Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Gerd Wunderlich's Fall zieht Kreise

Im Untertitel spricht er von "Erfahrungen auf einem Irrweg". Und der eigentliche Buchtitel lautet "Jehovas Zeugen. Die Paradies-Verkäufer". Die Rede ist von Gerd Wunderlich's Buch, dass heute noch lieferbar, im Jahre 1983 erstmals erschien.

Sechs Jahre davor, im Jahre 1977 war der Name von Gerd Wunderlich schon einmal "aktenkundig" geworden, der Gestalt, dass ihn die "Christliche Verantwortung" in ihrer Nummer 98 in einer Dokumentation beiläufig mit erwähnte. Bevor auf letztere näher eingegangen wird, sei doch erst mal einiges aus dem Buch von Wunderlich zitiert.

Der Umschlagtext zum Buch redet schon davon, dass es "die Methoden (sind), mit denen rigorose Funktionäre 'Aufseher' genannt, Gewissenszwang ausüben und Kadavergehorsam fordern, um die Zeugen Jehovas zusammenzuhalten."

Jene eben genannte Vokabel "Kadavergehorsam" kommt in seinem Buch dann noch in einem speziellen Zusammenhang zum Vortrag. Doch auch darüber noch etwas später in diesem Text.

Wunderlich stellt sich erst einmal biographisch vor. 1957 mit 16 Jahren getauft, waren es besonders gewisse Zweifel im Vorfeld des 1975-Datums die ihn etwa ab 1973 besonders zu schaffen machten. So schreibt er dazu etwa:

"Es schien mir plötzlich, als bekäme die Führung der Zeugen Jehovas selbst Furcht vor ihrer eigenen Endzeitverkündigung. Es sah so aus, als versuche sie uns unmerklich auf eine eventuelle Enttäuschung vorzubereiten. Das war nun allerdings eine Entwicklung, die ich nach der langen Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas nicht erwartet hatte."

Und zur Begründung dieses seines Eindruckes führt er auch mit an:

"Seit dieser Zeit habe ich viele Kongresse besucht. Auffallend war immer, daß wir 'nur noch wenig Zeit' hatten. Mehrmals wurde am Schluß dieser Veranstaltungen die Hoffnung ausgesprochen: 'Brüder! Vielleicht erleben wir den nächsten Kongreß schon im 'Neuen System'. Das gab uns immer wieder einen besonderen Antrieb für den Predigtdienst."

"Die Enttäuschung einiger Brüder, die schon zwanzig Jahre oder länger die gleichen Parolen mit angehört hatten, war jedoch nicht zu übersehen. Sie fragten sich, ob die Prophezeiungen der WTG jemals in Erfüllung gingen. Doch das betrachteten wir Neuen als kleingläubiges Genörgel!"

Auch Wunderlich wurde mit dem Problem der Ersatzdienstverweigerung konfrontiert. Er berichtet freimütig auch über diesem Aspekt. Auch dazu einige Zitate:

"Damals wollte ich den Ersatzdienst in der Nähe meines Wohnortes ableisten. Obwohl das grundsätzlich nicht möglich war, wurde es mir nach einiger Mühe gestattet. Am 2. 1. 1963 sollte ich in den städtischen Krankenanstalten in Düsseldorf meinen Ersatzdienst antreten.

Die Nachricht, daß ich den Ersatzdienst antreten wollte, hatte sich in meiner Versammlung schnell herumgesprochen.

Zunächst bemerkte ich von einer veränderten Haltung mir gegenüber nichts. Doch es war nach Zeit nicht mehr zu übersehen, daß man mit meiner Entscheidung nicht einverstanden war.

Der damalige Versammlungsdiener Rudi S. kam eines Tages in Begleitung des Hilfsversammlungsdieners Willi Sch. auf mich zu und sprach mich direkt darauf an.

Im Verlauf des Gesprächs zitierte Bruder Rudi S. die Bibelworte aus Jakobus 4, 4: 'Wer immer daher ein Freund der Welt sein will, stellt sich als ein Feind Gottes dar' (NW).

'Bist du dir im klaren', fragte er mich, 'daß zu zwei Herren dienst, wenn Du den Ersatzdienst ableistest? Du weißt doch, daß Jesus Christus nach Matthäus 6, 24 sagte: 'Niemand kann ein Sklave zweier Herren sein; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben oder wird zu dem einen halten und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Sklaven Gottes und des Reichtums sein.' Meinst du, Gerd, daß es sich mit der 'wahren Anbetung' vereinbaren läßt, den Wehrersatzdienst zu leisten?"

'Aber', wagte ich einzuwerfen, 'es entspricht doch den biblischen Grundsätzen, Kranken und Hilfsbedürftigen beizustehen.'

'Du mußt dabei aber bedenken', sagte Bruder Rudi S. darauf, 'du wirst in diesem Dienst ausgebildet, Soldaten gesund zu pflegen, die dann wieder an die Front geschickt werden, um andere Menschen zu töten. Kannst Du das mit Deinem Gewissen vereinbaren? Und bedenke doch einmal, würde es eigentlich einen Wehrersatzdienst geben, wenn es keine Bundeswehr gäbe? Kann es für etwas, was du ablehnst, einen Ersatz geben? Du mußt Dir doch der Tatsache bewußt sein, daß Du, als Ersatzdienstleistender, dem Wehrersatzamt unterstellt bist. Es ist aber unmöglich, als 'Gesandter an Christi Statt' (2. Kor. 5, 20) in den Dienst eines anderen Staates zu treten. Ebenso wie sich ein politischer Botschafter nicht in die Angelegenheiten des Gastlandes, indem er sich befindet, einmischen darf, so ist es auch für uns als 'Vertreter des Königreiches Gottes' nicht möglich, uns in die Angelegenheiten 'dieser Welt' einzumischen. Das würdest Du aber, wenn Du den Ersatzdienst leistest."

Die Indoktrination zeitigte auch in diesem Fall den von der WTG gewünschten Erfolg. Auch Wunderlich sah sich gezwungen, sich diesen WTG-Forderungen anzupassen. Die Folge. Er bekam mit Datum vom 7. 5. 1963 eine Anklageschrift wegen "Dienstflucht" zugestellt.

Den weiteren Ablauf beschreibt er mit den Worten:

"Eine Möglichkeit, die Gerichtsverhandlung etwas zu verzögern sah ich in dem Angebot meines Freundes, nach Frankfurt am Main zu ziehen. Unsere Glaubensbrüder bestärkten uns in diesem Vorhaben und meinten: 'Zieht nur erst einmal nach Frankfurt, denn bis die Gerichtsakten dahin kommen und ein neuer Termin angesetzt werden kann, vergehen sicher zwei Jahre. Vielleicht brauchst Du dich mit diesem Problem gar nicht mehr auseinasnderzusetzen, weil dann längst alles vorbei ist."

Wunderlich kommentiert:

"Nur zu gern griffen wir diese Ratschläge auf und handelten danach."

Hatte er gehofft vielleicht zwei Jahre Verzögerung dadurch herausschinden zu können, so sollte sich das als trügerisch erweisen. Schon ein reichliches halbes Jahr später, am 9. 1. 1964 fand er sich in dieser Sache endgültig vor einem Richter wieder. Er kam mit einer Strafandrohung zur Bewährung von vier Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 300,- DM davon. Dieses relativ glimpfliche Urteil bewertet er im Nachhinein, sei auch besonders seinem Rechtsanwalt zuzuschreiben.

Dazu kommentiert er:

"Das war gemessen an den Strafen von 8-12 Monaten, die viele meiner Brüder bekommen hatten, gering. Viele dieser Brüder hatten, der allgemeinen Meinung unter uns Zeugen Jehovas folgend, daß ein Rechtsanwalt in einer 'Glaubensangelegenheit' sowieso nicht helfen kann, darauf verzichtet, sich einen Rechtsbeistand zu nehmen. Die Unkenntnis über das Verhalten vor Gericht hatte dann die relativ hohe Bestrafung zur Folge."

Weiter sei sein Kommentar mit den Worten wiedergegeben:

"Es schmerzte mich allerdings, daß ich von meinen Brüdern ganz allein gelassen wurde. Außer meiner Frau und meinem Bruder war kein einziger Zeuge Jehovas bei der Verhandlung anwesend. Auch meine Bemühungen vor der Verhandlung, durch die WTG einen guten Verteidiger genannt zu bekommen, waren vergeblich.

Die Versammlungsdiener meinten übereinstimmend zu meiner Bitte:

'Weißt du, Gerd, in diesen Dingen mußt Du ganz für dich allein einstehen. Es ist doch deine freie Entscheidung, diesen Wehrersatzdienst abzulehnen. Wenn wir die Gesellschaft in diesen Rechtsstreit hineinzögen, könnten wir das 'Werk' (das Verkündigungswerk) gefährden. Der Gesetzgeber würde dann der Gesellschaft vorwerfen, daß sie Personen zur Verweigerung der Wehr- und Ersatzdienstes auffordere. Wenn Du also daran interessiert bist, daß 'Gottes Werk' weitergeführt wird, mußt Du alles vermeiden, was diesen Verdacht auf die Gesellschaft lenken könnte. Was also immer geschieht, du mußt Dir im klaren sein, es ist Deine eigene Entscheidung, Du tust es nicht für die Gesellschaft, sondern für Jehova."

Zum Hintergrund seines Rechtsanwaltes merkt Wunderlich noch an, dass die Initiative zu dessen Engagierung nicht von ihm ausging, sondern dass ein Schwager seiner Frau, ein "böser Weltmensch", dass für ihn eingefädelt hat!

Seine gerichtlich verhängte Bewährungsfrist war bis zum Februar 1968 datiert. So ergab es sich, dass er schon bald mit einer neuen Einberufung und ihrer Verweigerung konfrontiert wurde. Jetzt erwischte es ihn ernsthaft. Am 11. 6. 1965 mußte er, diesmal ohne Pardon, eine viermonatige Gefängnisstrafe antreten und absitzen.

Wie schon eingangs erwähnt, waren es bei Wunderlich insbesondere die Zweifel an der WTG-Endzeitlehre, die allmählich, auch bei ihm das Faß "zum überlaufen" brachten. Kritisch machten ihn auch die WTG-Bildungsempfehlungen. Zu diesem Aspekt notiert er:

"Wir waren schon längere Zeit mit einem jungen Bruder befreundet, der von vielen Brüdern als Außenseiter betrachtet wurde, weil er die Universität besuchte. Unter Zeugen Jehovas wird ein 'weltliches' Studium nur als Zeitverschwendung angesehen. Auch werde man auf der Universität der Gefahr ausgesetzt, seinen Glauben zu verlieren. Welchen Glauben man allerdings verlieren konnte, nämlich den an die WTG, wurde mir erst später bewußt."

Als eine Art Initialzündung kann man im Falle Wunderlich auch bewerten, dass schon vor ihm, ein anderer Zeuge Jehovas aus dem unmittelbareren Bekanntenkreis, den Absprung gemeistert hatte. Letzterer versorgte ihn dann auch mit kritischer Literatur, was auch wesentlich zur Stabilisierung von Wunderlich in der Absprungsphase beitrug.

Über diesen seinen "Mentor", wenn ich es mal so formulieren darf, vermerkt er:

"Den Anlaß dazu hatte er ihnen in seiner letzten Ansprache in der Versammlung gegeben. Seine 'Studierendenansprache' hatte das Thema: 'Die Liebe Gottes am Beispiel des Handelns Jesu'. In den Evangelien wird berichtet, daß Jesus gelegentlich das Sabbatgebot gebrochen habe: 'Der Sabbat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Sabbat willens' (Mk 2, 27 nach Wilckens). Rudolf sprach über den Sinn dieser Jesusworte und ihre Anwendung auf uns Christen heute.

Seine Ansprache erreichte ihren Höhepunkt: 'Es kommt nicht darauf an, Kadavergehorsam zu üben, sondern Nächstenliebe.' An der gespannten Stille merkte ich, daß alle konzentriert zuhörten. Am Schluß der Versammlung gingen viele zu ihm und meinten spontan: 'Das war aber eine tolle Ansprache.' Auf Rudolfs Antwort: 'So, meint ihr wirklich? Die Ältesten sind da ganz anderer Meinung', zogen sie sich erschrocken zurück. Bruder T., der sich besonders lobend geäußert hatte, sagte bestürzt: 'Ja das kann ich dann nicht beurteilen, dann will ich nichts mehr dazu sagen!'

Besonders das Wort 'Kadavergehorsam' hatte die Aufseher tief getroffen. Zu dritt wollten sie Rudolf zum Widerruf seiner Ansichten bewegen. Da er ihre Argumente gänzlich widerlegte und sie nichts in ihrem Sinne erreichen konnten, versuchten sie ihn kaltzustellen. (Das bedeutete im Klartext: 'Wenn du nicht im Sinne der Organisation handelst, bekommst du keine Aufgaben mehr.')

Das Schicksal nahm seinen Lauf. Bereits am 13. 12. 1975 sah sich auch Wunderlich, nebst Ehefrau mit einem WTG-Ausschlußverfahren konfrontiert. Bemerkenswert an diesem Fall erscheint es mir schon, dass es seine Frau gleichermaßen traf. Der auch von der WTG geliebte Grundsatz: "Trenne und herrsche", konnte so hier nicht zur Anwendung gebracht werden. Dies war in der Tat ein Plus für die Wunderlich's. Man weiß aus anderen Fällen zur Genüge, dass die Sachlage sich nicht immer so gestaltet. Schon so mancher, der Intellektmäßig mit der WTG endgültig "fertig" ist, wurde schon über den Hebel seiner engsten Familienangehörigen "in die Knie gezwungen."

Zwischenzeitlich war auch Wunderlich die kritische Literatur über die Zeugen Jehovas zugänglich geworden. Und dort vernahm er zum ersten male in seinem Leben auch etwas über die Rolle, die Jehovas Zeugen während der Jahre des Zweiten Weltkrieges, bezüglich der Wehrdienstfrage, in der Schweiz spielten. Wie schon ausgeführt, hatte er auf diesem Sektor auch schon ganz persönlich, gewisse Erfahrungen machen müssen. Sein Kommentar in dieser Sache deshalb:

"Kompromißlos für Jehova eintreten, auch wenn wir deshalb persönliche Schwierigkeiten bekommen", war damals die Parole, als ich es auf mich nahm, wegen der Verweigerung des Wehrersatzdienstes vier Monate ins Gefängnis zu gehen, und nun mußte ich erfahren, daß die Watchtower Bible and Tract Society durchaus bereit war, zur Rettung ihres 'Verkündigungswerkes' (Schweiz) einen Kompromiß einzugehen. Ja, sie ging sogar soweit, ihre eigenen Grundsätze zu mißachten."

Bezüglich seines Ausschlußverfahrens vermerkt er:

"Die weitere Verhandlungstaktik der Ältesten verriet immer mehr, daß ihnen nicht daran gelegen war, die Widersprüche innerhalb der WTG und deren Literatur zu klären. Sie wollten uns dahin bringen, die Dokumente zu vernichten und darüber zu schweigen."

Ein spezifisches Problem sollte im Fall Wunderlich noch auftreten. Dazu schreibt er:

"Der Leser unserer Erlebnisse auf dem Weg ins 'Paradies' wird verstehen, daß wir keine Lust mehr hatten, auch noch amtlich als Zeugen Jehovas zu gelten. Wie viele unserer ehemaligen Glaubensbrüder hatten auch wir in amtlichen Unterlagen - wie z. B. dem Familienstammbuch - 'Zeugen Jehovas' unter der Rubrik 'Religionszugehörigkeit' stehen. Diesen Eintrag wollten wir nun ändern lassen. Wir merkten aber bald, daß es gar nicht so einfach war, wie wir dachten.

Da die Wachtturm-Gesellschaft - gleichbedeutend mit Jehovas Zeugen - keine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, ist es nicht möglich, auf dem Amtsgericht seinen Austritt aus dieser Gesellschaft zu erklären, wie das z. B. bei den Großkirchen der Fall war. Es war deshalb erforderlich, von der WTG ein offizielles Schriftstück zu erhalten, in dem uns die Nicht-Mitgliedschaft bestätigt wurde. Nur dann ist es dem Standesbeamten möglich, das Familienstammbuch zu ändern."

Der Fall Wunderlich sollte auch noch dergestalt gewisse Wellen schlagen, über die seitens der "Christlichen Verantwortung" in ihrer Nummer 98 berichtet wurde. Seitens der WTG-Apologeten ist das auch ein beliebtes Argument, um den Buhmannfinger über die "Christliche Verantwortung" zu erheben. Wird doch da in diesem DDR-Blatt über einen Fall berichtet, der sich in der alten Bundesrepublik zutrug. Für die "Saubermänner" der WTG und ihren "Supersaubermann" Gerhard B., ein offenkundiger Beweis, dass da der CV gewisse Informationen zugänglich gemacht wurden, die nicht auf der Straße zu liegen pflegen. Und genannte "Saubermänner" glauben auch erahnen zu können, auf welchem Wege die CV an diese Informationen gelangt ist.

Man mag ihre diesbezüglichen Spekulationen nun teilen oder auch nicht. Dennoch kann dies meines Erachtens kein stichhaltiges Argument sein. Auch in anderen Bereichen der öffentlichen Meinung, wie sie besonders durch die Presse mitgestaltet wird, ist es gang und gäbe, dass manchmal Dinge veröffentlicht werden (die in der Sache Hand und Fuß haben), ohne jedoch gleichzeitig zu veröffentlichen, auf welchem Wege das entsprechende Presseorgan an diese Informationen gelangt ist. Da gilt durchaus ein gewisser Quellenschutz.

Meines Erachtens muss man auch der CV diesen Grundsatz zubilligen. Entscheidend ist die Substanz. Und die Substanz wurde bis heute nicht widerlegt. Also können sich genannte Wölfe ihr Geheule ersparen.

Die CV berichtete in Dokumentationsform in der genannten Ausgabe folgendes:

Aufbruch in der WTG-Versammlung Frankfurt/Main-Rödelheim - Eine Dokumentation -

Johanna Epstein

Im Füldchen 20

6000 Frankfurt 90

Einschreiben

Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft e. V.

Postfach 5920 - 6200 Wiesbaden 1

Ffm., den 16. 5. 1977

Betr.: Kirchenaustritt

Werte Damen und Herren,

Aufgrund meiner langjährigen betrüblichen Erfahrungen, die ich innerhalb der "Gemeinschaft der Zeugen Jehovas" (Wachtturm-Gesellschaft) machen mußte, sind mir schon des öfteren Zweifel an der Liebe und Wahrhaftigkeit dieser Organisation gekommen. Diese Zweifel wurden nun durch die Erfahrungen, die u. a. Familie Gerd Wunderlich und Rudolf Martens, aus der Versammlung Ffm-Bockenheim, machen mußten, in erschreckender Weise bestätigt worden. Durch die, mir von Herrn Wunderlich, vorgelegten Beweise, wie die Wiedergabe von verstümmelten und wider den Sinn zitierten Zitaten in der Wachtturm-Literatur, bewußtes Lügen und Unterdrückung der christlichen Freiheit durch die Ältestenschaft, kann ich es mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, diese Organisation zu unterstützen.

Gemäß der christlichen Aufforderung aus Offenbarung 18, 4 erkläre ich hiermit meinen f r e i w i l l i g e n Austritt aus der "Gemeinschaft der Zeugen Jehovas" Versammlung Ffm.Rödelheim. Ich erwarte nun, entweder von Ihnen oder durch die Aufseher der Versammlung Ffm.-Rödelheim, eine schriftliche Bestätigung, daß ich sofort nicht mehr der "Gemeinschaft von Jehovas Zeugen" angehöre. Von persönlichen Besuchen durch die Aufseher bitte ich Abstand zu nehmen, da mein Entschluß endgültig ist. Ihrer baldigen Antwort entgegensehend, verbleibe ich mit Gruß

gez. Johanna Epstein

Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, deutscher Zweig e. V., Wiesbaden-Dotzheim, Greifstraße 5, Postfach 5920, 6200 Wiesbaden 1, Deutschland

- SCB:SSB 8. Juni 1977

Frau

Johanna Epstein, Im Füldchen 20, 6000 Frankfurt 90

Liebe Schwester Epstein!

Wir bestätigen den Eingang Deines Schreibens vom 16. Mai 1977. Wir glauben, keine Veranlassung zu haben, Dir die brüderliche Anrede zu verweigern und bedauern aufrichtig daß Du Veranlassung hast, Anklagen gegen Deine Mitbrüder zu erheben.

Wir alle sind unvollkommen und machen Fehler (l. Johannes 1 :8). Doch die Erkenntnis der eigenen Unzulänglichkeit und die Liebe zu unseren Brüdern sollte uns veranlassen den Grundsatz aus 1. Petrus 4:8 anzuwenden. Auch Jesus gibt uns gemäß Matthäus 18:15-17 ausgezeichneten Rat, der uns helfen kann, Schwierigkeiten in brüderlicher Liebe zu bereinigen.

Wir bedauern außerordentlich, daß Du Deinen "Austritt" aus der "Gemeinschaft der Zeugen Jehovas", Versammlung Frankfurt-Rödelheim" erklärst. Wir können Dich jedoch nicht daran hindern, gemäß Deinem Gewissen zu handeln. In unseren Unterlagen ist kein "Eintritt" in die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas registriert. Auch die Versammlung Frankfurt-Rödelheim besitzt darüber keine Unterlagen. Du hast Dich auch keiner Organisation, sondern dem allein wahren Gott Jehova hingegeben. Wir haben keine Mitgliedskarten, noch erheben wir Mitgliedsbeiträge, Steuern oder Abgaben.

Es trifft zu, daß wir Personen, denen die Gemeinschaft entzogen wurde, bescheinigt haben, daß sie nicht mehr zu uns gehören (l. Korinther 5:13). Diese Voraussetzung ist aber bei Dir nicht gegeben. Auch sollte nicht übersehen werden, daß Du bei Deiner Meinungsbildung durch andere Personen negativ beeinflußt wurdest. Wir schließen Dich in unsere Gebete mit ein und wünschen, daß Du dem Glauben Ausharren hinzufügen und weiterhin zu den glücklichen Menschen gehören kannst, die in Offenbarung 7:9,10 beschrieben werden. In dem Bemühen, uns der Lösegeldvorkehrung Jehovas würdig zu erweisen, senden wir Dir unsere herzlichen Grüße.

Deine Brüder

Wachtturm B. u. T. Gesellschaft Deutscher Zweig e. V.

Johanna Epstein

Im Füldchen 20

6000 Frankfurt/M. 90

Einschreiben

Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft e. V.

Postfach 5920 - 6200 Wiesbaden 1

Betr.: Kirchenaustritt, Ihr Brief SCB:SSB vom 8. Juni 1977

Werte Damen und Herren,

Eigentlich sollte ich gar nicht mehr auf den Inhalt Ihres Briefes eingehen, in meinem Schreiben vom 16. 5. 77 habe ich mich doch deutlich genug ausgedruckt. Jedoch verlangen Ihre bauernfängerischen Formulierungen eine angemessene Antwort.

Sie scheinen wohl aufgrund meines Alters zu glauben, ich könnte noch auf die gängigen Sprüche Ihrer Funktionäre hereinfallen. Ihr Gerede von "Unzulänglichkeit, unvollkommen, Fehler" dient doch nur dazu, den wahren Zustand Ihrer Organisation zu verschleiern. Langjährige schlimme Erfahrungen haben mich gelehrt, daß es bei Jehovas Zeugen keine Liebe und Wahrhaftigkeit gibt. Der Öffentlichkeit konnten Sie bisher diese Tatsachen verbergen, aber ich habe inzwischen hinter die Kulissen geschaut und meine eigenen Erfahrungen gemacht. Auch Ihr Jonglieren mit Bibelstellen und Ihre Unterstellung, ich sei bei meiner "Meinungsbildung durch andere Personen negativ beeinflußt" worden, hilft Ihnen da nicht weiter!

Ich zitiere (Ihr Brief 8. Juni 1977) "Du hast Dich auch keiner Organisation, sondern dem alleinwahren Gott Jehova hingegeben." Ist das das letzte Aufgebot von Argumenten, über die Sie verfügen, um mich bei der Stange zu halten? Mein Entschluß steht fest. Gemäß der christlichen Aufforderung aus Offenbarung 18,4 erkläre ich nochmals meinen freiwilligen Austritt aus der "Gemeinschaft der Zeugen Jehovas".

Ich erwarte darüber eine schriftliche Bestätigung Ihrerseits. Ihre Einlassung, es sei kein "Eintritt in die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas registriert" (Ihr Brief 8. 6. 77) kann ich an dieser Stelle getrost übergehen, scheint er doch zu Ihrem üblichen Winkelzug-Repertoire zu gehören: Ich darf Sie hierbei an den Brief an Frau Karin Wunderlich (SCB:SSB vom 21. 4. 1977) erinnern. Da durch Ihr Vorgehen Zeit verloren gegangen ist muß ich Ihnen für die Erledigung dieser Angelegenheit eine Frist von vier Wochen setzen. Denken Sie bitte nicht, daß ich wegen meines Alters diese Sache nicht durchfechten könnte. Auch mit den Aufsehern (ein schönes Wort für solche Leute) möchte ich, wie Sie sich gut denken können, nichts mehr zu tun haben! Ihrer baldigen Antwort sehe ich mit Interesse entgegen und verbleibe mit freundlichen Grüßen

gez. Johanna Epstein

Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft …

Frau

Johanna Epstein, Im Füldchen 20, 6000 Frankfurt 90

SCB:SSB 27. Juni 1977

Werte Frau Epstein!

Wir bedauern aufrichtig, Ihrem Schreiben vom 16. Juni 1977 entnehmen zu müssen, daß sie das brüderliche Verhältnis zu uns keineswegs aufrechterhalten wollen. Das kommt auch durch Ihre Anrede und den Inhalt Ihres Schreibens unmißverständlich zum Ausdruck. Wir geben zu, daß ein solches Verhältnis niemanden aufgezwungen werden kann und daß es auf Gegenseitigkeit beruhen muß. Deshalb gebrauchen wir auch obige Anrede, damit Sie erkennen können, daß wir Ihren Wunsch jederzeit respektieren. Was jedoch Ihre Bitte betrifft, so haben wir unseren Zeilen vom 8. Juni 1977 nichts mehr hinzuzufügen, und wir bitten Sie, unsere Entscheidung ebenfalls zu respektieren. Wir verbleiben mit freundlichen Grüßen

Wachtturm B. u. T. Gesellschaft Deutscher Zweig e. V.

Es bietet sich an, in diesem Zusammenhang auch das Schreiben der WTG vom 12. 5. 1976 zu zitieren, dass sie an Gerd Wunderlich adressierte:

SCB:SSB 12. Mai 1976

Werter Herr Wunderlich!

Wir sind im Besitz Ihres Schreibens vom 3. Mai 1976. Haben Sie bitte Verständnis dafür, daß für uns gemäß dem Status, in dem Sie sich befinden, keine Notwendigkeit besteht, einen Gedankenaustausch auf schriftlicher oder mündlicher Ebene zu führen. Mit dieser Feststellung wollen wir lediglich das jetzt bestehende Verhältnis abgrenzen. Ihre Verkündigerdienstkarte, die wir als unser Eigentum betrachten, ist kein Mitgliedsausweis. Da sie für uns keine Bedeutung mehr hat, ist sie vernichtet worden.

Die Ältesten der Versammlung Frankfurt-Bockenheim werden Ihnen mitteilen bzw. haben Ihnen mitgeteilt, daß Ihnen die Gemeinschaft entzogen worden ist. Dieses Schriftstück können Sie als Bestätigung dafür betrachten, daß sie kein Zeuge Jehovas mehr sind.

Sicher wissen Sie, daß wir als Folge der Autonomie unserer Gesellschaft das Recht haben, uns von solchen Personen zu distanzieren, die offen oder auch in versteckter Form gegen uns arbeiten. Daß Sie dies weiterhin tun wollen, ist dem Bericht des Komitees, das Ihren Gemeinschaftsentzug überprüfte, zu entnehmen. Im Zusammenhang damit möchten wir nicht unerwähnt lassen, daß ein Gemeinschaftsentzug eine rein innerorganisatorische Maßnahme darstellt und deshalb in keiner weise, auch nicht hinsichtlich der formellen Gültigkeit, der Überprüfung im ordentlichen Rechtsweg unterliegt.

An Ihnen haben sich nun die Worte aus 1. Joh. 2:19 erfüllt. Ob Sie zukünftig in Übereinstimmung mit Matth. 24: 48,49 sagen: 'Mein Herr bleibt noch aus' und Ihre Aufgabe darin sehen, 'Ihre Mitsklaven zu schlagen', wird die Zukunft zeigen. Wir verbleiben im theokratischen Dienst

Wachtturm B. & T. Gesellschaft

DEUTSCHER ZWEIG E. V.

cc: F-Bockenheim

F-Eschersheim

Wunderlichs Kommentar dazu:

Ich glaube, die Arroganz des Briefes spricht für sich. Das Gebot der christlichen Nächstenliebe, das auch Feinde und Andersdenkende einschließt, zitiert die WTG sehr gerne, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Fühlt sie sich aber stark und mächtig einem Einzelnen gegenüber, so handelt sie ganz anders.

Die CV kommentiert diesen Vorgang mit den Worten:

"Mit schönklingenden Reden und glatten Worten täuschen sie die Herzen der Arglosen", Römer 16:18, denn: in Wahrheit einer Organisation hingegeben, die jede Kritik als atombombengefährlich unterdrückt!

Die WTG verlangt von jedem Zeugen Jehovas bezüglich ihrer Organisation, laut WT vom 1. Juli 1957, "Respektiert Jehovas Organisation":

"Wenn wir im Lichte der Wahrheit wandeln wollen, müssen wir nicht nur Jehova Gott als unseren Vater, sondern auch seine Organisation als unsere Mutter anerkennen." (Abs. 3) "Gehorsam, Ehre und Respekt. Diese müssen nicht nur dem lebendigen Gott selbst, sondern auch seiner weibesgleichen Organisation dargebracht werden." (Abs. 4)

"Ob wir Schafe oder Böcke werden, hängt von unserer eigenen Handlungsweise gegenüber Jehovas Organisation ab." (Abs. 10)

Die WTG läßt niemanden ohne Hingabe an ihre Organisation zu Gott. "Bringe die Sache auf dem rechten Wege unserem Vater durch seine Organisation vor . . . Das ist der Weg des Respekts.' (Abs. 3 II)

"Es mögen Dinge in der Organisation geschehen, die wir nicht verstehen. Die Diener mögen einer Handlungsweise folgen, die wir als unrichtig erachten. Deswegen Kritik zu üben, würde eine unvernünftige Haltung verraten.

Nun, wenige von uns verstehen die Tatsachen bezüglich der Kernphysik, nicht wahr? Aber die Wasserstoffbombe beweist sicherlich, daß die Folgerungen ihrer Hersteller auf Tatsachen beruhen und daher richtig sind. Somit wären wir nicht so töricht und würden die Explosion einer Wasserstoffbombe im eigenen Garten zulassen, nur weil wir ihre Wirkung nicht kennen! Nun kann sich aber eine unvernünftige, respektlose Haltung innerhalb der Familie Gottes ebenso unheilvoll auswirken wie die Auslösung einer Wasserstoffbombe." (S. 408f)

Die Paradiesverkäufer, Gerd Wunderlich

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