Misha Anouk
Auf die Frage des Interviewers, ob er sich eine Rückkehr zu den
Zeugen vorstellen könne. Klare und entschiedene Antwort: Nein!
Was er aus heutiger Sicht anders machen würde?
In der Phase des Ausstiegs es vermeiden, auf sich allein gestellt zu sein,
psychologische Unterstützung suchend (Zwischenbemerkung:
Rohmann lässt grüßen).
Die Ausstiegsphase war auch bei ihm durch die Stufe „Doppelleben"
gekennzeichnet.
Auch dieser Satz erscheint mir beachtlich, den sich namentlich etliche die von
der Religionsindustrie auch materiell leben bzw. leben wollen
(Zwischenbemerkung: Twisselmann lässt grüßen).
Er habe von anderen (auch seinen Eltern) diverse male gehört, sie haben ein
Verhältnis zu Gott:
Er indes habe besagten Gott nie gespürt.
Etwa bei Minute 9,30
Eben weil die Zeugen eine „leistungsorientierte" Organisation sind (Leistung als
Treppenterrier). Etwaige Individualprobleme erfahren durch diese Organisation
keine reale Hilfe.
(Vjekoslaw Marinic lässt grüßen).
http://www.wdr5.de/sendungen/neugiergenuegt/redezeit/mishaanouk100.html
"Goodbye Jehova"
In seiner Buchbeschreibung notiert der Rowohlt-Verlag über das Buch von Misha
Anouk mit dem Titel:
„Goodbye Jehova!
Wie ich die bekannteste Sekte der Welt verließ", auch die Sätze:
„Was passiert eigentlich auf der anderen Seite der Tür, wenn du sie den Zeugen Jehovas vor der Nase zuschlägst? Zeugen Jehovas kennen die meisten von uns nur aus der Fußgängerzone oder als lästigen Besuch an der Tür – häufig etwas bieder, vor allem harmlos" ...
Diesem Votum zufolge sollen also Außenstehende der erste Adressatenkreis
dieser Publikation sein.
Erstaunliche 543 Seiten Umfang, umfasst nun diese Publikation. Wobei ich die
Rückfrage hätte, ob angesichts dieses Umfanges nicht etliche der
Außenstehenden überfordert sind, und es bei diesen Leserkreis eher beim
Anlesen, weniger beim tatsächlichen Lesen bleibt.
Auf jeden Fall kann man dem Verlag (im Vergleich mit anderen Büchern)
bescheinigen, damit ein durchaus beachtliches Ergebnis unter dem Aspekt des
Preis-Leistungsverhältnis vorgelegt zu haben.
Wie fing nun die Biographie des Autors an?
1981 in Gribaltar geboren, dann zogen seine Eltern, schon nach kurzer Zeit
nach Deutschland (Bielefeld) um.
In Sachen seiner Eltern ist weiter festzustellen, beide waren Absolventen der
WTG-Missionarsschule „Gilead". Sie fassten schon dort ihre spätere Heirat ins
Auge, mussten sich aber erst mal für einen mindest zweijährigen
Missionardienst (als noch Ledige) verpflichten.
Für Misha's Vater lautete die „Zuteilung": Marokko.
„Irgendwann flogen sie in Marokko auf, wo sie im Untergrund tätig gewesen waren, weil die Zeugen Jehovas dort verboten sind. Deshalb wurden sie von der Wachtturm-Gesellschaft nach Gibraltar versetzt."
Diese Versetzung nach Gribraltar, ermöglichte dann auch die anvisierte
Heirat.
Leichter gesagt, denn getan. Ab dem Moment der Verheiratung interessierte die
WTG, deren wirtschaftliche Aspekte überhaupt nicht mehr. Ergo musste das junge
Paar selber zusehen, wie es wirtschaftlich über die Runden kam.
Die weitere Folge:
„Von Gibraltar zogen wir über Umwege
nach Deutschland, wo mein Vater in Bielefeld eine Arbeitsstelle fand."
Selbstredend machte der Vater auch in Deutschland, dergestalt weitere
WTG-Karriere, als er leitender Ältester einer ZJ-Versammlung wurde, auch
gehörte er einem der sogenannten "Krankenhausverbindungskomitees" an.
Dazu notiert Misha weiter:
„Man kann sagen, dass meine Familie eine kleine Zeugen-Jehovas-Dynastie ist."
Um diese Aussage etwas zu vertiefen, sei auch noch diese Aussage zitiert.
Der Onkel und die Tante von Misha sind in der WTG-Zentrale Selters tätig.
Dazu auch seine Aussage:
„ Ehefrauen von Ältesten zum Beispiel
hatten oft starken Einfluss auf ihre Ehemänner und waren im Hintergrund an
Entscheidungen beteiligt, die sie eigentlich nichts angingen. Das habe ich
zu Hause häufig erlebt. Auch die Rolle meiner Tante in der
Deutschland-Zentrale der Zeugen Jehovas war sehr undurchsichtig - sie
bekleidete natürlich kein offizielles Amt, aber ihre Geschichten, die sie
zum Besten gab, oft mit brisanten Interna geschmückt, ließen darauf
schließen, dass sie innerhalb der Organisation, speziell innerhalb der
deutschen Zentrale, äußerst gut vernetzt war, bis in die höchsten
Hierarchieebenen."
Auch diese Episode weis er noch zu berichten:
„Irgendwann in den Neunzigern klingelt
bei uns zu Hause das Telefon. Ein Glaubensbruder, ebenso wie meine Eltern
ehemaliger Missionar, ist am anderen Ende. Er fragt meinen Vater, ob er
schon von diesem einen Vortrag gehört habe. Mein Vater verneint. Der
Glaubensbruder erzählt, dass ein Mitglied der Leitenden Körperschaft
in einem Vortrag das neue Album X der Band Y verurteilt habe, weil auf dem
Cover, wenn man es schräg hält, in ungünstigem Licht das Gesicht Satans zu
sehen sei. Der Redner, immerhin Mitglied der Leitenden Körperschaft will
wissen, dass wahre Christen keine Musik dieser Band, die dummerweise
gerade unglaublich populär ist, besäßen. Mein Vater gibt diese Information
zunächst an meine Mutter, dann an uns Kinder weiter. Ich ärgere mich.
Schließlich wollte ich mir die neue CD dieser Band kaufen. Mein Kumpel
(auch aus dem ZJ-Milieu) will es mir nicht glauben, muss aber am nächsten
Tag die CD wegwerfen, weil meine Eltern nach der Zusammenkunft mit anderen
Mitgliedern unserer Versammlung, unter anderem seinen Eltern, über die
Ansprache gesprochen haben."
Eine Zwischenüberschrift bei Anouk lautet auch:
„Im Hamsterrad der 'Paradies GmbH'"
In dieses wird er nun zusehends integriert.
„Um nicht auf dumme Gedanken zu kommen, wurden wir beschäftigt. Das Leben eines Zeugen Jehovas war eine riesengroße Beschäftigungstherapie."
Das Zeugentypische „Wachtturm"-Studium mit seinem Frage- und Antwortspiel
charakterisiert er als „theokratischen Idiotentest."
Aber auch für ihn gibt es kein Entrinnen:
„Es ist gar nicht so einfach, bei den Zeugen Jehovas bloß Mitläufer zu sein. Ein Mindestmaß an Geschick und Eifer ist erforderlich, nicht ins Fadenkreuz der Ältesten zu geraten; mit protestantischer oder gar katholischer Mittelmäßigkeit hat man ruckzuck einen Hirtenbesuch am Hals, so schnell kann man gar nicht gucken-"
Letztendlich endigt diese Phase dann mit seiner Taufe in seinem 14.
Lebensjahr.
Rückblickend stellt er fest, echte Entscheidungsvarianten in Sachen Taufe oder
nicht, hatte er ohnehin nicht. Und im Rückblick antwortet er daher an die
Adresse seiner Kritiker (eben auch der aus dem eigenen Familienkreis);
Als Detailepisode auch sein Votum:
„All das glaubte ich, weil meine Eltern mir bezüglich des Weihnachtsmannes die Wahrheit gesagt hatten. Allerdings hatte diese Wahrheit auch ihren Preis: Weder gab es den Weihnachtsmann - noch seine Geschenke. Ich hätte die Lüge bevorzugt."
„Die freie Entfaltung meiner
Persönlichkeit war mir wichtiger als Pandabären.
Das ist meine Version der Geschichte. Ich bin nicht «geistig krank». Ich
bin bloß kein Zeuge Jehovas mehr."
Und
Relevant ist meines Erachtens in seinem Fall, auch die von ihm selbst
gewählte Zwischenüberschrift (S. 399f.) „Doppelleben"
Dazu auch sein Votum:
„Sie (die Zeugen) pflegen mit Bedacht ihr Image der «netten Sekte von nebenan». Nebenan ist jedoch eine Parallelwelt innerhalb der unseren, mit eigenen Gesetzen, Regeln und Riten, die, wenn sie auf jene der Umwelt treffen, ohne Rücksicht auf andere und eigene Verluste verteidigt und durchgesetzt werden."
Oder auch dieses:
„Mein Doppelleben war gut ausgegangen
für mich. Das lag unter anderem auch an der unfreiwilligen
Zwei-Klassen-Gesellschaft, die ich unter Zeugen Jehovas erlebt habe. Als
Kind eines Ältesten hatte man es definitiv leichter. Man profitierte von
den Vorschusslorbeeren, wenn es um Vorrechte oder Privilegien ging.
Und man hatte als Ältestenkind gewissermaßen einen Diplomatenpass. Man
genoss im Gegensatz zu Jugendlichen, die keinen Ältesten zum Vater hatten,
eine gewisse Immunität. Solange man es nicht übertrieb und es vor allem
nicht einem allzu großen Publikum bekannt wurde, konnte man häufiger und
größere Scheiße bauen, ohne dass es nennenswerten Ärger gab."
Namentlich die prinzipiell verklemmte Sexualmoral, bildete in seinem Fall
den größten Stolpersein, der mit seinem Gemeinschaftsentzug im Dezember 2003
seinen vorläufigen Abschluss fand. Allerdings einen Abschluss, der ihn kaum
als gefestigten Menschen zurückließ. Dazu benötigte er weitere Jahre, mit
Höhen und Tiefen.
Zum Weiterlesen unter anderem:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-10/zeugen-jehovas-anouk
http://www.ardmediathek.de/tv/Plan-B-Talk/1LIVE-Talk-Geistig-krank-Talk-mit-M/1LIVE/Audio-Podcast?documentId=19129094&bcastId=262464
http://geistigkrank.wordpress.com/
http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,460701,460701#msg-460701
Ein weiteres umfängliches Interview - Durchaus anhörenswert!
http://dradiowissen.de/beitrag/zeugen-jehovas-ein-aussteiger-erz%C3%A4hlt
Es zeigt sich auch, bei diesem Beispiel, wie es um den tatsächlichen
Wissensstand in Sachen ZJ bei Außenstehenden bestellt ist. Symptomatisch an
der „Umtaufung" durch den Reporter, der Begriff „Königreichssaal" den er als
„Königssaal" aussprach
http://books.google.de/books?id=E9UHBAAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_atb#v=onepage&q&f=false