Re: Seltsame Sitten bei Jehovas Zeugen


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 08. Oktober 2004 21:52:04:

Als Antwort auf: Re: Seltsame Sitten bei Jehovas Zeugen geschrieben von Didi am 08. Oktober 2004 21:01:51:

Sicherlich ist der erste Weltkrieg ein „epochemachendes" Ereignis. Nicht nur die WTG sagte seit den 1870er Jahren, dass die angestauten Interessengegensätze, ohne ernsthaften Willen zu ihrer Abmilderung, nur in einem „Ende mit Schrecken" ihre Auflösung finden könnten. Ähnliches prophezeite auf Seiten der Sozialdemokratie auch Friedrich Engels, der da auch ankündigte, die Kronen würden in den Gossen landen - und niemand würde sie noch aufheben.

Insofern hat auch Russell „in der Luft liegende Spannungen" aufgenommen; sie dann allerdings metaphysisch verklärt. Das ist ja das Charakteristikum der Religion insgesamt (sofern sie nicht zum Staatschristentum oder Staatsreligion verkommen ist), als Katalysator auf vielerlei Defizite der menschlichen Gesellschaft hinzuweisen, ohne im eigentlichen Sinne, zur Beseitigung dieser Defizite beizutragen. Man lässt es eben nur bei den Kassandrarufen bewenden.

In Deutschland, darüber hinaus in weiten Teilen Europas, war das Christentum zur Staatsreligion verkommen (die KdöR-Frage läßt grüßen).
Jene, die da auch von der Religion, in die Schützengräben des ersten Weltkrieges hineingepredigt wurden, hatten, sofern sie dieses Trauma noch überlebt hatten, zu großen Teilen, erst mal von Kirche und Religion, mit Verlaub gesagt „die Schnauze voll".

Das sollte sich nun für die Großkirchen rächen. Das eine Bewegung wie die heutigen ZJ in Deutschland überhaupt nennenswert Fuß fassen konnte, ist zu wesentlichen Teilen diesen Umstand zuzuschreiben. Sichtet man alte WT-Jahrgänge vor 1914, wird man dort an verschiedenen Stellen den Nachweis finden, dass Russell Deutschland als ein äußerst hartes Pflaster bewertete, indem es für seine Interessen einfach nicht recht vorwärts gehen wollte.

Die Folgewirkungen des ersten Weltkrieges, veränderten auch dieses noch.

Bibelforschrer/Zeugen Jehovas, waren aber nur ein Detailausschnitt aus dem Spektrum jener, die mit den Großkirchen endgültig „fertig" waren. Der weitaus größere Teil von ihnen tendierte beispielsweise zum atheistischen Freidenkertum. Dort wurden den „Großkirchen" erst recht die „Leviten gelesen". Da blieb kein „Auge trocken".

Auch die Kirchenfunktionäre sahen, dass sie zunehmend mit dem Rücken an der Wand standen. Als der „Braunauer" dann gar noch verkündigte, er repräsentiere „positives Christentum", warfen sich nicht wenige von ihnen, ihm an den Hals. Ihre aus der vorgenannten Not entstandene Handlungsweise, sollten sie aber schon alsbald bitter bereuen lernen. Denn auch der „Braunauer" hatten für Seelenverkäufer nicht allzuviel übrig. Er zog es vor, das Geschäft alleine zu betreiben, um nicht Zinsen über Zinsen für eine lächerliche Hilfeleistung, letztendlich bezahlen zu müssen.

Wachen Gespür's merkten allerdings die etablierten Kirchenfürsten, schon gleich nach 1918, dass die Bibelforscher, sich zwar „biblisch" verkaufen, dass aber besonders, wie schon Algermissen rekapitulierte, sie auf jene Aspekte „ansprangen", die den Großkirchen auch bei den Freidenkern begegneten; nämlich der massiven Kirchenkritik.

Dieses Feld hatte Rutherford im besonderen mit beackert. Und wenn die Kirchenfürsten meinten, zwischen den atheistischen Freidenkern und den Bibelforschern, gebe es auf der Ebene Kirchenkritik, kaum Unterschiede; dann hatten sie mit der Einschätzung sogar recht.
Der Größenwahn des „Braunauer" führte auch für sein Regime zu einem Ende mit Schrecken. Neue Herren hatten anschließend das sagen. Soweit es den westlichen Teil Deutschlands betrifft, erlebte die Religion eine ungeahnte Renaissance. Nicht im Sinne wirklicher Überzeugung. Aber auf der erneuerten Basis faktischen Staatskirchentums unter neuen Firmenschildern. In diesem Kontext musste auch die WTG ihre antikirchliche Polemik nach 1945, den neuen Gegebenheiten anpassen. Allzu schrille Töne waren da nicht mehr gefragt. Die Phase des bloß Nebeneinanderlebens hat sich allerdings, zwischenzeitlich auch schon wieder überholt. Die Geschäftsbeziehungen der WTG zu einem Herrn B. (oder davor einer Frau Y.) und noch einige andere, sprechen da Bände!


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