Geschrieben von Drahbeck am 23. August 2001 19:23:43:
Als Antwort auf: Re: William H. Bowen geschrieben von Drahbeck am
19. Juni 2001 21:15:50:
Vor einiger Zeit wurde eine aus den USA kommende Meldung publik, dergestalt dass auch
in den Reihen der Zeugen Jehovas, Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch bekannt wurden.
Das besonders gravierende dabei war auch noch, dass seitens verantwortlicher
WTG-Funktionäre eine versuchte Vertuschung zu registrieren ist. Getreu dem Motto:
"Du kennst die Christen nicht. Ihr Stolz ist es Christen zu sein, nicht Menschen
" (Heinrich Heine).
Die Motivation der im Zwielicht sich befindenden WTG-Funktionäre ist ganz
offensichtlich darin zu sehen, den Schein zu wahren (getünchte Gräber würde Jesus
vielleicht dazu sagen). Weil solche Meldungen sicherlich nicht "fördernd" sind,
versuchte man, wo die Möglichkeit bestand, zu vertuschen, auch um den Preis des Schutzes
der Täter.
Die Zeitschrift "Chrismon plus" brachte in ihrer Ausgabe 8/2001 einen ähnlichen
Bericht. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass es sich um einen Fall aus der
katholischen Kirche handelt.
Letztere wird ja von den Zeugen Jehovas "Babylon der Große zugeordnet. Offenbar wird
es Zeit, diese These wieder mal zu aktualisieren. Auch die WTG darf sich getrost als
diesem Club zugehörend, einordnen.
Nachstehend der entsprechende Bericht aus "Chrismon plus":
Der Bischof von Bayeux, einer Kleinstadt in der Normandie, galt stets als ein besonnener
Kirchenmann: privat herzlich, nach außen zurückhaltend, kein kirchenpolitischer Eiferer
jedenfalls. Nun steht Pierre Pican vor Gericht, und ganz Frankreich diskutiert über sein
Schweigen in einer äußerst delikaten Angelegenheit. Das Ansehen der katholischen Kirche
steht auf dem Spiel - einer Kirche, die eigentlich gerade dabei ist, sich gegenüber der
Gesellschaft zu öffnen.
Es geht um Kindesmissbrauch. Im Laufe des Jahres 1996 erfuhr Bischof Pican von einer
Mutter, dass ein Priester seiner Diözese, Rene Bissey, sich an ihrem Sohn vergangen habe.
Pican befragte den Beschuldigten und beauftragte seinen Generalvikar, den Fall zu
beobachten. Er forderte, den Pater auf, sich einer Therapie zu unterziehen, was auch
geschah. Zwei Jahre später, im September 1998 bestätigte der Bischof Rene Bissey
turnusgemäß in seinem geistlichen Amt.
Nur zwei Tage darauf wurde der Priester jedoch festgenommen. Die Eltern von mehreren
seiner Opfer hatten Anzeige erstattet. Im Oktober 2000 wurde Bissey wegen sexuellen
Missbrauchs Minderjähriger in elf Fällen zu 18 Jahren Haft verurteilt. Das Urteil in der
zweiten Instanz wird für 2002 erwartet.
Spätestens seit dem harten Urteil begann eine entsetzte Öffentlichkeit zu fragen, warum
der Bischof nicht etwa selbst Anzeige erstattet, sondern sein schwarzes Schaf sogar, im
Gemeindedienst bestätigt hatte. Das französische Strafgesetz legt fest, dass sexueller
Missbrauch von unter 15-jährigen angezeigt werden muss - von jedem Bürger. Einzige
Hintertür: das Dienstgeheimnis. Darauf können sich auch Geistliche berufen, wenn ihnen
solche Straftaten in der Beichte anvertraut wurden. Wie weit das, was ein Priester seinem
Bischof auf dienstliche Anfrage mitteilt, ebenfalls dem Dienstgeheimnis unterliegt, ist
dagegen strittig. Genau darum geht es seit Mitte Juni in dem Aufsehen erregenden Prozess
gegen Bischof Pican. Das Urteil soll am 4. September gesprochen werden.
Es ist auch ein symbolischer Prozess. Auf dem Spiel steht das Ansehen der katholischen
Kirche in Frankreich insgesamt. Immerhin sind in den letzten Jahren 50 Priester der
Pädophilie beschuldigt worden, rund 30 wurden bisher verurteilt. Vor diesem Hintergrund
fragen Eitlem und Vertreter von Kinderrechtsorganisationen, ob kirchliche Würdenträger
eine Art Sonderschweigerecht hätten.
Die katholischen Bischöfe Frankreichs haben die Brisanz des Falles früh erkannt. Sie
haben alle Würdenträger aufgefordert, in Sachen Kindesmissbrauch aufzuklären statt zu
vertuschen, vorzubeugen statt zu bestrafen. Einige Bischöfe haben ihnen unterstellte
Priester zur Polizei begleitet und selbst ausgesagt - zumindest aber ermutigten sie die
betroffenen Familien, Anzeige zu erstatten. Eine Expertengruppe erarbeitet derzeit im
Auftrag der Bischofskonferenz eine Broschüre zum Thema Pädophilie sowie
Verhaltensrichtlinien für alle Geistlichen. Eine Ära der Transparenz soll beginnen.
Diese Strategie durchkreuzt nun Pican, seit 1988 Bischof von Bayeux. Als Salesianer in der
Nachfolge Don Boscos liegt ihm die Erziehung junger Menschen unzweifelhaft am Herzen. Im
Fall Bissey beruft er sich jedoch ausschließlich auf das besondere Verhältnis eines
Bischofs zum Priester - eine Art Vater-Sohn-Beziehung und somit nicht vergleichbar der
Dienstaufsicht eines weltlichen Vorgesetzten. Im laizistisch geprägten Frankreich wird
dies als bloßes Mauern verstanden, zumal Pican sich in kirchenrechtlichen Fachvokabular
ergeht. Der Staatsanwalt wertet es als Vertuschungmanöver, dass der Bischof aussagt, nur
Bruchstücke vom Fall Bissey gekannt zu haben. Pican hält dagegen: "Der Weg der
Bescheidenheit führt manchmal durch die Erniedrigung."
Beobachter rechnen mit einer Verurteilung. Höchststrafe: drei Jahre Haft auf Bewährung
und bis zu 100000 Geldstrafe. Ein Schuldspruch, der auch eine Berufung übersteht, wäre
europaweit ein Novum in einem solchen Fall. Bislang wurde lediglich der belgische Kardinal
Godfried Danneels in erster Instanz wegen eines ähnlichen Vergehens verurteilt. Erst im
Berufungsverfahren wurde der Erzbischof von Brüssel entlastet. Allerdings kennt das
belgische Recht keine so drastische Pflicht zur Anzeige von Kindesmissbrauch wie das
französische.
Bernadette S... / Christian S...
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