Tertullian
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 15. Juli 2011 00:17
Vor fünfzig Jahren
Tertullian

Alfred Adam bescheinigt in seinem "Lehrbuch der Dogmengeschichte":

"Der zweite große Theologe der frühkatholischen Zeit ist Tertullian."

Karlheinz Deschner meint in seinem "Und abermals krähte der Hahn" ebenfalls, er sei

"der erste große lateinische Kirchenschriftsteller, der Schöpfer des institutionellen Kirchenbegriffs."

Und weiter Deschner, die Kirche sei

"für ihn nicht mehr nur eine Heils-, sondern auch eine Gesetzesanstalt, eine Institution der Disziplin, ja "ein militärischer Verband".

Nicht mit Unrecht habe man daher Tertullian den "Begründer des Katholizismus genannt."

Aber: "zu den zahlreichen Paradoxien der Kirchengeschichte gehört es, daß Tertullian kein Katholik geblieben ist. Er erkannte die Gefahr der durch Ihn begründeten institutionellen Kirchenauffassung und schwor der Orthodoxie im Alter ab. Er ging ins Lager der Montanisten über, aus dem rabiaten Ketzerbekämpfer wurde ein begeisterter Ketzer, aus dem fanatischen Verteidiger kirchlicher Traditionen ein glühender Gegner derselben."

Zum ideologischen Umfeld des Übertritts zu den Montanisten, gehört dann wohl auch das, was Martin Robbe in seinem "Der Ursprung des Christentums" wie folgt zusammenfasst:

"Auch an anderen Orten lebte die Erwartung des baldigen Weltendes auf. In der Landschaft Pontus verkündete ein Bischof seiner Gemeinde die ihm zuteil gewordene Offenbarung, daß das Weltgericht innerhalb eines Jahres kommen werde, woraufhin alle ihr Hab und Gut verschleuderten, die Äcker brachliegen ließen und in Furcht und Zittern den jüngsten Tag erwarteten. In Syrien zog ein Bischof mit seiner Gemeinde in die Wüste, um den wiederkommenden Christus zu empfangen; sie verirrten sich, und nur eine Polizeistreife rettete sie vor dem Hungertode. Montanus und seine Gefährtinnen galten bei ihren Anhängern, deren Zahl trotz der Angriffe der offiziellen Kirche rasch wuchs, als die letzten und endgültigen Träger göttlicher Offenbarung. Sie sollten die Gläubigen unmittelbar in das neue Jerusalem führen, das als die Verwirklichung der himmlischen Ordnung verstanden wurde."

Und weiter Robbe: "Die Montanisten setzten die Linie fort, die über die Essener zu den Begründern des Christentums geführt hatte. Aber bereits ihre Zeit und noch entschiedener die Nachwelt hat sie als Ketzer verurteilt, obgleich die offizielle Kirche den Montanisten entscheidende Grundzüge ihres Lehrgebäudes verdankt."

Also befand vor langen, langen Jahren Herr Tertullian (etwa 160 - 220 u. Z.):
 

dass die "wiedererweckten Heiligen auf dem Boden gesammelt würden, auf dem sie einst leiden mussten."

Diese seine Aussage wird etwa dem Jahre 207 zugeordnet, als er es vorzog dem Hauptstrom des Christentums, dem er als Offiziersohn seit etwa 190 zugehörig war, doch wieder den Laufpass zu geben, zugunsten einer radikaleren Gruppe, den Montanisten.
Über letztere notiert die Wikipedia unter anderem:

"In der phrygischen Ortschaft Pepuza würde das neue Jerusalem vom Himmel herabkommen, und hier sollte man auch gemeinsam den Anbruch des Tausendjährigen Reiches ...erwarten."

Diese These also hat es also auch Herrn Tertullian in seinen späteren Jahren angetan.
In seiner Schrift "Die Prozeßeinreden gegen die Häretiker" hatte er selbst noch kräftigst, auch gegen Montanus gewettert, was aber nun, zum "Schnee von gestern" wurde.
In seiner Vor-Montanistischen Zeit, vertrat offenbar auch Tertullian andere Thesen.
Beleg dafür auch die Aussage in seiner Schrift
"Über die Auferstehung des Fleisches":

"Weil der Herr selbst in seinem Befehl, in der Stimme des Erzengels und in der Posaune Gottes herabsteigen wird vom Himmel und die in Christus Gestorbenen zuerst auferstehen werden. Dann werden wir, die wir noch leben, zugleich mit ihnen in die Wolken emporgehoben werden, Christus entgegen in die Luft, und so werden wir immerdar bei dem Herrn sein." ... Wo hat man sonst schon die Stimme eines Erzengels oder eine Posaune Gottes gehört, als nur in den Kammern der Häretiker?"

Pech für Herrn Tertullian, als Wanderer zwischen den Welten, dass sein "Nachruhm" dieserhalb etwas lädiert ist. Christliche Kreise rechnen Herrn Tertullian, namentlich auch wegen seiner Schrift "Apologeticum" als zu ihren frühen "Sternen" gehörend.
Allerdings dann wohl nicht "alle" christlichen Kreise.
Zitat Wikipedia:

"In der Orthodoxen Kirche wird Tertullian teilweise als Quelle einer unguten theologischen Tendenz angesehen, die sich in Augustinus von Hippo fortsetzte und 1054 schließlich zum Bruch zwischen West- und Ostkirche führte."

Neben verschiedenen anderen "Verdiensten" darf Herr Tertullian sich wiederum nach der Wikipedia zitiert, auch dieses "Verdienst" zurechnen: "Seine Thesen hatten auch Einfluss auf das Verschwinden des Theaterspiels aus Westeuropa im Frühmittelalter."

Kann man vielleicht sogar verstehen. Die Religionsindustrie liefert ja selbst genug Theater. Das muss halt die Konkurrenz "weggebissen" werden.

In seiner Schrift "Über die Schauspiele" postulierte Tertullian beispielsweise:

"Wenn wir in das Taufwasser hineinsteigen und, die Worte seines Gesetzes nachsprechend, den christlichen Glauben bekennen, so beteuern wir mit unserm eigenen Munde, dem Teufel, seiner Pracht und seinen Engeln entsagt zu haben."

Jenes von ihm postulierte Entsagen möchte er halt auf die Schauspiele mit angewendet wissen.
Mag man solcherart Argumentation auch als gewagt ansehen. Wie man sah fand er durchaus diesbezügliche Wiederkäuer.

Er meint zur Stützung seiner These auch noch anführen zu sollen:

"Das Theater ist eigentlich ein Heiligtum der Venus. In dieser Eigenschaft ist überhaupt erst diese Art von Bauwerken in die Welt eingeführt."

Und weiter in seiner kruden Philosophie:

"Aber Venus und Bacchus halten zusammen; sie sind ja beide böse Geister der Trunkenheit und Wollust, die miteinander in einer Verabredung und Verschwörung stehen. Daher ist das Theater der Venus auch ein Haus des Bacchus oder Liber."

Das alles will er dann auch noch auf den Sport übertragen wissen, und meint zu ihm:

"Ihrem Ursprunge nach sind sie (Wettkämpfe oder Sport) mit den Spielen verwandt."

Einen Kernsatz seiner Ausführungen kann man wohl in dem Satze sehen:

"Kein Schauspiel geht vor sich ohne starke geistige Erregung."

Genau, da dürfte "der Hund begraben liegen". Besagte "starke geistige Erregung", möchte er vorrangig für die eigene Aberglaubensform kanalisiert wissen. Ergo muss diesbezügliche Konkurrenz "weggebissen" werden, in seiner Sicht.
Gemessen an diesem Hauptargument rangiert der von ihm auch vorgebrachte Vorhalt, eher zu einem Nebenargument:

"Wird uns nicht ebenso befohlen, jegliche Schamlosigkeit fernzuhalten? Auch hierin liegt für uns ein Verbot des Theaters, welches die Heimat und der Tummelplatz der Schamlosigkeit ist."

Auch dieser Satz sei noch zitiert, was er denn so als Alternative wähnt anpreisen zu sollen:

"Deine Zirkusspiele seien: Betrachte den Lauf der Welt, zähle die flüchtig dahineilenden Stunden und Zeiten, erwarte den Wendepunkt der Vollendung, verteidige die kirchlichen Genossenschaften, erwache beim Signal Gottes, erhebe dich bei der Posaune des Engels, setze deinen Ruhm in die Palme des Martyriums! ...
Welches Schauspiel für uns ist demnächst die Wiederkunft des Herrn, an den man dann glauben wird, der dann erhöht ist und triumphiert!"

Die Märtyrer haben es ihm dann wohl im besonderen angetan. Eine eigens "An die Märtyrer" betitelte Schrift, beginnt dann schon mal mit der Einleitung:

"Mit der leiblichen Nahrung, welche Euch unsere Herrin und Mutter, die Kirche, aus ihrem Schoße sowie einzelne Eurer Mitbrüder aus ihren Privatmitteln in den Kerker bringen, empfanget, Gebenedeite, die Ihr zu Blutzeugen ausersehen seid, auch eine Gabe von mir zur Stärkung des Geistes."

Zu seiner von ihm postulierten "Geistesstärkung" sollen dann wohl auch nachfolgende Beispiele beitragen:

"Mucius verbrannte seine rechte Hand auf dem Opferaltar, damit diese seine Tat berühmt werde. Etwas Geringeres war es, was die Philosophen taten: Heraklit, der sich den Leib mit Kuhmist bestrich und sich verbrannte, ebenso Empedokles, der in die Flammen des Berges Ätna hinabsprang, und Peregrinus, der vor nicht langer Zeit sich dem Scheiterhaufen überlieferte, da ja auch schon Frauen die Feuerflammen verachtet haben, nämlich Dido, als sie, nachdem sie einen andern geliebt, zum Heiraten gezwungen wurde, und die Gattin des Hasdrubal, welche, als Karthago schon in Flammen stand, mit ihren Kindern in das Feuermeer ihrer brennenden Vaterstadt eilte, um nicht ihren Mann vor Scipio als einen um Gnade Flehenden sehen zu müssen, Regulus, der von den Karthagern gefangene römische Feldherr, wollte nicht, er als einzelner, gegen viele kriegsgefangene Karthager ausgetauscht werden, sondern zog es vor, sich den Feinden zurückgeben zu lassen, und erduldete, in eine Art Kasten gepreßt und von außen allseitig mit Nägeln durchbohrt, ebenso viele Kreuzesqualen. Was die wilden Tiere anlangt, so hat ein Weib sehr danach begehrt und noch nach schlimmeren als Stier und wilder Bär, nämlich Nattern, welche Kleopatra sich ansetzte, um nicht in die Hände ihres Feindes zu fallen. Indessen die Furcht vor dem Tode ist nicht so groß als die vor der Folter."

Sein Rigorismus kommt auch in seiner Schrift "Über das Fliehen in der Verfolgung" zum Ausdruck, welche er grundsätzlich verneint, als mit Gottes Zulassung deutet, und auch etwa Vermeidung, etwa via Bestechungsversuche, verneint.
Im Kontrast dazu läßt das Verhalten von Zeugen Jehovas, in der Wehrdienstfrage in Mexiko, dann wohl grüssen.

Herr Tertullian hatte auch noch eine ganze Reihe anderer "Events" auf Lager. Wie z. B. dieses:

"Sein Verbot der Wiederheirat nach dem Tod des Partners".

In seiner wohl der Montanischen Phase zuortbaren Schrift "Über die einmalige Ehe", meint er diese unter anderem wie folgt begründen zu sollen:

"Hat indes der Herr vorbereitende Aussprüche getan. Wenn er nämlich sagt: "Ich habe euch noch vieles zu sagen, aber ihr könnt es noch nicht tragen; wenn aber der Heilige Geist kommt, der wird euch in alle Wahrheit einführen", so gibt er hinlänglich zum voraus zu verstehen, daß derselbe manches bringen werde, was, weil früher noch nicht gesagt, für neu und manchmal als drückende Last - eben darum war es noch nicht bekannt gegeben - würde gelten können."

Vielleicht darf man auch diese These seinem vielgepriesenen Lobgesang auf das Märtyrertum, im weiteren Sinne zuordnen.

Letztendlich wohl auch dem Bereich der Endzeit-Naherwartung zuschlagbar, welche bei den Montanisten besonders hoch im Kurs stand. Dafür steht dann wohl auch sein Satz:

"Wenn wir aber an eine Auferstehung der Toten glauben, so bleiben wir sicher denen verpflichtet, mit welchen wir auferstehen werden, um gegenseitige Rechenschaft abzulegen."

In seiner Schrift "Über die Aufforderung zur Keuschheit" kann man von ihm auch die markigen Worte vernehmen:

"Es kommt auch vor, daß Christen, für die es doch kein Morgen gibt, auf Nachkommenschaft bedacht sind. Leibeserben sollte der Knecht Gottes sich wüschen, er, der sich selbst zum Enterbten vor der Welt gemacht hat!? ... Die Christen vor die Löwen! Solche Rufe sind es, welche die zu hören wünschen, die nach Kindern verlangen."

In "Die zwei Bücher an seine Frau" liest man dann:

"Ich (Tertullian) schreibe Dir (seiner Gattin) also vor, nach meinem Hinscheiden mit aller Enthaltsamkeit, deren Du fähig bist, jeder ehelichen Verbindung zu entsagen."

Angesichts solcher Thesen ist es dann in der Tat nicht mehr weit, zu der eines Herrn Rutherford, mit dem Heiraten bis "nach" Harmagedon zu warten.

Markant auch seine Forderung in:
"Über die Verschleierung der Jungfrauen"

"Will ich nun auch ... den Beweis führen, dass sich unsere Jungfrauen von dem Zeitpunkt an, wo sie die Grenze dieser ihrer Alterstufe überschritten haben, verschleiern müssen."

Und da fühlen sich mancherlei christliche Pharisäer der Neuzeit, auch dazu berufen, mit dem Finger auf islamistische Kreise hinzuzeigen.
Soll man über letzteres nun weinen? Oder doch lieber lachen?
Auch dieses Argument findet man bei ihm, wer denn vielleicht damit liebäugelt, seinen Rigorismus so nicht zu befolgen:

"Es werden Euch die heidnischen Frauen Arabiens beschämen, welche nicht bloss ihr Haupt, sondern auch das ganze Gesicht derart verhüllen, dass es ihnen genügt, wenn sie ein einziges Auge frei haben und die lieber das Licht nur halb geniessen, als ihr ganzes Antlitz prostituieren."

Der im Englischsprachigen Raum zum Thema Zeugen Jehovas publizierende James Beverly, meint jedenfalls ausrufen zu sollen;

"Lest in einer ruhigen Minute einmal nach, was er (Tertullian) "Über die Kleidung der Frauen" und "Bescheidenheit" schrieb und stellt dann fest, wie sehr manche unserer Redner ihm und nicht Jesus oder Paulus gleichen."

In seiner Schrift "Über den weiblichen Putz", kann man etwa den "argumentativem" Satz lesen:

"Konnte er (Gott) nicht auch purpurrote oder stahlblaue Schafe erschaffen? Wenn er es vermochte [und nicht tat], so hat er es eben nicht gewollt; was Gott aber nicht machen wollte, das darf man auch nicht machen."

Weiter meinte Herr Tertullian:

"Zur vollkommenen, d.h. christlichen Sittlichkeit, müßt Ihr wissen, gehört, daß man nicht nur niemals wünsche, ein Gegenstand des Verlangens zu werden, sondern dies sogar verabscheue."

Dann war er wohl selbst, in seiner Lesart, solch ein "vollkommenes" Exemplar. Jedenfalls Grund zum Abscheu lieferte er übergenug.
Alsbald weis er weiter zu belehren:

"Denn er ist es, gegen den diejenigen fehlen, welche sich die Haut mit Salben einreiben, die Wangen durch Schminke entstellen, die Augenbrauen durch Schwärze verlängern. Natürlich, ihnen mißfällt das Gebilde Gottes; natürlich, sie bekritteln sich damit selbst und tadeln den Schöpfer aller Dinge.
Die Mittel dazu entlehnen sie natürlich von einem rivalisierenden Künstler; der aber ist der Teufel."

Weiter fragt er: "Ist das die Unverweslichkeit, mit der wir fürs neue Haus des Herrn überkleidet werden sollen, welche durch die Dreieinigkeit uns verheißen ist?"

Hier also kommt sie mit vor, die These von der Dreieinigkeit, das nur so am Rande mit notiert.
Der Kirchenhistoriker Nigg bescheinigt ihm desweiteren:

"Während noch Tertullian die einschneidende Frage aufwarf, "was haben Jerusalem und Athen miteinander zu tun?", hielt Origenes das Studium der griechischen Philosophie "auch für sich selbst für sehr notwendig", so daß "er sich ständig mit Plato beschäftigte".

Bemerkenswert empfand ich in einem katholischen Zeitschriften-Aufsatz (Klerusblatt 1953, Aufsatz von einem Herrn Raimund Vatter) auch die Angabe:

"In ähnlicher Weise fertigen die Zeugen Jehovas die Schrifttexte ab, die von katholischer Seite zum Beweis des Dogmas von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit angeführt werden. Sie sind nach ihrer Meinung von den Religionisten in die Schrift eingeschmuggelt oder aber falsch ausgelegt worden.
Ein Religionist namens Tertullian und ein Geistlicher namens Theophilus haben die Lehre von der Dreieinigkeit erfunden."

Nun kann und möchte ich mich nicht in das Gebiet der Dreieinigkeitslehre - diesem theologischen Schrott aus dem verschimmelten Hinterhofkeller - verirren. Ich muss also schon die Verantwortung für die zitierte Aussage, den katholischen Herrschaften selbst überlassen.
Sollte sie indes zutreffend sein, hätte besagter Herr Tertullian wohl auch eine "Aktie" an der von den Zeugen Jehovas bekanntermaßen, nicht geliebten Dreieinigkeitslehre.
Möglicherweise muss man seine Schrift "Gegen Praxeas" als eine polemische namentlich zum Thema Dreieinigkeitslehre ansehen, etwa wenn darin einleitend die Sätze zum besten gegeben werden:

"Der Teufel hat die Wahrheit auf gar verschiedene Weise bekämpft. Er liebt es manchmal, sie durch Verteidigen zu schädigen. Er behauptet einen einzigen Herrgott, allmächtigen Schöpfer der Welt ---- um in betreff dieses einzigen eine Häresie hervorzurufen, und sagt, der Vater selbst sei in die Jungfrau herabgestiegen, aus ihr geboren, habe gelitten, mit einem Wort, er selbst sei Jesus Christus."

Oder auch den nebulösen Satz in selbiger Schrift:

"Wenn Dich in der Trinität noch immer die Mehrzahl ärgert, weil sie zur einfachen Einheit nicht passe, so frage ich, wie kann der Einzige und Einpersönliche in der Mehrheit sprechen: "Lasset uns den Menschen machen nach unserm Bilde und Gleichnisse", da er doch hätte sagen müssen: Ich will den Menschen machen nach meinem Bilde und Gleichnisse!?"

Weiter meint er postulieren zu sollen:

"Aber in der Weise an die Einheit Gottes zu glauben, dass man ihm keinen Sohn und dem Sohne keinen hl. Geist beigeben will, das entspricht dem Glauben der Juden. Was für einen Unterschied zwischen ihnen und uns gäbe es denn sonst noch, wenn nicht diesen?"

Ergo kann die Trinitätslehre in der Motivation ihrer ersten Macher, als Abgrenzungselement gegenüber dem Judentum gesehen werden.

Er redet desweiteren in dieser Schrift von "gewissen Häretikern" mit denen er sich halt auseinandersetzt, und nennt dabei auch ausdrücklich die Marcioniten.
Noch an einer weiteren von den Zeugen Jehovas nicht geliebten Lehre, hat er dann wohl einen Anteil.
In dem 1916 erschienenen Buch von Siegmund Linde, "Der vermeintliche Opfertod Jesu im Lichte der Evangelien." (S. 23, 24) liest man auch die Sätze:

"Im Orient und in Griechenland existieren die Worte Kreuz und Kreuzigung nicht; überall hieß es 'an den Pfahl hängen'. ... Der Erfinder des festgefügten Kreuzes mit Querbalken ist Tertullian, der absolut wollte, dass Jesus nicht wie die vielen Tausende seiner Leidensgenossen an den einfachen Baum oder Marterpfahl gebunden wurde, sondern auf besondere Art gekreuzigt sein müsse."

Auch und besonders, beim Thema Wehrdienst, ist Herr Tertullian dann in die Geschichte eingegangen, wofür auch die Einschätzung steht:

"Kein christlicher Schriftsteller des Altertums hat so scharf den Militarismus bekämpft, wie dieser temperamentvolle Apologet, der selbst Offizierssohn war."

Diese Position soll nach Meinhold dann aber erst in seiner Montanistischen Phase akut geworden sein. Zur Erinnerung nochmals. Das war jener weltfremde Verein, welcher da auf seine wundersame Entrückung in Pepuzia wartete. Und wenn sie dann nicht gestorben sind (was wohl inzwischen doch der Fall sein dürfte), dann warten sie noch heute.
Da passt dann wohl Herr Tertullian als verschärfender Ideenlieferant mit hinzu.
Zitat Peter Meinhold:

"Tertullian ... der in seiner katholischen Zeit zwar das Vorhandensein christlicher Soldaten im Heer zur Verteidigung des Christentums benutzt, aber nach seiner Trennung von der katholischen Kirche und in seiner montanistischen Zeit auf das schärfste den christlichen Soldaten verurteilt. Man kann, so spricht er in der Schrift "Vom Kranze des Soldaten" aus, überhaupt keinem ändern Herrn den Fahneneid leisten als Christus allein."

Sieht man sich seine genannte Schrift "Vom Kranze des Soldaten" näher an, bleibt ein eher zwiespältiger Eindruck zurück.
Einleitend meint er folgende Episode zum besten geben zu sollen, die auch zugleich das Hauptgerüst seiner Ausführungen darstellt:

"Kürzlich trug es sich zu, daß die von unsern erhabensten Kaisern bewilligte Geldspende im Lager zur Auszahlung kam. Die Soldaten traten mit Lorbeer bekränzt hinzu. Einer, mehr ein Soldat Gottes und standhafter als seine übrigen Kameraden, die sich vermaßen, zweien Herren dienen zu können, stach, als der einzige im bloßen Kopfe, den Kranz in der müßigen Hand, rühmlich von den andern ab, indem er schon in dieser Taktik den Christen kundgab."

Namentlich genannter Lorbeerkranz als ein für ihn "Stein des Anstoßes" hat es ihm besonders angetan.
Über selbigem schreibt er dann noch:

"Ich will zuerst über den Kranz selbst sprechen. Lorbeerkränze wie der in Rede stehende sind dem Apollo und dem Bacchus heilig".

Ergo ortet er das ganze dem von ihm verabscheuten "Götzendienst" zu.
Auch wenn er sich desweiteren zu der These durchringt, man könne und solle nicht zwei Herren dienen. Und als solch einen Konfliktfall den Soldatenstand bewertet, so hat er dennoch durch seine eigenen Ausführungen eingeräumt, das es sehr wohl Christen in der kaiserlichen Armee gab.
Er hätte es nun gerne, die würden alle ein ähnliches Spektakulum der Verweigerung des Anlegens von Lorberkränzen veranstalten.
Da es nun solch einen zu seiner Kenntnis gelangten Fall gab, fühlt er sich bemüßigt, diesen und dessen Folgewirkungen dann noch mit den Sätzen zu kommentieren:

"bekränzt durch die Anwartschaft des Martyriums, so erwartet er (sein Fallbeispiel) im Kerker die Spende Christi."

So so! Weiter sein Kommentar:

"Da werden denn nun Urteile über ihn laut - ich weiß nicht einmal, waren es solche von Christen; denn die der Heiden klangen nicht anders.

Wahrhaftig, es fehlt weiter nichts mehr, als daß sie noch darauf ausgehen, auch das Martyrium abzuschaffen."

Ergo Abschaffung des Märtyriums ist für ihn offenbar das eigentliche Schreckgespenst!

Nun hat also der "Wachtturm" vom 15. 7. 1961 in einem Artikel zum Thema Blut, erneut Herrn Tertullian entdeckt. Kaum verwunderlicherweise hat es dem WT auch angetan, dass Herr Tertullian sich auch wörtlich gegen das Essen von Blutwurst aussprach. Was Herr Terullian dann noch so "alles auf dem Kasten hat" wovon vorstehend einiges genannt wurde, darüber indes, redet der WT nicht.
Und was die Tertullian'sche Aussage, keine Blutwurst zu essen, anbelangt, hat sie Herbert Weber in seiner ZJ-Dissertation wohl zutreffend charakterisiert mit der Wertung:

"Die Grundlage der Praxis auf die sich Tertullian ... beruft, ist folgende: Blutopfer waren bei den Römern üblich. Blut hatte bei den Römern eine magische Bedeutung. Um sich von diesen abscheulichen Praktiken zu distanzieren, lehnten manche Christen jeden Blutgenuss ab. Interessant ist dabei, dass es sich nie auf ihre Heilige Schrift beriefen. Es gibt auch keine Hinweis, dass Christen wegen Blutgenuss vor ein Rechtskomitee zitiert wurden."

WTG-Kreise werden Weber vielleicht mit den bekannten Bibelstellen zum Thema Blut widersprechen. Gleichwohl hat Weber richtig festgestellt. Just auf jene Bibelstellen beruft Tertullian sich eben nicht.
Wie immer man sich in diesem Streit auch positioniert, bleibt desweiteren der Umstand bestehen, dass WTG-Kreise sich in Sachen Tertullian nur die vermeintlichen "Rosinen" herauspicken.
Zusammenfassend kann man sich bei diesem Thema auch der Wertung von Holbach anschließen:

"Dann höre man sich an, was die ersten Kirchenväter sagen, und man wird sehen, daß ihre Moral mit der Erhaltung und Macht eines Staates völlig unvereinbar ist.
Man wird erfahren, daß nach Lactantius kein Mensch Soldat sein darf, daß nach dem heiligen Justinus kein Mensch sich verheiraten darf, daß nach Tertullian kein Mensch Beamter sein darf, daß nach dem heiligen Chrysostomus niemand Handel treiben, daß vielen anderen zufolge niemand studieren soll. Vereinigt man schließlich diese Grundsätze mit denen des Welterlösers, so wird sich daraus ergeben, daß ein Christ, der nach Vollkommenheit strebt, wie er soll, das nutzloseste Glied seines Landes, seiner Familie und seiner ganzen Umgebung ist. Er ist ein müßiger Grübler, der nur ans Jenseits denkt, mit den Interessen dieser Erde nichts gemein hat und nichts inniger ersehnt, als sie schnell zu verlassen."

Siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Tertullian

Exkurs
Die Aussagen des Tertullian zum Thema Blut in seiner "Apologetium"-Schrift in etwas größeren Kontext. Eindeutig nachweisbar. Auf dogmatische biblische Aussagen zum Thema Blut beruft er sich eher weniger bis nicht.

Hinsichtlich des Blutgenusses und dergleichen Fabeln der Tragödie leset nach, ob nicht irgendwo - ich meine, es ist bei Herodot - erzählt wird, daß gewisse Nationen zur Abschließung von Bündnissen den Armen entzogenes und gegenseitig verkostetes Blut verwenden? Unter Catilina hat man auch etwas Derartiges, ich weiß nicht recht was, verkostet. Wie man sagt, wird bei gewissen skythischen Völkerschaften jeder Verstorbene von den Seinigen verzehrt. Ich entferne mich etwas zu weit. Heutzutage gibt es hier bei uns blutig Geschnittene zu Ehren der Bellona. Das mit der hohlen Hand aufgefangene und zum Genusse gereichte Blut weiht ein. Wo sind diejenigen, welche gegen ein Stück Geld das frische Blut der in der Arena umgebrachten Verbrecher, wenn es aus der Kehle fließt, auffangen und es wie versessen auffangen, um damit die fallende Sucht zu heilen? Ebenso die, welche von den wilden Tieren aus der Arena sich eine Mahlzeit bereiten, die vom wilden Eber, vom Hirschen begehren? Und jener Eber hat im Kampfe den, welchen er blutig verletzt hat, abgewischt, und jener Hirsch hat im Blute des Gladiatoren gelegen. Sogar der Wanst des Bären, der noch mit Menschengedärmen vollgestopft ist, wird begehrt. Menschen haben das Aufstoßen von einem Fleische, das mit Menschenfleisch genährt wurde. Ihr, die ihr dergleichen esset, wie weit seid ihr denn von den "Mahlzeiten der Christen" entfernt?!

Ist es vielleicht etwas Geringeres, was jene tun, die in wilder Lust nach menschlichen Gliedern ihr Maul aufsperren, weil sie Lebendige verschlingen? Werden sie etwa weniger durch Menschenblut zur Unfläterei eingeweiht, weil sie etwas lecken, was Blut werden wird? Sie verschlingen fürwahr nicht Kinder, sondern vielmehr Erwachsene. Eure Verirrung möge schamrot werden vor uns Christen, die wir nicht einmal Tierblut unter unsern Speisegerichten haben und uns deshalb von Ersticktem und Krepiertem enthalten, damit wir auf keine Weise mit Blut befleckt werden, auch nicht einmal mit dem im Leibe verborgenen. Zur Quälerei der Christen bringt ihr ja auch noch Blutwürste herbei, sicherlich doch in der festen Überzeugung, daß gerade das bei ihnen verboten sei, wodurch ihr sie vom rechten Wege abbringen wollt. Wie soll ich es aber qualifizieren, wenn ihr glaubt, die, von denen ihr überzeugt seid, daß sie Tierblut verabscheuen, Seien nach Menschenblut begierig? Es müßte denn sein, daß ihr das letztere etwa selber schmackhafter befunden habt. Gerade Menschenblut und nichts anderes sollte man daher als Probiermittel bei den Christen anwenden in derselben Weise, wie das Brandaltärchen und die Schale mit Räucherwerk. Denn geradeso werden durch das Verlangen nach Menschenblut die Christen als Christen erwiesen werden, wie Sie als solche durch die Verweigerung des Opfers erwiesen, werden, und umgekehrt darf man sie nicht für solche halten, wenn sie es nicht verkosteten, wie man sie nicht für solche hält, wenn sie opferten. Sicher wird es euch beim Verhör und der Verurteilung der Eingekerkerten nicht an Menschenblut fehlen.


http://www.tertullian.org/articles/kempten_bkv/index.htm

Zum fallweisen weiterlesen "bei Bedarf" aus der Unmenge einschlägiger Texte, siehe unter anderem:

http://www.unifr.ch/bkv/awerk.htm

Exkurs:

In einem Bericht über den Ausbruch des Vulkans Aetna auch die Sätze gelesen:

"Nun bewegt sich dort drüben dicht am Lavastrome eine kleine Gruppe von Menschen auf das Feuer zu. Es ist der Bischof von Acireale, Monsignore Arista, der gefolgt von einigen Geistlichen, herbeigeeilt ist, um die trostlose Bevölkerung zu ermutigen und der nun geweihtes Wasser auf die Lava streuen will, um ihr Halt zu gebieten."

Bei aller Tragik die in weiteren Details dieses Berichts mit zum Vorschein kommt, kann man wohl auch dieses sagen.
Der Medizinmann namens Bischof, nebst seinem Medizinmann-Gefolge, ist da letztendlich überflüssig.
Und sein "geweihtes Wasser" sollte er dann wohl lieber für die eigene Kopfwäsche verwenden (sofern das "helfen" würde, was wiederum zu bezweifeln ist).
Dann hätte das vielleicht noch einen relativen Sinn.
Folgt man der Wikipedia zu diesem Thema
http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84tna
war der Vulkanausbruch des Jahres 1911 keinesfalls der erste und auch nicht der letzte.
Da helfen dann wohl keine Medizinmänner, sondern nur Politik-Entscheidungen die für gebührenden Abstand zur Gefahrenquelle sorgen.

Weiter in dem Bericht:

"In der Ferne, in Castiglione, ist der Marktplatz schwarz von Menschen: mit dem Glase erkennt man inmitten der Schar die aus den Kirchen geholten Standbilder der heiligen Maria Catena und des Erlösers, um die dumpf murmelnd auf den Knien Hunderte von verzweifelten Menschen liegen und kriechen, um Rettung und Hilfe vom Himmel zu erflehen, wo Menschenmacht versagen muss."

Kommentar dazu - siehe weiter oben.

"Freiburger Zeitung" Ausgabe vom 18. 09. 1911.

http://az.ub.uni-freiburg.de/show/fz.cgi?cmd=showpic&ausgabe=01&day=18a3&year=1911&month=09&project=3&anzahl=2

Eine Karikatur des Simplicissimus
(einige Jahre später)
"Gegen Erdbeben helfen Prozessionen, aber gegen Mussolini ---?"


Ín der Ausgabe vom 27. 9. 1911 gibt es dann noch als eine Art "Kontrast" einen "Das Mekka der russischen Kirche" betitelten Artikel.
Er berichtet insbesondere aus Kiew über die dortigen Höhlenklöster.
Selbige zwar nicht in der Neuzeit entstanden; gleichwohl in der Neuzeit vermarktet.
Mit zünftigen "Medizinmännern" als (Führen) pardon, deren Selbstbezeichnung ist ja wohl etwas anders.
Reden wir also nur von Führern.
Deren Gefolge bekommt dann auf solch einer Führung auch einiges an "Events" geboten.
Solche eine Führung soll ja eben auch ihr Geld Wert sein.
Zu diesen "Events" gehört dann auch, wie im genannten Artikel zu lesen, das bestaunen des nachfolgenden:

"Zuweilen hebt der führende Mönch, sich bekreuzigend, den Zipfel einer Decke empor, sodass die Mumie zu sehen ist. Auch liegen an den Gängen enge Zellen, in denen mönchische Einsiedler einsam gewohnt und, ohne ein Wort zu reden, in ewigem Meditieren ihre Tage verbracht haben. Ein zum Wahnsinn gesteigertes Asketentum ließ sie alle physischen und psychischen Qualen ertragen. Einer der Heiligen hatte sich lebendig bis an den Hals in die Erde eingraben lassen und ist so gestorben. Noch ragt sein Schädel zur Beglaubigung des frommen Geschehnisses aus der Erde hervor. Auch sind an verschiedenen Stellen der Felsen Schädel eingelassen, die angeblich ein heiliges Oel ausschwitzen ..."

http://az.ub.uni-freiburg.de/show/fz.cgi?cmd=showpic&ausgabe=01&day=27b&year=1911&month=09&project=3&anzahl=4

Katakomben
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 22. März 2008 07:51
In der aktuellen Print-Ausgabe des „Spiegel" gibt es eine DVD-Beilage zum Thema Katakomben.

Zitat Prof. Hugo Brandenburg (Archäologe):
Die Katakomben waren nur Begräbnisstätten (für Unbemittelte). Außerhalb der (damaligen) engeren Stadtgrenzen angelegt. Gehauen in das vulkanische Tuffgestein, welches ganz Rom umgibt.
Zufluchtstättten waren sie nicht. Das ist eine romantische Vorstellung des 19. Jahrhunderts.
Die in ihnen enthaltenen Bilder, künden noch von einem Glauben, der nicht von der Leidensgeschichte Christi, sondern von „Wundern" dominiert ist. Christus als Redner, „Philosoph", den Menschen zugetan. Dieses Bild vermitteln die Bildnisse in den Katakomben. Erst im Mittelalter rückt die „Leidensgeschichte des Christus" in dem Mittelpunkt des damaligen christlichen Duktus.

Die Toten wurden „unversehrt" begraben. Nicht selten in kostbare Gewänder gehüllt. Damit sie bei der „Auferstehung" gleichsam „blos" diese „Hülle" abzulegen brauchten. Die Katakomben waren sozusagen das „Zwischenlager" für den „Tag X".

So in etwa stellten sich der Maler der Katakomben den Christus bildlich vor.

http://www.manfred-gebhard.de/FrueherChristus.jpg

Auf den Punkt gebracht

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