Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Rutherford "Flüchtlinge"

Was wäre die WTG ohne das Auf und Ab im politischen Weltgeschehen? Sie wäre so etwas ähnliches wie der "Fisch ohne Wasser". So war es auch im Jahre 1940. Die Welt hielt damals den Atem an. Der Zweite Weltkrieg war bereits ausgebrochen. Polen, Tschechoslowakei, Österreich und andere waren bereits von Hitlerdeutschland überrannt. Der Spanische Bürgerkrieg hatte einen Sieger gefunden; und der dortige Verlierer hieß die Demokratie. Das alles waren in der Tat Geschehnisse die einem Angst und Bange machen konnten. Und wie nicht anders zu erwarten sprang auch Rutherford auf den fahrenden Zug, der weiteren Schürung solcher Ängste. Seine 1940-er Broschüre "Flüchtlinge" ist auch ein solches Dokument.

Schon einleitend verlautbart er: "Alle Nationen schauen heute dem Untergang entgegen. Im weltweiten Kriege von Harmagedon, das heißt in dem 'Kriege jenes großen Tages Gottes des Allmächtigen' werden alle Nationen untergehen. Das bedeutet nicht den 'Tod' der Nationen durch die Hände anderer Nationen, sondern den Tod, den die Allmacht des Himmels bewirkt, das heißt 'die obrigkeitlichen Gewalten' (Römer 13:1), die aus Jehova Gott und Christus Jesus bestehen" (S. 6).

Im Klartext. Die real greifbaren kriegerischen Geschehnisse überhöht er noch um zu drohen, dass damit ein göttliches "Harmagedon" verbunden sei. Und er versäumt es auch nicht gleichzeitig die Spitze mit einzubauen, dass er weltlichen Regimen jegliche Kompetenz als "Obrigkeit" gemäß Römer 13, abspricht. Für die Anhängerschaft bedeutete dies zugleich in die Alltagssprache übersetzt: Wir müssen Rutherford mehr gehorchen als dem Staat.

Und auch den weltlichen Staaten droht er pauschal die Vernichtung an:

"In jener Schlacht des großen Tages Gottes des Allmächtigen werden die Demokratien, werden die kommunistischen Regierungen noch der Nazismus, die Monarchien oder den Imperialismus überdauern; den jegliche Form menschlicher Regierungen wird auf ewig verschwinden" (S. 7).

Und weiter: "Harmagedon rückt jetzt nahe heran. Jeder denkende Mensch kann erkennen, daß die große Drangsalszeit kurz bevorsteht" (S. 27). Und seine Spitze gegen die Konkurrenzreligionen richtend verlautbart er dann noch:

"Ein großer Religionist, dem das Religionssystem der römisch-katholischen Organisation zur Seite steht, führte den Krieg in Spanien von 1936 bis 1939, in dem viele Menschen umkamen. Beinahe alle Bewohner Spaniens waren damals Anhänger der römisch-katholischen Religion, doch wurde durch diese Religion keiner von ihnen verschont oder beschützt. Die Religion bot ferner der Bevölkerung Polens oder der Tschechoslowakei, die fest zum katholischen Religionssystem und dessen Kult hielt, keinerlei Schutz" (S. 11).

Im zweiten Teil dieser Broschüre polemisiert Rutherford wieder einmal gegen die sogenannten "Wahlältesten", deren Entmachtung er ja mit Vehemenz vorangetrieben hatte. Der Hintergrund dafür ist darin zu sehen, dass sie ihm zu unabhängig waren. Seine erklärte Zielstellung war, alle Mitglieder in dieser Religionsorganisation haben ihren eigenen Willen an der "Garderobe abzugeben", und sich als willenloses Werkzeug durch Rutherford dirigieren zu lassen, der allein bestimmte, wo "es langging". Ein Symptom der diesbezüglichen Auseinandersetzung kann man auch auf S. 46 genannter Broschüre nachlesen, wo diesbezüglich zu lesen ist:

"Gottes bestimmte Zeit zur Erfüllung des Gleichnisses mit Bezug auf den armen Mann kam herbei, und Gott offenbarte dann seinem treuen Volke, daß die 'große Volksmenge' eine irdische Klasse ist, die ewig auf der Erde leben wird. … Diese Botschaft vom Herrn wurde seinem Volke im Jahre 1935 ausgerichtet, und sie brachte den Menschen guten Willens, die sie hörten, grenzenlose Freude. … Hat sich denn auch die 'Wahlältesten'-Klasse daran beteiligt, ihre Freude auszudrücken, indem sie die frohe Botschaft den Menschen guten Willens überbrachte? Nein, weit davon entfernt. Im Gegenteil, jene selbstgerechten 'Wahlältesten' die Klasse des 'bösen Knechts', sagten damals und sagen noch: 'Wo finden wir Anzeichen dafür, daß die große Volksmenge eine irdische Klasse sein wird? Worin liegt der Beweis, daß die große Volksmenge jetzt versammelt wird? Wir sehen keine große Volksmenge.'

Solche, die zur Klasse des 'bösen Knechts' gehören, haben bis heute an der Theorie festgehalten, die 'große Volksmenge' sei eine Klasse, die einen Glauben zweiten Grades besitze und worin die Halbtreuen landen können, falls sie unfähig wären, die himmlische Herrlichkeit zu erreichen. "

Die Rutherford-Broschüre "Flüchtlinge" ist neben der Englischen, auch in einer deutschen Ausgabe erschienen. Ein Belegexemplar davon befindet sich auch im Bestand der Schweizerischen Landesbibliothek Bern (Signatur: N 45330 37) Gleichwohl ist einzuräumen, dass bedingt durch die kriegerischen Verhältnisse in Europa, ihr Bekanntheits- und Verbreitungsgrad relativ gering ist. Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass der erste Teil dieser Broschüre (also rund 50%) erneut, unabhängig von der WTG, ins Deutsche übersetzt wurde. Dem Übersetzer ist es dabei entgangen, dass sie bereits in deutscher Edition vorliegt. Wie das bei Übersetzungen so der Fall ist. Es treten auch unterschiedliche Wortwahlen auf. Das ist auch in diesem Fall so. Diese nachträgliche Übersetzung stimmt daher in der Wortwahl nicht immer mit der WTG-Übersetzung überein; wohl aber in der Sache. Da diese von der WTG unabhängige Teilübersetzung nun aber existiert, so sei sie nun auch über nachfolgendem Link dargeboten.

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