Honoratioren unter sich


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 10. Oktober 2004 12:31:02:

Auch in der bundesdeutschen Geschichtsschreibung (den Sonderfall Ostdeutschland mal beiseite lassend), sind nach 1945 gewisse Phasen registrierbar. Nachdem man sich (was bei einigen auch nicht selbstverständlich war) damit abgefunden hatte, dass Hitleregime gehört nun der Vergangenheit an; stellte sich alsbald auch die Frage: Welche neue Helden man denn nun feiern könne. Man ward schon relativ schnell fündig.
Der 20 Juli 1944 und seine Opfer waren nun das Thema das neuen Heldengedenkens.
Damit dass ganze nicht zu einseitig auf militärische Kreise beschränkt bleibe, befand man dass man die Selbststilisierung der Großkirchen auch noch in das Konzert des neuen Heldengedenkens mit aufnehmen könne.

Da die SPD in diesem Lande sich von jeher demokratischen Traditionen verpflichtet weiß, konnten Adenauer und seine Mannen es nicht verhindern, dass auch die noch - zeitverzögert - mit in den Chor des Heldengedenkens aufgenommen wurden.

Dann war lange, lange Jahre, der Heldenhimmel erst mal ausgefüllt. Neuzugänge waren nicht vorgesehen. Irgendwann aber ließ sich guten Gewissens der Umstand nicht länger verdrängen, da gab es ja wohl auch noch die Kommunisten. Und sage und schreibe sollen die auch gewisse Probleme mit den Nazis gehabt haben. Wenn man auch deren Heldenstilisierung Made in Ostdeutschland nicht übernahm (übernehmen konnte); setzte sich, wiederum zeitversetzt, mit der „gebotenen Verzögerung" die Erkenntnis durch, deren Rolle in der fraglichen Zeit auch mal etwas näher zu untersuchen.

Nicht mit der erklärten Absicht, die nun auch in den Bundesdeutschen „Heldenhimmel" mit aufzunehmen. Aber auch nicht mehr mit der expressis verbis Doktrin, dies dürfe grundsätzlich nicht geschehen.

Und so lassen sich denn auch diverse, differenzierende Studien von Bundesdeutschen Historikern, auch zu diesem Thema nachweisen. Nicht unbedingt schon in den 1950er Jahren, später aber dann doch auch.

Als dann Anfang der 90er Jahre der ostdeutsche Teilstaat seine Selbständigkeit aufgab (aufgeben musste), war auch dieses Thema nunmehr mehr oder weniger ausgereizt. Grundsätzliches Neuland gab es da kaum noch.

Dennoch gab es immer noch weiße Flecken auf der bundesdeutschen Historiker-Landkarte. Ob es wirklich „weiße Flecken" waren, über die schon ein Friedrich Zipfel und ein Michael H. Kater profundes geschrieben hatten, kann man mit einem Fragezeichen versehen.

Einer der die Meinung vertrat, dass sind weiße Flecken und nichts anderes, war dann Mitte der 90er Jahre der Detlef G.. Mit seiner Studie legte er dann einen Grundstein, dem sich weitere anschlossen.

Von Zeit zu Zeit pflegen Honoratioren der Historikerzunft, schon mal Sammelbände zu publizieren, zu deren Inhalt selbstredend nur beitragen kann (und darf), wer denn von den anderen Honoratioren dieser Zunft als ebenbürtig anerkannt wird.

Ein solcher nunmehr im Jahre 2004 erschienener Sammelband, herausgeben unter maßgeblicher Beteiligung (zumindest finanzieller Art) der Bundeszentrale für politische Bildung, liegt nunmehr vor. Sein Titel:
„Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur 1933 - 1945" herausgeben von Peter Steinbach und Johannes Tuchel.
ISBN 3936872376

Und was bemerkenswert ist, auch der Detlef G. ist dort nun in den Kreise der Honoratioren aufgenommen worden. Sein Kernthema Zeugen Jehovas in der NS-Zeit hat er geringfügig darin erweitert, indem er auch Gruppen wie die Siebenten Tags Adventisten Reformationsbewegung oder den Mormonen Helmuth Hübener und verwandtes, mit inhaltlich streift. Wer indes G.'s Standardwerk gelesen hat, der wird allerdings auch in diesem Fall registrieren (können). Honoratioren erliegen manchmal auch dem Umstand, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Bezüglich der Zeugen Jehovas bietet er jedenfalls kaum etwas, was nicht schon in seinem Standardwerk dargeboten wurde. Vielleicht etwas gestraffter, vielleicht etwas griffiger jetzt geschrieben. Aber das war es dann wohl auch schon.
Die Forschung zum Thema hat offenbar bei G. ihren (nicht mehr überbietbaren) Höhepunkt erreicht: meint er wohl; wenn er dass selbstredend auch so nicht ausspricht.

Natürlich sind nicht nur die Zeugen Jehovas Thema dieses Bandes. Auch alles andere einschlägige findet sich in dieser Überblicksdarstellung wieder. Unter anderem auch solches über die Kommunisten. Über letztere habe ich mir dann den nachfolgenden kritisch wertenden Satz in diesem Band notiert:

„Insgesamt befanden sich von den rund 300.000 KPD-Mitgliedern des Jahres 1932 etwa 150.000 mehr oder weniger lange in Haft. Bis Kriegsende soll die Zahl der Ermordeten und Hingerichteten auf 20.000 gestiegen sein. Den 1933 propagierten Massenwiderstand der Kommunisten hat es nur zu Beginn der NS-Herrschaft gegeben. Das ändert nichts daran, dass die Kommunistische Partei die größte Zahl von Toten im Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur zu beklagen hatte.
Festzuhalten bleibt auch, dass kommunistischer Widerstand in mehreren Phasen und auf ganz unterschiedliche Weise geleistet wurde. Die erste Phase bis Mitte der 1930er Jahre, war gekennzeichnet durch einen verlustreichen Aktionismus, angeordnet durch eine starre Parteibürokratie."

Ich hätte mir gewünscht, dass es in diesem Band auch eine ähnlich kritisch differenzierende Wertung bezüglich der Zeugen Jehovas gegeben hätte. Leider sehe ich diesen Wunsch nicht erfüllt!


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