Darauf einen Mehrzeiler

Von Gerd Borchers-Schreiber

Seit es Menschen gibt auf Erden
fragen die sich: Was wird werden?
Ach, man wäre fein heraus,
wüsst' die Zukunft man voraus!
Vor allem, wenn man wüsste, wann
geschieht wohl dies und jenes dann,
dann könnte man entsprechend planen!
So - so dachten schon die Ahnen -.
Doch häufig liegt der Mensch im Leben
mit Prognosen voll daneben,
in Wirtschaft und in Politik,
der Technik und im Weltgeschick!
Gut gezielt und schlecht getroffen -
kann man auf Verbess'rung hoffen?
Auch in Punkto Religion
gab's da viele Pleiten schon.
So hat man in alten Zeiten
- wer kann dieses heut bestreiten? -
mächtig und höchst intensiv
fest geglaubt, was anders lief:
Katholiken, Protestanten,
Pfarrer, die die Bibel kannten,
Bibelforscher, Adventisten,
ernste, fromme Bibelchristen
ham viel Zeit und Schweiß verwendet,
zu entdecken, wann sie endet
diese Welt in der wir leben,
wann soll es was Bess'res geben? -
Wann wird Christus wiederkommen
zu erlösen alle Frommen
und die Bösen zu vernichten
wie die Schriften uns berichten?
Wohl hat deren Herr und Meister
sehr gewarnt vor Rechenkleister.
Doch jedwede Gen'ration
ließ nie ganz das Rechnen schon.
Daten, möglichst kompliziert,
die der Laie kaum kapiert,
nahmen Gläubige halt an,
in der Hoffnung, 's sei was dran!
So konnt' man den Glauben würzen
mit dem Neunzehnhundertvierzehn:
Sieben Zeiten sollen enden
und das Weltgeschehen wenden -.
Die da auserkoren waren
soll'n Entrückung all erfahren,
also in den Himmel kommen
froh vereint mit andern Frommen
früh'rer christlicher Geschlechter!
- So der treu-verständ'ge Wächter.
Auf der Erde breche - welch Malheur -
Zorn Gottes über alle her:
Ein Drangsal ohnegleichen,
ein Wehe Arm und Reichen,
nicht beweint und nicht begraben,
zu Dünger und zu Fraß der Raben!
Und - Gottes neue Welt
käm pünktlich, wie bestellt.
Doch schließlich erntete man Hohn
nach neunzehnhundertvierzehn schon -
denn viele fragten fies:
'Wo bleibt denn nur das Paradies?'
'Was tut's? Das ist doch Schnee von gestern,
uns schert das nicht, wenn Dumme lästern!'
Wir blicken vorwärts! Nicht zurück!
Und - verkünden neues Glück:

Nach anno Fünfundzwanzig
wird keiner alt und ranzig!
Ein Jubeljahr ist dies, jawoll!
das alle Leiden lösen soll:
Heil'ge Männer alter Zeiten
werden dann zur Weltmacht schreiten:
Abel, Noah, Abraham -
Fürsten regeln Gottes Plan!
's kommt eine goldne Zeit -
bald, bald ist es so weit!
Jetzt gilt's (!) das Reich zu erben und:
Keiner bräuchte mehr zu sterben!
Doch dann gingen die Prognosen
ganz aufs Neue in die Hosen -.
Viele fühlten sich blamiert -.
Andre logen ungeniert,
dass die neue Rechenpleite
nicht das Werk der Führungsleute!
"Die ham das nie gesagt!" -
entgegnet man dem der fragt -.
"Vorwärts schauen - nicht zurück!"
ist ja der Enttäuschten Glück.
Späterhin in solchen Fällen
tut's das Wort: "Alte Kamellen!"
Glaubst du, man hätt' draus gelernt?
O, mitnichten - weit entfernt:
Gottes Organisation
tritt aufs Neue in Aktion:
"Jetzt ist das Ende greifbar nah!" -
so tönt es aus Amerika.
Dem zweiten Weltkrieg folgt ganz klar
die Schlacht Gottes prompt, unmittelbar!
Alle Kraft zum Endspurt jetzt!
Andres wird zurückgesetzt:
Heirat, Schule und Beruf
kommen in ganz schlechten Ruf.
Kinder gelten sozusagen
als Ballast, Gefahr und Plagen.
Zum Schlusswerk wird mobilisiert,
der Eingriff Gottes garantiert,
kann jeden Tag beginnen -
es gilt, dem zu entrinnen!
Dem "letzten Weltkongress", habt acht (!)
folgt dann "der nächste nach der Schlacht!"
Welch Feuer! Welch Begeisterung!
Und wir, wir bleiben ewig jung -!
Die Zeit ging hin, vom Endspurt müd',
der offensichtlich zu verfrüht,
braucht die erschöpfte Herde
- wie etwa müde Pferde
die nicht mehr hören auf "Marsch-Marsch" -
ein Portion Pfeffer in den Arsch:

Man rechnet hin und rechnet her,
hochchronologisch bitte sehr,
und siehe es ergibt sich:
Man kommt auf Fünfundsiebzig!
6000 Jahr' von Adam her -
ist alles klar, was will man mehr!?
Was Jehova durch den Sklaven
mitgeteilt den sanften Schafen
brachte Schwung und Pioniere
was Begeist'rung wieder schüre!
Man startete Traktat-Aktionen
- zu Millionen, zu Millionen -
'zentnerschwere Hagelsteine'
soll'n auf Große und auch Kleine
der Verstockten niederprasseln,
ihre Hoffnungen vermasseln!
Babel sei ja schon gefallen
und Vernichtung gelte allen,
die nicht auf die Warnung hören
von den Wachtturm-Redakteuren:
'Höchste Zeit' vor allen Dingen,
'Was die 70er Jahre bringen',
dass du dem Interesse schenkst:
'Es ist später als du denkst!'
Doch das Ende blieb - o Graus -
wieder einmal pünktlich aus -!
Klar sucht man nach diesem Schock
auch nach einem Sündenbock -
bloß nicht in der Chefetage,
Sklave käm sonst arg in Rage!
Die in Zweigen und Bezirken,
Kreisen und am Orte wirken -
diese sind die Missetäter!
Ja, die ham den schwarzen Peter!
Redlich müht man sich indessen
'75 zu vergessen -.
Dann hat man zu guter letzt
auf die Gen'ration gesetzt,
die schon anno '14 lebte
und dem Ende näherstrebte:
'Keinesfalls wird sie vergehen.
sie wird die Befreiung sehen'!?
Das Bibelmaß für's Menschenleben
ist mit achtzig angegeben,
also rechnet selbst der Dumme
'94 aus als Summe.
Wieder einmal ist ganz klar,
spätestens in diesem Jahr
geht's dem jetzigen System
so wie einst Jerusalem!
Solches 'Licht' in Sonderheit,
uns serviert 'zur rechten Zeit',
sollte jeder ohne mucken,
brav und ohne zögern schlucken.
Wer den Hals schon vorher streckte,
man vom Lehrpult runterfegte!
Keiner lernt von dem was war
- traurig, traurig - aber wahr!
So verging auch diese Nummer
mit der Zeit und manchem Kummer.
Wieder wurde offensichtlich,
dass Prognosen falsch und nichtig.
Jeder hatte schließlich Klarheit
- was da Trug und was da Wahrheit -
doch wer es nicht sehen will,
der schluckt weiter und hält still!
So ist aus ganz großen Worten
nur ein pures Nichts geworden
und Babels Fall und Sturz
ist wie ein alter Furz
- verstunken und verflogen -
die Gläubigen betrogen!
Aber, aber, aber, aber
- hört man aus dem Volksgelaber -
der 'Sklave' kann nie schuldig sein!

Und man macht sich diesen Reim:
Grad so dachten viele Juden,
als sie den an's Richtholz schlugen,
der damals die Einheit störte
und die Oberschicht entehrte!
Einesteils habe er schon Recht
- aber spalten - das ist schlecht:
Uneins - fünf in einem Haus -
ist das nicht ein arger Graus?!
Dass der Christus Menschen trennte,
auf die Erde Feuer sende,
mit der Wahrheit Frieden stört,
hat die Masse sehr empört!
Wahrheit wird nicht sehr geschätzt
- damals, später und auch jetzt.
"Was ist Wahrheit?" sagt Pilatus
wohl im Blick auf seinen Status
in der Welt der Politik,
wo man siegt durch List und Trick.
Aus dieser Sicht wird jedem klar:
Wahrheit zeugen birgt Gefahr!
Du sollst sie nicht den Hunden geben,
sonst kostet's dich vielleicht dein Leben;
beim Schwein wirst du nur Zorn entzünden,
suchst du die Wahrheit zu ergründen!
Drum prüfe, wen du vor dir hast,
ob er sie liebt, ob er sie hasst -

die Wahrheit, die den Perlen gleich,
das Tor ist in das Gottesreich!
Die Wahrheit nur macht wirklich frei
auch von der Einheits-Frömmelei!
Erfasse wer die Wahrheit ist:
Such Einheit auch in Jesus Christ!!!

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