Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Gewogen und für zu leicht befunden

Wieder einmal gilt es auf das "Auge des Taifuns" zu sprechen zu kommen. Äußerer Anlass, die Aufbereitung der CV 129 für das Internet. Darin wieder einmal einer jener sattsamen Artikel, die den "Geldschmuggel" der Zeugen Jehovas zu DDR-Zeiten anprangern. Ich denke mal, mir wird niemand sonderliche "Sympathie" für die WTG unterstellen.

Indes ein Staat der einen Wirtschaftskriminellen wie den Herrn Alexander Schalck-Golodkowski, auch "dank" Unterstützung von Herrn Franz-Josef Strauß und Umfeld, so hat hochkommen lassen wie es tatsächlich der Fall war. Ein solcher Staat hat in meinen Augen jegliche Legitimation verloren, auch nur eine Krokodilsträne in der Sache zu vergießen.

Ich kann da nur wiederholen, was ich bereits in der Einleitung zur CV 124 vermerkte:

"Wieder einmal (man kann es kaum anders bezeichnen), ein ausgesprochener Drohartikel in dieser Ausgabe zum Thema "Geldschmuggel". Formal gesehen mag die Sachlage eindeutig sein: Übertretung von Zollgesetzen der DDR durch die Zeugen Jehovas. Nur, wenn dieser Aspekt isoliert herausgepickt wird, ohne gleichzeitige Berücksichtigung der Gesamtverbotssituation, hinterlässt er einen faden Beigeschmack.

Wenn die DDR an den Zeugen Jehovas einiges zu kritisieren hat, dann kann man das durchaus nachvollziehen. Hier wird jedoch eine Folgewirkung ungebührlich und noch dazu in ausgesprochenem Drohton in den Vordergrund gestellt. Eine Folgewirkung die von rechts wegen in den Hintergrund gestellt gehörte.

Oder hat die DDR sich beispielsweise dazu bequemt, ihre diplomatischen Beziehungen zu China abzubrechen, nachdem deren Diplomaten, ihre Immunität ausnutzend, Millionenbeträge von Ostmark nach Westberlin geschafft hatten, um sie dort umzutauschen und sich "standesgemässe" PKW der Marke Mercedes Benz dafür anzuschaffen?

Da hat die DDR nichts getan. Da hat sie ihren Frust heruntergeschluckt. Hier aber bei den Kleinen, den religiös Verblendeten, will man Exempel statuieren!"

Vom "Auge des Taifuns" war eingangs die Rede. Sachkenner wissen was damit gemeint ist. Die Bezirksverwaltung Gera der Stasi.

Nur ein Beispiel. Zeugen Jehovas waren für die Zeitungen der "DDR" in den Jahren 1949/50 durchaus ein Thema, aus bekannten Gründen. In den nachfolgenden Jahren indes war es um dieses Thema indes (zumindest auf der publizistischen Ebene) still. Mit einer Ausnahme wiederum, dem "Auge des Taifuns". Die Regionalzeitung "Volkswacht" in Gera, brachte auch noch in den 60er Jahren, ja selbst noch in den achtziger Jahren einschlägige Beiträge. Das gab es andernorts in der DDR so nicht.

Nun zitiert die CV 129 aus solch einem Artikel der "Volkswacht" (Gera) vom 21. 1. 1960. Man kommt nicht umhin, auch dazu ein klares Wort zu sagen. Ich habe es glaube ich schon einleitend getan, wenn ich anmerkte, dass ich die "Geldschmuggel-Argumentation" n i c h t mittrage und zugleich hinzufüge. Unabhängig davon, gibt es genug, übergenug andere Kritikgründe an der WTG, die meine Unterstützung finden. Nur eben der eine nicht. Das künstlich hochgespielte Thema "Geldschmuggel".

Die CV 129 gibt den genannten "Volkswacht"-Artikel wie folgt wieder:

"In der "Volkswacht" Gera vom 21. Januar und 28. April 1960 wurde öffentlich darüber berichtet. Den leitenden Brüdern Woldemar B..., Ortsgebietsdiener Gera, Karl W..., Gruppendiener Gera-Liebschwitz, Fritz S..., Gruppendiener Bad Köstritz und Ludwig H... aus Gera-Langenberg, wurde ein umfangreicher gesetzwidriger Geldschmuggel nach Westberlin, Bayernallee Nr. 46/50, WTG-Büro, nachgewiesen. Bei Bruder S... handelte es sich u. a. um 25 000 M.

Die Brüder Woldemar B..., Karl W... und Fritz S... erklärten bei der öffentlichen Gerichtsverhandlung, daß sie mit der Wachtturm-Organisation fortan nichts zu tun haben wollten. In einem offenen Brief, der am 28. April 1960 abgedruckt wurde, berichtete auch die langjährige Zeugin Jehovas, Schwester I. S... aus der Geraer Kreisstadt Stadtroda über diesen Organisationsgeldschmuggel, um alle Brüder und Schwestern zu warnen und aufzufordern, über die Organisation kritisch nachzudenken. Leider fand das damals unter den Zeugen Jehovas selbst nur wenig Verbreitung . Wir wissen ja, wie wenige nur eine Zeitung lesen. Die Organisation weiß schon, wofür es gut ist in ihrer eigenen Sache, wenn sie so gegen das Lesen anderer Schriften ist."

Schon die einleitende Aufmachung des genannten Artikels vom 21. 1. 60 ist äußerst miserabel. Ein den Zeugen Jehovas zugeordneter Selbstmord wird benutzt, um zum "Rundumschlag" überzugehen. Ein Beispiel der Artikel brüstet sich:

"Als 1958 Wahlhelfer der Nationalen Front die Familie L... aufsuchten, wurden sie von Heinz L... mit den Worten bedroht und beschimpft: 'Macht, daß ihr rauskommt, ich bete jeden Tag, damit es Feuer und Schwefel regnet. Ich hole sonst einen Knüppel und erschlage euch."

Hier demaskiert sich das kommunistische Regime so richtig. Es nicht ertragend können, wie schon die Vorgänger, die Nazis, dass da Leute nicht "Hurra" schrieen, wird ein wirkliches oder vermeintliches "ausrasten" des in die Enge getriebenen hervorgeholt. Auf die Idee den Betreffenden, von dem man mit Sicherheit schon vorher wusste, dass ist ein Zeuge Jehovas. Den Betreffenden also nicht mit Schleppkommandos, genannt "Wahlhelfer" zu traktieren. Auf diese Idee sind offenbar weder die braunen noch die roten Totalitaristen gekommen. Wenn sie es denn schon nicht sein lassen konnten, bleibt immer noch die Frage offen, warum glauben sie ihre "Heldentat" wohl so in der Öffentlichkeit anpreisen zu müssen?

Weiter der nächste hanebüchene Satz in diesem Hetzartikel:

"Willy R.... Dieser hatte sich im Jahre 1949 den 'Zeugen Jehovas' zugewandt. Als sie 1950 in der DDR verboten wurden, zog er sich zum Schein zurück, um dann 1954/55 wieder an illegalen Zusammenkünften teilzunehmen."

Weiter behauptet der Artikel zu eben genanntem:

"Von 1955 bis zu seiner Verhaftung im Jahre 1958 hielt er Verbindung zu den Spionage-, Agenten- und Terrororganisationen 'KgU', 'UfJ' und 'Rias', denen er laufend Informationen politischer und militärischer Art lieferte."

Abgesehen, dass man es nicht für nötig hält, auch Beweise für diese Anschuldigungen mit vorzubringen, reflektiert diese Anschuldigung keineswegs, dass auch etliche andere Kreise, die überhaupt nichts mit den Zeugen Jehovas zu tun hatten, sehr wohl auch, wie es so schön heisst: "Verbindung zu den Spionage-, Agenten- und Terrororganisationen 'KgU', 'UfJ' und 'Rias', (hatten), denen laufend Informationen politischer und militärischer Art geliefert wurden"

Ob der hier zum Vortrag gebrachte Anwurf, "spezifisch Zeugen Jehovas geprägt" war, erscheint mir in keiner Weise bewiesen.

Die CV hatte unter anderem auch die Namen B... und S... und andere genannt. Auch dazu sei der entsprechende Passus aus dem "Volkswacht"-Artikel ungekürzt zitiert:

"Der Ortsgebietsdiener der Sekte 'Zeugen Jehovas' Woldemar B..., sowie der Gruppendiener Karl W..., Gera-Liebschwitz und Fritz S..., Bad Köstritz sammelten im November 1958 im Auftrag der Zentrale 'Zeugen Jehovas' in Westberlin, Bayernallee 49-50, Adressen von Staatsfunktionären wie Volkskammerabgeordneten, Bezirks- Kreistagsabgeordneten, Richtern und Staatsanwälten, Bürgermeistern usw. Diese Namen mit genauer Wohnanschrift wurden der Zentrale der Sekte 'Zeugen Jehovas' in Westberlin überbracht. Des weiteren führten sie über Bürger der DDR Ermittlungen durch u. a. auch über einen Agenten des amerikanischen Geheimdienstes.

Gruppendiener S... sammelte in seiner Gruppe in den zwei Jahren 1957 und 1958 ca.

25 000 DM und überbrachte diese Summe selbst und durch Kurier der Zentrale 'Zeugen Jehovas' in Westberlin. Zur gleichen Zeit wurden in dieser Gruppe 1500 Hetzschriften eingeschleust. Diese drei verantwortlichen Diener dieser Sekte sahen ein, daß sie von der Zentrale 'Zeugen Jehovas' mißbraucht wurden und erklärten bei der öffentlichen Gerichtsverhandlung, daß sie mit der Spionageorganisation der Sekte 'Zeugen Jehovas' nichts mehr zu tun haben wollen."

Merkwürdig. Hier wurde doch eben offeriert, dass via Gericht drei Zeugen Jehovas "auf den rechten DDR-Weg" zurückgeführt wurden. Soll man's glauben? Mit Sicherheit hätte die CV dann die doch so Genannten auch mal "vorgeführt". Nichts von alledem. Damit wird deutlich, welchen "Wert" diese erpressten Geständnisse hatten.

Geringfügigkeiten werden hochstilisiert. Und unterm Strich offenbart das ganze Exempel nur eines. Das Wunschdenken seiner Veranstalter.

Noch ein anderes Gesicht bekommt das ganze auch durch die Studie von Katja Eichler über die Zeugen Jehovas in Gera. Auch dort findet man einige der vorgenannten Namen wieder. So den des Woldemar B..., mit dessen Sohn Rolf B..., Frau Eichler auch ein Interview tätigte. Aus ihm kann man entnehmen, dass besagter Woldemar B..., bereits schon einmal, bei der 1950er Verhaftungsaktion von Zeugen Jehovas, mitbetroffen war und schon damals zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.

In der Urteilsbegründung liest man beispielsweise über Woldemar B... unter anderem:

"Von 1949 bis zu seiner Festnahme arbeitete B... nichts. Er setzte sich in der Zeit nur für Ziele der Organisation ‚Zeugen Jehovas' ein, der er seit 1946 angehörte. Seit 1948 übte er das Amt eines Predigers in der Gemeinde Nonnewitz aus."

Also heutige Zeugen Jehovas würden dass vielleicht so definieren, dass dieser Herr B... offenbar den Posten eines "Sonderpioniers" oder ähnliches wahrnahm. Denn nur ab dieser Stufe gibt es bei den Zeugen Jehovas die Hauptamtlichen, denen er offenbar auch zuzurechnen war. Über ihn vermerkt Frau Eichler auch noch (und darauf bezieht sich ja der "Volkswacht"-Artikel: "Woldemar B... wurde 1959 noch einmal wegen seiner Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas zu 4 Jahren und drei Monaten Zuchthaus verurteilt."

Ist es "glaubwürdig" wenn nun der genannte Artikel mit der Propagandabehauptung glänzt, bei der zweiten Verurteilung wäre erklärt worden "dass sie mit der Spionageorganisation der Sekte ,Zeugen Jehova' nichts mehr zu tun haben wollen"?

Ich habe da mehr als Zweifel, bezüglich dieser Darstellung.

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