Vogelfrei

Jehovas Zeugen meinen, bereits gewählt zu haben. Das imaginäre "Königreich Gottes". Da angeblich dieses schon 1914 ("vorerst nur") im Himmel aufgerichtet worden sei, meinen sie weltlichen Herrschern kein Plebiszit mehr geben zu können. Gelegentlich lässt man dann auch noch durchblicken, dass diese weltlichen Herrscher ihre Macht doch eigentlich an dieses "Königreich Gottes" abtreten sollten. Aber da letztere dazu keine Anstalten unternehmen, begnügt man sich damit, ihnen bei eventuell angesagten politischen Wahlen, die Stimme zu verweigern; indem man nicht wählt. Widersprüchlich genug, diese Theorie.

Die weltlichen Herrscher sind, ob solcher Dogmatik nicht sonderlich erfreut. Kann man ja in gewisser Hinsicht durchaus nachvollziehen. Erfreulich, wenn liberale Staaten, wie die Bundesrepublik Deutschland, es ihren Bürgern freistellen, gegebenenfalls auch diese Form der Meinungsäußerung zu praktizieren. Also ich teile die Position der Zeugen Jehovas nicht. Aber ich bin mit ihnen der Meinung, dass kein Staat das Recht hat, solche Akklamationen zu erzwingen.

Nun wissen wir aus der Geschichte, dass einige Regime dies sehr wohl erzwingen. Ein besonders übles Beispiel stellt bekanntlich das Hitlerdeutschland dar.

Jehovas Zeugen haben keine Skrupel, ihren Grundsatz der sogenannten "theokratischen Kriegslist" anzuwenden. Mit anderen Worten, sie operieren gegebenenfalls auch mal mit bewussten Halbwahrheiten, die schon hart an die Grenze der Lüge heranreichen, wenn nicht gar diesen Tatbestand schon erfüllen. Also gegenüber Verfolgern meint man Kriegslist anwenden zu können. Warum nicht auch in der Wahlfrage? Warum legt man dort so großes Gewicht auf das Demonstrieren?

Man demonstriert zur vermeintlichen höheren Ehre ihrer Organisation. Es ist dies die gleiche Demonstrationsmotivation, die von Zeugen Jehovas in den KZ mit ihrer Weigerung keine Blutwurst zu essen, auch praktiziert wurde. Aber nicht nur, dass man es nicht selber tat, man gab diese Blutwurst aber auch nicht anderen, gleichfalls hungrigen Mitgefangenen. Demonstration um jeden Preis!

Die Zeugen wähnen sich vom "Heiligen Geist Gottes" geführt. Sie sind eher vom Geist der Dummheit geführt. Durch die paar mehr oder weniger zahlreichen Nichtwähler, lässt sich kein totalitäres Regime aus den Angeln heben. Sehr wohl hat es aber eine Zielscheibe, an dem es seinen Frust abreagieren kann.

Politische Opposition hat dann ihren Sinn, wenn sie es versteht, zum geeigneten Zeitpunkt, die geeigneten Schritte zu unternehmen. Wer sich jedoch um des bloßen Demonstrieren's willen zu einer provokativen Verweigerungshaltung motivieren lässt, der gleicht dem Farbenblinden, der glaubt bei Rot unbeschadet eine befahrene Kreuzung betreten zu können. Wenn er sich dann im Krankenhaus wiederfindet, so hat er dies seiner eigenen Dummheit, nicht jedoch der Verkehrsampel zuzuschreiben.

Dies ist mein Vorabkommentar, zu den ohne Zweifel tragischen Beispielen, die in der seinerzeitigen Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" vom 15. 7. 1936 dokumentiert sind, von denen (gekürzt) einige wiedergegeben werden sollen:

"Am Sonntag, den 29. März, dem deutschen Wahltag, befand ich mich in meinem Garten … Etwa gegen 14 ½ Uhr erschienen plötzlich bei mir der Hauswart, des von mir mitbewohnten Hauses, in seiner Begleitung ein SS- und ein SA-Mann … um mich aufzufordern meiner Wahlpflicht nachzukommen. Ich lehnte das ab mit der Begründung, dass ich ein Zeuge Jehovas und für mich allein die Bibel maßgebend sei, die mir verbietet mich politisch zu betätigen. Ich betonte, dass ich auch früher, als es 45 Parteien gab, nicht an Wahlen teilgenommen hätte. Darauf wurde mir eindringlich nahegelegt, zu wählen, da ich bei beharrlicher Weigerung die Konsequenzen tragen müsste. Man sagte mit Bezug auf das Winterhilfswerk, dass ich in Anspruch genommen hatte, und zwar ohne Bedenken, weil meine Glaubensgenossen, die in Brot und Lohn stehen, alle zum Winterhilfswerk beisteuern. … Darauf erklärte er mich für verhaftet, ergriff mich beim Genick und stieß mich vorwärts dem Gartenausgang zu, assistiert vom SS-Mann, der mich mit der Faust an die Kinnlade schlug, sodass mein Gebiss zerbrach. Außerhalb des Gartens musste ich im Beiwagen des Motorrades Platz nehmen. Dabei sagte der SS-Mann: 'Man müsste das Schwein hinten (d. h. an das Motorrad) anhängen und nachschleifen'. …

Am 29. März 1936 abends um ½ 8 Uhr, nachdem das Wahlergebnis bekanntgegeben war, begaben sich Angehörige der SA, SS und der Hitlerjugend in Zivil vor meine Wohnung und schrieen: 'Raus mit dem Landesverräter' usw. Darauf drangen sie in das Haus ein vor meine Glastüre im ersten Stock. Die Glocke wurde in Großen Alarm versetzt, und als ich darauf nicht erschien, drückte die Menge die Glastüre ein. Ich selbst befand mich im Schlafzimmer … und war im Begriff mich zu entkleiden. Meine Frau und meine vierjährige Tochter waren schon im Bett. … Ein Angehöriger der SA in Zivil schrie mich an: 'Komm raus, Männle, Dich wollen wir gerade. Dir wollen wir zeigen, dass Du jetzt im Dritten Reich bist, so geht die Schlamperei nicht weiter.' … Aus der ca. 200 bis 300-köpfigen Menge schrieen sie: 'Schlagt ihn tot, den Landesverräter, den Schuft usw.; er ist nicht mehr wert.' Dann wurde ich auf die Straße geschleift, woselbst, einige einen ca 2-2 ½ m langen, mit Querlatte, Verstrebung und Stricke versehenen Galgen auf mich zubrachten mit den Rufen: 'Hängt ihn auf, den Landesverräter, an den Galgen mit ihm'. …

Am Samstagmittag, nach Arbeitsschluss, also vor der Wahl, wurde mir im Betrieb erklärt, dass ich, falls ich am Sonntag nicht zur Wahlurne gehe, ab Montag fristlos entlassen sei, was dann auch erfolgte. …

'An Herr D. in W. Am 31. 3. Sind RM 30,-- Tilgung auf Stadtbaudarlehen und RM 19, 50 … fällig geworden. Sollten Sie diesen Betrag nicht binnen drei Tagen an die Stadtkasse abgeführt haben, werde ich die Zwangsversteigerung Ihres Grundstückes rücksichtslos betreiben. Durch Ihr Verhalten vor der Wahl sowie dadurch das Sie nicht zur Wahl erschienen sind, und dies unter Bezugnahme auf die jüdische Geschichte noch schriftlich begründet haben, haben Sie sich offen als Staatsfeind bekannt. Ich kann daher nicht verantworten, dass sie weiterhin im Besitze von Grund und Boden des Staates sind, den sie bekämpfen. Ich verweise Sie schließlich auf § 5 Ziffer 5 des mit Ihnen abgeschlossenen Reichs-Heimstätten-Vertrages. Dort heißt es, dass auf der Heimstätte ehrenrührige Geschäfte nicht betrieben werden dürfen.'…

'An die Bibelforscherin Frau St. Nachdem wir am 29. März 1936 bei Bekanntgabe des Wahlergebnisses feststellen mussten, dass Sie sich durch Ihr undeutsches und verräterisches Handeln aus der deutschen Volksgemeinschaft ausgeschlossen haben, sind wir gerne bereit, durch Erstattung der Fahrkosten Ihnen dazu behilflich zu sein, dieses Land und dieses Volk, in dem Sie sich, wie Sie ja durch Ihr Handeln selbst bekundet haben, nicht wohl fühlen, zu verlassen. … Sollten Sie baldmöglichst abreisen, so bitten wir, den Ortszeitungen Ihre Abreise mitteilen zu wollen, damit die ganze Bevölkerung Sie begleiten kann. Alle zur Verfügung stehenden Musikkapellen sind zur Stelle. …"

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1936er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte