Sorgerecht

Eine Tragödie für sich, stellt der Fakt dar, dass seitens des NS-Regimes, auch Sorgerechtsentzüge für Jehovas Zeugen ausgesprochen wurden. Bereits im Jahre 1936, sind diesbezügliche Berichte in der Nazipresse nachweisbar. Aus etlichen davon, sei der nachstehende ausgewählt. ("Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt" 28. Jg. 1936/37 S. 281f.)

"Das Sorgerecht ist Eltern, die als fanatische Bibelforscher ihre Kinder nicht im Sinn des heutigen Staates erziehen können und wollen, wegen Gefährdung des geistigen Wohles der Kinder, denen dadurch die Eingliederung in die Volksgemeinschaft unmöglich gemacht wird, zu entziehen. Beschluss des L(and) G(ericht) Hamburg vom 5. Juni 1936.

Der Vater und die Stiefmutter der Kinder Alfred und Friedrich Z. sind fanatische Bibelforscher. Sie wurden wegen illegaler Betätigung am Wiederaufbau der verbotenen Internationalen Bibelforschervereinigung im Oktober 1935 zu je zwei Monaten Gefängnis verurteilt.

Die Kinder Alfred und Friedrich besuchten die Volksschule. Sie haben dort trotz mehrfacher Verwarnung und Bestrafung durch den Schulleiter den Deutschen Gruß und das Singen der Nationallieder verweigert. Das J(ugend) A(mt) Hamburg hat daher - um die Kinder dem elterlichen Einfluss zu entziehen - beantragt, dem Vater das Recht der Sorge für die Person ihrer Kinder gemäß § 1666 BGB zu entziehen. In der Verhandlung vor dem Vorderrichter hat der Vater erklärt, er zöge seine Kinder im Sinne der Heiligen Schrift und könne die Kinder nicht anhalten, den Deutschen Gruß zu erwidern, da das Heil nur von Gott, nicht aber von einem Menschen kommen könne. Auf die Frage, ob er gegen den Nationalsozialismus eingenommen sei, hat der Vater die Antwort verweigert.

Das A(mts) G(ericht) hat daraufhin durch Beschluss vom 12. 3. 1936 dem Vater das Personensorgerecht entzogen. Hiergegen hat der Vater Beschwerde erhoben.

Der Vater erklärte, die Kinder politisch nicht beeinflusst zu haben, diese seien schon vor der nationalsozialistischen Erhebung in der Jugendgruppe Jehovas gewesen. Auf Befragen des Gerichts, ob er als Deutscher nicht verpflichtet sei, die Kinder im deutschen Sinne zu erziehen, meinte er, Christus sei auch für Deutschland gestorben und man könne nicht zweien Herren dienen. Auf die Frage, ob er nicht bereit sei, die Kinder im Sinne des heutigen Deutschlands zu erziehen, erklärte er, Jehova - Gott belehre seine Kinder. Weitere Antworten wolle er auf diese Frage nicht geben. Die Gesetze des Staates erkenne er an, soweit sie mit der Schrift Gottes in Übereinstimmung stünden. Die Entziehung des Sorgerechts für die Kinder bezeichnete er mit Kinderraub und Christenverfolgung.

Der Vertreter des S(taats) A(nwalts) erklärte, dass auch im Waisenhaus alle Versuche den Alfred zum Erweisen des deutschen Grußes zu veranlassen, vergeblich gewesen seien. Da die Einstellung der Kinder sehr tief eingewurzelt sei, müssten diese den Eltern unbedingt entzogen werden um sie zu brauchbaren Mitgliedern der Volksgemeinschaft zu erziehen.

Der minderjährige Alfred erklärte auf Befragen, den Hitlergruß nicht erweisen zu können, da er Jehova diene. Auf alle weiteren Fragen antwortete er mit Bibelsprüchen.

Die vorgetragenen Verhältnisse und die Einstellung der Eltern ergeben ohne weiteres, dass dem Vater das Personensorgerecht für die Kinder gemäß § 1666 BGB mit Recht entzogen worden ist. Auch nachdem beide Eltern wegen Staatsfeindlicher Betätigung mit Gefängnis bestraft worden sind, stehen sie weiterhin fanatisch auf dem Boden der Anschauungen einer internationalen Religionsgemeinschaft. Sie betonen überzeugt, ernste Bibelforscher zu sein und ihre Kinder nicht im Sinne des heutigen Staates erziehen zu können. Dadurch wird das geistige Wohl der Kinder auf das schwerste gefährdet, denn durch abwegige Beeinflussung im Elternhaus werden sie seit Jahren in geistige Bahnen gelenkt, die ihnen das Leben in der Volksgemeinschaft des heutigen Staates fast unmöglich machen.

Es ist nach Auffassung des Gerichts höchste Zeit, dass die Kinder dieser Atmosphäre entzogen werden, denn auch ihrer hat sich schon ein derartiger religiöser Fanatismus bemächtigt, dass nur durch eine planmäßige Erziehung, wie sie durch Eingreifen des LG gewährleistet ist, eine Umstellung und Eingliederung in die Ideenwelt des völkischen Staates erreicht werden kann. Dass die Eltern eine derartige Erziehung, die heute unbedingt verlangt werden muss, nicht leisten werden, geht schon daraus hervor, dass sie wiederholt erklärt haben, nicht sie, sondern Jehova erziehe die Kinder. Die Eltern lehnen eine Erziehung der Kinder im Sinne des heutigen Deutschland nicht nur ab, sondern beeinflussen diese durch ihren frömmelnden Fanatismus derart, dass die Voraussetzungen des § 1666 BGB gegeben sind."

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1936er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte