"Wir sind nicht religiös"

Jonak v. Freyenwald schrieb einmal dem Boris Toedtli, in seiner Eigenschaft als damaliger Herausgeber der sogenannten "Schweizerischen Pressekorrespondenz", dass er im Besitz einer spanischen Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" sei, worin die Bibelforscher/Zeugen Jehovas von sich selbst sagen "Wir sind nicht religiös". Zitat aus dem Schreiben Jonak's vom 29. 10. 1936 an Toedtli: "In zwei Tagen sende ich Ihnen die spanische B. F. Zeitung, in der sie selbst sagen: Wir sind antireligiös!!! Das wäre in SPK zu verlautbaren." Nun lassen sich in den Rutherford'schen Schriften jener Zeit in der Tat gewisse Wendungen nachweisen, dass man die Konkurrenzreligionen als "von Satan" abqualifizierte und wähnte, sie betrieben "Gimpelfang". Wohlweislich redete man dabei aber nicht auch von der eigenen Art des "Gimpelfanges". Aber das kennt man ja zur Genüge. Ohne Hinweis auf den vermeintlichen Buhmann, vermögen gewisse totalitäre Regime sich nicht über Wasser zu halten.

Es ist schon verständlich, wenn ein Zeitschriftenartikel, in dem expressis verbi auch die Formulierung auftaucht, unreligiös zu sein, schon das Interesse der religiösen Gegner dieser Organisation findet. Insofern kann man den diesbezüglichen Gedankengang des Jonak, durchaus nachvollziehen.

Wie man weiß, war Jonak seit Anfang der 40-er Jahre, ständiger Mitarbeiter des antisemitischen Schmutz- und Hetzblatt "Der Stürmer". Dessen Archiv hat die Nazizeit überdauert und wird heute vom Stadtarchiv Nürnberg verwaltet. In besagtem Archiv befindet sich nun ein bemerkenswertes Dokument, auf das Jonak offenbar Bezug genommen hat, und das nachfolgend hier noch wiedergegeben sei:

"De Luz y Verdad

(spanische Ausgabe des Goldenen Zeitalters)

Ausgabe von 1936

Cuidado con el fascismo!

(deutsche Übersetzung im Stürmerarchiv)

Stadtarchiv Nürnberg E 9/37 Nr. 1487/6

Was ist Faschismus?

Er ist kein Instrument des Kapitalismus. Er ist ein Werkzeug des Vatikans. Katholische Kirche und Faschismus arbeiten eng zusammen.

Das katholische Bayern wurde die Wiege des Nationalsozialismus. Beide Bewegungen werden von den Jesuiten kontrolliert.

Der größte Sieg der Jesuiten ist der, dass sie in den letzten Jahren im Herzen Europas von Neuem das 'Heilige Römische Reich' geschaffen haben, dass aus Österreich, Deutschland, Italien, Ungarn und Polen besteht, aus lauter faschistischen Ländern. Diese Länder sind die Schwerter des Vatikans, der in Europa einen neuen Krieg entfesseln will.

In Spanien gibt es zwei faschistische Parteien: eine offen faschistische (Primo de Revera) und eine andere, jesuitisch-faschistische Volksaktion (Gil Robles).

Wir, die Zeugen Jehovas (Los Testigos de Jehova), treten für keine religiöse Propaganda ein. Wir sind in unversöhnlicher Weise antiklerikal und antireligiös (= gottlos). Wir sprechen von einer vollkommenen Welt, von einer vollkommenen Menschenrasse und von einer vollkommenen sozialen Ordnung auf der Welt. Wir mischen uns nicht in die Politik. Wir wenden uns an die ganze Welt. Denn unsere Bewegung ist international. Alle Religionen haben als Instrument der Unterdrückung gedient. Der größte und erbittertste Feind der ganzen Menschheit ist die römisch-katholische Geistlichkeit; die Jesuiten und die Faschisten.

Es ist die Zeit gekommen, dass jeder von uns überlegt, ob er sich auf die eine oder andere Seite stellt. Indessen verkünden wir die bevorstehende Zerstörung der teuflischen Unterdrückungsorganisationen (gemeint ist die Kirche und ihre faschistischen Anhängsel) und die Errichtung des vollkommenen Reiches Gottes auf Erden."

Die Ära Rutherford

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1936er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte