukunft. So etwa Friedrich Engels, der im Jahre 1887 ebenfalls erklärte:

„Und endlich ist kein andrer Krieg für Preußen-Deutschland mehr möglich, als ein Weltkrieg, und zwar ein Weltkrieg von einer bisher nie geahnten Ausdehnung und Heftigkeit …
Die Verwüstungen des Dreißigjährigen Kriegs zusammengedrängt in drei bis vier Jahre und über den ganzen Kontinent verbreitet … Zusammenbruch der alten Staaten und ihrer traditionellen Staatsweisheit, derart, daß die Kronen zu Dutzenden über das Straßenpflaster rollen und niemand sich findet, der sie aufhebt; absolute Unmöglichkeit, vorauszusehn, wie das alles enden und wer als Sieger aus dem Kampf hervorgehen wird … Das ist die Aussicht, wenn das auf die Spitze getriebene System der gegenseitigen Überbietung in Kriegsrüstungen endlich seine unvermeidlichen Früchte trägt. Das ist es, meine Herren Fürsten und Staatsmänner, wohin Sie in ihrer Weisheit das alte Europa gebracht haben. …“

Der Unterschied zwischen Russell und Engels besteht darin; dass letzterer auf einen Politikwechsel hin orientierte; während Russell den klassischen Opiatcharakter der Religion betonte. Hoffe und Harre - auf den „Sanktnimmerleinstag“!


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