Re: Johann Heinrich Jung-Stilling


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 27. Oktober 2004 06:33:05:

Als Antwort auf: Johann Heinrich Jung-Stilling geschrieben von Default am 26. Oktober 2004 23:16:17:

Jung-Stilling für seine Zeit als “Universalgelehrter” klassifiziert, einerseits als Augenarzt tätig; andererseits sich auch mit theologischen Fragen (unter anderem) beschäftigend, kann nicht uninteressant sein. Für das Zeugen Jehovas-Milieu ist er erst mal schon dadurch „disqualifiziert“ weil er eine vom materiellen Körper unabhängige Seele voraussetzt.
Gleichwohl hatten die zeitgenössischen Theologen wohl keine sonderliche Freude an ihm. Ersichtlich auch daran, dass es Werke von ihm gab, die einem kirchlichen Verbotsedikt ausgesetzt waren; etwa seine „Theorie der Geisterkunde“, die diesen Leutchen nicht „rechtgläubig“ genug war. Namentlich wohl auch weil sie gewisse rationalisierende Tendenzen enthielt. Und da das Wunder des Glaubens liebstes Kind ist, verzeiht so etwas die religiöse Orthodoxie nicht.

Elberfeld, im Bergischen Land, von Friedrich Engels schon mal „Muckertal“ genannt, erwies sich schon immer als eine besonders „fromme Gegend“ bis heute. Dort auch der Wirkungsbereich von Jung-Stilling Etliche von den Großkirchen als Sekten qualifizierte Kreise, fassten dort zuerst in Deutschland Fuß, unter anderem auch die Bibelforscher.

Bemerkenswert aber auch, dass er Endzeit-Naherwartungen auch zugetan war. Dazu liest man unter anderem:
„Unter dem Eindruck der Französischen Revolution von 1789 begann Jung-Stilling sich intensiv mit der biblischen Eschatologie zu beschäftigen. Dadurch gewann er eine veränderte Sicht der Welt und ihrer Geschichte. Aus der optimistischen Zukunftserwartung der frühen Schriften mit dem Ziel der Umgestaltung der Welt zu einem Paradies wurde eine geistliche Aufbruchstimmung angesichts der nahen Zukunft des Herrn. …

Der in so erschreckendem Masse sich vollziehende Abfall der Christenheit ist für Jung-Stilling ein eindeutiges Zeichen der Endzeit und der nahen Zukunft des Herrn. Der "goldene Uhrzeiger", der die Zeit innerhalb der Heilsgeschichte anzeigt, steht auf 11! Das grosse göttliche Gericht steht vor der Tür. Der gekreuzigte und in der Gegenwart wieder neu bekämpfte Christus wird bald öffentlich in all seiner Majestät erscheinen. "Die Zeit ist nahe, und dein Heimweh ist sehr natürlich!" …

Seine Beschäftigung mit der Geheimen Offenbarung, seine Hinneigung zu den Herrnhutern sowie die widrigen Zeitumstände (Zusammenbruch des alten Reiches, Französische Revolution und die sich daran anschliessenden Kriege mit ihren verheerenden Folgen) machten Jung-Stilling auch zum Chiliasten. Er nahm zeitweise an, die geweissagte Endzeit auf Erden stehe kurz bevor oder habe gar schon begonnen.“

„Später begann unter dem Druck der Zeitereignisse das eschatologisch-apokalyptische Motiv vorzuherrschen. So richtete Jung-Stilling in der Volksschrift »Der Graue Mann« (1795-1816) seinen Bußruf an die dem Unglauben und dem Luxus verfallene Christenheit und beschrieb in seinem von Bunyan angeregten Roman »Das Heimweh« (1794-96) den Zug der endzeitlichen Gemeinde nach dem rettenden Osten.“

Wenn man heutzutage in diesem Land, der Einwanderung von Russland-Deutschen begegnet, dann hat dies auch eine tiefere Ursache. Deren Vorfahren sind tatsächlich mal aus Deutschland nach Russland ausgewandert. Neben den ohne Zweifel maßgeblichen ökonomischen Gründen dafür, gab es aber auch eine metaphysische Verklärung dieser Vorgänge. Namentlich Endzeit-Naherwartungen spielten damit hinein.

Registriert man im Falle Zeugen Jehovas, dass ihre Endzeit-Naherwartungen sie besonders zum „Klinkenputzen“ befähigen (und säkularisiert als aktiv in der Vertreterbranche wirkend. Egal ob sie Staubsauger, Versicherungen oder Amway verkaufen wollen). So war damals diese Endzeit-Naherwartung in Auswanderungsaktionen kanalisiert, in ein vermeintlich „gelobtes Land“. Nicht wissend im voraus, ob sie dort wirklich Fuß fassen oder untergehen werden.


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