Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Witnesses Wake up

(Zeugen erwachet!)

Entnommen aus: CV 149

Newsweek, 20. Juli 1981, New York, USA

Alles ist nicht in Ordnung innerhalb des Königreiches der Zeugen Jehovas. Zorn über ihre Führer und nicht länger gewiss in den Sektenlehren sind Gruppen von desillusionierten Gläubigen in diesem Sommer auf den Zeugen - Kongressen quer durch Nordamerika in Erscheinung getreten

RUHIG MARSCHIERTEN SIE - IHRE KOPFE MANCHMAL MIT TASCHEN VERDECKT, DAMIT SIE NICHT IDENTIFIZIERT UND AUSGESCHLOSSEN WERDEN KONNTEN - mit Transparenten,

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die die Offiziellen der Sekte anklagten und einige der fundamentalsten Doktrinen der Sekte angriffen. Die Dissidenten sind noch eine kleine Minderheit , aber sie wachsen. Unterstützt von einigen evangelikalen protestantischen Missionaren bilden sie Verbindungen von Bibelnachfolgern, deren Ziel ist, die Lehren der Wachtturm-, Bibel- und Traktat-Gesellschaft zu entlarven, wie die Zeugen formell bekannt sind. Dazu bedroht eine Anzahl früherer Zeugen in den Vereinigten Staaten und Kanada die Gesellschaft mit Gerichtsverfahren mit der Anklage geistiger und sozialer Grausamkeit durch die Hände der Ältesten-Inquisitoren.

Der Wachtturm-Gesellschaft kommen solche Herausforderungen ungewohnt. Von allen Millenniums-Sekten, die im 19. Jahrhundert in Amerika entstanden, benehmen sich nur die Zeugen Jehovas, als ob das Ende der Welt morgen kommen würde. Sie werden gelehrt, andere Freundschaften zu meiden, nur zu heiraten, wenn sie müssen, und Kinder nur auf eigene Gefahr zu gebären. In ihrer abgetrennten Welt verbringen disziplinierte Zeugen im Durchschnitt sechzehn Stunden in der Woche mit dem

Studium von Bibeltraktaten, Anhängersuchen, Wahrnehmung von Diensten und dem Ermahnen ihres Königreiches wegen geheimer Sünder. Nichtkonformsein wird nicht geduldet. Jedes Jahr exkommuniziert die Sekte wenigstens 1 Prozent ihrer 2,2 Millionen Mitglieder - eine Bestrafung für Zeugen, schlimmer als der Tod, da sie glauben, dass der Ausgeschlossene am Tage des Gerichts nicht mehr aus dem Grabe auferstehen werde.

Falsche Prophetie

Die Zeugen-Probleme begannen In den 60er Jahren, als die Sektenführerschaft durch Wachtturm, Erwachet und andere Publikationen verkündigte, daß die 6000-Jahr-"Zeiten der Nationen" im Herbst 1975 zu Ende kommen. Die Führerschaft gründete diese Prophetie auf eine komplizierte biblische Chronologie, die die Geburt Adams auf den Herbst des Jahres 4026 v. Chr. plaziert. Für die Gläubigen - einschließlich der Ältesten, die in den lokalen Versammlungen predigen - bedeutete dies nur eines: Harmagedon war endlich zur Hand. Die Glaubenstaufen nahmen zu und viele Zeugen trafen klüglich Vorbereitungen für den langprophezeiten Krieg zwischen Jesus und Satan. Einige holten ihre Ersparnisse von den Banken, verkauften ihre Heime und warteten freudevoll, die Erde zu ererben. Andere traten aus Schulen aus, annullierten Heiratspläne und gingen nicht mehr zum Arzt.

Als die Welt nun nicht endete wie vorausgesagt, züchtigte Wachtturm-Präsident Fred Franz, der Cheflehrer der Sekte und geistige Zeithaushalter, jene, die die Voraussage zu fein interpretiert hatten. Das exakte Datum könne nicht genau bestimmt werden, erklärte er, weil "wir nicht wissen, wie kurz der Zeitintervall war zwischen der Erschaffung Adams und der Erschaffung Evas".

Verlorene Illusionen

Desillusioniert begannen einige Zeugen den Verstand der Führerschaft in Frage zu stellen. Sie deckten auf, daß Franz nicht der erste Führer war, der eine Prophezeiung über Harmagedon machte, die er später wieder hinwegerklären mußte. Schließlich begannen Zeugen, fundamentalste Sekten-Doktrinen in Frage zu stellen. Die apokalyptische Vorstellung, daß Kriege und Hungersnöte interpretiert werden können als Zeichen, daß die letzten Tage nahe sind. Andere begannen zu bezweifeln, daß die Leitende Körperschaft der Wachtturm-Gesellschaft wirklich Jehovas "treuer und verständiger Sklave" ist, bestimmt dazu, seine Wahrheit zu verkündigen. "Es ist eine falsch Religion", sagt der Religionshistoriker James Penton, einer der 50 ehemaligen Zeugen in Alberta, Kanada, die nun aktiv arbeiten, die Sektenlehren zu entlarven.

Ketzerei auch im WTG-Hauptquartier

Ketzerei ist auch im Wachtturm-Hauptquartier in Brooklyn, N.Y. aufgebrochen, wo etwa 1800 Zeugen arbeiten und in einer großen religiösen Kommune leben. Vor zwei Jahren wurden ein Dutzend Zeugen einschließlich eines Seminarleiters und eines Mitgliedes der Leitenden Körperschaft ausgeschlossen wegen Anklage gegen den Sektenglauben, daß es im Himmel nur Platz gibt für 144 000 "Gesalbte". Die Zeugen werden gelehrt zu glauben, daß, seit die meisten dieser himmlischen Sitze gefüllt sind, die "große Volksmenge" der Gläubigen mit einem irdischen Paradies zufrieden sein muß. Diese Vorstellung beunruhigt viele. "Ich glaube nicht, daß Gott zwei Klassen im Millennium beabsichtigt", sagt Rene Vasques, früherer Leiter der spanischsprechenden Wachtturm-Abteilung, der wegen Lehrinfragestellung ausgeschlossen wurde. "Wir alle wünschen die himmlische Hoffnung".

Die große Klage

Die Hauptklage des Fußvolks der Zeugen scheint mehr die Disziplin als die Doktrin zu betreffen. Die Versammlungsältesten werden von der Leitenden Körperschaft bestimmt - und zu oft klagt die Kritik, daß sie mit erbarmungsloser und despotischer Hand regieren. Die Scheidungsgrundsätze zum Beispiel wurden seit 1972 zweimal geändert. Zeugen, die sich nach den alten Regeln scheiden ließen, müssen nun zu ihren früheren Partnern zurück oder den Ausschluß in Kauf nehmen. Unabhängiges Bibelstudium ist verboten, und irgendwer, der einen Ältesten anklagt - aus moralischen, schriftgemäßen oder administrativen Gründen - muß mit der Wahrscheinlichkeit rechnen, vertrieben zu werden. Als Ted und Genevieve Shanks aus Estes Parks, Colorado, bei den höheren Autoritäten klagten, daß in einer Ältestenfamilie Blutschande getrieben wird, wurden sie summarisch verhört und ausgeschlossen. Nun treffen sie Vorbereitungen für ein Multimillionen-Dollar-Gericht s verfahren gegen die Sekte wegen falschen Ausschlusses und anderer "gebrochener Versprechen".

Der Sekte Führer behaupten, daß die Dissidenten eine winzige Minderheit seien. "Wir haben die Pflicht, uns von den Abtrünnigen zu bewahren", sagt der Wachtturmsprecher William van de Wall. Auf jeden Fall, die Zeugen machen sich keine Sorgen über Spaltung. Sie haben prophezeit, daß die Welt enden wird noch vor dem Tode des letzten Zeugen, der 1914 geistig erwachsen war. Bei vorsichtiger Berechnung bedeutet das, Harmagedon bricht aus am Ende dieses Jahrhunderts, zu einer Zeit, in der apokalyptische Prophezeiungen Tausende von Gläubigen finden können.

Kenneth L. Woodward und Eloise Salholz/New York

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