Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Katja Eichler

Die im Dezember 1977 geborene Katja Eichler, aus Gera, besuchte nach eigenen Angaben am 8. 4. 2001 erstmals in ihrem Leben eine Veranstaltung der Zeugen Jehovas (das an diesem Tag stattfindende "Gedächtnismahl"). Sie ist gemäß der auch von den Zeugen Jehovas verwandten "Lovebombing"-Methodik angenehm von diesem Besuch berührt. Insbesondere von der zuvorkommenden Aufmerksamkeit, die ihr als Außenstehende anlässlich dieses Besuches zuteil wird.

Nur relativ wenige Monate danach, schon am 18. 12. 2001, lieferte sie in der Universität Jena ihre "Wissenschaftliche Hausarbeit Zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien im Fach: Evangelische Religionslehre" ab. In der Zwischenzeit zwischen diesen beiden Daten erfolgte unter anderem ein Besuch in der Zeugen Jehovas-Zentrale Selters, mit gleichfalls zuvorkommender Behandlung ihrer Person durch den dortigen Herrn Wrobel (Geschichtsarchiv der WTG). Letzterer weiss, was er seiner "Kundschaft" schuldig ist, wenn es für ihn darum geht für die WTG geschönte Berichte zu erhalten.

Die Arbeit von Frau Eichler hat den Titel: "Die Zeugen Jehovas in Gera - Eine Dokumentation."

Frau Y... die in der Eichler'schen Arbeit übrigens auch mit vorkommt, was nicht verwundert, prägte für Gera einmal im Zusammenhang mit Jehovas Zeugen den Begriff, es sei "das Auge des Taifuns" gewesen. Diese Einschätzung kann man als durchaus sachgemäß einschätzen; dieweil sich gerade in Gera mit die bedeutendsten Stasiaktivitäten in Sachen Zeugen Jehovas bündelten. So findet man bei ihr, beiläufig, auch den Namen des Stasifunktionärs Hauptmann Heinz Bergner, von der Stasi-Dienststelle Gera. Gerade jener Bergner ist ja kein "unbeschriebenes Blatt", indem er an der Juristischen Fachschule der Stasi mit einer speziellen Arbeit über die Zeugen Jehovas "glänzte", die von seinen Vorgesetzten überaus positiv bewertet wurde. Bergner rühmt sich darin, dass es der Stasi vielfach gelungen sei, ihre Zersetzungasmaßnahmen so zu organisieren, dass vordergründig der Verdacht nicht auf sie fällt.

Nun hätte ja Frau Eichler bei ernsthaftem Bemühen die Möglichkeit gehabt, sich mal eine Referierung dieser Arbeit des Bergner anzusehen, (bzw. selbige sogar direkt). Nichts von alledem. So  hätte sie eine Referierung der Bergner'schen Auslassungen auch in einer Veröffentlichung des Herrn Hirch vorfinden können. Ebenfalls Fehlanzeige. Total ignoriert, wie sie auch noch einige andere, meiner Meinung nach relevante Veröffentlichungen zum Thema, sei es in Buchform, sei es via Internet, offenbar grundsätzlich ignoriert. Herr Wrobel wird es ihr danken, denn das was letzterer als empfehlenswert ansieht, ist natürlich nicht ignoriert.

Da eben der Name des Herrn Hirch genannt wurde, gilt es vielleicht noch  zu sagen.

Frau Eichler, erwähnt in Wiedergabe eine Bemerkung von Frau Y..., dass über die "Christliche Verantwortung" eine Dissertation in Vorbereitung sei. Und sie gibt der Meinung Ausdruck, dass würde, müsste ja spannend werden.

Es bestände für Frau Eichler auch die Möglichkeit, sich diverse kommentierte CV-Ausgaben via Internet anzusehen. Offenbar ebenfalls Fehlanzeige.

Es sei nicht nur kritisiert. Interessant empfand ich besonders jenen Passus, wo davon die Rede ist, dass Frau Eichler noch am 3. 9. 2001 mit dem letzten Herausgeber der CV, dem Herrn Henry Werner Struck, ein persönliches Interview führte.

Diesbezüglich liest man bei ihr, dass darin sich Herr Struck wie folgt verbreitete:

"Es hatten sich dann mehrere ehemalige Zeugen Jehovas um Herrn Müller versammelt. Die Mitgliedszahl wechselte, es waren so zwischen 20 und 40 Personen. Es war ja kein Verein oder Organisation. […] Es gab einen Stamm von maximal 20 Personen, die an dieser Zeitschrift gearbeitet haben. Die Zeitschrift gab es ja nicht nur in Gera, sondern sie ging von Gera aus in die gesamte DDR, dann nach ganz Europa, einschließlich später Übersee, Asien usw. Sie war an sich eine reine Aufklärungszeitschrift. Die Autoren haben die Wachttürme gelesen und die Schriften, die Bücher gelesen, die von der Wachtturmgesellschaft herausgegeben worden waren und haben da ihren Kommentar dazu gegeben, wenn sie etwas entdeckten, was nicht der Bibel entspricht. […] Ich habe ja dann die Zeitschrift auch bis 1993 herausgegeben. Als dann die Wende war, dachte nämlich die Wachtturmgesellschaft, dass die Zeitschrift nicht weitergeführt wird, weil sie der Stasi entspringt. So war es aber nicht. Fakt ist natürlich, dass wir unsere Genehmigung vom Ministerium für Kultur in Berlin für die Veröffentlichung der Zeitschrift brauchten. Die wollten natürlich immer erst mal die neue Ausgabe sehen, bevor sie die Genehmigung erteilten, manchmal haben sie uns etwas gestrichen. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass die Staatsicherheit auch uns überwacht hat und alles gelesen hat. Es gab ja nichts, was die Stasi nicht wusste, keine Veröffentlichung, die nicht gelesen wurde. Im Laufe der Jahre wurde vom Ministerium und vom Staatssekretariat für Kirchenwesen festgestellt, dass wir etwas tun, was im Sinne des Staates ist, nämlich die Leute dazu zu bewegen zur Wahl zu gehen oder in Betrieben Ehrenämter anzunehmen. Daraufhin hat man uns dann etwas in Ruhe gelassen. […] Wir haben auch viele Verbote bekommen, von Polizeikreisämtern, weil Zeugen Jehovas sich beschwert haben. […] Wir haben in einer öffentlichen Druckerei gedruckt in Greiz."

Wie gesagt, dies ist die vielleicht doch etwas geschönte Darstellung von Herrn Struck.

Gera "Auge des Taifuns". Das nochmals aufnehmend. Der Fall Bergner wurde schon genannt.

Noch einen anderen dieser Dienststelle zuzuordnenden Fall gilt es zu nennen. Den Fall des Messerlieferers unter den Zeugen Jehovas, des Herrn Wolfgang Kirchhoff. Aus den Veröffentlichungen von Y... als auch von D..., wusste man bereits, dass er vom DDR-Staat im Jahre 1977 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Bronze ausgezeichnet wurde. Es kommt aber noch "besser" und das haben weder Y... noch D... in ihren Publikationen erwähnt. Noch einmal zeichnete der DDR-Staat diesen Herrn für seine "Verdienste" aus und zwar im April 1987. Diesmal zwei Stufe höher. Vaterländischer Verdienstorden in Gold ist jetzt angesagt.

Eichler zitiert auch dazu den von Honecker unterzeichneten Auszeichnungstext (1977)  in dem zu lesen ist: „[…]Diese Auszeichnung anlässlich des 28. Jahrestages der DDR ist eine Würdigung der besonderen Verdienste eines Patrioten, der seit über 20 Jahren aufs engste mit dem Ministerium für Staatssicherheit verbunden ist und einen entscheidenden Anteil an der Lösung spezifischer Aufgaben hat. Diese Auszeichnung ist eine Würdigung und Anerkennung für die stets disziplinierte, zuverlässige und treue Pflichterfüllung im Dienste unseres sozialistischen Staates. Diese Auszeichnung ist eine Würdigung der großen Opferbereitschaft bei der Lösung der übertragenen operativen Aufgaben. Werter Genosse! Sie haben in den über 2 Jahrzehnten als Patriot in den Reihen des Ministeriums für Staatssicherheit jederzeit Ihr gesamtes persönliches Leben der Lösung der operativen Aufgaben untergeordnet. Mit Ihrem festen Willen, durch tschekistische Höchstleistungen die Feinde unserer sozialistischen Gesellschaftsordnung in Gestalt der feindlichen Organisation ‚Zeugen Jehovas' und ihrer subversiven Zentren in Wiesbaden und Brooklyn aufzuklären, unter Kontrolle zu halten bzw. zu liquidieren, haben Sie einen entscheidenden Anteil an der Stärkung unserer DDR. Unter ständigen persönlichen Entbehrungen und Opfern im persönlichen, familiären und beruflichen Leben haben Sie eine entscheidende Grundlage für das kontinuierliche Eindringen in die feindliche Konspiration geschaffen. So gelang es Ihnen, das uneingeschränkte Vertrauen der Zentralen in Wiesbaden und in den USA zu erzielen.[…] Durch Ihren Einsatz war eine ständige Kontrolle der Aktivitäten innerhalb des ZJ - Bezirkes und darüber hinaus gewährleistet und feindliche Aktionen konnten unterbunden bzw. eingeschränkt werden. Sie leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der nachrichtendienstlichen Verbindungen zwischen der Leitung des Ostbüros in Wiesbaden und den Leitungen in der DDR.[…]"

Dieser Kirchhoff war in der Tat einer der größten "MfS-Fische" auf dem Sektor Zeugen Jehovas. Demgegenüber wirken die vordergründigen, auch bei Eichler vorhandenen Vorhaltungen gegenüber dem Willy Müller (erster CV-Herausgeber) irgendwie kleinkariert.

Sicher, ohne Frage, Müller wurde von der Stasi "umgedreht". Indes ist er in meinen Augen eher eine tragische Figur. Mitnichten jedenfalls hatte er jenes "Kaliber" wie der Herr Kirchhoff.

Über Müller liest man bei Eichler, dass er am 19. Juni 1953 bereits zusammen mit anderen Zeugen Jehovas von den DDR-Gerichten verurteilt wurde. Dann geht es weiter mit der Angabe:

"Am 11. März 1959 wurde er erneut verhaftet. (66jährig). Fritz Seyfarth, der am gleichen Tag verhaftet wurde, erinnert sich:

„ […] um den Kübel auszulehren, die Waschschüssel und den Rasierapparat hinzustellen, durfte ich meine Zelle kurz verlassen. Dann habe ich gemerkt, dass Willy Müller möglicherweise krank war, denn er hatte Durchfall. Eines Tages musste ich seine Zelle sauber machen und den Kübel ausleeren. Weil ich auch das Essen hingestellt habe, wusste ich, in welcher Zelle er war. Wir essen ja keine Blutwurst, die kam bei uns immer wieder zurück, und als ich dann das Essen ausgegeben habe, da war eben auf dem Teller keine Blutwurst und ich wusste, wo der Bruder Müller war. Am 29. Mai 1959 hat er für die Stasi unterschrieben."

Am 3. Juni 1959 stellte die Staatsanwaltschaft Gera das Verfahren gegen Willy Müller ein, mit der Begründung, dass davon auszugehen sei, „dass der Beschuldigte ein Verhalten an den Tag legte, dass ohne weiteres erwarten lässt, dass er zukünftig die sozialistischen Gesetzlichkeiten beachten wird. Auf Einzelheiten braucht hierbei nicht eingegangen zu werden." Als Gründe für diese „Umdrehung" zählen das hohe Alter Müllers und sein physischer Zustand."

Jedenfalls hat Müller es keinesfalls, wie Kirchhoff, zu gar zwei "Vaterländischen Verdienstorden" gebracht. Seine erst viel später, im Jahre 1965 einsetzende eigentliche CV-Tätigkeit, betrieb er bereits im hohen Rentneralter. Nicht die Rede ist bei Eichler davon, dass der DDR-Staat ihm im Zusammenhang mit den Verhaftungen, auch sein eigenes Haus enteignet hatte. Von alledem ist bei Kirchhoff, der da den supertreuen Zeugen Jehovas spielte, nie die Rede.

siehe auch: Laube

Ostdeutschland

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