Annotationen zu den Zeugen Jehovas

"NOCH IN UNSERER GENERATION…"

Entnommen aus CV 76 (November 1975) gekürzt

Die Politisch bedeutsamen Kerngedanken des Hauptvortrags der Kongresse 1975

"Und man denke nur: Das soll sich noch in unserer Generation ereignen!", heißt es einleitend im Hauptvortrag der WTG-Kongresse 1975 unter dem Motto "Eine Welt, eine Regierung unter Gottes Souveränität".

Verweilen wir bei diesem Leitgedanken. Noch in unserer Generation? Also n o c h in dieser Generation? Das ist doch eine ganz geschickte Formulierung zur weiteren unbestimmten Verschiebung aller Endzeiterwartungen, hinweg von 1975! N o c h in unserer Generation kann. sogar der letzte Tag dieser Generation sein, die jetzt lebt. Das kann sogar erst das Jahr 2000 sein oder noch später! Was schließt das nicht alles ein, wenn jetzt 1975 gesagt wird,

n o c h in unserer Generation!

Aber gibt es überhaupt "unsere Generation" so, wie es die WTG jetzt verstanden wissen will? Ist es nicht so, daß zu jeder Zeit zugleich mehrere Generationen leben und sich überschneiden? Leben nicht zugleich immer Urgroßeltern, Großeltern, Eltern, Kinder, Enkel und Urenkel? Ist die Formulierung, "noch in unserer Generation" da nicht ein idealer "Gummiparagraph", um immer einige anzusprechen, die ihre Generation mehr oder weniger erst "begonnen" haben, und denen daher immer ein weiteres oder neues "Verziehen" zugemutet werden kann? Genau so ist es, und so macht es die WTG eine Generation nach der anderen seit etwa 1874 schon.

Das erste Male kann man den Glauben an solche Versprechungen im Namen Jesu sich selbst und anderen verzeihen,. denn irren ist menschlich. Leider ist C. T. Russell inmitten der Nichterfüllung der ersten Voraussagen 1916 im Alter von 64 Jahren, zu früh, gestorben. Er konnte selbst keine endgültigen Schlußfolgerungen mehr aus dem Zusammenbruch seiner Endzeitverkündigung ziehen. Was aber seither damit eine Generation nach der anderen weiter gemacht wird unter endzeitlichem Hoffen und Harren ist nur noch ein Mißbrauch der Worte Jesu an seine Generation für andere Zwecke.

Prüfen wir nun die politischen Kerngedanken in diesem, Hauptvortrag. Mit ihnen werden Wert oder Unwert dessen sichtbar, was hier wieder aller Welt vorgetragen wurde. Das Kernproblem ist eine behauptete Souveränität Gottes in den heutigen nationalen und internationalen Fragen, die vor den Menschen stehen und gelöst werden müssen bzw. gelöst werden. Es sei vorausgeschickt, daß es wieder keine rein religiöse Verkündigung ist, was hier geschieht, sondern eine eindeutige Einmischung in nationale und internationale politische Angelegenheiten. Nicht nur eine Einmischung, sondern eine eindeutige Bevormundung aller Regierungen, die Jehovas Zeugen auf diese Weise angeleitet werden, vorzunehmen.

"Es wird allgemein anerkannt, daß gemeinsame internationale Bemühungen notwendig sind. …" (S. 7).

Wenn das so ist, warum predigt die WTG dann dagegen? Weswegen sie es auch tut, sie führt die Zeugen in den Kampf gegen notwendige Bemühungen. Sie mögen sich also nicht wundern, was ihnen widerfahren muß.

"Wenn es so weitergeht, liegt es offen auf der Hand, daß wir in nicht allzu ferner Zukunft zum Untergang verurteilt sein werden . . . nicht engstirnig sein und nicht auf kurze Sicht planen". (S. 7)

Warum werden solche Aussprüche zitiert? Es stammt vom japanischen Ministerpräsidenten Miki. Sie sollen indirekt wirken, alle Naherwartungen wieder zu verdrängen und jeden als engstirnig erscheinen lassen, der sich nicht weiter "endzeitlich" hinhalten läßt, nachdem nun 1975 ebenfalls vergeblich war.

". . . würde jede Nation an ihrer nationalen Souveränität festhalten . . . Das aber würde der wahren Einheit unter den Nationen entgegenstehen". (S. 8)

Was für eine politische Besserwisserei und Bevormundung der Nationen! Dabei haben viele nicht einmal das ABC dessen verstanden, was nationale Souveränität ist. Verwechselt die WTG hier bewußt nationale Souveränität mit Unabhängigkeit? Die Souveränität ist doch nichts weiter als die nationale Selbständigkeit unter Beachtung der internationalen Beziehungen, in denen jede Nation notwendigerweise oder entwicklungsbedingt steht. Achtung der nationalen Souveränität ist in Wahrheit die Voraussetzung, für Einheit unter den Nationen. Was für eine politisch verzerrte Ausrichtung wird hier den Zeugen doch gegeben!

"…Streben der Völker noch nationaler Souveränität durch die Gründung neuer Staaten epidemische Ausmaße angenommen." (S. 5)

Hier stimmt die WTG in den Chor derer ein, denen die Erweiterung der Vereinten Nationen um eine Mehrheit neuer Saaten der "dritten Welt" nicht paßt, die die westlichen kapitalistischen Staaten durchaus überstimmen können! Epidemisch? Ist eine Epidemie nicht eine seuchenartige Krankheit? Was legt die WTG hier den Zeugen Jehovas für politische Verleumdungen und Diffamierungen in den Mund? Und das willst du verkündigen? Ist das dein christlicher Auftrag? Was für Staatenverleumder sitzen da auf dem "Wachtturm"?

"…daß die Vereinigten Staaten eine christliche Nation seien . . . England . . . alle Nationen der Christenheit . . . erkennen die Amerikaner Gott als Souverän an . . . Ob er wirklich ihr Souverän ist, können sie nur dadurch beweisen. daß sie unterwürfig mit ihm zusammenarbeiten", (S. 9) Wir leben hier nicht in Amerika oder England. Es ist, als ob man jemanden, der nach links blicken muß, partout den Kopf noch rechts drehen will. Der Kern aber ist, wie sollten alle Nationen unterwürfig mit Gott zusammenarbeiten? Hat man das jemals durchdacht? Würde man es tun, dann würde man einen unglaublichen religiös-politischen Bluff erkennen. Denn es muß doch immer politisch regiert werden, um der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Erfordernisse willen, in jedem Lande, in jeder Nation. Sollte man das Gott überlassen? Seit 1914 schon? Müßte bei solcher Forderung nach "unterwürfiger Zusammenarbeit" nicht die WTG als "sichtbarer Vertreter des Herrn auf Erden" (Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben, S. 149) die Weltregierung in die Hand nehmen?

Natürlich! Anders ginge das gar nicht! Man sieht, diese WTG-Souveränitätsverkündigung ist das Unsinnigste, was je in die Welt gesetzt wurde. Das wäre im Ernstfall völlig undurchführbar und daher unannehmbar. Oder soll es gar nicht ernst genommen werden? Und dann verkündigst du das?

Da kommt die WTG auch schon auf diesen Punkt: "…da die Staaten der Erde keine Einheit auf Gottes Weise wünschen, und da sie es ablehnen, mit ihm zusammenzuarbeiten . . ." (S. 10). Sie wünschen es nicht? Sie lehnen es ab? Das ist doch Bluff! Sie k ö n n e n es ja gar nicht, selbst wenn sie es ernstlich wollten Sie hätten da die WTG schon seit 1914 zur obersten politischen Weltregierung erklären müssen, als einzige "sichtbare Vertretung" Gottes "auf Erden"! Aber die WTG will das ja wiederum gar nicht! So dreht sich alles laufend im Kreise zu dem einzigen Zweck., die Köpfe politisch zu verwirren und davon abzuhalten, aus christlicher Verantwortung mitzuhelfen in dem, was jetzt sozial notwendig ist. …

Doch es geht weiter: "Diese Tatsache hilft uns auch verstehen, weshalb die Nationen keinen Erfolg bei ihren internationalen Projekten haben…" (S. 11).

Natürlich gibt es viele Mißerfolge. Aber es gibt genauso viele, wenn nicht mehr, Erfolge! In Europa schon über 30 Jahre einen neuen Krieg verhindert. Viele Völker konnten sich in diesen Jahren aus dem Kolonialismus befreien. … Das internationale Projekt der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) konnte 1975 in Helsinki erfolgreich verwirklicht werden. Überall gibt es tausende kleine und große Erfolge, denen es letztlich. auch die WTG zu verdanken hat, daß sie arbeiten kann! Wo käme ihr Geld her, wenn keiner Arbeit hätte?

Doch munter geht es weiter: "…die Nationen der Welt . . . sind ratlos und sinken immer tiefer in den Sumpf der Verwirrung, weil sie keinen Ausweg aus den zunehmenden Schwierigkeiten wissen". (S 14).

Die Nationen? Welche denn! Wieder wird die ganze Welt in einen Topf geworfen. Und das nennt sich "genaue Erkenntnis" Auch in den kapitalistischen Ländern gibt es Kräfte, die keineswegs in einem Sumpf der Verwirrung sind, die schon Auswege aus den Schwierigkeiten wissen. … Wie könnte also jemand den Kongreßhauptvortrag mit diesen generellen politischen Unwahrheiten hier als "zeitgemäßen und praktischen Rat" für alle Menschen verbreiten? Muß das nicht im Interesse der Wahrheit zurückgewiesen werden?

"Um zeitgemäßen und praktischen Rat zu erhalten . . . an das geschriebene Wort .- . . wenden." (S. 14)

Niemand täusche sich. An das geschriebene Wort wenden heißt für die WTG, sich zuerst an sie zu wenden. Erhebt sie nicht den Anspruch allein zu erklären, wie die Schrift zu verstehen und anzuwenden ist? In der Souveränitätsfrage würde das nicht mehr und nicht weniger bedeuten, als daß alle Führer und Regierungen der Nationen von USA-Präsident Ford über Bundeskanzler Schmidt bis SED-Sekretär Honecker und KPdSU-Generalsekretär Breshnew vor WTG Präsident Knorr in Brooklyn antreten müßten, um ihre Souveränität an Gott abzutreten.

Was will die WTG aber wirklich? Folgender Kerngedanke läßt es durchblicken: "Ständigen Krieg …all denen, die sich der Souveränität dieses verschlagenen Rebellen unterstellten" (S. 18)

Das heißt in der christlichen Praxis, Feindschaft, Kampf und Krieg gegen jedes soziale, politische Engagement, das im Interesse der sozialen Bedürfnisse der Menschen notwendig ist. Solches soziales und politisches Handeln ist als "rebellische Souveränität gegen Gott" bloßzustellen. … heißt das nichts weiter, als freie Hand allen Arten von Unterdrückern, Ausbeutern, Profiteuren, keine Unterstützung irgendwelcher Bestrebungen für soziale Gerechtigkeit, alles laufen lassen, wie es läuft. Die WTG-Souveränitätslehren sind die bibelmißbräuchliche Theorie dafür. Wie zur Bestätigung heißt es dazu: "Wir müssen unsere Entscheidung für Gottes Souveränität genauso festhalten wie Jesus". (S.,20).

Das ist Bibelfalschauslegung! Jesus wandte sich nicht gegen die politische Zuständigkeit oder Souveränität der römischen Regierung! Jesus stellte nicht Gott gegen den politischer Staat! Jesus predigte in keiner Weise, Gottes Souveränität anzuerkennen bedeute, die Souveränität der politischen Regierung abzulehnen, ihr den Krieg zu erklären! Jesus wollte mit seinem Eintritt in Jerusalem keine Entscheidung herbeiführen, Gott oder Cäsar! Das ist eine üble Bibelverdrehung! Jesus. verkündigte ein "Königreich der Himmel", das die politische Regierung im Lande, ohne die es nie und nirgends geht, in keiner Weise infrage stellte. Christus Jesus rief die Christen nicht zum Krieg gegen die politische Zuständigkeit oder Souveränität ihrer Landesregierungen auf! Wohin hat sich die WTG in ihrer hinhaltenden "Endzeit" - Verkündigung politisch verstiegen? …

Was das schließliche "Ende" betrifft, so wird nur weiter hingehalten: "Die Zeit . . . sollte inzwischen näher gerückt sein (S. 18/19) . . . die große Schlange bald zermalmt . . . Vernichtung unmittelbar bevorsteht . . . (S. 22, 23) in der nun schnell näher rückenden größten Drangsal (S. 25)…

Vielleicht werden wir noch einiges zu leiden haben Es wird nur noch eine kleine Weile dauern" (S. 26)

Es hat immer nur noch "eine kleine Weile" gedauert, 1874, 1914, 1925, 1945 und nun 1975. "Einiges zu leiden" wird es mit Sicherheit geben, wenn man sich weiter von der WTG über ihren Endzeit-Bankrott von 1975 hinaus hinhalten läßt, etwa auch mit Hilfe der Souveränitäts-Absurditäten der Kongresse 1975.

Alles in allem, das 1975-Hauptthema, das Hauptthema des Endzeit-Bankrottjahres 1975 ist eine Ablenkung in Unmöglichkeiten, in weltpolitische Absurditäten, in Luftschlösser und Bibelmißbrauch, auf daß sich ja niemand auf eine nunmehr reale Orientierung zu besinnen vermag.

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