Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Aldi, Lidl und Co

In einer Veröffentlichung aus dem Jahre 1936 gelesen. Wo? Nicht in Deutschland. Dort herrschte zu jenem Zeitpunkt keine Meinungsfreiheit. Wohl aber (noch) in der Schweiz. Da wurde den Schweizern offeriert:

"Sie haben kein Grammophon? Dann haben Sie die günstige Gelegenheit, sich ein neues, sehr leichtes und tragbares Grammophon anzuschaffen. Es eignet sich ausgezeichnet für Reisen, oder zum Besuche von Freunden und Nachbarn … Es ist nicht sehr groß und aus sehr gutem, dauerhaften Material. Sein Gewicht beträgt 4,5 kg."

Ein Versandhauskatalog der selbiges offerierte? Mitnichten. Als Kaufpreis werden genannt 50,- Schweizer Franken. Als Kombiangebot mit 4 Schallplatten, dann 58,- Schweizer Franken. Kein reguläres Versandhaus, dass wurde schon gesagt. Aber offenbar durch eine Art "Verkaufsfirma". Ob sie mit ihrem Angebot größere Umsätze erzielte, mag man anzweifeln. Immerhin erinnert solch ein Angebot durchaus an etwas neuzeitlichere Angebote. Die Lebensmittelketten "Aldi" und "Lidl" beispielsweise pflegen ja auch in gewissen Abständen heutzutage Computer anzubieten; obwohl man von der Sortimentsstruktur solche nicht unbedingt in Lebensmittelketten erwartet. Da gab es also schon im Jahre 1936 einen Vorläufer für Aldi und Lidl! Sein Hauptangebot bestand mitnichten aus technischen Geräten. Sein Hauptangebot treu per "Klinkenputzer" angeboten bestand aus "Religion"? Auch nicht richtig.

Vehement verwahrte sich jener Konzern dagegen. In jener Publikation aus der vorstehendes Zitat stammt liest man auch:
"Religion ist Humbug"

so sagen ernstdenkende Menschen, wenn sie vom "Christentum" sprechen." Und der nächste Satz dieses Zitates lautet: "Dies trifft aber auf die Bibel nicht zu."

Verwundert reibt man sich die Augen ob solch widersprüchlicher These. Immerhin wenn jene Firma auch Grammophone vertreibt, obwohl man es von ihr nicht unbedingt erwartet, dann muss man wohl auch solch unkonventionelle Thesen in Kauf nehmen.

Also fragt man weiter "interessiert". Wie wird denn nun diese auf den ersten Blick doch recht abenteuerlich erscheinende These näher begründet? Also sieht man sich diese Publikation unter diesem Gesichtspunkt etwas näher an, und wird dabei wie folgt belehrt:

"Die Menschen verstehen allgemein unter Religion und Christentum ein und dasselbe; aber das ist eine sehr irrige Ansicht".

Weiter geht die Belehrung mit dem Satz:

"Heute werden auf Erden verschiedene und zahlreiche Religionen ausgeübt. Es gibt nur ein Christentum, und das ist durchaus keine Religion, noch gleicht es einer solchen."

Weiter geht's mit einem Rückblick in die "graue Vorzeit" nach "Babylon", wo, folgt man dem Autor, angeblich Religion begründet wurde. Weil aber der Durchschnittsleser des Jahres 1936 in den USA oder der Schweiz nicht mehr allzuviel mit "Babylon" anzufangen weiß, meint der Autor dann ihm ein etwas "verständlicheren" Vergleich bieten zu können. Der liest sich dann so:

"Die römisch-katholische Hierarchie besteht aus einigen Männern, die über eine große Anzahl von Menschen, die sie die 'katholische Bevölkerung' nennen, herrschen. Dieser Bevölkerung ist geboten sich dem Einfluß und den Lehren der Hierarchie, das heißt, der Geistlichkeit der Jetztzeit, hinzugeben. …

Die römisch-katholische Organisation war die erste, die die von Menschen erdachten Lehren und ein Formenwesen einführte, das 'christliche Religion' genannt wurde. Diese wurde bis auf den heutigen Tag ausgeübt. Dann kam die sogenannte 'protestantische Organisation', die nach einiger Zeit ebenfalls ein Formenwesen annahm, das sie als 'Gottesdienst' bezeichnete; und auch sie nannte ihr Formenwesen 'christliche Religion'. Später entstanden Hunderte verschiedener Sekten und Denominationen, die auch heute noch bestehen. Sie alle übten aus, was sie 'christliche Religion' nennen, und ihre Lehren und Formen sind alle in mancher Beziehung voneinander verschieden."

Schon der "Amtsvorgänger" unseres zitierten Autors hatte eine revolutionäre Erkenntnis. Besagter pflegte auch in Religion zu machen (die Vokabel wurde zu seiner Zeit noch anerkannt). Aber er registrierte missmutig, dass seine auch angebotenen religiösen Bücher in regulären Buchhandlungen liegen blieben "wie sauer Bier"; bzw. die Buchhändler, die mangels Kundeninteresse erst gar nicht orderten. Und da er ein ordentlicher "Yankee" war, kam ihm die Erleuchtung. Neue Vertriebswege müssen her. Also dass muss man schon sagen: Aldi, Lidl und Co sollen sich garnichts auf ihre Vertriebsmechanismen einbilden. Ein "Yankee" hatte das schon lange vor ihrer Zeit praktiziert.

Wie das so mit Computern ist. Sie veraltern ziemlich schnell. Kaum haben sie das Geschäft verlassen, bietet die Industrie schon wieder neue, "bessere" Modelle an. Es erging unserem Yankee ähnlich. Seine "Wahrheiten" wurden sehr schnell zum Schnee von gestern. Immer neue "Modelle" mussten nachfolgen. Langsam wurde das "Kaufpublikum" ob dieser rasend nachfolgenden "Neuangebote" des vielen kaufens überdrüssig. Also musste man dem Publikum immer neue Anreize bieten, um sie doch zum kaufen zu animieren. Wir heutigen haben zwar die 1930-er Jahre in der Regel nicht bewusst miterlebt; aber man kann sich durchaus vorstellen, dass ein Grammophon zu seiner Zeit durchaus mal den Neuigkeitswert hatte, wie das für spätere Generationen beispielsweise Fernsehen oder eben auch die Computertechnik darstellt. Also die Firma die das damals anbot, hatte in gewisser Hinsicht durchaus einen ähnlichen Geschäftssinn wie die Aldi, Lidl und Co.

Was nützt das beste technische Gerät, wenn es nicht gelingt dem potentiellen Kunden von der "Notwendigkeit" seines Erwerbes zu überzeugen? Verständlicherweise nützt es nicht viel. So wie es heutzutage gelegentlich "Freaks" gibt die auf ein bestimmtes "Betriebssystem schwören" und voller Verachtung auf jene herabblicken die nicht den gleichen Enthusiasmus an den Tag legen, so war es auch bei unserem Yankee. Seine Parole lautete nun:

Das "Betriebssystem der anderen ist Formenwesen". Mein Betriebssystem heisst: Klinkenputzen! Konventionelle Buchhandlungen können von mir aus, weiter den "Bach herunter fahren". Die brauche ich nicht. Schneeballsystem heißt mein Geheimtipp. Jeder Klinkenputzer möge möglichst weitere Klinkenputzer anwerben. Dann "läuft das Geschäft". Und ich der große Zampano namens Rutherford lach mir ins Fäustchen!"

Gelesen und kommentiert aus seiner 1936-er Broschüre:

Die Ära Rutherford

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