Geschrieben von Drahbeck am 06. Juli 2004 08:53:12:

Als Antwort auf: Re: bin neu hier geschrieben von Tethis am 06. Juli 2004 06:48:01:

„Ich bin zwar Atheistin, möchte mich aber trotzdem mit der Bibel auseinandersetzen.
...
über die anderen Glaubensrichtungen weiß ich einfach zu wenig. Ich möchte eigentlich nur Verstehen lernen. Und auch von seinen "Gegnern" kann man lernen
...
Was kann ich denn nun lesen, um über Entstehung, Zeitgeschichte, das Leben zur damaligen Zeit, Zustandekommen der ausgewählten Texte... mehr zu erfahren???? „

Mir scheint, dass sieht so in Richtung Frage nach Grundsatzinfos aus.
Da muss man dann wohl sagen, „wertneutrale" Infos wird man wohl kaum empfohlen bekommen. Da steckt dann immer auch der Erfahrungshorizont des Empfehlenden mit dabei.
Also Empfehlungen von meiner Person, werden sicherlich inhaltlich grundlegend anders aussehen, als etwa Empfehlungen von @ Kerstin.

Was den mit genannten Herrn L... anbelangt, so gehört der nicht zu denen, die ich sonderlich „schätzen" würde.

Dann wäre noch die Frage zu stellen? Dürfen es auch Empfehlungen sein, von Büchern, die teilweise nur noch antiquarisch oder über Bibliotheken beschaffbar bzw. einsehbar, sind?

Zum Christentum ganz allgemein, um jetzt hier keine Bibliothekslisten zu empfehlen, sondern nur einzelne, wenige Bücher, würde ich beispielsweise empfehlen:
Karlheinz Deschner „Und abermals krähte der Hahn" (in mehreren Auflagen erschienen).

Wenn es um Informationen, durchaus vergleichender Art über die verschiedenen christlichen Religionsgemeinschaften geht, dann ist immer noch eine gute Empfehlung:
Kurt Hutten „Seher Grübler Enthusiasten" (in mehreren Auflagen erschienen. Nur noch antiquarisch beschaffbar).
Auch das Nachfolgebuch:
Hans-Diether Reimer; Oswald Eggenberger „... Neben den Kirchen. Gemeinschaften, die ihren Glauben auf besondere Weise leben wollen" (nur noch antiquarisch beschaffbar).
Bei dessen Nachfolgebuch (lieferbar) „Panorama der neuen Religiosität" tue ich mich mit einer Empfehlung allerdings schwer. Dieweil da eine beachtliche Akzentverschiebung zu registrieren ist. Die Frage der verschiedenen Religionsgemeinschaften, mutiert dort fast zur „Randfrage". Dafür findet man aber Infos über durchaus wissenswerte „weltliche" Angelegenheiten, wie beispielsweise Strukturvertriebe und ähnliches. Lesenswert ist „Panorama der neuen Religiosität" mit Sicherheit. Die Frage ist lediglich die, welchen Erwartungshorizont man an seine Lektüre stellt.

Dann gibt es da noch (aus kirchlicher Sicht konzipiert) ein „Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen". Allerdings sein hoher Erwerbungspreis sorgt schon für einen eingeschränkten Interessentenkreis. Da ist die gesamte religiöse Szene, noch viel breiter etwa als im Hutten und Nachfolger, abgehandelt. Das ist dann aber wirklich nur für die empfehlenswert, die sich wissenschaftlich mit diesen Fragen beschäftigen wollen; oder für die, bei denen Geld keine Rolle spielt (aber wo ist das schon der Fall?)

Eingeschränkt empfehlenswert auch:
Helmut Obst: "Apostel und Propheten der Neuzeit" (lieferbar). Das ist inhaltlich ähnlich dem Hutten konzipert. Mit der Einschränkung; im Blickfeld sind dabei nur jene Religiongemeinschaften, die auch in der seinerzeitigen DDR vertreten waren. Wie man weiss, ist aber die religiöse Szene weitaus vielfältiger gestaffelt.

Geschrieben von Tethis am 06. Juli 2004 18:07:27:

Als Antwort auf: Re: bin neu hier geschrieben von Drahbeck am 06. Juli 2004 08:53:12:

Hallo Drahbeck
Hab vielen, vielen Dank, daß Du Dir so viel Umstände mit der Antwort gemacht hast. Du hast auch völlig Recht, wenn mein Wissensdrang erst einmal in die Richtung Grundsatzinfos geht. Es ist mir auch völlig klar, daß es nichts wirklich objektives geben kann. Jede Veröffentlichung ist von der Sicht des Autors/Autorin geprägt. Aber es gibt Autoren, die sich um eine objektive Darstellung der Dinge bemühen.

Deine Empfehlungen dürfen natürlich auch antiquarischer Art sein. Das Internet bietet ja hier umfangreichen Möglichkeiten.

Die Beschreibung des Buches von Karlheinz Deschner „Und abermals krähte der Hahn" scheint mir eine gute Empfehlung zu sein. Das Buch ist schon bestellt und wartet darauf, von mir gelesen zu werden. An dieser Stelle auch vielen Dank an D. für die freundliche Inhaltsangabe.
Auch „Seher, Gruebler, Enthusiasten" von Kurt Hutten ist schon auf dem Weg zu mir. Die Darstellung aus den 50er Jahren dürfte wohl auch interessant sein. Allerdings bin ich dann doch eher bestrebt, nah an der Bibel zu bleiben. Ich bin der Auffassung, daß das Kennenlernen der Glaubensgemeinschaften nach dem Schritt „Kennenlernen der Bibel" kommen sollte. Oder liege ich da falsch? Wahrscheinlich kann das gar nicht getrennt werden.
Jedenfalls nochmals vielen Dank für die Empfehlung. Warum muß einem auch als erstes der Langbein in die Finger kommen.
Viele Grüße
Tethis
Geschrieben von D. am 06. Juli 2004 10:37:44:

Als Antwort auf: Re: bin neu hier geschrieben von Drahbeck am 06. Juli 2004 08:53:12:

Inhaltsverzeichnis von Deschner, „Abermals krähte der Hahn

 

 Geschrieben von Drahbeck am 05. Juli 2004 12:30:01:

Als Antwort auf: bin neu hier geschrieben von stephany am 05. Juli 2004 12:19:29:

Leider muss man der Kritik zustimmen, dass der angeschlagene Ton nicht immer "optimal" ist, um das mindeste zu sagen.

Dabei spielt auch eine offenbar wesentliche Rolle, dass hier ganz unterschiedliche Sozialisationen, Interessen und manchmal auch Koalitionen "aufeinanderprallen". Was Koalitionen anbelangt auch nicht selten dergestalt, nur einen speziellen Punkt betreffend. Andere Punkte indes trennen nach wie vor.

So ist das Leben, so spiegelt sich das auch hier wieder.
Ich denke, man sollte versuchen das Beste daraus zu machen.
Einerseits nicht alles auf die Goldwaage zu legen; andererseits versuchen selbst, die Wortwahl genau zu überdenken. Danke!

Geschrieben von Drahbeck am 06. Juli 2004 04:21:49:

Der Predigtdienst der beiden jungen Frauen hatte an diesem Morgen wenig erfolgversprechend begonnen. So kam es zumindest der jüngeren vor, einer schlanken Blonden mit sehr weißer Haut und stahlblauen Augen. Sie war zum erstenmal dabei. Ihre Kollegin, schwarzhaarig und braunäugig, drei Jahre älter und zehn Kilo schwerer, kannte die Verhältnisse schon, wenn auch nicht in diesem Gebiet. Sie hatten es sich zuteilen lassen, weil sie beide kein Auto besaßen.

Aber hier an der Peripherie von Bregenz war es wie wahrscheinlich überall in Vorarlberg: Wenn sich auf ihr Klingeln die Türen öffneten, blickten ihnen mißtrauische Gesichter entgegen. Die Hausbewohner vermuteten in den beiden Frauen Fremde, die ihnen etwas verkaufen wollten, und sobald sie begriffen, daß sie es mit Zeuginnen Jehovas zu tun hatten, wurden sie noch abweisender.

Martha Steinwender überließ die Einleitungen Marijana Krajnc, obwohl deren unüberhörbarer Akzent wahrscheinlich zusätzliche negative Gefühle bei manchen der Besuchten auslöste. Aber die Slowenin hatte Erfahrung damit, wie man mit den Leuten an den Türen umging, während Martha lediglich ein Büchlein mit dem Titel »Unterredungen anhand der Schriften« durchstudiert hatte und erst einige persönliche Eindrücke sammeln wollte.

Sie waren trotz der verschlossenen Haustür in den Gang des Siedlungsblocks gelangt, indem Marijana bei irgendeiner Partei läutete. Jemand, der hohen Stimme nach ein Kind, meldete sich, und Marijana sagte: »Ach, könnten Sie uns bitte die Haustür aufmachen?« Tagsüber taten die meisten Leute das, ohne lang nachzufragen, wer denn hereinwolle und warum.

Das Gebiet war auch für die Slowenin neu. Sie hatte vor kurzem ihr Auto verkauft, weil es ihr zu teuer geworden war und sie den Arbeitsplatz gewechselt hatte. Den neuen konnte sie zu Fuß erreichen. Als sie noch Autobesitzerin war, hatte sie überall missioniert, wo der Gebietsdiener sie einsetzen wollte, aber jetzt kam nur noch etwas in der Nähe Gelegenes in Frage. Der Nachteil war, daß sie in ihren alten Revieren die Leute schon gekannt hatte, während es hier vielleicht noch Überraschungen gab.

Von den vier Wohnungen im Erdgeschoß hatte bei zweien niemand geöffnet, bei den anderen war in der einen nur ein Kind daheimgewesen, dem sie ein Erwachet-Heft dagelassen hatten, bei der zweiten hatte eine ältere Frau kategorisch ihr Desinteresse an religiösen Fragen erklärt und die Tür geschlossen, während Marijana noch eine der für diesen Fall im Buch vorgesehenen Antworten anzubringen versuchte.

Jetzt waren sie in den ersten Stock hinaufgestiegen. Marijana läutete an der Tür neben dem Lift.

Martha dachte über die Einleitungen nach, die zu verwenden sie sich abgesprochen hatten. Wenn eine Frau öffnete, war vorgesehen, sie zu fragen, ob sie sich schon einmal überlegt habe, warum man eigentlich alt werden und sterben müsse? Die vom Buch vorgeschlagene Überleitung bezüglich Meeresschildkröten, die angeblich Hunderte von Jahren lebten, und noch älterer Bäume wollten sie überspringen und gleich zu Römer 5:12 und Offenbarung 21:3 übergehen, solange die Hausfrau noch glauben konnte, sie seien vielleicht Avon-Beraterinnen, die ihr etwas gegen Falten und Krähenfüße andrehen wollten.

Für Männer zogen die beiden Frauen eine andere Einleitung in Betracht. Da sich in den letzten Wochen Gewaltverbrechen in Vorarlberg in einem Ausmaß gehäuft hatten, daß man an Stammtischen und in Zeitungen von einer Verbrechenswelle redete und schrieb, kam die Standardeinleitung in Frage, die im Buch so lautete:
»Mein Name ist… Ich wohne in Ihrer Nachbarschaft. Auf dem Wege zu Ihnen habe ich heute morgen festgestellt, daß die Leute alle davon sprechen, daß… (führe ein Verbrechen an, das kurz zuvor in der Nachbarschaft begangen wurde, oder eine andere Angelegenheit von lokalem Interesse). Was halten Sie davon? … Könnte man nach Ihrer Meinung irgend etwas tun, was unser Leben sicherer macht?« Dann ging die Predigt mit Sprüche 1:32 weiter, wenn die Befragten nicht allzu beharrlich der Meinung der Polizei zuneigten, die Häufung von Gewaltverbrechen sei zufällig, oder jener der Rechtsparteien, sie sei ausschließlich auf die Ausländerzuwanderung zurückzuführen.

»Scheint niemand daheim zu sein«, sagte Marijana und drückte nochmals auf den Klingelknopf. Man hörte in der Wohnung einen Dreiklang, aber keine weiteren Geräusche.

Martha betrachtete die nächste Wohnungstür, die im rechten Winkel zu der lag, an der Marijana soeben zum zweitenmal geläutet hatte, und verspürte ganz plötzlich und intensiv das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Nach einem Augenblick der Verwirrung wußte sie, woher das Gefühl kam: Der Spion vermittelte den Eindruck, daß jemand hindurchblickte, obwohl man das nicht eindeutig erkennen konnte. Seine Dunkelheit hatte etwas an sich, das nicht an einer vorgeschobenen Klappe lag, sondern an der spürbaren Präsenz eines unsichtbaren menschlichen Auges.

Stand jemand regungslos hinter der Tür und starrte sie an? Ein unheimliches Gefühl überkam Martha.

Sie las das Namensschild, auf dem G. Binder stand. Marijana hatte sich achselzuckend von der anderen Tür abgewandt und läutete bei G. Binder. Hier schrillte die Glocke.

Es dauerte ein paar Sekunden, dann hörte man, wie sich der Schlüssel im Schloß drehte, und die Tür ging auf. Martha starrte den Mann an, den man nicht an die Tür hatte kommen hören.

Er lächelte breit, wobei er seine regelmäßigen weißen Zähne zeigte. Seine Gesichtshaut war für die Jahreszeit sehr gebräunt.

Marijana sagte: »Guten Tag. Vielleicht haben Sie Interesse an einem Gespräch über persönliche Sicherheit?
Die Verbrechen nehmen überhand und können bald unser aller Leben beeinträchtigen. Eine Frau muß sich jetzt schon fürchten, abends auf die Straße zu gehen, aber ist es nicht auch für Männer bald so weit?«

Martha war entschlossen, die Wohnung nicht zu betreten. Sie hatte mit Marijana vorher darüber gesprochen, in welchen Fällen sie es nicht tun würden:
wenn alkoholisierte oder sonstwie verdächtige Männer offensichtlich allein zu Hause waren oder schon an der Tür lästig wurden. Der Mann wirkte zwar nicht betrunken, aber es war etwas Merkwürdiges an seinem Blick und seiner Miene, das Marthas Mißtrauen nicht abklingen ließ.

»Ein Gespräch über persönliche Sicherheit?« sagte der Mann. Auch er sprach mit einem Akzent, aber einem, den Martha nicht kannte. Der Mann musterte die beiden Frauen, ohne die Tür ganz zu öffnen. Er lächelte immer noch mit seinem makellosen Gebiß, aber nicht bis zu den Augen.

»Wir lassen Ihnen eine Schrift darüber da - «, sagte Marijana, aber der Mann unterbrach sie: »Jetzt kommt wahrscheinlich Psalm 37:10.«

»Oh«, sagte sie, »sind Sie ein Bruder?«
»Nein, nur ein Kenner der Heiligen Schrift. Wollen Sie nicht hereinkommen? Ich habe gerade Teewasser aufgestellt.«

Es war die überraschende Kenntnis des Bibelzitats, die Marijana Krajnc diesem zweifelhaften Mann so weit vertrauen ließ, daß sie der Einladung folgte, woraufhin Martha nichts anderes übrigblieb, als mitzukommen.

Andererseits waren sie ja doch zu zweit, und ein Mann, der die Bibel kannte, würde von ihr auch im Zaum zu halten sein, glaubten sie.

Beim Hineingehen warf Martha einen schnellen Blick auf die Innenseite der Tür. Der Spion hatte keine Klappe. Der Mann mußte also tatsächlich hinter der Tür gestanden sein und sie beobachtet haben.

Der Gang war leer bis auf einen von einem Vorhang verdeckten Schuhkasten, auf dem eine ungefähr halbmeterhohe schlanke Metallplastik stand. Asymmetrisch geformte, eckige Metallstücke waren um eine zentrale Säule unregelmäßig angeordnet. Man konnte nicht erkennen, was das darstellen sollte. Modernes Zeug, möchte ich nicht geschenkt haben, dachte Marijana, aber immer noch weniger ärgerlich als christliche Götzenbilder (ihre Bezeichnung für Kruzifixe).

Die in den Gang führenden Türen waren bis auf eine alle geschlossen, und durch diese kam man in die Küche, wo der Mann mit einer Geste zu der Eckbank und den beiden Stühlen am Küchentisch wies. »Geben Sie mir Ihre Mäntel«, sagte er, »ich hänge sie an die Garderobe.«
Nachdem er das getan hatte, goß er Wasser in einen Topf am Herd nach und füllte Teeblätter in eine große weiße Kanne auf der Anrichte.

»Es ist allerdings grüner Tee - ich weiß nicht, ob das Ihr Geschmack ist.«

»Wir sind nicht heikel«, sagte Marijana. Sie hatte sich auf die Eckbank gesetzt, während Martha direkt neben der Türe saß, als wolle sie sich einen schnellen Fluchtweg offenhalten. Allerdings wandte sie ihr den Rücken zu. »Ich kenne zwar grünen Tee nicht, aber mit Zucker
wird er schon zu trinken sein.«

»Man kann keinen Zucker in grünen Tee tun«, sagte der Mann. »Das paßt vom Geschmack her überhaupt nicht. Man kann ihn mit Pfefferminze aromatisieren, wie es die Araber tun, aber Pfefferminze habe ich keine.

»Na, dann werden wir ja sehen«, sagte Martha, nur, um endlich auch einmal etwas zum Gespräch beizusteuern. Sie dachte, daß der Mann angezogen war, als sei er zum Ausgehen bereit. Er trug Straßenschuhe und Kleider, die nicht aussahen, als ob er einen gemütlichen Vormittag zu Hause verbringen wollte.

»Zitieren Sie ruhig Sprüche 1 :32, ich höre das gerne«, sagte der Mann. Marijana zog ihre Taschenausgabe der Bibel heraus, und es gelang ihr, fast auf Anhieb die richtige Stelle aufzuschlagen. Sie las vor:

Denn die Abtrünnigkeit der Unerfahrenen ist das, was sie töten wird, und die Sorglosigkeit der Unvernünftigen ist das, was sie vernichten wird. Was den betrifft, der auf mich hört, er wird in Sicherheit weilen und nicht beunruhigt sein wegen des Unglücks Schrecken.

»Klingt merkwürdig. Warten Sie mal, ich zitiere Ihnen meine Übersetzung.«

Er drehte die Pupillen nach links oben und sagte so fließend, als läse er von einem Blatt im Inneren seines Kopfes ab:

Denn den Unverständigen bringt ihre Abkehr den Tod, und die Toren bringt ihre Sorglosigkeit um, wer aber mir gehorcht, wird sicher wohnen und ohne Sorge sein und kein Unglück fürchten.

»Wahnsinnig toll!« rief Marijana in kindlicher Begeisterung. »Können Sie wirklich die Heiligen Schriften auswendig?«

»Nur zum kleinsten Teil natürlich. Ich war lange an einem Ort, wo ich als einzige Lektüre die Bibel zur Verfügung hatte und eine Betätigung für meinen Geist brauchte."

Keine der beiden Frauen fragte ihn, was das für ein Ort gewesen sei. Sie wußten zwar, daß es Hotelketten gab, in denen das Neue Testament neben dem Bett lag, aber der Mann meinte wahrscheinlich etwas anderes.

»Jedenfalls kann man sagen: Die Bibel hat doch recht«, setzte er mit einem maliziösen Lächeln hinzu. »Obwohl mir scheint, daß die "Unerfahrenen" und die "Unverständigen" nicht ganz dasselbe sind, und folglich eine der beiden Übersetzungen irren muß.«

»Sie kennen also die Heiligen Schriften sehr gut, vielleicht sogar besser als wir beide«, sagte Marijana, die Bemerkung über das Übersetzungsproblem absichtlich mißachtend. »Dann wundert es mich eigentlich, daß Sie nicht Zeuge sind, denn wer die Bibel wirklich kennt, weiß, daß wir recht haben. Die Prophezeiungen bestätigen es.«

»Sie glauben, daß wir nach Harmagedon hier auf der Erde weiterleben werden, mit unseren Körpern und mit unserer alten Persönlichkeit, im Alter von ungefähr 35 Jahren, nicht wahr? Die Familien bleiben zusammen, und die schier endlose Freizeit wird zum Studieren und Reisen verwendet. Es ist lange her, daß man mir das alles erzählt hat, und vielleicht haben Sie Ihre Meinungen inzwischen doch geändert?«

»Wir ändern unsere Meinungen nicht, sondern wir lernen ständig, die Wahrheit besser zu verstehen. Die Lehre bleibt immer dieselbe, nur unser Verständnis bessert sich.«

»Haben Sie nicht 1975 ganz sicher das Ende erwartet?«

»Da hat sich ein amerikanischer Bruder geirrt. Es war ein folgenschwerer Irrtum, auf ihn zu hören, wir haben damals an die 40.000 Brüder und Schwestern verloren, aber es war eine heilsame Reinigung unserer Kirche, es waren ohnehin nur die Kleingläubigen, die sich abgewandt haben.«

»Na schön. Stimmt das, was ich vorhin gesagt habe?«

»So ungefähr.«

»Gefällt mir sehr gut, diese Vorstellung. Mit der lieben Familie in einem neuen Paradies leben, das klingt sehr gut. Werden wir das noch erleben, ich meine, so, wie wir da sitzen?«

»Wir glauben das schon.«

»Und was ist mit denen, die vorher sterben?«

»Wir sind Seelen, heißt es in der Heiligen Schrift; die Katholiken meinen, wir "hätten" welche. Wir sterben vollständig, aber Gott wird uns ebenso vollständig wiederbeleben. Wir hoffen aber, daß wir das Ende erfahren werden, ohne vorher sterben zu müssen.«

»Ja, ich glaube auch, daß das Ende nahe ist. Sehr nahe sogar. Es deutet alles daraufhin. Ich sagte schon, daß ich mich eine Zeitlang sehr intensiv mit Ihrer Religion auseinandergesetzt habe, wie übrigens mit anderen Religionen auch, aber ich habe niemals Antwort auf eine Frage gefunden, die für mich ganz wesentlich ist.«

»Und was für eine Frage ist das?« erkundigte sich
Martha. Sie hatte ihren Blick über die Küche schweifen lassen. Wenn der Mann hier allein wohnte, war er offenbar ordentlich und sauber. Kein dreckiges Geschirr (es gab allerdings eine Spülmaschine), keine Krümel auf dem Tisch, kein Schmutz auf dem Boden. Martha entschied, daß sie dem Mann mit ihrem anfänglichen Mißtrauen unrecht getan hatte. Seine Hände mit schlanken und doch kräftig wirkenden Fingern sahen gepflegt und nicht nach körperlicher Arbeit aus. Martha hätte sich nicht zu raten getraut, was er von Beruf sein könnte. Auch sein Akzent war ihr immer noch nicht klarer geworden - es war jedenfalls etwas Südliches an ihm; vielleicht war es Spanisch oder Portugiesisch?

»Ich habe mir nie erklären können, warum Gott das Böse und das aus ihm resultierende Leiden zuläßt«, sagte der Mann.

»Das ist ein altes Problem«, erwiderte Marijana, »das fragt der Mensch schon seit Jahrtausenden. Einfältige Menschen glauben sogar, deshalb die Existenz Gottes leugnen zu können. Aber die Bibel gibt auch darauf Antworten…«

»Ja, aber diese Antworten befriedigen mich nicht.
Entschuldigen Sie mich für einen Moment, das Teewasser darf nicht so stark kochen.« Er goß den Tee auf. »Zwei Minuten«, sagte er dann. »Es ist nicht ganz korrekt, den Tee so zu machen, weil das Wasser eigentlich nicht so heiß sein sollte. Es ist natürlich auch viel zu kalkhaltig, was den Geschmack sehr beeinträchtigt, aber man muß eben improvisieren.«

»Den Großteil der Schuld an ihren Leiden tragen die Menschen selbst«, sagte Marijana, »und Satan und die Dämonen sind mitverantwortlich.«

»Ich kann mir schwer vorstellen, daß das eine sinnvolle Antwort auf die Frage ist, warum die Tiere leiden müssen oder warum beispielsweise ein Neugeborenes, das mit einer Erbkrankheit zur Welt kommt, die ihm die Haut in Fetzen ablöst, Schmerzen ertragen muß«, sagte der Mann und zog das Textilteesieb aus der Kanne. »Das ist vielleicht eine Strafe für die Eltern, aber für das Kind scheint es mir eine ganz sinnlose Angelegenheit zu sein.«

»Das ist natürlich ein Beispiel, auf das man schwer etwas antworten kann, aber Gott wird ja allen Leiden einmal ein Ende machen.«

»Und was hat das Kind davon?«

»Wie meinen Sie das?«

»Ich meine, es gibt doch nichts, was dieses Leiden ungeschehen machen kann. Selbst wenn es einmal beendet wird und der Leidende irgendwie dafür entschädigt werden würde, könnte nicht einmal Gott es ungeschehen machen, oder irre ich mich da?«

»Das ist ein seltsamer Gedanke«, sagte Marijana. Martha fand das auch. Es war jedenfalls nicht gerade das, was man im Predigtdienst normalerweise an Argumenten zu hören bekam. Menschen, die solche Gedanken hegten, wimmelten einen gewöhnlich gleich an der Tür ab.

Martha probierte den Tee, der heiß war und ungefähr so schmeckte, wie sie sich einen Heuaufguß vorstellte.

»Schmeckt sehr interessant«, sagte sie.

»Ja?« erwiderte der Mann lächelnd. »Freut mich, daß er Ihnen zusagt. Ich selbst ziehe eigentlich arabischen Tee mit Minze vor, aber wie gesagt, es ist leider keine da.« Man sah ihm an, daß er verstanden hatte, was sie von dem Tee hielt, deshalb fand Martha seine Bemerkung ausgesprochen unnötig.

»Darf ich Sie etwas Persönliches fragen?« sagte der Mann. Die beiden Frauen versteiften sich, weil das sicher die Einleitung zu irgendeiner sexuellen Anspielung war, aber Marijana antwortete: »Ja, kommt darauf an.«

»Sie sind Jugoslawin?«

»Aus Slowenien. Ich bin aber schon einige Jahre im Ländle.

»Gibt es viele Zeugen in Jugoslawien?«

»Jugoslawien gibt es nicht mehr.«

»Sie wissen schon, was ich meine.«

»Prozentuell etwa so wie hier.«

Der Mann wandte sich Martha zu. »Aber Sie sind von hier?«

Martha nickte.

»Dann sind Sie also keine Schwestern?«

Marijana mußte lachen.

»Schwestern sind wir schon, weil wir Zeugen einander ja als Schwestern und Brüder bezeichnen. Aber Sie meinen wohl leibliche Schwestern. Sehen wir denn so aus?«

»Es gibt ja auch Schwestern, die sich nicht ähnlich sehen«, verteidigte er sich. Das Lachen schien ihn zu irritieren.

Die beiden Frauen warteten nun, was der Mann eigentlich wollte, aber er schien schon am Ende seiner persönlichen Fragen angelangt zu sein. Jedenfalls nahm er einen Schluck aus seiner Tasse. »War es das, was Sie wissen wollten?« fragte Marijana direkt.

Er überlegte einen Augenblick. »Wissen Sie«, sagte er, »es kommt mir seltsam vor, daß zwei junge, schöne Frauen wie Sie - ich darf das doch sagen - nach doch recht strengen, um nicht zu sagen, menschenfeindlichen Regeln leben wollen. Es ist kein Honiglecken, bei den Zeugen Jehovas zu sein, oder?«

»Es ist der Weg, den Gott uns vorschreibt«, sagte Martha. »Wenn wir ihn gehen, sind wir glücklich. Wie könnten wir denn anders leben?«

»Hat die Sünde nicht etwas Verlockendes?« »Natürlich, sonst würde ja niemand sündigen. Aber wir wissen genau, was Gott uns vorschreibt und daß es für uns das Beste ist, und daher bemühen wir uns, es zu tun. Seit ich bei den Zeugen bin, fühle ich mich auch ganz zufrieden, während ich das vorher nie war.«

Die beiden Frauen warteten jetzt wieder darauf, daß der Mann eine sexuelle Anspielung machen würde, denn das Stichwort Sünde stand für die meisten Leute immer noch synonym für Sexualität und kaum für die vielen anderen menschenmöglichen Verfehlungen, aber der Mann machte gar keine Anspielung. Er sagte nach einer Pause:

»Gott hätte das Böse nicht erschaffen dürfen.«

»Gott hat der Menschheit einen vollkommenen Anfang gegeben, die Menschen haben sich freiwillig für das Böse entschieden«, begann Marijana mit der Standardantwort, aber der Mann sagte unerwartet schroff:

»Gott hat das Böse geschaffen, also ist er dafür verantwortlich. Alles andere ist Manichäismus.«

Dann fügte er hinzu, während er seine Tasse in der Hand drehte und Martha ansah: »Und ich verzeihe ihm das nicht.«

»Wie meinen Sie das?« sagte Martha überrascht.

»Ich verzeihe es Gott nicht, daß er das Böse geschaffen hat.«

»Aber Gott muß doch uns verzeihen«, rief Martha aus. »Nicht wir ihm!«

»Glauben Sie?« sagte der Mann und sah sie gerade an. In seinem Blick lag keine sexuelle Aggression, wie Martha jetzt endgültig erkannte, sondern etwas, das sie… nun ja, vielleicht diabolischen Hochmut genannt hätte. Das war natürlich eine Kategorie aus der Schulung, aber es fehlte ihr ein Alltagsbegriff dafür. Der Mann war untersetzt, aber sehr muskulös. Warum fiel ihr das gerade jetzt auf?

Es gab eine kleine unangenehme Pause. Dann sagte Marijana: »Entschuldigen Sie, ich sollte mal die Toilette aufsuchen.«

»Die zweite, nein, die dritte Tür rechts… warten Sie, ich zeige sie Ihnen.« Der Mann stand auf und öffnete die Küchentür. Er ließ höflich Marijana zuerst hinausgehen und trat hinter ihr in den Gang. Die Küchentür drehte sich langsam in den Angeln, ohne sich völlig zu schließen. Martha, die mit dem Rücken zu ihr saß, bemerkte das zwar, überlegte aber immer noch, was die seltsamen Ideen des Mannes bedeuten mochten, und achtete nicht weiter darauf. Sie dachte zu sehr über die Bemerkung des Mannes über Gott nach, als sich Gedanken darüber zu machen, daß sie soeben allein zurückgeblieben war. Das war eine Situation, die sie auf jeden Fall hatte vermeiden wollen.

Sie hörte etwas im Gang, ohne sagen zu können, was es gewesen war, ein seltsames Geräusch, das eigentlich nicht hergehörte. Im nächsten Moment kam der Mann zurück. Martha drehte sich halb nach ihm um, als er die Tür wieder ganz aufstieß.

Er blickte mit seinen schwarzen, glänzenden Augen in dem braunen Gesicht aufmerksam auf sie herunter, lächelte jetzt überhaupt nicht mehr und hielt die Metallskulptur wie eine Keule am unteren Ende.

»Da bin ich wieder«, sagte er schwer atmend.
Mit dieser, einige Fragen offen lassenden Einleitung, beginnt ein Kriminalroman unter dem Titel "Die grüne Stunde" von Kurt Bracharz.
In seinem weiteren Verlauf erfährt man, dass die beiden Zeuginnen Jehovas ermordet in der beschriebenen Wohnung aufgefunden wurden und der mutmaßliche Mörder sich auf der Flucht befindet.

Der die Untersuchung leitende Kriminalkommissar kommt aus dem Rätseln, was die eigentliche Motivation der Tat gewesen sei, nicht heraus.

Im weiteren Verlauf "driftet" der Roman immer mehr auf die Person des Kriminalkommissars ab, seiner Biographie, seinen Erinnerungen. Der einleitend genannte Mordfall bleibt weiterhin unaufgelöst, und mutiert zum "Nebenthema".

Somit wird man doch fragen müssen, warum der Autor eine so detaillierte Einleitung mit Zeugen Jehovas-Bezug wählte, die doch offenbart, dass er mit einigen Internas der Zeugen Jehovas vertraut ist?!

Geschrieben von DZ am 06. Juli 2004 12:02:00:

Als Antwort auf: Predigtdienst-Erfahrungen geschrieben von Drahbeck am 06. Juli 2004 04:21:49:

»Haben Sie nicht 1975 ganz sicher das Ende erwartet?«

»Da hat sich ein amerikanischer Bruder geirrt. Es war ein folgenschwerer Irrtum, auf ihn zu hören, wir haben damals an die 40.000 Brüder und Schwestern verloren, aber es war eine heilsame Reinigung unserer Kirche, es waren ohnehin nur die Kleingläubigen, die sich abgewandt haben.«

Und wo war Gott?

War das eine Versuchung des Teufels?
Warum aber hat der 'treue und verständige Sklave' so eine falsche Lehre verbreitet und dann darauf bestanden, dass jeder, aber auch jeder Zeuge Jehovas glauben musste, 1975 käme das Ende der Welt.

Die Dummheit der Zeugen ist offenbar schier grenzenlos.

Denken? NEIN DANKE!

Derartige Aussagen sind ein Attentat auf das menschliche Denkvermögen.

Aber Menschen denen das Denken abgenommen wurde und die angehalten werden, keine eigenen Überlegungen anzustellen, können mit Argumenten wie oben, sehr schnell getäuscht werden.

So komme ich immer mehr zu dem Schluss, dass Zeugen Jehovas arme, äußerst bedauernswerte Menschen sind. Menschen die einer Täuschung erlegen, einem geistigen Betrug zum Opfer gefallen sind, aber der Realität nicht ins Auge blicken möchten.

Was der Leitung dieses religiösen Verlages hinter Jehovas Zeugen hilft, ehrliche Menschen zu täuschen und zu verdummen, ist folgendes: Menschen glauben lieber der Lüge als der Wahrheit. Es gibt nichts schlimmeres als jemandem die WAHRHEIT zu sagen.

Geschrieben von Sabine am 10. Juli 2004 23:58:50:

Als Antwort auf: Lehne die Dreieinigkeitslehre ab geschrieben von Margarete am 07. Juli 2004 16:23:36:

Das Beispiel der heutigen Zeit:
Wenn man als Zeuge Jehova die Dreieinigkeit in der Versammlung vertreten würde, hätte das schwer wiegende Folgen für die betreffende Person und ggf. die anhängende Familie.
Man müsste mich endlosen Glaubensdiskussionen stellen.
Es kommwen die Ältesten, die einem zum Glauben zurück bringen wollen. Natürlich nur aus besten Gewissen....
Bliebe man aber bei seiner Meinung, dass droht als Konsequenz, dass man öffebtlich vor der Versammlung bezeiochnet wird und als schlechter Umgang gilt.
Bliebe man weiterhin bei dem Glauben an die Dreieinigkeit folgt der Ausschluss aus der Versammlung und ggf. aus der Familie, die sich sofort auf die Seite der Versammlung stellt.
Man wird letztendlich brutal ausgeschlossen und von allen gemieden. Familien zerbrechen, weil man die Dreieinigkeitslehre vertritt.
Besonders furchtbar ist das für die Kinder, die dort herangezogen wurden und keinen Kontakt zur Aussenwelt haben.
Man bleibt sich dann völlig alleine überlassen, bis man bereut. ZJ nennen dies den letzten Liebesbeweis.

Psychotherap. Hilfe durch Sektenerfahrene Therapeuten ist über Jahre notwedig, weil letztendlich in der heutigen Zeit die ZJ die Dreieinigkeitslehre zum Streipunkt machen. Nicht die katholische Kirche streitet in der heutigen Zeit.

Wo ist denn schließlich der Unterschied zwischen den Religionsgemeinschaften.
Die kathol. Kirche hat wenigstens im Laufe der Zeit hinzugelernt. Die ZJ praktizieren laufend mit ihren Lehren Streitereien und geben ihrem geliebtem Bruder oder der geliebten Schwester noch den letzten Liebesbeweis, in dem sie mit dem Tod in Harmagedon drohen, weil man nicht so glaubt, wie es angeblich in der Bibel steht.

Dabei gründet sich alles nur auf Behauptungen.

Geschrieben von Ottonio am 07. Juli 2004 12:17:38:

Als Antwort auf: Falls es hier immer noch jemanden interessiert geschrieben von Ingrid am 06. Juli 2004 16:53:37:

Hallo,

es wurde zitiert:
"Was die vornizäischen Väter lehrten
DIE vornizäischen Väter werden von der römisch-katholischen Kirche als führende Kirchenlehrer der ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt anerkannt. Was sie lehrten, ist bedeutsam. [...] Die Bibel und die Geschichte bezeugen somit, daß die Dreieinigkeit in biblischen Zeiten und während mehrerer Jahrhunderte danach unbekannt war."

Man mag zur Dreieinigkeit stehen wie man mag. Mir geht es daher nicht in erster Linie darum, die Dreieinigkeit zu bestätigen oder zu wiederlegen.
Aber mir ist sehr daran gelegen, von der WTG nicht für dumm verkauft zu werden.

Daher wiederhole ich die in der Broschüre erwähnte Frage und gebe darauf eine gänzlich anders lautetende Antwort.

"Ist es eine eindeutige biblische Lehre?
Was die vornizäischen Väter lehrten
DIE vornizäischen Väter werden von der römisch-katholischen Kirche als führende Kirchenlehrer der ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt anerkannt. Was sie lehrten, ist bedeutsam."

: Ottonio.visit.ws/trinity_churchfath_d.html

Nun, was lehrten die namentlich genannten, vornizäischen Kirchenväter tatsächlich?
Es folgen einige Auszüge aus den Schriften dieser vornizäischen Kirchenväter:

---------------------------------------------------------------------------

Polikarp (69-155);
"Martyrium des Polikarp"
(XIV, 3): "Herrlichkeit sei dir [dem Vater] mit ihm [dem Sohn] und dem Heiligen Geist."

----------------------------------------------------------

Justin der Märtyrer (110-165);
"Dialog mit Tryphon"
[S.167:] "... so sagt man von Christus: 'Gott ist herabgekommen mit Aufsehen, der Herr, beim Klang der Posaune."
[S.169, bezugnehmend auf Christus:] "dein Thron, o Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit"
[S.188:] "Sohn desjenigen der alles gemacht hat, er selbst Gott seiend, und er ist zu einem Menschen geworden mittels einer Jungfrau."
[S.217:] "Gott hat aus sich selbst eine rationale Macht gezeugt, die der Heilige Geist einmal Herrlichkeit des Herrn, einmal Sohn, einmal Weisheit, bald Engel (=Bote), bald Gott, dann Herr, nennt, die sich selbst Erzstratege nennt, als es in menschlicher Gestalt erscheint"
[S.243:] "man erkennt mit aller Klarheit dass eben von jenem der gekreuzigt wurde vorhergesagt wurde, Gott und Mensch zu sein und dass er ans Kreuz getan und gestorben wäre."
[S.327, hinsichtlich Josua, dem Feldherrn:] "er war nicht Christus Gott, noch der Sohn Gottes."

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Irenäus v. Lyon (130-200)
"Gegen die Häresien"
[S.508:] "Gott ist der Vater und Gott ist der Sohn, denn derjenige der von Gott geboren ist, ist Gott. Sodass, gemäss der Essenz seines Wesens und seiner Macht, er als ein einziger Gott erscheint; aber, gleichzeitig im Verwalten der Verwaltung unserer Erlösung, erscheint Gott als Vater und als Sohn"
[S.508, hinsichtlich des Sohnes:] "dein Thron, o Gott, währt ewig"
[5,18.2-3:] "Der wahre Schöpfer der Welt ist das Wort Gottes, d.h. unser Herr, der in den letzten Zeiten zum Mensch geworden ist in dieser Welt, während er unsichtbar in sich alle Geschöpfe beinhaltet und der ganzen Schöpfung als Wort Gottes aufgeprägt ist, der alles beherrscht und dirigiert."

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Tertullian wird noch eindeutiger ...
Tertullian (160-230):

"Gegen Prassea" [Oder Praxes?]
[IX, 1,2:] "Siehe, in der Tat, dass ich sage dass einer der Vater ist und einer der Sohn und einer der heilige Geist: es versteht diese Worte nicht richtig der Unkundige oder der üble Voreingenommene, als würden sie eine Verschiedenheit bedeuten und, aufgrund der Verschiedenheit, eine Trennung des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zwischen ihnen verursachen. [...] Der Vater ist, in der Tat, ganz die Substanz, während der Sohn eine Ableitung (=Derivat) des Ganzen ist und ein Teil desselben, wie er selbst bestätigt: "Der Vater ist größer als ich", nicht im Sinne des Logos denn als solcher ist er von derselben Substanz des Vaters."
[XV, 5-8:] "Paulus ... sagte dass Christus Gott war: "Die Väter dessen, und von denen Christus stammt nach dem Fleische, der Gott über allen ist, gesegnet in Ewigkeit."
[Man beachte wie verschieden die NWU Römer 9:5 wiedergibt.]
[XIX, 5,6-8:] "denn die Himmel sind vom Wort erschaffen worden. In der Tat, während die Weisheit nahe beim Vater war, wurde im Wort der Himmel erschaffen und alle Dinge sind durch das Wort gemacht worden, und es ist logisch, dass es der Sohn gewesen ist, der allein/eigenständig den Himmel ausbreitete, denn der Sohn allein/eigenständig hat die Werke des Vaters ausgeführt ... Vor allen Dingen, das versteht sich, ist das Wort: "Im Anfang war das Wort" ... Der Vater und der Sohn sind zwei, und nicht durch Trennung der Substanz, aber durch göttliche Verwaltung (Einteilung, Aufbau), alsdann wir den Sohn darlegen als untrennbar und ungetrennt im Hinblick auf den Vater, und anders nicht per Natur aber per Aufeinanderfolge, denn der Sohn, auch wenn er Gott genannt wird, vom Moment dass er in der Einzahl genannt ist, bildet nicht deswegen zwei Götter, sondern einen einzigen Gott. Und dies geschieht gerade aus demselben Grund aus dem er auch "Gott" genannt wird, d.h. infolge seines Geeintseins mit dem Vater."
[XXVII, 10,11:] "Bestimmt ist er unter jeder Hinsicht Gottessohn und Menschensohn, zweifellos gemäß der einen und anderen Substanz, unterschiedlich in ihrer Besonderheit, denn weder das Wort ist etwas anderes als Gott, noch das Fleisch etwas anderes als der Mensch ... mit einer einzigen Person verbunden, Jesus der Gott ist und Mensch ist."
[II, 4:] " ... wie wir sagen: dass vom einzigen Gott dies alles kommt, versteht sich, durch die Einheit der Substanz, nichtsdestoweniger, wird das Geheimnis der Verwaltung erhalten, die die Einheit in der Trinität bestimmt, die in drei unterscheidet den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist: drei, jedoch, nicht in der Qualität sondern in der Abfolge, nicht in der Substanz sondern in der Erscheinung, nicht in der Befugnis sondern in der Äußerung, und ausgestattet mit einer einzigen Substanz und mit einer einzigen Befugnis, denn Gott ist einzig.
[XXIX, 2:] "Wahrlich, vom Augenblick an in dem man in Jesus Christus die Existenz zweier Substanzen anerkennt, d.h. die göttliche und die menschliche, und man weiss dass die göttliche unsterblich, die menschliche sterblich ist, ist es ersichtlich in welchem Sinn der Apostel sagt dass Christus gestorben ist: er ist gestorben als Fleisch und Mensch und Menschensohn, nicht als Geist und Wort und Gottessohn."
„Apologeticum, Verteidigung des Christentums"
[21,11-14.28:] "Wir haben bereits gesagt, daß Gott dieses Weltall durch sein Wort, seine Vernunft und seine Kraft erbaut hat. Auch bei euren Weisen erscheint bekanntlich der Logos, das heißt Sprache und Vernunft, als Baumeister des Alls. [...] Doch auch wir bezeichnen die Substanz, die der Sprache und Vernunft und ebenso der Kraft - wodurch, wie gesagt, Gott alles zusammengefügt hat - eigen ist, als Geist, dem Sprache innewohnt beim Verkünden, Vernunft beiwohnt beim Ordnen, Kraft beisteht beim Vollbringen. Dieser ist, so haben wir gelernt, aus Gott hervorgebracht und im Hervorbringen gezeugt worden und deshalb wird er Sohn Gottes und Gott genannt kraft der Einheit ihres Wesens; denn auch Gott ist Geist. Wenn ein Strahl von der Sonne ausgesandt wird, so als ein Teil von einem Ganzen; aber die Sonne wird in dem Strahl darin sein, weil es ein Sonnenstrahl ist, und die Substanz sondert sich nicht, sondern breitet sich aus - wie Licht, das von Licht entzündet wird. Unversehrt und ungemindert bleibt die Ausgangssubstanz, auch wenn man mehrere Ableitungen ihrer Art davon wegnimmt. So ist auch, was von Gott ausgegangen ist, Gott und Gottes Sohn und beide sind eins; so hat der Geist vom Geiste und der Gott vom Gotte, der Größe nach ein zweiter, diese Mehrzahl nur seinem Rang, nicht seinem Wesen nach entstehen lassen und ist von dem Urgrund nicht fortgegangen, sondern daraus hervorgegangen. Dieser Strahl Gottes also ist, wie früher ständig vorausgesagt wurde, in eine Jungfrau herabgeglitten, und, in ihrem Leibe Fleisch geworden, wird er geboren als ein Mensch, der mit Gott vereinigt ist. Das Fleisch, vom Geist durchdrungen, kräftigt sich, wächst heran, spricht, lehrt, wirkt - und ist Christus. [...] 'Wir verehren Gott durch Christus'. Haltet ihn immerhin für einen Menschen - durch ihn und in ihm will Gott erkannt und verehrt werden."

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... ebenso Clemens von Alexandrien, Teophilus von Antiochien und Origenes.
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Zitate entnommen aus der italienisch-sprachigen Seite:
http://www.infotdgeova.it/baston1.htm

Soviel zum Wahrheitgehalt der von Ingrid benannten Broschüre. Der Rest ist auch nicht besser.

Grüsse.

Geschrieben von Drahbeck am 07. Juli 2004 15:42:54:

Als Antwort auf: Re: Falls es hier immer noch jemanden interessiert geschrieben von Ottonio am 07. Juli 2004 12:17:38:

Zu dem von Ottonio mit genannten Tertullian vielleicht noch ein paar Ergänzungen. Nicht direkt in Beziehung zum Thema stehend, aber doch indirekt.
Der um 160 in Afrika (Karthago) geborene Tertullian hatte einen Vater, der Offizier in der römischen Armee war. Er absolvierte eine Juristenlaufbahn. Erst gegen das Jahr 195 schloss sich Tertullian den Christen an; und zwar einer Gruppe, die wir im heutigen Sprachgebrauch eher den Sekten zuordnen würden, den Montanisten. Die Mehrheit der Christen hatte die Endzeit-Naherwartung zu jener Zeit bereits beerdigt. Nicht so die Montanisten.

Für die WTG ist Tertullian auch dergestalt interessant, dass sich bei ihm eine Ablehnung des Essens von Blutwurst nachweisen lässt, wovon auch der nachstehende Auszug aus seinem "Apologetikum" kündet

 

Gleichwohl wird grosskirchlicherseits Tertullian als derjenige bezeichnet, der zuerst den Begriff "Trínität" als festem kirchliches Dogma in den kirchlichen Sprachgebrauch einführte. Das wiederum passt der WTG nicht so recht, und sie bemüht sich das nach Kräften wegzuerklären.

Aus seinem "Apologetikum" ein paar Auszüge, entnommen der Edition "Bibliothek der Kirchenväter".
"Wir sind also beim zweiten Anklagepunkt angekommen, dem der Verletzung einer noch höheren Majestät, da ihr ja dem Kaiser mit größerer Furcht und erfinderischer Ängstlichkeit dient als dem olympischen Jupiter selbst. ...

Wir beten allezeit für alle Kaiser um ein langes Leben, um eine ungestörte Herrschaft, um die Sicherheit ihres Hauses, um tapfere Heere, einen treuen Senat, ein rechtschaffenes Volk um die Ruhe des Erdkreises und welche Wünsche sie immer als Mensch und als Kaiser haben mögen. ... Die Christen gelten also deshalb für Feinde des Staates, weil sie den Kaisern keine sinnlosen, lügenhaften und vermessenen Ehrenbezeugungen zollen, weil sie als Anhänger der wahren Religion auch die Festlichkeiten des Kaisers mehr im Herzen als durch Ausgelassenheit feiern....

Wir werden aber auch noch auf einen anderen Titel hin der widerrechtlichen Schädigung angeklagt: man sagt, wir seien unnütz für das geschäftliche Leben. Wie? Leute, die mit euch zusammenleben, Leute von derselben Lebensweise, Kleidung, Einrichtung und denselben Bedürfnissen des Lebens? ...
Wir betreiben mit euch zusammen die Schifffahrt, TUN MIT EUCH KRIEGSDIENST (Herhorhebung von mir), treiben Ackerbau ..."

Worum ging es Tertullian? Einmal doch wohl um ein spartanisches Leben, auch gesponsert aus der Endzeit-Naherwartung. Auf die Neuzeit übertragen: Der Hitlergruß hätte in ihm einen scharfen Widersacher gefunden. Er hielt auch nichts von der römischen Philosophie "Brot und Spiele"; verwahrt sich strikt dagegen, etwa Zirkusveranstaltungen und ähnliches als Christ zu besuchen. Seine mit zu nennende Schrift "Vom Kranze des Soldaten", ist meines Erachtens indes KEIN Beleg, einer prinzipiellen Wehrdienstgegnerschaft. Vorbehalte hatte er ohne Zweifel. Menschenverherrlichung ist ihm zuwider. Aber er sagt auch, wie zitiert "Tun mit euch Kriegsdienst". Ihn daher zum Ahnvater der Kriegsdienstverweigerer zu küren, erscheint angesichts dessen etwas deplatziert.
Seine Sympathie für die Montanisten spiegelt sich denn auch in solchen Thesen wider, wie der: „Da auch die Zeiten der Erfüllung der gesamten Hoffnung in der Heiligen Schrift festbestimmt sind, auf das sie nicht früher verwirklicht glaube als bei der Wiederkunft Christi, so strecken sich unsere seufzenden Wünsche nach dem Untergang dieses Säekulums und damit nach dem Vergehen dieser Welt zu dem großen Tag des Zorns und der Vergeltung."

Seine Anfälligkeit für allerlei Datenspekulationen, kann man auch dem nachfolgenden Textausriss entnehmen.

Im 5. Jahrhundert war es dann einem Papst noch vergönnt, die Schriften des Tertullian in die Liste der verbotenen Literatur zu setzen. Ein Zeichen dafür, dass die jetzt schon total verweltlichte Kirche nicht mehr die Hinweise auf eine gewisse Distanz zum Staat, aus der Zeit des Urchristentums, ertragen konnte.

Da Tertullian auf die montanistische Endzeit-Naherwartungslinie eingeschwenkt war, stellte es für ihn auch keinen Bruch dar, sich auch auf jene Schriften aus der Periode des Frühchristentums zu berufen, welche die siegreiche Catholica nicht mehr gebrauchen konnte und denen sie daher die Aufnahme in den Bibelkanon verwehrte.
Symptom dafür ist auch die Aussage:
"Wenn er sagt, er wisse sehr gut, daß das Buch Henoch von gewissen Leuten nicht als kanonisch angenommen werde, aber er machte sich nichts daraus, sondern zitierte es wie eine inspirierte Schrift."

Es ist somit ein Paradebespiel dafür, dass offenbar Licht und Schatten mehr als kräftig vermengt waren, und dass eine Interessegeleitete Vermarktung durch Gruppen in der Neuzeit, mehr als fragwürdig ist.

Geschrieben von Prometeus am 06. Juli 2004 17:19:36:

Als Antwort auf: Falls es hier immer noch jemanden interessiert geschrieben von Ingrid am 06. Juli 2004 16:53:37:

Hallo Ingrid,

es ist völlig gleichgültig ob Christen nun einen einfältigen, drei-, fünf-, acht-, oder hundertfältigen Gott anbeten; die Welt wird davon keinen Deut besser oder schlechter!

Prometeus
Geschrieben von Tethis am 06. Juli 2004 18:10:38:

Bei mir als neugierige Neueinsteigerin ist bisher immer angekommen, daß Gott ein Gott der Liebe ist. Nun muß ich feststellen, daß auch Haß eine nicht unwichtige Rolle spielt.

Anfang des Psalm 97/10
Die Ihr den Herrn liebt, haßt das Böse! (Elberfelder Bibel)
Der Herr hat lieb, die das Böse hassen,... (Züricher Bibel)
Die ihr den Herrn liebet, hasset das Arge! (Lutherbibel 1984, ev. Kirche)
O ihr, die ihr Jehova liebt, haßt das Böse. (Neue Welt Übersetzung)

Offensichtlich müßte der Hass doch in allen Glaubensrichtungen eine wesentliche Rolle spielen. Oder ist es wieder nur die Frage der Wertigkeit, die eine Bibelstelle zu einer Hauptaussage macht.
Welche Wertigkeit nimmt denn nun der Hass in den einzelnen Glaubensrichtungen ein.

Epheser 4/32
Seid aber zueinander gütig, mitleidig, und vergebt einander, so wie auch Gott in Christus euch vergeben hat! (Elberfelder Bibel)
Seid vielmehr gegeneinander gütig, barmherzig, und vergebet einander, wie auch Gott durch Christus euch vergeben hat! (Züricher Bibel)
Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebet einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus. (Lutherbibel 1984, ev. Kirche)
Werdet aber gütig zueinander, voll zarten Erbarmens, einander bereitwillig vergebend, so wie auch Gott euch durch Christus bereitwillig vergeben hat. (Neue Welt Übersetzung)

Hier wird die Liebe groß geschrieben. Wonach sollte man den nun handeln???? Ist es der Interpretation der jeweiligen Leitung überlassen, wo der stärkere Akzent liegt, oder kann ich das für mich selbst entscheiden.

In diesem Zusammenhang noch ein Frage, ist es überhaupt zulässig auf die Art und Weise zu zitieren, wie ich es gerade getan habe? Oder habe ich die Texte aus dem Zusammenhang gerissen und müßte eigentlich immer die ganze Passage betrachten?

Mit der Hoffnung auf regen Meinungsaustausch
Tethis

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