Re: Empfängnisverhütung


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 06. September 2004 15:33:05:

Als Antwort auf: Re: Empfängnisverhütung geschrieben von Julie am 05. September 2004 16:04:45:

Als Veranschaulichungsbeispiel kann man auch auf das Buch von Ursula Neitz "Dämonen auf dem Dach" verweisen, dessen Hauptinhalt als zehn verschiedenen Erlebnisberichten jener besteht, welche nicht selten schon seit den frühesten Kindertagen den Zeugen Jehovas-Glauben eingetrichtert bekamen. Aus Kinder werden eines Tages Leute, dass ist auch bei den Zeugen Jehovas so. Und dann offenbaren sich in bestimmten Konstellationen eben auch die Schattenseiten der WTG-Erziehung, in einer Art und Weise, wie sie in der Theorie natürlich nicht vorgesehen sind. Der einleitende Erlebnisbericht unter dem Pseudonym Pascal Bachmann geschrieben, berichtet beispielsweise, dass in seinem Fall die Zeugen Jehovas-Außenseitererziehung zu einem ganz sonderbarem Ergebnis geführt hatte.

Das er Weihnachten nicht zu feiern hätte, war natürlich auch ihm eingetrichtert worden und weitgehend befolgt. Tja, wo aber ist die Grenzziehung? Das ist schon immer eine schwierige Frage gewesen. Schon seit den Tagen der Zeugen Jehovas in den Hitler'schen KZs.

Die einen sahen es dort als Kriegsbegünstigung an, wenn sie den ihn aufgetragenen Arbeitsauftrag der Angorakaninchenpflege ausüben wurden, und verweigerten diese, da sie mutmaßten, die Kaninchenwolle könnte ja in Militäruniformen Verwendung finden.
Die anderen hatten hingegen keine Skrupel SS-Offizieren den Haushalt zu führen, deren Kinder zu Babysittern und anderes mehr; damit der SS-Offizier so entlastet, umso strammer auf dem Appellplatz seine strammen Befehle herausbrüllen konnte.

Die Zeiten haben sich gewandelt. Die Probleme von Zeugen Jehovas-Kindern liegen auf einer niedrigen Ebene. Gleichwohl müssen auch sie manchmal eigenverantwortlich abwägen, was ist im Sinne ihrer Religion nicht erlaubt, und was gerade eben noch.

Vor einer solchen Konfliktsituation stand offenbar zur Weihnachtszeit auch dieser Pascal. Er konnte es durchaus mit seinem Gewissen vereinbaren, in einer Bastelstunde Sterne herzustellen. Stolz auf sein Werk zeigte er es seiner Mutter und wollte die so selbstgebastelten Sterne am Fenster seines Zimmers anbringen. Die Mutter hatte erst mal mit dem Stirnrunzeln zu kämpfen. Nachdem sie sich dann einigermaßen gefasst hatte, sagte sie sich wohl auch. Na ja, dass könnte man ja noch durchgehen lassen. Dem Vater, Ältester der Versammlung, erging es ähnlich. Nach dem Zureden seiner Frau, ließ auch er sich zu einer ähnlichen Haltung überreden.

Allerdings hatte diese Familie die "Rechnung ohne den Wirt" gemacht. Das sollte sich dergestalt bemerkbar machen, das andere Verwandte (gleichfalls den Zeugen Jehovas zugehörig) den Grundsatz befolgten, dass zu denunzieren. Die Folge, bei der nächsten Zeugen Jehovas Versammlung wurde diese Familie nach Versammlungsende zu einem Gespräch zurückbehalten. Die Zeugen Jehovas-Falken befanden, dass mit den Sternen geht zu weit. Das muss rückgängig gemacht werden. Da der Vater seinen Ältestenposten wohl nicht wegen dieser Sache aufs Spiel setzen wollte, wurde dieser Aufforderung sofort in vorauseilendem Gehorsam Folge geleistet.

Nicht diese eigentlich recht banale Begebenheit interessiert hier. Hier interessiert mehr, wie aus dem Kind Pascal dann eines Tages ein Mann wurde, und welche Erfahrungen und Eindrucke er dann in dieser Phase seines Lebens sammelte.

Dazu nachstehend ein entsprechendes Zitat aus dem genannten Buch, dass meines Erachtens für sich spricht:
"So war uns Jugendlichen dann auch immer bewusst, was uns blühen konnte, wenn wir uns sexuell betätigten. Wie eingangs erwähnt haben die Zeugen Jehovas ein sehr verkrampftes Verhältnis zur Sexualität. Es herrscht auch ein sehr striktes Rollenverständnis von Mann und Frau in der Versammlung. Als künftigen Zeugen Jehovas musste uns natürlich eingebläut werden, wie wir mit den beginnenden Hormonschüben umzugehen hatten. Wir hatten schon von klein an gelernt, welche Gefühle Jehova wohlgefällig und welche 'sündig' waren. Die Sexualität vor der Ehe fand laut Wachtturmgesellschaft eindeutig die Missbilligung Jehovas. Wenn sich ein Paar vor der Ehe verlustierte, musste es unbedingt geheim bleiben, sonst drohte eine 'Komiteeverhandlung' mit den bekannten Folgen. 'Hurerei' nannte die Wachtturmgesellschaft solche schamlosen Übertretungen von Gottes Gesetz.

Wir jungen Leute standen deshalb auch immer unter besonderer Beobachtung. Wenn wir uns untereinander trafen, dann wurde darauf geachtet, dass sich bloß kein Junge und Mädchen allein in einem Raum befanden. Es konnte ja sein, dass beide die Wollust überfiel und sie sich ins Unglück stürzten. Von Verhütung hatte man höchstens im Sexualkundeunterricht in der Schule gehört. Da man natürlich Gottes Gesetz nicht vorsätzlich brechen wollte, dachten viele auch nicht an Kondome oder Ähnliches. Das hätte ja bedeutet, dass man sich ohnehin nicht mehr an die Maßstäbe Jehovas halten wollte ...

Ein Mädchen in unserer Versammlung wurde dann doch von ihrem Freund schwanger. An Verhütung hatten sie beide scheinbar nicht gedacht. Sie war noch in der Ausbildung, also auf die Hilfe ihrer Eltern angewiesen. Als ihr Freund, der nur 'Interessierter' war, sie dann verließ, stand sie natürlich dumm da. ...

Da bei den Zeugen Jehovas eine Beziehung gleich zwingend als Eheanbahnung gesehen wird, wurden alle Pärchen am Ort ständig von den Eltern beäugt, dass sie auch ja keine Zeit allein verbringen konnten. 'Hurerei' und damit mindestens eine 'öffentliche Zurechtweisung' vor der Versammlung war ja eine gesellschaftliche Katastrophe. Auch wenn der Versammlung das 'Vergehen' nicht namentlich mitgeteilt wurde, konnten sich die lieben Brüder und Schwestern das ohnehin meistens denken. Das bekamen dann indirekt auch die Eltern zu spüren, die ja anscheinend nicht richtig auf ihre Kinder aufpassten. ...


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