Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Ohne Zweifel gab es bei den zeitgenössisch handelnden Zeugen Jehovas, angesichts der Restriktionen der Naziregimes, auch Handlungsmomente, die man rückblickend schon fast dem Bereich der Tollkühnheit zuordnen mag. Nachstehend mal solch ein Beispiel. Es ist sicherlich nicht Verallgemeinerungsfähig; es zeigt aber auch, wieweit das Widerständige Verhalten im Einzelfall gehen konnte. (Bay. Hauptsstaatsarchiv MA 106688)

Zitat:

"Mit welcher fanatischer Hartnäckigkeit von den Zeugen Jehovas jede Gelegenheit zur Werbung für ihre Sekte wahrgenommen wird, zeigt nachgenanbnter Vprfall. Am 16. 9. 36 übergab am Bahnhof in Nürnberg eine zunächst unbekannte Frauensperson eine Anzahl Bibelforscherbrooschüren drei fremden Knaben mit dem Auftrag die Schriften an die "Solfdaten" zu verteilen. Mit dem Ausdruck Solfdaten meinte sie die vor dem Bahnhof auf ihren Abtransport vom Reichsparteitag wartenden Amtswalter. Als Täterin konnte die Ontrollreursfrau Katharina Kisskalt von Nürnberg ermittelt werden.

Gelesen in einem Vernehmungsprotokoll der Gestapo (Staatspolizeistelle München) vom 24. 2. 1944

„Vorgeführt erscheint die Hilfsarbeitersfrau Magdalena Willibald, geb. 29. 5. 1898 in Esting, wohnhaft in München, ... und macht folgende Angaben: ... Fernerhin war ich an der Beschaffung von Schreibmaschinenpapier, das zur Herstellung von illegalen Schriften dienen sollte, beteiligt. Hierwegen wurde ich am 9. 2. 1944 durch das Oberlandesgericht München zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt. ... Ich gebe heute zu, dass ich bei meinen Angaben bei der Staatspolizei und vor Gericht nicht restlos die Wahrheit gesagt habe. Ich bin auch heute nicht bereit, Aufschluss darüber zu geben, wie sich die illegale Tätigkeit tatsächlich vollzog und wer ausser den seinerzeit genannten Personen noch mit Schriften versorgt wurde. Ich werde keinen Verrat üben. ..." (Details zum Fall Willibald in: Anita Farkas "Geschichte(n) ins Leben holen" S. 178f.)

Oder in einem anderen Gerichtsprotokoll gelesen:

"Die Angeklagte Rauscher ist bereits 77 Jahre alt. Bis zu ihrem 65 Lebensjahr gehörte sie der protestantischen Kirche an. Im Jahre 1925 ist sie aus dieser ausgetreten und schloss sich der Vereinigung 'Ernster Bibelforscher' an, weil ihr deren Lehre besser imponierte. Auch sie bekennt sich heute noch als 'Zeugin Jehovas'. Die Angeklagten geben auch zu, dass sie mit ihrem 'Bruder' Gottfried Bauer von Fürth, welcher Prediger in ihrer Gemeinschaft ist, bis vor kurzer Zeit in Verbindung standen. Dieser habe bis kurz vor seiner Verhaftung im Juni 1936 jeweils immer Schriften mitgebracht, welche sie unter sich verteilt haben. Über weitere Verbindungen mit anderen Glaubensgenossen geben die Angeklagten keine Auskunft, weil sie keine Verräter sein wollen. Auf Grund der Äusserungen der Angeklagten, dass sie keine 'Verräter' sein wollen, besteht für das Gericht kein Zweifel, dass die Angeklagten weitere Beziehungen zu Glaubensgenossen, die nicht zur Anklage gezogen werden konnten, bis heute aufrecht erhalten und gepflegt haben."

Genau Aussagen dieser Qualität findet man weder in den Vernehmungsprotokollen eines Fritz Winkler, noch eines Erich Frost, noch eines Konrad Franke. Das gilt es als grundsätzlichen Bewertungsmaßstab festzuhalten.

Was sagte Fritz Winkler aus?

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1936 war das Jahr, wo die Gestapo zurückschlug. In jenem Jahre wurden etliche führende Zeugen Jehovas verhaftet. Unter anderem auch Fritz Winkler. Von ihm räumt auch die Wachtturmgesellschaft ein, dass er Aussagen gemacht hat, die weitere Fahndungserfolge der Gestapo ermöglichten. Beispielsweise zur Veranschaulichung, die nachfolgende "Erfolgsmeldung" (Bayerisches Hauptsstaatsarchiv MA 106688)

"Leitung des Bibelforschers Winkler aufgedeckt werden. Im Zusammenhang damit wurden in Bayern eine Anzahl von Verhaftungen vorgenommen. Auf Grund der Feststellung ist erwiesen, daß die erwiesen, daß die illegalen IBV. ihren Apparat in geschickter Weise  aufgebaut und Bezirksdienstleiter und Dienstleiter für ihre Zwecke aufgestellt hatten. Es bestanden eigene Postlaufstellen, Literaturanlaufstellen usw. Der Bezirksdienstleiter für Südbayern, der Bibelforscher Lehmann, der sich bereits seit April 1936 wegen verbotener Betätigung für die Bibelforscher in Haft befindet, hatte monatlich mehrere Hundert Mark eingesammelte Gelder an den Reichsdienstleiter Winkler abgeliefert. Zur Instruktion der Bezirkdienstleiter hat Winkler im ganzen Reich sogenannte Treffs wahrgenommen, bei denen er nähere Anweisungen erteilz. Die Erhebungen sind noch nicht abgeschlossen, so daß ein zusammenfassendes Bild noch nicht endgültig entworfen werden kann."

Nach 1945 gelangte ein wesentlicher Teil der Akten des vormaligen S(icherheits) D(ienst) des Reichsführers SS in sowjetische Verfügung. Später wurde ein Teil davon, an Ostdeutschland zurückgegeben. Die SD-Akten wurden jedoch von der DDR-Staatssicherheit an sich gezogen, und standen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit nicht zur Verfügung.

Nach dem November 1989 bestand für das Stasiarchivgebäude Freienwalderstr in Berlin, eine neue Situation. Zeitweiliger Dienstherr wurde nun das Bundesarchiv. Es gab dann später noch ein Hickhack mit der Gauckbehörde, wer, worüber die Verfügungsgewalt hat. Jedenfalls war Anfang der 90-er Jahre die Sachlage noch so, dass in der Freienwalderstr. die SD-Akten sich noch in dem Zustand befanden, in den ihn die Stasi versetzt hatte. Das heißt, Ihre Erschließung war wohl primär unter dem Ordnungskategorium Personennamen gestaltet worden. Nicht sosehr unter dem Kriterium, wie der SD jene Akten einstmals angelegt hatte. Anfang der 90-er Jahre hatte ich den Antrag auf Einsichtnahme der bezüglich der Zeugen Jehovas dort vorliegenden Bestände gestellt. Die nachfolgenden Zitierungen geben einige meiner Notizen aus diesem Aktenstudium wieder. Vorstehende Aussage gilt analog auch für die dortigen Aktenbestände bezüglich Erich Frost und Konrad Franke:

Freienwalderstr. ZB1-1421 (nachfolgend ohne den Hinweis Freienwalderstr)

"Berlin, den 24. August 1936

Winkler, Fritz Oswald geb. 20. 9. 98 verh. mit Agnes geb. Lange 1 Kind.

Versicherungsbeamter. Wohnung in Langenberg/Thüringen bei Vater: Oswald Winkler, Rentner. Mutter Anna Winkler, geb. Zewitsch. Ernst Schottstr. 17, Langenberg.

Ich bin Zeuge Jehovas. Seit dem Jahre 1920 besuchte ich die Veranstaltungen der Internationalen Bibelforschervereinigung. Im Jahre 1922 bin ich dort getauft worden. Von Mitte 1926 an bis Ende 1928 war ich Dienstleiter von Berlin. Von dieser Zeit an war ich bis zur Auflösung der IBV Bezirksdienstleiter von Brandenburg und Schlesien.

Innerhalb der illegalen IBV behielt ich bis zu meiner Festnahme den Bezirksdienstleiterposten für den gleichen Bezirk weiter und habe nach der Festnahme Balzereits dessen Stelle eingenommen. Ich bin bereit, die volle Wahrheit zu sagen und werde über meine Tätigkeit umfassenden Bericht erstatten.

Etwa seit Anfang 1934 habe ich für meinen Bezirk W. T.-Abschriften (Wachtturm) herstellen lassen. Von wem damals diese Anregung gekommen ist, kann ich mich nicht erinnern. Sie wurden zunächst in einer Exemplarstärke von 1000 bis 1500 Stück hergestellt durch

Blaurock, Vorname?

Buchdrucker, etwa 65 Jahre alt,

wohnhaft in Berlin-Alexandrinenstr..,

Nr. 7, Kellergeschoss.

Blaurock hat die W. T. nur etwa 2-3 mal hergestellt und dann die weitere Herstellung abgelehnt. Ich habe dann den

Nicolaus (z. S. in Haft)

mit der weiteren Herstellung betraut. Die W. T. sind letztmalig im August 1936 in einer Exemplarstärke von etwa 3000 Stück hergestellt worden. Ehe ich über die Verbreitung der W. T. nähers Angaben mache, muss ich zunächst den Aufbau meines Bezirks erklären. Kurz nach dem Verbot der IBV. kam vom Bibelhaus Magdeburg die Anregung, dass die Glaubensgeschwister weiterhin in Gruppen von 3-5 Personen zusammenkommen möchten, um sich gegenseitig zu ermuntern.

Ich wandte mich an die Dienstleiter (DL) meines Bezirkes und zwar zunächst für Berlin an:

(Er nennt dann die Dienstleiter, aufgegliedert in Bezirke, teilweise, soweit ihm bekannt mit voller Adresse. Für Berlin etwa 23 solcher Anschriften ).

(Berlin) Neukölln: Adlershof, Schöneweide.

(Berlin) Süden, Südwest: Schöneberg, Steglitz, Lichtenrade, Tempelhof, Stralau

(Berlin) Osten-Zentrum: Weissensee.

(Berlin) Nord-Ost: Pankow, Reinickendorf.

(Berlin) Norden: Moabit, Charlottenburg, Spandau, Potsdam, Wannsee, Wilmersdorf, Tegel, Lichtenberg.

Übrige Bezirke: Frankfurt/Oder, Küstrin, Landsberg, Brandenburg, Eberswalde, Hennigsdorf, Spremberg, Oranienburg.

Schlesien: Breslau, Brieg, Oppeln, Gleiwitz, Beuthen, Neissen, Glatz, Neurode, Waldenburg, Landshut, Hirschberg, Reichenbach, Schweidnitz, Striegau, Gottesberg, Fellhammer. (gleichfalls nochmal etwa 23 weitere Anschriften. (Protokoll S. 3-5))

Für Berlin wurden mir die Wege zu den einzelnen DL von den Glaubensbrüdern Kasing (z. Zeit in Haft) und Kauss, Otto, etwa 50 Jahre alt, wohnhaft Berlin-Charlottenburg, Wilmersdorferstr. 125 abgenommen. Es musste festgestellt werden, wieviel die einzelnen DL. W.T.-Abschriften für ihre Bezirke benötigten. Die DL. ausserhalb Berlins habe ich selbst erledigt. Die einzelnen Zustellungen schwankten, und ich kann mich auf die Verteilung wie folgt besinnen:

Berlin 1500 Stck.,

Frankfurt 60 Stck.,

Henningsdorf 200 Stck.,

Brandenburg 10 "

Breslau 400 "

Für ganz Schlesien, ausser Gottesberg-Fellhammer, dort erhielt Fehst oder der Hirschberger Mischok 200 bis 250 Stück. Genaue Auskunft über die Verteilung muss Kassling oder Kours geben können, die ich mit der Verteilung beauftragt hatte. Ausserdem sind in zwei Fällen etwa 500 W. T. für Sachsen durch den dortigen Bezirksdienstleiter (BDL.)

Frost, Erich, z. Zt. flüchtig,,

bestellt und vermutlich auch geliefert worden.

Sie mussten hier bestellt werden, weil in Sachsen der Abzugsapparat ermittelt und beschlagnahmt worden war. Die erste Bestellung erfolgte mündlich durch Klohe (zur Sache in Haft). die zweite wurde mir brieflich unter Chiffre A O 144, Postamt Berlin SW 11.. Ob die Lieferungen tatsächlich erfolgt sind, muss Kours (zur Sache in Haft) wissen. Wieviel W. T. den mir unterstellten Dienstleitern zugestellt worden sind, kann ich im einzelnen nicht angeben. Über diesen Punkt muss auch Kours Auskunft erteilen können.

Ausserdem wurden in meinem Bezirk Broschüren und Bücher der I.B.V. neueren Datums verteilt, die über die Grenze bei Hirschberg gebracht wurden. Über diese Stelle werde ich bei der Schilderung der Reichsverhältnisse besonders berichten. Um die Broschüren und Bücher in meinem Bezirk verteilen zu können, habe ich Lit-Anlaufstellen geschaffen. Der Hirschberger Glaubensbruder

Mischok, Paul,

(z. Zt. seit April in Hirschberg in Haft) erhielt die Literatur aus der CSR. und diesem habe ich die Anschriften der Lit-Anlaufstellen genannt. Seit etwa 1 Jahr wurden von ihm die in seiner näheren Umgebung wohnenden Glaubensgeschwister direkt beliefert und einen grossen Teil Literatur erhielt der Postschaffner a. D.

Wiesener, Ernst, etwa 35 Jahre

alt, wohnhaft in Breslau, Bahnhofstr. 30 II.

Dieser belieferte nach meiner Anweisung Schlesien. Der andere Teil erhielt für meinen Bezirk der Glaubensbruder

Kassing, Franz, (z. Zt. in Haft),

und zwar für den Berliner Bezirk und die Provinz Brandenburg.

Für die Verteilung war der Bruder Kours zuständig, Ausserhalb Berlins habe ich Kassing die Verschickung aufgegeben.

In meinem Bezirk erschien der W. T. monatlich zweimal, jedes Exemplar etwa 10 Seiten stark. Hierfür wurde auf meine Anregung von den einzelnen W.T.-Beziehern je Stück 25 Pfg. verlangt. Mittellose Geschwister erhielten die Abschriften auch kostenlos. Der W.T.-Bezieher bezahlte diesen an den Gruppenleiter, der das Geld wiederum an den Dienstleiter abführte. In Berlin haben die D.L. das Geld für die W.T.an Kours abgegeben. Im übrigen Bezirk habe ich das Geld von den D.L. persönlich entgegengenommen.

Für die neuere Literatur habe ich die Preise festgesetzt. Ein Buch kostet RM 1,50, Broschüren mit Buntdruck 20 Pfg., mit Schwarzdruck 10 Pfg., der Tagestext vom Jahrbuch (Kalenderform) 50 Pfg. Bücher, die auf dem Wege über die Grenze nach Deutschland gekommen sind, trugen folgende Titel (hier jetzt übersprungen) ...

Wieviel Broschüren und Bücher von den einzelnen Sorten an die mir unterstellten D.L. abgegeben worden sind, kann ich nicht mehr sagen. Ich habe auch keine Unterlagen darüber. Bekommen wird aber jeder etwas haben. Das Geld hierfür ging durch den gleichen Weg wie die W.T, Gelder in meine Hände.

Kurz vor dem Verbot der I.B.V. bekam ich von Magdeburg die Abweisung, dass die Lager von Büchern und Broschüren auf ein Mindestmaß zu räumen seien. Die Schriften sollten kartonweise bei Glaubensgeschwistern untergestellt werden, die sich hierzu bereit erklärten. Diese Bücher werden im Laufe der Jahre dem Volke zugängig gemacht worden sein. Es ist auch anzunehmen, dass verschiedene Glaubensgeschwister diese Bücher noch im Besitz haben. Im März 1933 habe ich im Auftrage des Leiters des Deutschen Werkes Balzereit (in angegebener Sache in Haft)

einen Lagerschuppen (Stadtbahnbogen) in der Lüneburger Str. gemietet. Von Magdeburg wurden hier kurz danach 7 Waggons Bücher untergestellt. 96000 Broschüren sind aus diesem Lager kurz vor oder nach dem Verbot verteilt worden. Aus dem Lager sind nur wenige tausend zur Verbreitung gekommen. Es werden sich z. Zt. noch etwa 300.000 Bücher am Lager befinden.

Genau wie in Berlin wurden durch den damaligen D.L.

Böhm, Willi (heute nicht mehr aktiv für die IBV tätig)

in Breslau zwei Lager eingerichtet. Wo sie sich befinden, kann ich nicht angeben; hierüber muss der Mieter der Lagerräume

Werner, Hermann, wohnhaft in Breslau, Hohenzollernstr. 15

Auskunft erteilen können.

Er ist auch derjenige, der die Miete für die Lagerräume, monatlich etwa RM 120,-- bezahlt hat. Die Gelder hierfür erhielt er durch mich. Nach meiner Meinung müssen noch etwa 50.000 Broschüren dort untergestellt sein. Die Büchermenge kann ich auch schätzungsweise nicht angeben. Wenn die Bücher bezahlt wurden, so wurde für ein gebundenes Buch 25 Pfg., ein broschürtes 10 Pfg., für die Broschüre 5 Stück 10 Pfg. genommen. Es bestand eine Anweisung Rutherford's, dass bis zu einem Buche kostenlos abgegeben werden konnte, d. h. also an Interessierte konnten sie auf diese Weise abgegeben werden. Ich habe mir verschiedene Male für meinen Bezirk Schriften von dort schicken lassen, die letzten habe ich durch den Glaubensbruder

Ziegler, Paul ( s. Sache in Haft)

vor etwa 4 Wochen dort abholen lassen. Ziegler hat hierzu seinen DKW benutzt, für den ich vorher die fälligen Steuern bezahlt habe. Es sind damals 24 Kartons - 12.000 Stück Broschüren, nach hier gebracht worden. Die Verteilung wurde durch Kours veranlasst.

Als B.D.L. habe ich über meinen Bezirk die restlose Wahrheit gesagt. Bei entstehenden Unstimmigkeiten bin ich zur Klärung bereit. Anschließend werde ich über meine Tätigkeit als Vertreter des Leiters des Deutschen Volkes umfassend Auskunft erteilen.

Kurz nach der nat. Erhebung wurde von der Leitung des Bibelhauses Magdeburg mit Schwierigkeiten für die Zeugen Jehovas gerechnet. Aus diesem Grunde wurden auch verschiedentlich Bücherniederlager eingerichtet.

Am 13. April 1933 erfolgte dann auch das erste Verbot der I.B.V. für Sachsen, Kurz danach schloss sich Bayern dem Verbot an. Durch Balzereit wurde am 25. Juni 1933 eine Hauptversammlung in Berlin einberufen. Ich war zu dieser Zeit Bezirksdienstleiter. Wir BDL aus dem Reich wurden kurz vor der großen Versammlung durch Balzereit zusammen gerufen. Uns wurde ein Brief verlesen, zudem wir unsere Zustimmung gegeben haben und der an den Führer, sowie den verschiedensten Regierungsstellen gerichtet war. Durch ihn sollte Zweck und Ziel der IBV erklärt werden. Gleichzeitig wurde um Aufhebung der Verbote in Sachsen und Bayern gebeten. Dieser Brief ist dann auch in der Hauptversammlung verlesen worden, ebenso ein Traktat mit dem gleichen, aber erweiterten Inhalt. Das Traktat ist nachher im Reich und im deutschsprachigen Ausland verbreitet worden. Zwei Tage nach der Hauptversammlung erfolgte dann das Verbot für Preußen. Nach und nach wurde das Verbot wieder etwas gelockert und das Vermögen der Gesellschaft zur Verwertung wieder freigegeben. Ausserdem durften im Bibelhaus Magdeburg Bibeln und kleinere Schriften hergestellt werden. Während dieser Zeit fanden dann auch regelmässige Besprechungen der deutschen Bezirksdienstleiter mit Balzereit im Bibelhaus statt. Wir erhielten den Auftrag, in unserem Bezirk für die Freigabe des Vermögens zu arbeiten. Es ist zum grössten Teil erreicht worden und die Abrechnung hat mit dem Bibelhaus Magdeburg stattgefunden. Durch die Auflockerung konnten wir uns wieder mit den einzelnen Dienstleitern in Verbindung setzen. Schriften wurden damals noch nicht organisatorisch in Deutschland verbreitet. Den einzelnen Glaubensgeschwistern war freigestellt, den W.T. oder das G.Z. (Goldene Zeitalter) vom Bibel-Haus Prag oder Bern zu beziehen. Damals bestanden auch noch keine Devisengesetze, so daß die Schriften einzeln durch Auslandsanweisung bezahlt werden konnten.

Anfang September 1934 hat eine Hauptversammlung in Basel stattgefunden. Zu dieser wurden durch die W.T. aufgefordert. Ich selbst habe damals nicht daran teilgenommen. Ich glaube nicht, daß dort irgendwelche organisatorischen Fragen erörtert worden sind. Ich glaube, ich hätte bestimmt davon erfahren müssen.

Im Laufe des Septembers waren wir BDL. zu einer Aussprache in Magdeburg zusammengekommen. Hier wurde uns durch Balzereit der bekannte Brief vom 7. Oktober 1934 verlesen. Er hatte etwa folgenden Inhalt:

"An die Reichsregierung.

Wir Zeugen Jehovas müssen Gott mehr gehorchen als den Menschen. Aus diesem Grunde werden wir uns nach seinem Worte trotz des bestehenden Verbotes weiterhin wieder versammeln."

Der Brief trug keine persönliche Unterschrift und sollte von den einzelnen Dienstleitern abgesandt werden. Von Balzereit wurde angeregt, dass sich die einzelnen Glaubensgeschwister in Gruppen von 3-6 Personen treffen sollen. Es ist durchaus möglich, das gesagt worden ist, daß von nun an der W. T. in Abschrift erscheinen solle. Dem einzelnen BDL. wurde überlassen, wie er die W.T. herstellt und wie er hierzu die Mittel beschaffen würde. Jedenfalls war es so gedacht, daß der BDL. die ihm unterstellten Dienstleiter befragt, wieviel W.T. in dem betreffenden Bezirk benötigt werden. Dann erst sollte die regelmässige Belieferung einsetzen. Einige Tage vor dem 7. Oktober erhielten wir BDL eine Briefabschrift von Richter Rutherford, worin dieser mitteilte, daß am 7. Oktober, vormittags 9 Uhr, sämtliche Zeugen Jehovas er Erde zusammen kommen wollen, um von dem Briefe an die Reichsregierung Kenntnis zu nehmen. Es war genau beschrieben; es sollte mit einem Gebet begonnen werden und nach der Verlesung des Briefes sollten sie mit dem Zeugnisgeben beginnen. Der 7. Oktober 1934 ist also der Tag, an dem die I.B.V. wieder erstanden ist.

Wir BDL. haben versucht, die einzelnen Glaubensgeschwister mit den laufenden Ausgaben des W.T. zu beliefern. Da der W.T. in diesem Umfange nicht an jeden einzelnen Glaubensfreund geliefert werden konnte, sind in den meisten BDL.-Bezirken die Wachttürme vervielfältigt worden. Über meinen Bezirk habe ich am Anfange des Protokolls umfassend Auskunft gegeben. Wir BDL. wurden etwa alle 2 Monate nach Magdeburg eingeladen. Dort hat uns Balzereit über unsere Bezirke befragt. Hauptsächlich wurden juristische Fragen erörtert, wie und wo Werte der Gesellschaft erfaßt und verwertet werden könnten. Außerdem wurden Berichte über Verhaftungen und Schwierigkeiten entgegengenommen. Die Leitung der IBV behielt Balzereit bis zu seiner Verhaftung im Mai 1935. Seit der gleichen Zeit werde ich gesucht, wie ich heute erfahren habe. Ich bin bereit, diese Angelegenheit gleich mitzuklären.

Einige Tage vor dem Gedächtnismahl, am 17. 4. 1935, wurde mir durch die Post ein Brief zugestellt. Er enthielt weiter nichts als die Abschrift einer Verfügung des Geheimen Staatspolizeiamtes Berlin, Der Brief hat keinen gedruckten Kopf. Ich kann mich auch nicht erinnern, ob abschriftlich ein Briefkopf angegeben war. Jedenfalls enthielt er nur die Geheimverfügung des Gestapa, daß am Tage des Gedächtnismahles die Zeugen Jehovas beobachtet und überraschend zugegriffen werden solle. Der Briefumschlag trug den Poststempel Berlin, Postamt unbekannt. Ich kann mir heute noch nicht vorstellen, wer mir den Brief zugeschickt hat. Weder ich habe, noch ist mir von anderen bekannt, daß für den Brief irgendetwas bezahlt worden ist. In meinem Bezirk ist auch niemand mit einem Ansinnen auf Bezahlung an mich oder an einen Glaubensbruder herangetreten. Für mich war die Nachricht natürlich äußerst wichtig, und ich habe dafür gesorgt, daß sie in meinem Bezirk bekannt wurde. Weiterhin habe ich auch den BDL.Klapproth, z. Zt. in Strafhaft, und dem BDL. Rabe, Königsberg/Pr., persönlich in Kenntnis gesetzt. Es ist durchaus möglich, dass ich selbst das Magdeburger Bibelhaus in Kenntnis gesetzt habe, wiederum ist auch möglich, dass ich jemand mit der Nachrichtenübermittlung beauftragt habe.

Durch den Veltener Glaubensbruder

Wuntke, Hermann, Velten; Wilhelmstr. 10,

war mir zu gleicher Zeit bekannt geworden, dass das Gedächtnismahl durch die Polizei überwacht werde sollte. Wuntke hatte hiervon durch einen Veltener Polizeibeamten Kenntnis erhalten. Wie dieser hieß, weiss ich nicht und habe es überhaupt nicht erfahren. Ich weiss bestimmt, dass der Polizeibeamte hierfür keine Gegenleistung erhalten hat.

Der Brief war die Ursache, dass gegen Balzereit und Andere s. Zt. eingeschritten und sie auch wegen anderer Straftaten verurteilt wurden.

Als Balzereit in Haft war, übernahm die Reichsleitung der Bruder

Harbeck, M. C. Bern, Allmendstrasse 39, Bibelhaus,

der auch heute noch als eigentlicher Leiter der IBV in Deutschland gilt.

Ich gelte nur als ein Vertreter des Leiters, weil ich mich in Deutschland aufhalte und durch Mittelsmänner in Verbindung mit Harbeck stehe.

Etwa Mitte Mai 1935 fuhr Harbeck nach Brooklyn/USA, um dort an einer Hauptversammlung teilzunehmen. Als er im Juli 1935 zurückkam, setzte er sich mit

Dwenger, Heinrich, Bern, Allmendstr. 39, Bibelhaus in Verbindung. Durch Dwenger erhielt ich den Bescheid, dass ich als Vertreter des Leiters des Deutschen Werkes zu gelten habe. Er sagte mir, dass Harbeck wünscht, dass ich ständig mit den deutschen BDL in Verbindung bleibe. Außerdem sollte ich aus ganz Deutschland etwa alle Vierteljahre einen Bericht über den Umsatz an Literatur, über eingegangene Gelder und besonders bemerkenswerte Angelegenheiten anfertigen.

Um die Berichte in die Hände des Harbeck gelangen zu lassen, wurde ich beauftragt, diese über das Amerikanische Konsulat gehen zu lassen. Ich habe die Berichte in einem verschlossenen Briefumschlag eingelegt und diesen wiederum mit einem Umschlag versehen. Auf diesen schrieb ich:

Herrn oder Mr. Jenkins, Amerikanisches Konsulat,

Berlin W., Bellevuestraße 8,

mit der Bitte, den inliegenden Brief in Sachen Watch Tower nach Bern weiterzuleiten.

Ich nehme bestimmt an, dass die Briefe im Bibelhaus angekommen sind, denn sie sind nie reklamiert worden.

Die einzelnen BDL. Im Reiche kannte ich erstens aus der Zeit vor dem Verbot und zweitens von den Zusammenkünften im Bibelhaus in Magdeburg. Ich habe mit folgenden BDL. die Verbindung aufgenommen und bis zu meiner Festnahme diese gepflegt:

1. Schurstein, Karl, wohnhaft in Herne/Westf.., Düngelstr. 57, für Ruhrgebiet und Umgebung,

2. Ditschi, Heinrich, Bochum, Wagner-Platz 19, für Rest von Westfalen, Westhannover und Oldenburg, Bremen, Hamburg.

3. Großmann, Paul, z. Zt. in Leipzig in Haft, für Sachsen, Lausitz, Thüringen und Hof/Bayern.

4. Frost, Erich, z. Zeit flüchtig, ist von mir Anfang Juni für den verhafteten Großmann eingesetzt worden.

4. Rabe, Georg (Zahlendifferenz so im Protokoll enthalten), lebt illegal, etwa 60 Jahre alt, eigentlicher Wohnsitz bei Heidekrug im Memelland, zuständig für Ostpreussen und Hinterpommern.

5. Winkler, Fritz, bin ich selbst und habe über meinen Bezirk Auskunft gegeben.

6. Geissler, Hermann, wohnhaft in Grimmen/Sa., Schulstr. 13, zuständig für das Harzgebiet,

7. Lehman, Hans, wohnhaft in München, z. Zt. in anderer Sache in München in Haft, zuständig für Bayern.

8. Wandres, Albert, wohnhaft in Wiesbaden, lebt aber illegal, zuständig für Rheinland und Saargebiet.

9. Stichel, Ludwig, wohnhaft in Stuttgart, in der Siedlung am Nesenbach, bestimmte Strasse unbekannt, zuständig für Württemberg,

10. Zellmann, Emil, wohnhaft Berlin-Reinickendorf, Hansastr. 17, zuständig für Mecklenburg und Vorpommern, seit etwa 2 Monaten konnte er krankheitshalber seinen Posten nicht mehr ausfüllen. Ich hatte in Aussicht genommen, den in Sachsen gefährdeten Frost mit der Betreuung des Gebietes zu beauftragen und für Sachsen den

Klohe, Georg, z. Zt. in Haft

einzusetzen. Diese Umänderung sollte nach der Hauptversammlung Anfang September 1936 durchgeführt werden.

11. Franke, Konrad, wohnhaft in Mainz, Straße ist mir unbekannt, zuständig für Pfalz, Maingebiet und Baden.

12. Bauer, Gottfried, wohnhaft Fürth bei Nürnberg, seit etwa 2 Monaten in anderer Sache in Haft. Kurz danach wurde auch sein Nachfolger zuständig für Nordbayern

Glamann, Konrad, wohnhaft in Fürth, festgenommen.

13. Baer, Vornamen?, wohnhaft in Dresden, nähere Adresse unbekannt, zuständig für Osthannover, Schleswig-Holstein und Provinz Sachsen.

Die von mir vorstehend genannten BDL. sind sämtliche Bezirksdienstleiter, die innerhalb der illegalen IBV. in Deutschland tätig waren. Seit etwa einem Jahr habe ich mit diesen Leuten regelmässig monatlich einen vorher verabredeten Treff wahrgenommen. Diese Treffs waren meistens in ihrem Tätigkeitsgebiet und wurden von Fall zu Fall festgesetzt. Bei den Treffs habe ich von den BDL. die Berichte entgegengenommen, und zwar nach folgendem Muster:

1. Arbeiter, d. h. wieviel Verkünder in diesem Bezirk tätig waren.

2. Stunden, d. h. wieviel Stunden für die Tätigkeit verwandt wurden.

3. Umsatz an Bibeln, d. h. wieviel Bibeln bei der Missionsarbeit verkauft worden sind.

4. Bücher, d. h. wieviel Bücher aus der Zeit vor dem Verbot unter das Volk gebracht worden sind.

Welche Zahlen von den einzelnen BDL. angegeben worden sind, kann ich jetzt nicht mehr angeben. Auf Grund meines Notizbuches kann ich für sämtliche BDL. für die Zeit vom 16. Mai bis Juni 1936 nachfolgendes Resultat bekannt geben.

zu 1) 5 930 Arbeiter

zu 2) 38 255 Stunden.

zu 3) 962 Bibeln

zu 4) 17 260 Bücher

zu 5) 62 740 Broschüren

Etwa alle zwei Monate war von der Zentralleitung Brooklyn (USA) Dienstwochen angesetzt ... Innerhalb der Dienstwochen sollte auf der ganzen Welt, also auch in Deutschland, eine erhöhte Tätigkeit der Zeugen Jehovas stattfinden.

Die Resultate der Dienstwochen wurden mir besonders berichtet, ich habe sie aber dann in das Gesamtergebnis miteingerechnet. Bei den Treffs erhielt ich durch die einzelnen BDL. die in ihrem Bezirk eingegangenen Gelder. Diese setzen sich w. f. zusammen:

G.H.-Gelder, das sind Gelder, die innerhalb der einzelnen Gruppen von den Glaubensfreunden gespendet wurden und über den DL an den BDL. abgegeben worden sind. Sie sollten zur Weiterführung des Werkes und zur Unterstützung notleidender Geschwister verwendet werden. G. H. bedeutet "Gute Hoffnung".

Literatur-Gelder, das sind Gelder, die durch den Verkauf neuerer und alter Bücher und Broschüren, sowie der WT-Abschriften eingekommen sind.

Gelder für Sprechapparate und Vortragsschallplatten

Die Vortragsschallplatten wurden durch Klohe, z. S. in Haft, hergestellt und enthielten Vorträge von Richter Rutherford. Die Sprechapparate wurden durch Walter Hartwig, Erfurt, Pergamentgasse 10, im Auftrage der IBV. hergestellt und von mir finanziert, Die Werkzeuge hierzu und die Werkstattmiete wurden durch IBV.-Gelder gedeckt. Die Apparatur zur Herstellung der Schallplatten im Werte von etwa 8000,- RM. ist von der IBV. bezahlt worden. (Bei Klohe bereits beschlagnahmt. Dieser wird hierzu besonders gehört.)

Die Gelder wurden mir nicht spezifiziert übergeben. Ich habe Beiträge bis zu RM. 600,-- monatlich von den einzelnen BDL. entgegengenommen. Die eingesammelten Beträge habe ich bei dem Glaubensbruder

Gut, Karl, z. S. in Haft

niedergelegt. Ausgaben, die das Reichsgebiet betrafen, sind von mir aus dieser Kasse entnommen worden, z. B. Sprechplattenherstellung und Apparatebau. Die IBV. hat aus der Zeit vor dem Verbot noch einige Gläubiger in Geschwisterkreisen. Einige mir bekannte Gläubiger sind durch die eingegangenen Gelder von mir befriedigt worden, z. B.

Eopelius, wohnhaft in Berlin, Strasse u. Nr. unbekannt; zurückgezahlt RM. 500,--

Tschorchke, Vornamen unbekannt, wohnhaft Breslau-Zimpel, Siedlung ca. RM. 3500,-

Tschorchke war nicht persönlicher Gläubiger, sondern einige ihm bekannte Glaubensfreunde. Die einzelnen Adressen muss Tschorke wissen.

Der verbleibende Überschuss ist etwa alle zwei Monate, und zwar erstmalig Anfang September 1935, durch den

Eigen, Vorname unbekannt, etwa 30 Jahre alt, Schweizerischer Staatsangehöriger, wohnhaft in Bern, Näheres unbekannt,

von Berlin abgeholt worden. Er kam auf Anweisung Harbecks und hat sich mit mir in Berlin getroffen. Im Laufe der Zeit habe ich ihm einmal RM.4000,- zweimal RM. 6000,--  und letztmalig im April 1936 RM.6200,-- oder RM. 6300,-- übergeben. Die Beträge sind auf Anweisung Harbecks nach Konstanz gebracht worden. Wie und ob sie über die Grenze gekommen sind, ist mir unbekannt. Auf dem Wege über das Amerikanische Konsulat habe ich das Bibelhaus in Bern von der Übergabe der Gelder an Eigen unterrichtet.

Da Eigen seit April 1936 nicht wieder hier gewesen ist, haben sich bei mir höhere Beträfe angesammelt. Diese habe ich bei Glaubensgeschwistern untergestellt. Bei dem Bruder

Kours, z. S. in Haft RM.7.139,30

sowie zwei mir übergebene Goldfingerringe

u. b. dem Bruder Gut z. S. in Haft RM 6.760,..

zus. RM. 13.899,30

Ich selbst hatte bei meiner Festnahme RM. 260,-- IBV.-Gelder bei mir. (Die Beträge sind bereits beschlagnahmt).

Die letzte Rundreise bei den einzelnen BDL. habe ich Anfang des Monats durchgeführt. Sie müssen also schon wieder im Besitze von IBV.-Geldern sein. Der nächste Treff mit den BDL. sollte am 12. 9. 1936 hier in Berlin am Goldfischteich im Tiergarten stattfinden. Dort verwaltet ein Gruppendienstleiter Berlins, Varduhn (z. S. in Haft), die Verleihung der Gartenstühle, so das wir uns unauffällig treffen konnten. Ausserdem war bekannt, daß ich mich jeden Sonnabend in Berlin aufhalte und am Goldfischteich zu treffen bin. Bei Varduhn wohnte die Glaubensschwester

Mesch, Hildegard, z. S. in Haft

die mir die unter der Chiffre A O 144, Postamt Berlin SW 11, ankommenden Postsachen abholte und übermittelte. Teilweise hat sie diese auch auf meine Anweisung beantwortet. (Diese Postanlaufstelle wird von der Stapo Berlin bereits schon länger überwacht). Im allgemeinen wurden an diese Stelle von den BDL. Bibelbestellungen aufgegeben. Die Bibelbestellungen hat die Mesch gleich bei der Britischen und Ausländischen Bibelgesellschaft, Berlin, Bernburger Str. 31, selbst erledigen oder erledigen lassen. Die Bibeln sind bei der Bestellung gleich bezahlt worden. Ich hatte zu diesem Zwecke der Mesch einen Betrag von ungefähr RM. 100,-- überlassen und sobald dieser Vergriffen war, erhielt sie weiteres Geld. Die Bücher sind von der Gesellschaft direkt an den Besteller gesandt worden.

Etwa Ende März 1936 sagte mir der

Ruhnau (Raunau), Vorname und Strasse unbekannt, wohnhaft in Danzig,

das er im Auftrage Harbecks die Bereisung der BDL. einmal übernehmen soll. Um mich zu erreichen, hatte er sich damals an Kours gewandt und mit ihm einen festen Treff verabredet.

Wie ich schon erwähnt habe, waren die Treffs mit den einzelnen BDL, vorher festgesetzt. Sie fanden regelmässig am Sonnabend, Sonntag und Montag bezw. Dienstag statt. Die Tage waren nicht bestimmt festgesetzt, wie z. B. Sonnabend nach dem 1. oder 20. usw. Ich habe Ruhnau informiert, dass er am

Sonnabend, 21 Uhr, im Wartesaal des Hauptbahnhofes Hannover die BDL. Ditschi, Geissler und Baer,

Sonntag, 6,30 Uhr im Wartesaal 1. u. 2. Klasse des Hauptbahnhofes Köln die BDL. Wandres, Schurstein,

Sonntag, 16 Uhr in Stuttgart, Hindenburgbau gegenüber dem Bahnhof die BDL. Franke, Stichel, Lehmann und Bauer,

Montag oder Dienstag;

etwa 10 Uhr vorm in Berlin in der Wohnung von Gut oder am Goldfischteich die BDL, Zellmann, Rabe, Grossmann - nach dessen Festnahme Frost - und mich treffen könne.

Ruhnau hat die Treffs mit den einzelnen BDL. nur einmal wahrgenommen. Dann erhielt er durch Harbeck den Auftrag, als Verbindungsmann zwischen mir und Harbeck tätig zu sein. Harbeck schrieb seine Wünsche an Rubau (falsche Schreibweise) in Danzig, da die polnische Post keiner Kontrolle unterliegt. Rubau kam in der Folgezeit dann zu den Treffs mit den BDL in Berlin. Hier erhielt ich von ihm die Informationen, die ich dann noch an die anderen BDL weitergeleitet habe. Geld habe ich ihm nie mitgegeben. Ich kann mich noch auf folgende Informationen entsinnen, die ich erhalten und weitergegeben habe:

I. Betrifft die Hauptversammlung in Bern vom 4. bis 7. 9. 1936. Das Programm war im Einzelnen bekannt gegeben. Es sollte am Freitag Mittag beginnen und am Montag Abend nach einem gemeinsamen Ausflug schliessen. Ausserdem wurde gewünscht, daß im Groben festgestellt werden möchte, wieviel reichsdeutsche Glaubensgeschwister an der Hauptversammlung teilnehmen. Nach meiner Meinung werden etwa 200 deutsche Glaubensgeschwister nach dort fahren. Zur Überwindung der Devisenschwierigkeiten war folgendes gedacht:

In Deutschland sollten Kupons hergestellt werden mit dem Aufdruck 1 und 1/2. Diese Kupons habe ich durch den W. T.-Hersteller für meinen Bezirk

Nicolaus, z. S. in Haft

herstellen lassen. Die mit 1 aufgedruckten Kupons konnten von den deutschen Glaubensgeschwistern das Stück für RM.10,-- gekauft werden, währendem die mit 1/2 aufgedruckten Kupons für RM. 5,-- gekauft werden konnten. Die Kupons sollten mit über die Grenze genommen werden und dort gegen Schweizer Franken eingetauscht werden. Ich habe für RM. 10000,-- Kupons für RM.10,-- und für RM. 5000,- Kupons für RM. 5,-- herstellen lassen. Diese Kupons sind an die BDL. abgegeben und zum Teil verkauft worden. Ich habe bisher für etwa 750,-- Kupongelder entgegengenommen.

Dieser Weg der Geldübermittlung wurde illusorisch durch die Massnahmen der Deutschen Reichsregierung vom 15.  Juli 1936, betr. den Zahlungsverkehr mit der Schweiz. Danach kann jeder, der nach der Schweiz reist, bei den einzelnen Reisebüros einen Reisescheck bis zu einem Betrage von RM. 500,-- kaufen, der dann in der Schweiz gegen dortiges Geld eingetauscht wird. Diesen Weg werden auch viele Glaubensgeschwister einhalten.

II. Betr. den Prozess Fleischhauer gegen die IBV. Am 1. August 1936 trat ich wieder eine Rundreise zu den Treffs mit den BDL. an: Als ich von Berlin wegfuhr, traf mich Rubau am Bahnhof. Er übergab mir einen Zettel, auf dem folgende Punkte standen:

I. Verhaftungen, Misshandlungen oder Entlassungen wegen Verweigerung des Grusses, sofern es sich nicht um Beamte handelt.

II. Berichte, wo J.Z. schwer mißhandelt oder getötet worden sind, keine rechte Kost erhielten und an solchen Folgen starben oder sich infolge schlechter Behandlung das Leben nehmen. (J.Z. heisst Jehovas Zeugen).

III. Broschüre gegen Fleischhauer beschaffen.

IV. Wo sind in Fabriken Drohungen wegen Nichtwahl oder Grussverweigerung angeschlagen worden?

V. Aussprüche gegen die Regierung von Namenchristen.

Zum letzten Punkt sollten Zeitungsausschnitte verwendet werden.

Diese Berichte müssten sehr schnell gesammelt werden, und ich habe bei den einzelnen BDL. hinterlassen, dass 8 Tage später Rubau auf gleichem Wege die fertigen Berichte entgegennimmt.

Ich habe aus meinem Bezirk nur von Berlin Berichte entgegengenommen, es werden etwa 20 Antworten auf die Fragen erfolgt sein. Ich konnte nur über Entlassungen wegen Verweigerung des deutschen Grusses und über einige Fälle von Mißhandlungen berichten. Eine Broschüre des Pfarrers Bunzel, Breslau habe ich durch den Glaubensbruder

Nawroth, Artur, wohnhaft in Breslau,

Heinzelweg 4, (Dienstleiter von Brieg)

erhalten. Sie konnte zu Punkt 5) verwendet werden.

Rubau ist nach der Rundreise zu den einzelnen BDL. gleich nach der Schweiz gefahren und hat diese Berichte mitgenommen. 

Der Prozess gegen Fleischhauer findet am 26. 8. 1936 in der Schweiz statt.

Fleischhauer ist wahrscheinlich ein deutscher Arzt (hier irrt Winkler) aus Erfurt, gegen den die IBV und er gegen diese Beleidigungsklage angestrengt hat. Die monatlichen Umsatzberichte, Arbeiter, Stunden, Bibeln, Bücher und Broschüren hat er in den anderen Fällen entgegengenommen und von Danzig aus das Bibelhaus Bern brieflich davon unterrichtet. Der nächste Treff mit Rubau sollte am 12. 9., nachmittags 2 Uhr, am Goldfischteich im Tiergarten sein.

Innerhalb der illegalen IBV. erschien als Informationsmaterial der Bericht mit der Tätigkeit im Jahre 1935. Ich hatte hierzu ein Originaljahrbuch vom Jahre 1935. Dieses habe ich durch den Nikolaus, z. S. in Haft, in einer Exemplarstärke von 1000 Stück herstellen lassen. Es umfasst 84 doppelt beschriebene Schreibmaschinenseiten. Die auf Seite 12 enthaltenen Verhaltungsmassregeln vor der Polizei sind in dem Original-Jahrbuch nicht enthalten. Ich hatte mich vorher mit einigen BDL. Deutschlands, z. B. Grossmann, darüber ausgesprochen und die nachstehend wiedergegebenen Verhaltensmassregeln eingefügt:

"Allgemeines:

Grundsätzlich trägt jeder seine eigene Verantwortung vor dem Herrn! Wie zahlreiche Fälle bewiesen haben, verhalten sich aber Geschwister in Dingen der Welt oft so, daß sie sich und die mitleidenden Geschwister in unnötige Schwierigkeiten bringen, ohne jeden Nutzen für das Werk des Herrn: Die Rechtfertigung des Namens Jehovas und seines Christus! Solche Fälle nutzt dann aber leicht Satan, der Widersacher, aus, um die Beurteilung der Zeugen Jehovas seitens der Welt in unrichtigem Sinne zu beinflussen und damit das Werk des Herrn zu verunehren: Wir glauben daher, ohne irgend jemanden Vorschriften machen zu wollen, und daß sich jemand dadurch gebunden fühlen soll, nachfolgende Punkte den Geschwistern anempfehlen zu können.

1. Nach dem Gesetz braucht sich niemand selbst zu beschuldigen. Er braucht also in allen Dingen, durch die er sich selbst belasten würde, keine Auskunft geben. Die Anklagebehörde hat die Pflicht, den Beweis für ihre Behauptungen anzutreten. Jeder prüfe vorher genau, was er sagt, denn es ist nicht gut, Aussagen berichtigen zu müssen. Nicht zur Sache gehörige Fragen, z. B.: "Wie ist Ihre Einstellung zum Wehrgesetz oder zum Wahlrecht?" können zurückgewiesen bezw. brauchen nicht beantwortet zu werden. Niemand ist verpflichtet, denen, die das Werk des Herrn bekämpfen, geradezu die Waffen in die Hand zu geben. Auch der Herr lehnte es ab, Auskünfte über seine Lehre und seine Jünger seinen Anklägern zu geben, sondern forderte die Ankläger auf, die Zeugen zu befragen (John. 18:19-21). Wiederholt schwieg der Herr auf Anklagen (Matth. 27:12; Luk. 23; 9 u. a.). Daher ist es ratsam, von dem Bekenntnis zu dem sich jeder Zeuge Jehovas getrieben fühlt, abgesehen - über die Dinge der Wahrheit den Anklägern keine Auskünfte zu geben, sondern lieber zu schweigen als etwas zu sagen. Jeder hüte sich, ein Judas zu sein! Nenne unter keinen Umständen Namen seiner Geschwister. Vielmehr sei jeder durch sein Verhalten ein lebendiges Zeugnis zur Ehre des Herrn. Niemand, der wegen der Wahrheit angeklagt ist, ist schuldig! Denn Gott allein ist Richter und er verurteilt nicht die, welche durch das Verdienst des Herrn Jesus unter den Mantel der Gerechtigkeit gebracht sind. Darum ist jeder berechtigt, zu Protokoll zu geben: "Ich bin mir keiner Schuld oder strafbaren Handlung bewusst!" Der Herr ist mit uns! Eine Verurteilung durch die Welt um seines Namens willen erfüllt die Nachfolger des Herrn mit Freude (Kol. 1:24; 1. Petr. 3:14)."

Die tausend Abschriften habe ich an die einzelnen BDL weitergegeben, die wieder dafür sorgten, dass sie innerhalb des Bezirkes unter den Geschwistern kursierten.

In dem bei mir gefundenen Notizbuch sind veschiedene Lit-Anlaufstellen im Reiche genannt. An diese sind Bücher und Broschüren geschickt worden bezw. sollten geschickt werden. Die Verschickung sollte teils durch Kassing und teils durch Mischock, Hirschberg, durchgeführt werden.

Nachstehend die Lit-Anlaufstellen

Für den Bezirksdienstleiter Ditschi:

H. Schemel, Vloto a/W. Hohlwiesen 30,

für diese Adresse waren bestellt: 500 Bücher Jehova, 1000 Broschüren "Seine Rache",

1000 " "Weltwiederaufbau",.

1000 " "Seine Werke",

1000 " "Begünstigtes Volk"

M. Schmidt, Bremen, Achimerstr. 41

Für diese Adresse waren bestellt:

je 250 Bücher

je 1000 Broschüren (per Post)

Für den Bezirksdienstleiter Rabe:

Willi Hoppe, Autohandlung, Stolp/Pommern, Hospitalstr. 23

für diese Adresse waren bestellt:

60 Bücher "Jehova"

je 75 Broschüren "Seine Werke" und "Weltwiederaufbau"

Fritz Böhnke, Sensburg/Ostpr., Herm. Göringstr. 29

für diese Adresse waren bestellt:

60 Bücher "Jehova" und

je 75 Broschüren "Seine Werke" und "Weltwiederaufbau".

Janowski, Fleischermeister, Marienwerder/Westpr., Töpfergasse

für diese Adresse waren bestellt:

20 Bücher "Jehova" und

je 40 Broschüren "Weltwiederaufbau" und "Seine Werke";

für den Bezirksdienstleiter Winkler:

Berger, Johannes, Frankfurt/Oder, Bossmarkt 21, bahnlagernd,

Für diese Adresse waren bestellt:

5 Bücher "Jehova", 100 Bücher "Reichtum",

je 250 Broschüren "Seine Rache" u. "Begünstigtes Volk",

Klohe, Georg, Hennigsdorf, Voötastr. 9,

Für diese Adresse waren bestellt

20 Bücher "Jehova",

150 Bücher "Reichtum",

300 Broschüren "Seine Rache"

60 Broschüren "Begünstigtes Volk"

Windolf, Bernhard, Fürstenwalde, Weinberge,

Für diese Adresse waren bestellt:

20 Bücher "Reichtum",

50 Broschüren "Begünstigtes Volk",

50 Broschüren "Seine Rache".

Lydia-Reformhaus J. Bogatz, Burg/bei Magdeburg.

Für diese Adresse waren bestellt:

2 Bücher "Jehova"

je 5 Broschüren "Seine Werke", "Weltwiederaufbau", "Seine Rache", "Begünstigtes Volk";

Schulz, August, Striegau/Schles., Bahnhofstr. 7, Haus d. Arbeitsamtes.

Für diese Adresse waren bestellt:

je 250 Broschüren "Seine Rache" und "Begünstigtes Volk".

Leder, Paul, Gärtner, Schwidnitz/Schles.., Richthofenstr. 7a

Für diese Adresse waren bestellt:

60 Bücher "Reichtum",

100 Broschüren "Seine Rache"

Kretschmer, Fritz, Breslau, Marthastr. 6, bahnlagernd, Breslau-Ost.

1000 Broschüren "Seine Rache".

Rau, Theodor, Wildau b. Berlin, Schwartkopfstr. 72,

Für diese Adresse waren bestellt:

30 Bücher "Reichtum"

70 Broschüren "Seine Rache".

Für den Bezirksleiter Gei8ler:

Diesel, Robert, Posneck/Thür., Johannisstr. 9.

Für diese Adresse waren bestellt:

60 Bücher "Reichtum",

125 Broschüren "Seine Rache".

125 Broschüren "Begünstigtes Volk".

Doberanz, Hermann, Püßneck/Thür., Am Friedhof 3.

Für diese Adresse waren bestellt:

60 Bücher "Reichtum",

125 Broschüren "Seine Rache",

125 Broschüren "Begünstigtes Volk".

Für den Bezirksdienstleiter Zellmann:

Drammburg, Marga, Stettin, Heinrichstr. 45/III.

Wieviel für diese Anschrift geliefert werden sollten, ist nicht bekannt.

Lange, Wilheln, Reformhaus, Güstrow/Meckl., Glewiner Str. 4.

Für diese Anschrift waren bestellt:

50 Bücher "Reichtum".

je 100 Broschüren "Seine Rache" und "Begünstigtes Volk"

Saß, Karl, Schwerin/Meckl., Seestr. 6/II.

Für die Anschrift waren bestellt:

35 Bücher "Reichtum2

je 50 Broschüren "Seine Rache" und "Begünstigtes Volk".

Wegner, Fischhandlung, Jarmen/Pom., Sobeckstr. 5

Für diese Anschrift waren bestellt:

20 Bücher "Reichtum"

50 Broschüren "Seine Rache"

42 Broschüren "Begünstigtes Volk"

Minter, Max, Ückermünde/Pom., Stettiner Str. 1/I

Wieviel für diese Anschrift geliefert werden sollten, ist nicht bekannt.

Draht, Hedwig, Stettin, Grabower Str. 6, Hinterhaus.

Wieviel für diese Anschrift geliefert werden sollte, ist nicht bekannt.

Für den Bezirksdienstleiter Frost:

Ulbricht, Walter, Kursdorf über Burgstadt i. Sa. Nr. 17

Für diese Anschrift waren bestellt:

10 Bücher "Reichtum",

40 Broschüren "Seine Reche"

Werner, Richard, Chemnitz/Sa., Fichtelstr. 1 (bereits zur Sache in Haft)

15 Bücher "Jehova",

170 Bücher "Reichtum",

435 Broschüren "Seine Rache",

50 Broschüren "Weltwiederaufbau"

50 Broschüren "Seine Werke".

Krußig, Max, Burgstädt/Sa., Friedrich-Wagner-Str. 8

Für die Anschrift waren bestellt:

10 Bücher "Reichtum",

100 Broschüren "Seine Rache".

Schmidt, Johannes, Lebensmittelhändler, Kändler b. Limbach/Sa., Mittelstr. 1

40 Bücher "Reichtum",

120 Broschüren "Seine Rache", 30 Brosch. "Weltwiederaufbau", 60 Brosch. "Begünstigtes Volk".

Für den Bezirksdienstleiter Baer:

Peters, Willi, Radiohändler, Rheinsbeck über Lübeck.

Für diese Anschrift waren bestellt:

20 Bücher "Jehova",

20 Bücher "Reichtum",

je 30 Broschüren "Seine Werke", "Weltwiederaufbau", "Regierung", "Seine Rache", "Begünstigtes Volk".

Stucke, Georg, Hannover-Herrenhausen, Stöcknerstr. 31.

Für diese Anschrift waren bestellt:

150 Bücher "Jehova",

250 Bücher "Reichtum",

1000 Broschüren "Seine Rache",

1000 Broschüren "Begünstigtes Volk"

400 Broschüren "Weltwiederaufbau"

Plate, Gustav, Altona/Elbe, Gr.Bergstr. 224/7

Für diese Anschrift waren bestellt:

50 Bücher "Jehova",

50 Bücher "Reichtum",

100 Broschüren "Seine Werke"

100 Broschüren "Weltwiederaufbau",

100 Broschüren "Regierung";

100 Broschüren "Seine Rache",

100 Broschüren "Begünstigtes Volk".

Siebke, Hans, Manufakturwaren, Hochdenn/Holstein, auf Frachtbrief "Kurzwaren".

Für diese Anschrift waren bestellt:

50 Bücher "Jehova",

40 Bücher "Reichtum",

je 100 Broschüren "Seine Werke", "Weltwiederaufbau", "Regierung", "Seine Rache", "Begünstigtes Volk".

Seeger, Karl, Kiel, Schauenburger Str. Nr. 41, Kolonialwaren

Für diese Anschrift waren bestellt:

300 Bücher "Reichtum",

je 300 Brosch. "Seine Rache" u. "Begünstigtes Volk".

Peters, Cäcilie, Äbtissienwisch b. Wilster/Holst.

Für diese Anschrift waren bestellt:

100 Bücher "Reichtum" (per Post)

Barth, Hanns, Altona-Stellingen/Elbe, Brunkhorster Weg 2

Für diese Anschrift waren bestellt:

100 Bücher "Reichtum"

20 " "Jehova"

Wiliger, A., Altona/Elbe, Rabenstr. 19

Für diese Anschrift waren bestellt:

26 Bücher "Jehova"

Heimann, Fritz, Altona/Elbe, Goebenstr. 15 pt.

Für diese Anschrift waren abwechselnd von jeder neu erscheinenden Broschüre 250 Stück per Post senden.

Stobe, Erna, Itzehoe/Holstein, Brückenstr. 13

Für diese Anschrift waren bestellt:

10 Bücher "Jehova"

10 Bücher "Reichtum2

Buchholz, Bäckermeister, Drage bei Friedrichstadt/Holstein

Für diese Anschrift waren per Post zu senden:

40 Bücher "Jehova"

25 " "Reichtum"

Voß, Frau, p. Adr. Kaufhaus Biel, Wacken über Hannerau/Holstein.

Für diese Anschrift waren bestellt:

40 Bücher "Jehova"

25 " "Reichtum".

Die bestellte Literatur habe ich zum Teil durch Mischok und zum Teil durch Kassing, Berlin, versenden lassen. Mischok befindet sich seit April in Hirschberg in Haft. Nach dieser Zeit ist die Literatur durch seine Helfer, einen Glaubensbruder Staez und einen mir unbekannten über die Grenze gebracht worden. Nach der Festnahme Mischoks wurde die Literatur restlos an Kassing oder an die von ihm angegebenen Abschriften geschickt. Von hier aus sind sie an die Besteller weitergeleitet worden. Die neuerer Literatur sollte wie die W.T.-Abschriften gelesen und vernichtet werden, damit sie bei Durchsuchungen nicht in die Hände der Polizei fallen. Die alte Literatur dagegen sollte an Fernstehende abgegeben werden.

Zu dem Bücherschmuggel hatten sich die Glaubensgeschwister erboten. Für die entstehenden Unkosten sind sie von mir bezahlt worden. Die Abrechnung habe ich mit Mischok getätigt. Für ein geschmuggeltes Buch erhielten sie 26 Pfg. und für eine Broschüre 2 Pfg. Mischok hat von mir monatlich Beträge bis zu RM 250,-- erhalten. --

Der bei Klohe gefundene Plan über Arbeitswochen ist mir nicht ganz erklärlich. Mit den Dienstwochen hat dieser Plan nichts zu tun. Im Jahre wurden etwa 5 Dienstwochen angesetzt, die durch den W. T. bekannt gegeben wurden.  (Es kann also kein Plan über die Dienstwochen, wie auf Seite 16 letzter Absatz vermerkt, zur Sache gegeben werden.)

Die heute bei der Durchsicht des gefundenen Materials festgestellte Schrift

"Mut und Sieg"

(Schreibmaschienabzug) ist eine Schrift von Richter Rutherford und fordert zum Aushalten auf. Als Kopf hatte das Bibelhaus Bern folgendes geschrieben:

"Lieber Bruder,

Beigeschlossen erhälst Du einen von Bruder Rutherford gehaltenen Vortrag MUT UND SIEG. Er ist für die Geschwister bestimmt und soll vor Beginn der Missionswoche (eventuell am Tage des Gedächtnismahles) laut und deutlich vorgelesen werden. Sofern Du selbst nicht über eine deutliche Stimme verfügst, willst Du einen geeigneten Bruder dazu bestimmen.

Der Vortrag wird ohne Zweifel allen Getreuen zum Ansporn dienen und sie veranlassen mit grosser Freude ein durchgreifendes Zeugnis zu geben.

Durch die Gnade des Herrn mit Euch im Kampfe für Jehova und Gideon verbunden, sind wir mit herzlichen Grüssen

Eure Brüder

Bibelhaus Bern."

Auf Seite 4) erster Absatz steht:

"Unter einigen Nationen haben die modernen Philister heute die römische eiserne Herrschaft wieder aufgerichtet, und sie gebrauchen ihre Macht, um alle, die sich weigern, ihren ruchlosen Forderungen nachzukommen, zu martern und zu verfolgen. So wie die alten Philister darauf ausgingen, Gottes auserwähltes Volk zu vernichten, so sind heute die modernen Philister darauf bedacht, Jehovas Zeugen zu vernichten und alle, die sich kühn auf die Seite Gottes und seines Königreiches stellen. Allein in Deutschland schmachten mehr als 2.000 treue Zeugen Jehovas in schmutzigen Gefängnissen, weil sie den allmächtigen Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten. Manche dieser treuen Zeugen sind grausam gequält worden. Männer und Frauen werden zwangsweise sterilisiert und andere rücksichtslos hingemordet, weil sie darauf bestehen, Gott und nicht einem Menschen zu dienen."

Diese Schrift ist ebenso wie der Bericht über die Tätigkeit im Jahre 1935 vervielfältigt worden und durch mich an die BDL. weitergeleitet worden. Diese wurden ebenso wie die W.T. behandelt. Bezahlung wurde hierfür nicht verlangt.

Ich bin im Besitze zweier Schlüssel, die ich durch den Glaubensbruder Dwenger vor etwa 1 Jahr erhalten habe, und die für irgendwelche Türen des Bibelhauses in Magdeburg bestimmt sind. Ich selbst bin noch nicht dort gewesen und weiss nicht, was sich in den verschlossenen Räumen befindet. Mir ist auch nicht gesagt worden, was sich in den Räumen befindet. Die Schlüssel sind mir bei der Festnahme von der Polizei abgenommen worden.

Ich habe noch nie gehört, dass durch Zeugen Jehovas das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes sabotiert wird. Von unseren Glaubensgeschwistern wird gegeben und auch genommen.

Den deutschen Gruß "Heil Hitler" können wir nicht anwenden, weil durch den Gruß zum Ausdruck kommt, dass nur durch Adolf Hitler Heil käme. Unsere biblische Überzeugung geht dahin, dass das Heil für alle Menschen in der Aufrichtung des Königreiches Gottes liegt und dass der Heilbringer Jesus Christus ist.

Der Deutschen Arbeitsfront treten verschiedene Glaubensgeschwister nicht bei, weil die Deutsche Arbeitsfront eine politische Gliederung der Partei ist und die Bibel von uns erwartet, dass wir uns von den Dingen der Welt, wozu auch die politischen Angelegenheiten zählen, freihalten sollen. Ich erkläre ausdrücklich, dass keinerlei Anweisung gegeben ist, wie sich die einzelnen Glaubensgeschwister der DAF gegenüber verhalten sollen. Über den Reichsluftschutzbund trifft das gleiche zu, was ich über die DAF angegeben habe.

Ich muss betonen, dass wir Zeugen Jehovas alle Maßnahmen der Regierung anerkennen können, soweit sie nicht im Gegensatz zur Bibel stehen. Wir werden uns allen Maßnahmen der Regierung unterwerfen, soweit sie eben nicht im Gegensatz zur Bibel stehen, wie z. B. das Wehrgesetz." In der Bibel steht: "Du sollst nicht töten".

Das Wahlrecht können wir nicht ausüben, weil wir schon Jesus Christus gewählt haben.

Ich habe über meine Tätigkeit restlos Auskunft gegeben und die volle Wahrheit gesagt. Bei entstehenden Unstimmigkeiten bin ich zur Klärung bereit.

Ich sehe ein, dass ich mich strafbar gemacht habe, weil ich eine verbotene Organisation aufrechterhalten habe.

Bei der Vernehmung ist Krim. Inspektor Jost, Leipzig, zugegen gewesen

gez.: Fritz Winkler

gez.: Frank 2

Oberwachtmeister der Schutzpolizei vom Polizeipräsidium Leipzig, Politische Abteilung, z. Zt. abgeordnet zum Gestapa Berlin.

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"Berlin, den 28. August 1936

Preußische Geheime Staatspolizei

Geheimes Staatspolizeiamt

Der Politische Polizeikommandeur der Länder

II I B I - S 1035/36

An alle Staatspolizeistellen und Politischen Polizeien der Länder

- nachrichtlich den Herren Regierungspräsidenten und Oberpräsidenten in Preußen

Betreff: Internationale Bibelforschervereinigung …

In der Anlage übersende ich zur Kenntnisnahme Abschrift der Vernehmungsniederschrift des IBV-Mitgliedes Winkler v. 24. 8. 1936 … Winkler hatte die oberste Leitung der IBV in Deutschland. Aus seinen Aussagen sind im einzelnen der Aufbau, die Hauptfunktionäre, die Arbeitsweise, insbesondere die Art der Nachrichtenübermittlung, des Buchvertriebs, die Verteilung von Grammophonapparaten und Schallplatten, sowie des Geldverkehrs zu ersehen. Im Zuge einer größeren Aktion ist bereits die gesamte Zentralleitung der IBV ausgehoben worden.

Ich ersuche nunmehr, auf Grund der anliegenden für den jeweiligen Bezirk in Betracht kommenden Unterlagen, in den einzelnen Bezirken die weiteren Maßnahmen zu treffen. In erster Linie sind die von Winkler angegebenen Bezirksdienstleiter festzunehmen. Durch ihre anschließende Vernehmung sind die ihnen unterstellten Dienstleiter, Postanlaufstellen Bücherlager, W.T.-Hersteller, Literaturanlaufstellen usw. festzustellen. Die Untergliederung bei den dortigen Bezirksdienstleitern muss in den übrigen Bezirken der aus der Skizze ersichtlichen Untergliederung des Berliner- und des Brandenburgisch-Schlesischen Bezirks entsprechen. Die süddeutschen BDL haben möglicherweise die Literatur über die Schweizer bezw. französische Grenze erhalten.

Mit Rücksicht darauf, dass voraussichtlich an der am 4. 9. 1936 in Luzern (nicht wie auf Seite 21 der Vernehmung Winklers angegeben) beginnenden Tagung auch deutsche Funktionäre teilnehmen werden, ersuche ich, die Maßnahmen einheitlich am 31. 8. 1936 einzuleiten. Über das Ergebnis ist fortlaufend und ausführlich unter Beifügung der wesentlichen Vernehmungsniederschriften zu berichten."

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Indirekt nimmt auch die Meldung über den spektakulären Verhaftungserfolg in Sachen Georg Klohe, auf Winkler mit Bezug.

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Laut "Kölnische Zeitung" vom 1. 8. 1937

"wurde nach mehrtägiger Verhandlung der 39 Jahre alte Fritz Winkler wegen Vergehens gegen die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat, Devisenverbrechen und Untreue zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust verurteilt; außerdem wurde gegen den Angeklagten auf eine Geldstrafe von 22.000 Mark erkannt, an deren Stelle im Nichtbetreibungsfall weitere 22 Tage Zuchthaus treten sollen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war der Angeklagte in vollem Umfang geständig."

Das theoretische mögliche Höchststrafmaß von fünf Jahren Zuchthaus, in anderen Fallen durchaus angewandt, fand somit in diesem Falle keine Anwendung, wobei eben als ursächlich anzusehen ist, dass er in vollem Umfange als geständig bewertet wurde.

Laut einem Text von Hans-Rainer Sandvoß ist in Sachen Winkller noch zu berichten.

"Die mit Urteil vom 30. Juli 1937 verhängte Zuchthausstrafe verbüßte Winkler bis zum 21. September 1940 in der Haftanstalt Luckau. Anschließend blieb er unter ständiger Beobachtung der Geheimen Staatspolizei, wodurch jede weitere illegale Arbeit unmöglich wurde. (Nach der Befreiung wieder für die Zeugen Jehovas tätig, war er gezwungen, Anfang 1955 aus Thüringen zu fliehen, da er erneut politisch verfolgt wurde.

An dieser Angabe ist schon mal beachtlich, dass (im Vergleich zu anderen Fällen), es schon bemerkenswert ist, das Winkler das KZ erspart blieb. Das er nach seiner Haftentlassung sowohl in der Zeit des Naziregimes als auch zu Ostdeutschen Zeiten, dann in Thüringen lebte. Wenn Winkler eine weitere Lebenszeit bis 1978 dann noch vergönnt war, davon ab 1955 in Westdeutschland, dann ist halt festzustellen: Irgendwelche relevanten Konsequenzen (außer das er im zweiten Glied verblieb; ergo nicht mehr an herausragender Stelle in Erscheinung trat), hat es für Winkler auch in seiner Westdeutschen Zeit, offenbar nicht gegeben.

Was die mit genannten fiskalischen Aspekte anbelangt, wurde ihm laut "Köllnische Zeitung" vorgehalten,

"im Jahre 1936 einen Betrag von über 22.000 Mark in Konstanz unter Umgehung der Devisenbestimmungen an einen Ausländer aushändigt" zu haben."

Besonders pikant auch die Angabe, "er habe sich der Untreue dadurch schuldig gemacht, daß er über 10.000 Mark, die aus dem Fonds der Internationalen Bibelforschervereinigung stammten, seinem in Thüringen lebenden Vater zu einem Hausbau zur Verfügung" gestellt habe."

Also belegt der Fall Winkler, dass selbst unter den Untergrundbedingungen im Naziregime, oder vielleicht auch gerade deshalb, finanzielle Unregelmäßigkeiten zum Vorteil einzelner Personen, nachweisbar sind.

Wie weiland dann zu DDR-Zeiten, ebenfalls einzelne Privatpersonen, mit WTG-Geldern bezahlte PKW auf ihren Namen anmelden konnten (in den 1960er Jahren), beispielsweise im Falle eines Edmund R. ... im Randgebiet von Berlin lebend, so geschehen, und wohl nicht nur in seinem Fall.

Was sagte Erich Frost aus?

Technischer Hinweis. Der Dateiumfang ist zu gross. Daher wurde die besonders umfangreiche Datei über Erich Frost an dieser Stelle herausgenommen. Sie ist über den nachfolgenden Link erreichbar:

Was sagte Erich Frost aus

Was sagte Konrad Franke aus?

Schreiben des
Sicherheitsdienst
des Reichsführers SS
SD-Oberabschnitt Rhein
II 113 V. 494/35 (Datum: 22. 9. 1936)

An das Sicherheitshauptamt RFSS
Abteilung II 113
Berlin S. W. 68

Betrifft: Internationale Bibelforschervereinigung.
Vorgang: dort FS Nr. 29068 v. 29. 8. 36
" Schr. I/112 21-6 v. 3. 9. 36

Im Verfolg der von dort aus angeordneten Aufrollung der Internationalen Bibelforschervereinigung werden als "Zwischenbericht" folgende Ermittlungen nach dort gemeldet:


1. Der in dem Protokoll Winkler genannte Bezirksleiter Franke, Konrad, Mainz, wurde festgenommen. Bei ihm wurde ein Sprechapparat mit Platten der Bibelforscher vorgefunden. Nach anfänglichem Leugnen war Franke geständig, illegal für die Bibelforschervereinigung gearbeitet zu haben. Die näheren Einzelheiten über seine Betätigung ergeben sich aus dem in Anlage 1 beiliegendem Vernehmungsprotokoll.


2. Auf Grund der Angaben des Franke wurde in Frankfurt/M. der Reisevertreter Steinbach festgenommen, der laut Aussage des Franke als Dienstleiter für Frankfurt a. M. tätig gewesen sein soll. Steinbach bestreitet Winkler zu kennen und will seit dem Verbot sich nicht mehr betätigt haben. Weitere Ermittlungen laufen in dieser Sache noch.

3. Unter dem dringenden Verdacht mit Franke in Verbindung gestanden zu haben, wurden noch verhaftet:
a. Kubalski, Hermann, Adolf, geb. 22. 10. 92.
wohnhaft in Viesen Kr. Altenkirchen. Kubalski gibt zu, Druckschriften im Frühjahr 1936 von einer Person (wahrscheinlich von Franke) erhalten zu haben (siehe Anl. 2).
b. Neitzert, Frieda, ledig, geb. 28. 2. 16 in Hohensayn, wohnhaft Hohensayn, Kr. Altenkirchen.
Bei der Neitzert wurde eine Schallplatte der I.V.B. vorgefunden. Nähere Angaben hat die N. bis jetzt noch nicht gemacht (siehe Anl. 3).
c. Michaelis, Lisbeth, verh., geb. am 16. 9. 12
in Berlin, wohnhaft in Neuwied a/Rhn. Bei der M. wurde das "Jahrbuch 1936 der Zeugen Jehovas" gefunden. woher das Buch stammt, ist bis jetzt noch nicht bekannt (siehe Anl. 4).
d. Michaelis, Fritz Robert, geb. am 1. 2. 00 in Breslau, wohnhaft Neuwied a /Rhn. Der Genannte ist der Ehemann der zu c Genannten. Auch er macht keine Aussage (Anl. 5).
e. Kreier, Friedrich, geb. am 25. 2. 99 zu Neuwied, wohnhaft daselbst. Kreier gibt zu, sich nach dem Verbot noch betätigt zu haben. Auch hat er Zeitschriften und Bücher weitergegeben. Er gibt auch zu, bei Besprechungen anwesend gewesen zu sein, verweigert aber über die näheren Umstände die Aussage. (Anl. 6)
f. Brandt, geb. Giloy, Wwe. geb. 11. 7. 96 in Hochstetten Kr. Kreuznach, wohnhaft daselbst.
Auch bei der Brandt wurde illegales Material vorgefunden. Nähere Angaben hat die B. jedoch zunächst nicht gemacht. Bei einer weiteren Vernehmung konnte die Genannte doch zu einer Aussage gebracht werden. Sie gab an, von einem Bruder der Vereinigung
namens Wagner aus Mainz-Weisenau von Zeit zu Zeit besucht worden zu sein, letztmalig im Juli 1936. Wagner habe ihr das Material überbracht. Aus der Vernehmung ist zu schließen, daß Wagner als Kurier zwischen dem Bezirksdienstleiter und den unteren Einheiten tätig gewesen ist. Eine Vernehmung des Wagner liegt noch nicht vor.

Es darf mit Bestimmtheit angenommen werden, daß die zu a-f Genannten direkt oder indirekt mit Franke in Verbindung standen und illegal für die I.V.B. gearbeitet haben.

2. Weiterhin wurden in Frankfurt a. M. die bekanntesten Bibelforscher eingehend überholt. Wenn auch in keinem Fall illegales Material gefunden werden konnte und sich auch kein Anhaltspunkt einer derartigen illegalen Betätigung ergab, so konnte doch festgestellt werden, daß
a. der Bäckermeister Bertram, Frankfurt a/M.,
b. ein Frl. Gresler, Frankfurt a/M., zu der Tagung der I.V.B. nach der Schweiz gefahren waren. Frl. Gresler hat das Geld zu dieser Reise von dem ehemaligen Bibelforscher Fuhrmann, Frankfurt erhalten. Fuhrmann bestreitet gewußt zu haben, daß die Gresler zur Tagung nach Luzern fährt. Weitere Ermittlungen schweben z. Zt. noch. Bertram und die Gresler werden nach ihrer Rückkehr aus der Schweiz vernommen werden.

In der Anlage 8 wird noch eine "Resolution", die aus der Schweiz an verschiedene hiesige Behörden gesandt wurde, überreicht. Es wird festgestellt, ob Bertram oder die Gresler die Zusendung vorgenommen haben.
Der Führer des SD-Oberabschnittes Rhein


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Vorbemerkung zum Protokoll vom 9. 9. 36. Von selbigen wurden offenbar von der Gestapo selbst einige Abschriften angefertigt. Einzelne Sätze (farblich abgesetzt) sind nicht in allen Protokoll-Abschriften nachweisbar.

Geheimes Staatspolizeiamt
Darmstadt

"Darmstadt, den 9. 9. 36

Aus der Schutzhaft vorgeführt erklärt Franke, Konrad zur Wahrheit ermahnt folgendes:
Ich sehe ein, dass ein weiteres leugnen keinen Zweck hat. Ich bin bereit, die volle Wahrheit zu sagen, insbesondere nachdem mir Reichsleiter Winkler (zur Zeit in Berlin in Haft) einen Brief hat zugehen lassen, in welchem er mich auffordert, die Wahrheit zu sagen, da die Polizeibehörden über meine Tätigkeit völlig informiert sind.

Ich bin Zeuge Jehovas seit längerer Zeit, wie das in meiner Vernehmung vom 31. 8. und 1. 9. 1936 vor der Staatspolizeistelle Mainz angegeben ist.
diese Protokolle wurden von der Stapo Darmstadt nicht mitübersandt. Auf diese Vernehmungen nehme ich auch hinsichtlich meiner Einstellung dem Staat gegenüber Bezug.

Am 7. Oktober 1934 wurde von allen Ortsgruppen der IBV, der bekannte Brief an die Reichsregierung gerichtet, mit dem Inhalt, dass die Zeugen Jehovas das Verbot der IBV, nicht anerkennen könnten, Gott mehr als den Menschen gehorchen müssten und sich in Zukunft weiter versammeln würden. Diesen Brief habe ich damals von dem Bezirksdienstleiter (B.D.L.) Dr. Merk für meine Gruppe erhalten. Ich hatte in Mainz eine Gruppe von etwa 9 bis 10 Zeugen Jehovas zu betreuen. Am 7. Oktober 1934 vormittags 9 Uhr habe ich, wie mir dies aufgegeben war, meine Gruppe versammelt. Ich habe den Brief vorgelesen und diesen alsdann mit der Unterricht "Ortsgruppe Mainz" an die Reichsregierung abgesandt.


In der darauffolgenden Zeit habe ich nicht im eigentlichen Sinne mit meiner Gruppe gearbeitet, sondern bin mit einzelnen Zeugen Jehovas, soweit sich gelegentlich Gelegenheit bot, zusammengekommen und habe mit Ihnen über die Wahrheit in der Bibel gesprochen. Irgend eine weitere Funktion hatte ich in dieser Zeit innerhalb der illegalen Organisation der IBV. noch nicht.

Etwa Ende Mai 1935 wurde der BDL Dr. Merk festgenommen. Als seinen Nachfolger wurde mir von dem Reichsleiter Winkler die Leitung des Bezirks Pfalz-Baden und Maingebiet übertragen. Winkler selbst kannte ich bis dahin persönlich noch nicht. Ich hatte ihn lediglich als Versammlungsleiter unter anderem in Berlin gesehen. Ich war von Dr. Merk an Winkler als Bezirksdienstleiter empfohlen worden wie ich annehme. Ich wurde mit ihm persönlich in Verbindung gebracht durch den B.D.L. für das Rheinland und Saargebiet Albert Wandres.

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Diesen selbst kannte ich aus meiner früheren Tätigkeit als Dienstleiter von Mainz und Wiesbaden. Ich traf Winkler auf einer Durchreise durch Mainz auf dem Bahnhof in Mainz und fuhr mit ihm zu einem verabredeten Treff in Stuttgart. Dorthin waren noch die B.D.L. Lehmann und Stichel sowie Baur gekommen. In Stuttgart besprachen wir, wie wir unsere weitere Arbeit fortführen wollten.

Seit dieser Zeit, etwa Anfang Juni 1935 übe ich die Funktion eines B.D.L. für folgendes Gebiet aus:
Baden
Pfalz und
das nähere Gebiet um Frankfurt/Main, Wiesbaden, Darmstadt.


Ich möchte aber bemerken, dass sich Winkler nicht ausdrücklich als B.D.L. bezeichnet hat.
Die Treffs mit dem Reichsleiter Winkler wurden immer von Fall zu Fall festgesetzt. Winkler kam mit der Bahn aus Richtung Köln nach Mainz. Hier traf ich ihn auf dem Bahnhof und fuhr mit ihm ein Stück mit, je nachdem wieviel wir zu besprechen hatten, da der Aufenthalt des Zuges in Mainz zu kurz war. Mehrmals bin ich bis nach Stuttgart mitgefahren. Die Treffs fanden etwa in Abständen von 4-5 Wochen statt.
Das letzte Mal habe ich Winkler am 1. Aug. ds. Jrs. gesprochen

Mit der Organisation meines Bezirkes bin ich noch nicht mehr weit durchgekommen, da ich außerhalb Mainz und Wiesbaden bei den Geschwistern unbekannt war und mich erst von einem anderen bei ihnen einführen musste. Ich habe bisher in meinem Bezirk mit folgenden Dienstleitern in Verbindung gestanden:
1.) Frankfurt/Main. Steinbach, Valentin, Schwarzburgstr. 26.
2.) Mannheim. Karl Haas, Luisenring 54.
3.) Karlsruhe. Mühlhäuser, Vorname?, Lindenplatz 12.
4.) Offenburg. Albert Kern, Lindenplatz 12
5.) Singen. Erich Arnold, Hauptstr. 12
6.) Speyer. Sand (Vorname und Anschrift unbekannt). Mit diesem habe ich mich nur in Mannheim getroffen.
7.) Mainz. Diesen Bezirk habe ich selbst bearbeitet.

Diese Dienstleiter habe ich etwa monatlich einmal besucht. Die Auslagen für die Bahnfahrten habe ich mit den eingenommenen Geldern verrechnet.

Die Wachtturm (WT) Abschriftenherstellung war zu der Zeit als ich den Bezirk übernahm bereits eingerichtet. Die Original WT wurden an den Dienstleiter (DL) Mühlhäuser gesandt. Absender war meines Wissens das Bibelhaus Bern/Schweiz. Die Herstellung der Abschriften wurde durch Mühlhäuser besorgt. Wo die Verfielfältigungsapparate standen, wer die Matrizen schrieb und wie die weitere Herstellung der Abschriften vor sich ging, ist mir unbekannt. Ich habe

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mich hierum nie gekümmert, da diese von Mühlhäuser ordnungsgemäß erledigt wurde.

Nach der Inhaftnahme von Mühlhäuser veranlasste ich bei dem Reichsleiter Winkler, dass die Original W.T. an den D.L. Haas in Mannheim gesandt wurden, der von da ab auch die Herstellung der Abschriften besorgte ohne dass ich im einzelnen über die Art und Weise unterrichtet wurde.

Die Verteilung der W.T. Abschriften wurde ebenfalls durch Mühlhäuser bezw. nach seiner Inhaftnahme durch Haas vorgenommen. Von jeder Nummer des W.T. wurden meiner Schätzung nach gegen 300 Abschriften gefertigt. Diese wurden wie folgt verteilt:
1.) Steinbach, Frankfurt/Main gegen 35 Stück
2.) Mühlhäuser, Karlsruhe " 45 Stück
3.) Kern, Offenburg " 70 "
4.) Sand, Speyer " 40 "
5.) Ich selbst, Mainz " 40 "
6.) Haas, Mannheim " ? "


Arnold, Singen, erhielt kaum Abschriften. Für diesen Bezirk wurden meistens Original W.T. aus der Schweiz besorgt. Über die näheren Einzelheiten bin ich nicht unterrichtet.

In der ersten Zeit erhielt jeder Zeuge Jehovas eine Abschrift des W.T. In späterer Zeit mussten in manchen Bezirken mehrere Zeugen zusammen eine Abschrift lesen.

Für jede Abschrift des W.T. mussten 25 Rpf. bezahlt werden. Dieses Geld habe ich nicht in Empfang genommen, wurde vielmehr von den Verteilern eingezogen und zur Deckung der Unkosten verwandt.

Nach dem Verbot der IBV. wurden in meinem Bezirk fast alle Bücherlager beschlagnahmt. Es befanden sich seitdem nur noch bei einzelnen Glaubensgeschwistern verteilt, verschiedene Posten, die im Laufe der Zeit und zwar bis zur gegenwärtigen Zeit noch verteilt wurden. In meinem Bezirk Mainz-Wiesbaden waren nur einige wenige Bücher vorhanden, da hier die Bestände fast restlos beschlagnahmt waren. Wo die übrigen Bücher lagen, weiss ich nicht. Hierüber müssen die einzelnen D.L. Auskunft geben können.

Aus diesen alten Beständen wurde je Buch 25 Rpf. und je Broschüre 2 Rpf. verlangt. Das eingenommene Geld ging über den Dienstleiter an mich und wurde von mir bei den Zusammenkünften mit Winkler, an diesem abgeliefert.

Neuere Bücher kamen in meinem B.D.L.-Bezirk kaum zur Verteilung. Ich erhielt persönlich nur hin und wieder einmal ein neueres Buch oder eine neuere Broschüre bei den Zusammenkünften in Stuttgart von den

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anderen B.D.L. Im übrigen kamen in meinem Bezirk meines Wissens nur einige Exemplare der Broschüre "Regierung" unter den Geschwistern zur Verteilung. Von diesen neueren Schriften kostete ein Buch RM 1.50, eine Broschüre mit Buntdruck RM -,20 und mit Schwarzdruck RM -,15. Wo die anderen Bücher ausser denen, die ich selbst erhielt, herkamen, weiss ich nicht. Es ist möglich, dass diese von Glaubensgeschwistern aus der Schweiz beschafft worden sind. Von der Schwester Bertha Maur in Konstanz habe ich keine Bücher erhalten. Ich habe sie zwar einige Male aufgesucht, da sie mir als Schwester bekannt war, habe von ihr aber keine Bücher mitgenommen. Ich habe mit ihr nur über Versammlungsangelegenheiten gesprochen.

Bei den Zusammenkünften mit Winkler übergab ich diesem regelmäßig die Berichte über die geleistete Arbeit in meinem Bezirk und zwar über die verteilten Bibeln, Bücher und Broschüren sowie die Anzahl der Arbeitsstunden und der Zeugnisse. Meiner Erinnerung nach lautete der Bericht vom 1. August 1936 an Winkler etwa wie folgt.
30 Bibeln
350 Bücher
500 Broschüren
120 Stunden
500 Zeugnisse.

Etwa Anfang 1936 erfuhr ich durch Reichsleiter Winkler, dass Sprechapparate geliefert werden sollen, auf denen Sprechplatten mit Vorträgen von Richter Rutherford abgespielt werden sollten. Ich gab hierauf zunächst eine Bestellung von 2 Kofferapparaten an Winkler auf, die zu
Julius Streit, Freiburg i. B.
Sedanstr. 12

gesandt werden sollten. Streit ist Glaubensbruder. Ich hatte mich mit ihm vorher wegen der Lieferung der Apparate in Verbindung gesetzt und daraufhin Winkler seine Anschrift mitgeteilt. Auf diese Bestellung wurden an Streit nicht nur 2 sondern insgesamt 4 Apparate geliefert. Von diesen erhielt ich einen Apparat der bei mir inzwischen beschlagnahmt worden ist. Je einen Apparat erhielten die D.L.
Haas, Mannheim
Mühlhäuser, Karlsruhe
Kern Offenburg

Inzwischen hatte ich weitere 3 Apparate bestellt, die an
Otto Arnemann, Mainz, Baltasamlerstr. 1
geliefert werden sollten. Diese Apparate sind aber bisher noch nicht eingetroffen. Ich bemerke ausdrücklich, dass Arnemann kein Glaubensbruder ist und überhaupt nichts mit der IBV. zu tun hat. Ich kannte ihn nur als Seifenlieferant, und hatte ihn auf Grund dieser Verbindung gebeten, ob nicht gelegentlich einmal etwas für mich an ihn gesandt

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werden könnte. Da er sich hiermit einverstanden erklärt hatte, habe ich seine Anschrift Winkler angegeben.

Da diese Apparate nicht eingetroffen sind, habe ich nochmals und zwar 10 Apparate bestellt, die an Streit, Freiburg, geliefert werden sollten. Diese Apparate sind aber bisher auch noch nicht eingetroffen.

An Platten habe ich von Winkler persönlich zwei mal zwei Stück 2 x 3 Stück erhalten, die ich an Glaubensgeschwister weiter gegeben habe. Wer diese Geschwister sind, weiss ich heute nicht mehr. Ich habe ausserdem nur noch das Päckchen Platten erhalten, dass bei meiner Festnahme beschlagnahmt worden ist. Dieses Päckchen habe ich auch von Winkler erhalten.

Für jeden Apparat waren RM 22,50 und für jede Platte RM 1,75 zu zahlen. Das Geld für die gelieferten 4 Kofferapparate und die Platten, habe ich an Winkler abgeführt.

Weder mit Winkler noch mit meinen
D. L. Dienstleitern habe ich im schriftlichen Verkehr gestanden. Zwischen uns wurde lediglich persönlich verhandelt. Ich habe allerdings Winkler und zwar wie ich annehme, auf dessen Anregung, als Postanlaufstelle für mich die Anschrift
Peter Schroth, Mainz-Kastell, Petersweg 50
angegeben. Ich habe mich hierüber aber nicht mit Schroth in Verbindung gesetzt und habe insoweit eigenmächtig gehandelt. Ich habe auch von Schroth niemals Postsachen für mich erhalten. Offenbar hat Schroth niemals davon Kenntnis erhalten, dass ich seine Anschrift als Postanlaufstelle angegeben habe.

Bei dem letzten Treffen mit Winkler am 1. 8. 1936 erfuhr ich, dass in der Zeit vom 4. bis zum 7. 9. 36 eine Hauptversammlung in Luzern stattfinden sollte. Für diese Versammlung sollten Sonderberichte über Verhaftungen, Misshandlungen usw. von Zeugen Jehovas gegeben werden. Derartige Fälle sollten in den einzelnen Bezirken gesammelt werden. Die Berichte hierüber sollten
an Rubau (
falsche Schreibform, richtig Ruhnau), Danzig
gegeben werden, der eine Woche nach Winkler die einzelnen BDL besuchen wollte. Rubau kam dann wie verabredet auf der Durchreise nach Mainz. Hier übergab ich ihm mehrere Zettel mit Meldungen verschiedener Geschwister darüber, dass Geschwister zur Wahl angehalten worden sind. Rubau hatte ich bei einer Zusammenkunft der BDL in Berlin kennengelernt. Er ist etwa 1,65 m groß, hagere Gestalt, schmales Gesicht, bartlos und trägt meines Wissens eine Brille. Er ist meiner Schätzung nach 35 Jahre alt.


Rubau brachte mit bei dieser Gelegenheit auch ein Päckchen von den Gutscheinen zu RM 10,- und RM 5,- mit, die für die Reise

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der Geschwister zu der Hauptversammlung nach Luzern dienen sollten.
An Rubau habe ich hierfür nichts bezahlt, die Verrechnung vielmehr mit Winkler vorgenommen. Es war bereits seit längerer Zeit verabredet, dass wegen der Devisenschwierigkeiten eine Regelung bezgl. der Reisekosten getroffen werden sollten. Ich hatte daher auch schon vor dem ersten August Reisegelder von den Geschwistern, die nach Luzern fahren wollten, eingenommen. So hatten an mich
Haas, Mannheim
Korn, Offenburg,

insgesamt gegen RM 200,- aus ihren Bezirken abgeliefert, die ich am 1. 8. an Winkler weiterleitete. Nachdem mir Rubau die roten und grünen Gutscheine gegeben hatte, habe ich diese an die verschiedenen Dienstleiter und zwar zunächst ohne Bezahlung weitergegeben. Die Dienstleiter sollten dann das eingenommene Geld an mich zur Weitergabe an Winkler abliefern. Ich habe dann auch nach dem 1. 8. noch Reisegelder eingenommen, diese aber wieder zurückgegeben, nachdem auf Grund des neuen Reiseverkehrsabkommen mit der Schweiz von den einzelnen Geschwistern selbst Geld mit in die Schweiz genommen werden konnte. Wer von den Geschwistern nach Luzern fahren wollte und gefahren ist, weiss ich nicht. Am 1. 8. habe ich an Winkler insgesamt gegen RM 600,-- abgeliefert.

Hiervon waren RM 200,-- die oben erwähnten Reisegelder,
etwa RM 100,-- für Bücher und Broschüren und
" " 300,-- G. H. (Kasse Gute Hoffnung) Gelder.


Bei den früheren Zusammenkünften habe ich an Winkler auch stets etwa RM 3 - 400,-- für Bücher und G. H. abgeliefert.


Das Jahrbuch 1935 habe ich für meinen Bezirk nicht erhalten. Ich habe lediglich einige Abschriften aus dem Jahrbuch mit den

Tageszetteln in Kalenderform erhalten. Es werden insgesamt 15 Exemplare gewesen sein. Diese wurden für RM -,50 je stück weiter gegeben.

Ich habe die volle Wahrheit gesagt und bin auch bereit bei etwaigen Unstimmigkeiten Aufklärung zu geben.
selbst gelesen, genehmigt und unterschrieben.
gez. Konrad Franke


Reg. Assessor Gestapa Berlin
gez. Lischka


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Darauf hin konnte der SD-Oberabschnitt Rhein in zwei Schreiben vom 22. 9. und 29. 10. 36 eine Erfolgsmeldung an seine vorgesetzte Zentrale in Berlin übermitteln. In dem Schreiben vom 22. 9. wird erwähnt, dass Franke nach anfänglichem Leugnen geständig sei. "Auf Grund der Angaben des Franke wurde in Frankfurt/M. der Reisevertreter Steinbach festgenommen, der laut Aussage des Franke als Dienstleiter für Frankfurt a. M. tätig gewesen sein soll. Steinbach bestreitet Winkler zu kennen und will seit dem Verbot sich nicht mehr betätigt haben. Weitere Ermittlungen in dieser Sache laufen noch."

In einem Urteil des Urteil gegen zehn Zeugen Jehovas, des Sondergerichts Frankfurt/M. vom 9. Juni 1937, begegnet man diesem Valentin Steinbach erneut.

Unter Punkt vier wird er mit aufgeführt:

"4. den Vertreter Valentin Steinbach, geboren am 15. Juli 1891 zu Gombach am Main (Kreis Karlstadt), wohnhaft in Frankfurt am Main, Schwarzburgstrasse 26, verheiratet, in dieser Sache in Schutzhaft genommen am 11. September 1936 und anschliessend in Untersuchungshaft Frankfurt am Main seit dem 30. Dezember 1936."

Sein Urteil lautet auf fünf Monate Gefängnis (woran sich in der Regel in den Zeugen Jehovas-Fällen, die berüchtigte "Schutzhaft" im KZ anzuschliessen pflegte. Es sei denn, es lag einer der seltenen Fälle vor einer Unterschrift unter eine Abschwörungserklärung).

W. notiert in einer Frankfurt/M. bezüglichen Studie über diesen Steinbach noch (ohne allerdings einen Kontext zum Fall Franke herzustellen):

Das Postscheckamt Frankfurt entließ im August 1935 den Postbeamten Valentin Steinbach (geb. 1891) ... - "wegen politischer Unzuverlässigkeit" aus dem Staatsdienst. Nach der zweiten Verhaftung am 11. September 1936 wegen "illegaler Betätigung" für die Bibelforscher wurde ihm vorgeworfen, als "Anlaufstelle" der Frankfurter Gruppe Schriften der Religionsgemeinschaft vertrieben und Kontakte zu "Kurieren" gehalten zu haben. Er blieb insgesamt neun Jahre und ein Monat in "Schutzhaft" - die längste Haftdauer eines verfolgten Zeugen Jehovas aus Frankfurt überhaupt. Er überlebte die harten Gestapoverhöre und schließlich den Hunger, die Entbehrungen und Mißhandlungen in den KZ Lichtenburg, Buchenwald und Mauthausen.

Im KZ Mauthausen mußte er im Steinbruch arbeiten, wo die Häftlinge auf der "Todestreppe" schwere Steine auf ihren Schultern nach oben schleppten, um von SS-Männern oft "aus Spaß" hinuntergestoßen zu werden. Dabei fanden viele Gefangene den Tod. Valentin Steinbach erinnerte sich, daß häufig Strafkommandos, die morgens noch eine Stärke von 120 Mann hatten, abends nur mit 20 Mann zurückkehrten[290]. In der Nachkriegszeit betrug Valentin Steinbachs anerkannte Erwerbsminderung 70 Prozent.

Im Zusammenhang mit dem von Franke auch genannten (Adam) Sand, wurde in der Anklage der Staatsanwaltschaft gegen letzteren, Franke als Zeuge für die Anklage benannt.

Das SD-Schreiben vom 29. 10. 1936:

Sicherheitsdienst
des
Reichsfühers-SS
SD Oberabschnitt Rhein
II 113 V 494/35

An das
Sicherheitshauptamt RFSS
Abteilung II 113
Berlin S. W. 68

Betrifft: Aktion gegen die illegalen Internationalen Ernsten Bibelforscher
Vorgang: hies. II 113 V. 494/35 v. 22. 9 36

Die schlagartige am 31. 8. 36 im ganzen Oberabschnittsgebiet einsetzende Aktion gegen die illegale IBV hat nunmehr einen gewissen Abschluss erreicht und im folgenden wird über das Ergebnis der Aktion zusammenfassend berichtet.

1.) Da die hiesige Dienststelle außer den Hinweisen des Hauptamtes (Franke, Mainz) keinerlei Handhaben gegen die IBV hatte, wurde mit den Staatspolizeistellen Darmstadt, Frankfurt und Koblenz vereinbart, bei allen schon in Erscheinung getretenen Bibelforschern eine Durchsuchung mit anschließendem gründlichen Verhör durchzuführen. Das Ergebnis war überraschend. Es darf gesagt werden, dass die illegale Organisation der IBV in Hessen-Nassau restlos zerschlagen ist.

Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen ergibt sich folgendes Bild.
a. Bezirksdienstleiter war ohne Zweifel Konrad Franke, Mainz. Bei ihm wurde ein Sprechapparat mit Platten der IBV vorgefunden. Franke bestreitet, von Winkler Material erhalten zu haben: er gibt jedoch zu, Schriftenmaterial verteilt zu haben. Er bezeichnet den Reisenden Valentin Steinbach, Frankfurt a. M. als Dienstleiter für den Bezirk Frankfurt. Steinbach wurde festgenommen, leugnete aber zunächst jede Betätigung. Später gab er aber zu, von unbekannter Seite einige Schriften erhalten zu haben. Es darf als sicher angenommen werden, dass Steinbach Dienstleiter für Frankfurt a. M. war.

b. Unabhängig hiervon wurde festgestellt, daß für den Bezirk Koblenz der Buchhalter Gustav Fenstermacher Dienstleiter gewesen ist. In der Anlage 1-3 wird die Abschrift des Vernehmungsprotokolls vorgelegt.

c. Als Kuriere waren tätig:
1. der Heinrich Knie aus Maxain/Unterwesterwald,
2. der Jacob Wagner, aus Mainz-Weisenau.

d. Anlaufstellen für Schallplatten und Schriften befanden sich bei:
1. Heinrich Pirzental, Richelhardt/Kr. Altenkirchen (siehe Anlage 5-6)
2. Heinrich Neitzert, Hoyensayn/Kr. Altenkirch

e. Als einer der Hauptaktivisten wurde der seit einiger Zeit flüchtige Albert Wandres, Wiesbaden, festgestellt. Es scheint, daß Wandres im direkten Auftrage Frankes gearbeitet hat.

Im Verlauf der Aktion wurden folgende mehr oder minder belastete Bibelforscher festgenommen:
1. Mathias Ebers, geb. am 29. 9. 1874 in Dieblich, Kr. Koblenz/Land, wohnhaft Metternich. Er gibt zu, von einem ihm unbekannten Kurier in der Zeit von Mai-Juli 1936 Schriften erhalten zu haben.
2. Peter Schroth, Mainz. Nach Angabe der Stapo Karlsruhe soll er die Deckadresse für Franke abgegeben haben. Er gibt zu, Schriften aus der Schweiz erhalten zu haben. Mit Franke will er lediglich wegen des Verkaufs eines Wellensittigs zusammengekommen sein.
3. Müller, Frau, Mainz, Sie kam häufig mit Franke zusammen. Die Zusammenkünfte sollen jedoch harmloser Natur gewesen sein.
4. Die Eheleute Nickel, Zwingeberg,
5. der Frisör Gärtner (Einfügung M. G. Man beachte zu letzterem den Beitrag im Hesse-Buch S. 177f.)
Die zu 4-5 Genannten sitzen schon längere Zeit, machen jedoch keinerlei Angaben.
6. Die Eheleute Scheuren, Wiesbaden, wegen Verdacht der illegalen Betätigung (siehe Anlage 8/9)
7. Der Waschmeister Emil Petzold, Wiesbaden. P. leugnet noch etwas mit der I.B.V. zu tun zu haben (siehe Anlage 10).
8. Der Maschinenstricker Karl Klees, Wiesbaden, der für die I.B.V. geworben hat. Es ist nicht erwiesen, ob er der illegalen Organisation angehört hat. (siehe Anlage 11).
9. Der Schmied Karl Buch, Neuwied. Er behauptet, sich nach dem Verbot der I.B.V. nicht mehr betätigt zu haben. (Anlage 12)
10. Weiterhin wurde in Frankfurt a. M. der Bäckermeister Bertram (siehe auch hies. Bericht II 113 v. 22. 9. 36) festgenommen. Nach langem Leugnen gab er zu, die Tagung der I.B.V. in der Schweiz besucht zu haben. Im übrigen verweigert er jede Aussage.

Im Laufe der weiteren Ermittlungen werden wohl noch einige Personen festgenommen werden. Es handelt sich hier jedoch nicht um Funktionäre. Sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind und die Anklageschrift vorliegt, wird nach dort berichtet.
Der Führer des SD Oberabschnitts Rhein.

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Auszugsweise sei auch noch das Schreiben der Stuttgarter Gestapo vom 12. 11. 1936 zitiert, dass sie in gleicher Angelegenheit an das Berliner Sicherheitshauptamt RFSS richtete.

Nachdem man feststellte, dass man wegen Personalmangels die beabsichtigten Aktionen noch nicht im vollem beabsichtigten Umfange habe durchführen können, teilt man jedoch das nachfolgende "Zwischenergebnis" mit:

Die Massnahmen gegen die illegalen Organisationen der Bibelforscher führten in den einzelnen Unterabschnittsgebieten bis jetzt zu folgendem Ergebnis:
Baden:
Bezirksdienstleiter, Vertreter für Baden und Kassenstelle:
BDL Konrad Franke, Mainz (Vernehmungsprotokoll siehe Anlage)
Postanlaufstelle: Peter Schroth, Mainz-Kastel, Petersweg 5c.
Lit.-Anlaufstelle: Karl Haas, Mannheim, Luisenring 54.
WT.-Herstellung: Adolf Mühlhäuser, Karlsruhe, Grenzstrasse 4.
Bücherlager: Mannheim, D 7, 12.
Sprechapparatevertrieb: Julius Streit, Freiburg i. Br. Sedanstrasse 12.
Schallplattenvertrieb: BDL Konrad Franke, Mainz
Kurier: BDL Konrad Franke, Mainz. (Franke hatte für Kurierdienste keinen besonderen Bruder erwählt, er fuhr selbst jeden Monat einmal zu seinen DL. überbrachte die nötigen Anweisungen und kassierte.)

DL für Mannheim: Karl Haas, Mannheim, Luisenring 54 (siehe Lit.-Anlaufstelle)
DL für Karlsruhe: Adolf Mühlhäuser, Karlsruhe, Grenzstr. 4 (siehe WT.-Herstellung).

Ordnungsmänner für Karlsruhe:
Otto Schwarz, Karlsruhe, Echenstrasse 23
Josef Seitz, Karlsruhe, Kriegsstrasse 171
Karl Matthes, Karlsruhe, Yorkstrasse 40
Fritz Kollmann, Karlsruhe, Kaiserstr. 24
Johann Schäfer, Karlsruhe, Maxaustrasse 42
Karl Hetz, Karlsruhe, Körnerstrasse 173
Wilhelm Soulier, Karlsruhe, Kriegstrasse 173.

DL für Offenburg: Albert Kern, Offenburg, Lindenplatz 12
DL für Freiburg: Julius Streit, Freiburg, Sedanstr. 12 (siehe Sprechapparatevertrieb)
DL für Singen: Erich Arnold, Singen a. H.

Im Zuge der Aktion wurden nun in Baden folgende Personen festgenommen:
1.) Franke, Konrad, BDL für Saar-Pfalz, Maingebiet und Baden, Vertreter für Baden, Kassenstelle, Schallplattenvertrieb und Kurier. (Durch Gestapa Darmstadt festgenommen).
2.) Haas, Karl, geb. am 28. 10. 1902 in Mannheim, wohnhaft in Mannheim, Luisenring 54, DL für Mannheim und Lit.-Anlst. für Baden.
3.) Mühlhäuser, Adolf, geb. am 3. 9. 1892 in Birkach, wohnhaft in Karlsruhe, Grenzstr. 4, WT-Herstellung und DL für Karlsruhe (wurde bereits am 20. 7. 36 festgenommen)
4.) Schwarz, Otto, geb. am 19. 10. 1890 in Strassburg, wohnhaft in Karlsruhe, Echenerstr. 23, Ordnungsmann für Karlsruhe.
5.) Seitz, Josef, geb. am 10. 9. 1893 in Ottenhöfen, wohnh. in Karlsruhe , Kriegsstr. 171, Ordnungsmann für Karlsruhe.
6.) Matthes, Karl, geb. am 3. 11. 1892 in Derdingen, wohnh. in Karlsruhe, Yorkstr. 40, Ordnungsmann für Karlsr.

7.) Kollmann, Fritz, geb. am 7. 5. 1896 in Weissenhorn, wohnhaft in Karlsruhe, Kaiserstr. 243. Ordnungsmann für Karlsruhe.
8.) Schäfer, Johann, geb. am 31. 7. 1877 in Hochheim, wohnhaft in Karlsruhe, Maxaustr. 42, Ordnungsmann für Karlsruhe.
9.) Hetz, Karl, geb. am 1. 3. 1895 in Freistett, wohnhaft in Karlsruhe, Körnerstr. 173, Ordnungsmann für Karlsruhe.
10.) Soulier, Wilhelm, geb. am 10. 5. 1875 in Klein-Villare, wohnhaft in Karlsruhe, Kriegsstr. 173, Ordnungsmann für Karlsruhe.
11.) Streit, Julius, geb. am 5. 1. 1879 in Freiburg, wohnh. in Freiburg, Sedanstr. 12, Sprechapperatevertrieb und DL für Freiburg
12. Kern, Albert, geb. am 2. 4. 1887 in Meissenheim, wohnh. in Offenburg, Lindenplatz 12, DL für Offenburg.
13.) Arnold, Erich, geb. am 8. 2. 1898 in Triefeld, wohnhaft in Singen a. H. DL für Singen.

Festgenommen, weil sie die Hauptversammlung der I.B.V. in Luzern vom 4. bis 7. 9. 36 besuchten wurden folgende Personen:
14.) Reuotto, Erna Johanna, geb. Körner, geb. am 24. 4. 1899 in Singen, wohnhaft in Sulzuflen, Westfl.
15.) Vieser, Emma, geb. am 1. 3. 1882 in Metz, wohnhaft in Karslsruhe, Bismarckstr. 29
16.) Janzer, Karla Thekla geb. Hilberer, geb. am 14. 12. 1892 in Bermersbach, wohnhaft in Heureut...

Die Vernehmungen der genannten DL für Baden werden nachstehend gekürzt zur Kenntnis gebracht:
Julius Streit, DL für Freiburg i. Br. gibt nach verschiedenen Vorhaltungen zu, zwei Grammophonapparate erhalten zu haben. Daß er DL für den Bezirk Freiburg war bestreitet er nach wie vor. Er habe nur 10 Glaubensbrüder zu betreuen gehabt, deren Namen er nicht angibt. Das von ihm für Broschüren und Zeitschriften vereinnahmte Geld habe er immer an Franke (BDL) abgeliefert. Franke besuchte ihn alle 4-5 Wochen. Den DL Haas, Mannheim, will Streit nicht kennen, dagegen die beiden DL Mühlhäuser, Karlsruhe und Kern, Offenburg.

Adolf Mühlhäuser, DL für Karlsruhe, gibt an, nur mit seiner Familie nach dem Verbot Bibelvorträge abgehalten zu haben und mit niemanden in Verbindung gestanden zu haben. Im Verlauf der späteren Vernehmung gesteht er jedoch DL von Karlsruhe gewesen zu sein. Auch habe er die Vervielfältigungen der Wachtturm-Bibelgesellschaft für das Land Baden und darüber hinaus besorgt. Durchschnittlich habe er alle 4 Wochen 300 Exemplare hergestellt, die jeweils 5-7 Seiten stark waren. Davon lieferte er an

Haas, Mannheim ca. 80 Exemplare (DL)
Franke, Mainz ca. 40 " (BDL)
Kern, Offenburg ca. 35 " (DL)
Streit, Freiburg ca. 35 " (DL)
Mühlhäuser, K'ruhe ca. 45" (DL)
für Speyer (Pfalz) 25 "

Das vereinnahme Geld, 90,- bis 100,-- RM. jeweils habe er immer nach Abzug seiner Unkosten an Franke (BDL) abgeliefert. Der Abzugsapparat war in seiner Wohnung verwahrt und stand im Keller. Wo er sich z. Zt. befindet gibt M. nicht an, will ihn aber nach seiner Freilassung sofort beschaffen. Mühlhäuser gestand weiter, einen Sprechapparat und 7 Schallplatten erworben zu haben.

Albert Kern, DL für Offenburg bestreitet bei seiner Vernehmung alle ihm zur Last gelegten Tatsachen und zwar, daß er DL für Offenburg war, daß Franke (BDL) ihn monatlich einmal aufgesucht habe, daß er Bibelforscherdruckschriften und Broschüren zum Verteilen u. Verkauf erhalten habe, daß er weder den DL Mühlhäuser noch Streit kenne.

Die Vernehmungen der DL Haas, Mannheim und Arnold, Singen stehen noch aus.

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Die bisherige Darstellung zum Fall Franke basiert aus den Erkenntnissen, die sich aus dem Aktenbestand der Freienwalderstr.( ZBI - 1465; ZBI - 1421) respektive der Gauckbehörde (XX/4 1415) gewinnen lassen.

Von Hubert Roser sind sie in seiner 1999 veröffentlichten Studie in der Sache bestätigt und ergänzt worden. Roser stützt sich dabei auf die von ihm ausgewerteten Bestände des Staatsarchiv Darmstadt. Roser wird hier mit weiteren, aus dem Internet entnommenen Ergänzungen zitiert. Zu Franke führt Roser aus, dass er am 31. 8. 1936 verhaftet worden sei: Nach anfänglichem hartnäckigem Weigern sah er sich unter dem Druck (und der Folter) der Gestapo schließlich dazu gezwungen, am 9. September 1936 erstmals Aussagen über den von ihm betreuten "Dienstbezirk" zu machen. So nannte er neben anderen die Namen der ihm unterstehenden Dienstleiter, die der Gestapo zu diesem Zeitpunkt teilweise aber schon bekannt oder wie der Karlsruher Dienstleiter Adolf Mühlhäuser sogar bereits in Haft waren.

Winkler lies mit Datum vom 8. 9. 1936 dem Franke aus Berlin eine Mitteilung mit der Anrede "Lieber Konrad" zukommen. Er leitet gleich ein, mit der Mitteilung, dass er sich schon seit einigen Wochen in Haft befinde. Er teilt weiter mit, dass nach seinem Eindruck die Gestapo mit "allen Einzelheiten unserer Organisation vertraut" sei und "dass es gar nicht möglich ist und keinen Zweck mehr habe irgendeine Angelegenheit zu verschweigen, denn die Beamten der Polizei seien mit allen Einzelheiten unserer Organisation so vertraut".

SchaeferKonrad.jpg (9100 Byte)

Nach Roser glaubte Franke, nach Erhalt jenes Schreibens gleichfalls nicht mehr länger schweigen zu können. Er verfasste ein gleichfalls handschriftlichem Schreiben mit der Anrede "Lieber Bruder".

In der Sache bestätigt er darin die Aussage von Winkler, dass auch nach seiner Einschätzung die Gestapo bereits alles relevante wüsste. "Sie ist auch über unsere ganze Tätigkeit genau informiert." Sein im inhaltlichen Gleichklang mit dem Winkler-Brief verfasstes Schreiben lässt er mit den Worten ausklingen: "Mit freundlichem Gruß. Konrad Franke". Aus der fraglichen Internetpublikation des zitierten Franke-Schreibens ist nicht eindeutig genug erkennbar, wer denn nun sein Empfänger war. Trotz dieser Einschränkung ist der Sachverhalt, dass auch Franke ein Schreiben im Winkler-Stil verfasste, eindeutig genug.

Durch die Aussagen Frankes konnte die Gestapo die Dienstleiter in den größeren Städten Badens, der Pfalz und Südhessens überführen: Adolf Mühlhäuser und Otto Schwarz in Karlsruhe, Albert Kern (* 1887) in Offenburg, Heinrich Wesch (* 1898) in Heidelberg, Karl Haas (1902- 1998), Otto Schmitt (1885-1938) und Wilhelm Zimmer (1897-1981) in Mannheim, Franz Anton Streit (1879-1962) in Freiburg, Ehrig Max Arnoldt (* 1898) in Singen und German Likert (* 1874) in Weinheim. Hinzu kamen die entsprechenden Glaubensbrüder in Speyer, Ludwigshafen, Lorsch, Darmstadt, Offenbach, Frankfurt a. M. und Wiesbaden, die alle seit 1935 von Franke mit den zunächst in Karlsruhe und dann in Mannheim hergestellten 'Wachtürmen' beliefert worden waren.

In Bezug auf die Mainzer 'Geschwister', die Franke selbst beliefert hatte und daher persönlich kannte, zwang ihn die Gestapo Ende Oktober 1936, darüber hinaus die Namen der Abonnenten preiszugeben. …

Allerdings blieb der Gestapo verborgen, über welche Personen und Kanäle der Druckschriftenverkehr zwischen der Schweiz und Konstanz abgewickelt wurde. Entweder konnte dies Franke, der als Bezirksdienstleiter hierüber informiert gewesen sein dürfte und auch über eine entsprechende Deckadresse in Mainz verfügte, geschickt verheimlichen, oder er kannte die näheren Einzelheiten nicht." Hubert Roser (Hrsg.) "Widerstand als Bekenntnis", Konstanz 1999 S. 66-68.

Jehovas Zeugen belieben, die aus den Gestapo-Akten erruierbaren Aussagen herunterzuspielen. In ihrer Lesart, hätte kaum einer mehr ausgesagt, als die Gestapo schon aus früheren Aussagen anderer Verhafteter bereits wusste. Die apologetische Tendenz dieser These ist unübersehbar. Es kann hier nicht darum gehen auf die Goldwaage zu legen, was wusste die Gestapo bereits, und wie "gering" war der Neuigkeitswert später Verhafteter. Schon allein, dass führende ZJ-Funktionäre der damaligen Zeit, durch ihre Aussagen der Gestapo ihren Erkenntnisstand bestätigten, war ein Wert an sich. Im übrigen kann man zu der oben genannten apologetischen These, durchaus einige berechtigte Zweifel anmelden.

Andere kirchliche Organisationen müssen zugeben, dass ihr Verhalten in der NS-Zeit keineswegs ein "durchgehendes Ruhmesblatt" war. Eine solche Aussage der Zeugen Jehovas steht noch aus. Sie wäre aber von der Sache durchaus geboten. Im Leben ist Licht und Schatten immer vermengt, auch und nicht zuletzt, in diesem emotionsgeladenen Sektor!

In der Wachtturmausgabe vom 1. 6. 1963 wurde unter der Überschrift "Jehova ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln", ein geschönter Erlebnisbericht von Franke veröffentlicht. Er berichtet, dass er insgesamt fünf mal verhaftet worden sei und beim letzten mal, erst nach 9 Jahren seine Freiheit wieder erlangen sollte. Das alles ist richtig. Es wird auch keinesfalls bestritten, dass Franke und andere Zeugen Jehovas in erster Linie Opfer des NS-Regimes waren. Dennoch wird man ihnen vorhalten müssen, dass sie in ihren Selbstdarstellungen, bewusst jene Aspekte ausklammern, die den vermeintlichen Heroismus auf ein menschliches Maß zurückführen.

Die wirklichen "Superhelden", haben das NS-Regime nicht überlebt bzw. bestenfalls nur als physische Krüppel. Auch solche Fälle gab es. Aus dem Berliner Raum ist mir beispielsweise der diesbezügliche Fall des Herbert Bretschneider persönlich bekannt, den das NS-Regime zum buchstäblichen Krüppel verwandelt hatte, obwohl er von seiner Statur her (ein stämmiger Mann), keineswegs dazu veranlagt war. Franke hingegen hat das NS-Regime überlebt.

Zum Abschluss des "Falles Franke", sei noch aus einer Selbstdarstellung von Franke zitiert. Ungefähr im Jahre 1977 hielt er einen dreistündigen Vortrag. Die nachfolgenden Passagen sind aus einer diesbezüglichen Tonbandaufzeichnung entnommen:

"Ja, und nun kam diese große Aktion, wie sie die Gestapo nannte, vom 28. 8. 1936. Man hatte uns zwei Jahre beobachtet, hatte Material gesammelt um uns zu belasten, und drei Tage vor dem nächsten Kongress in Luzern, wo wieder Bruder Rutherford zugegen war, hat man zugeschlagen. Wir waren erstaunt, was sie alles wussten. Hier findet ihr eine Skizze, eine Karte, wie wir sie später gefunden hatten. So hatten sie die illegale Organisation aufgezeichnet, und es stimmte genau. Ihr könnt oben sehen, ganz rechts, wo die viereckigen Kästchen sind, im letzten vollständigen Kästchen ist noch mein Name drin und auch das Gebiet, dass ich damals bearbeitete. Die anderen Kästchen waren alle anderen Bezirksaufseher, die alle am gleichen Tag - bis auf zwei oder drei - verhaftetet wurden. Damit hatte man geglaubt, den Kopf getroffen zu haben.

Nur ganz wenige konnten noch hinüber kommen und konnten Bruder Rutherford über die wirklichen Verhältnisse in Deutschland informieren. Wieder wurde eine Resolution verfasst und auch Hitler und dem Papst, wie wir das hier sehen, eine davon geschickt.

Nun kamen wir vor Gericht. Das war zum Beispiel die Anklageschrift für mich. Darin wurde so manches behauptet. Ich freue mich heute noch über dieses Dokument, denn in dem Inhalt hat man mir … bescheinigt, indem sie sagten: Franke vertritt die Auffassung, dass ihn keine von den Gerichten ausgesprochene Strafe abhalten wird, sich weiter als ein Zeuge Jehovas zu betätigen. Und so kam dann auch das letzte. Dieses Gericht, dass wie wir vorhin hörten, was erst Freisprüche ausgeteilt hatte, war dann das erste Gericht, dass fünf Jahre Gefängnis verhängte und die bekam ich dann, wie ihr das hier sehen könnt, am 13. Januar 1937. Alles, was ihr hier seht, ging über die ganze deutsche Presse. Es stimmt alles ganz genau, bis auf meinen Familiennamen. Ich heiße nicht Funke, sondern Franke. Zur gleichen Zeit wurde Bruder Fritz Winkler zu vier Jahren Zuchthaus und 22 000 Mark Geldstrafe verurteilt. Er war damals als Reichsleiter tätig, wie man so sagte."

Nachtrag.

Der Kreis jener Zeugen Jehovas, welche vom faschistischen Sondergericht in Frankfurt/Main zu der genau angegebenen Gefängnisstrafe von fünf Jahren verurteilt wurden, und über welchen Kreis auch in den heutigen WTG-Akten Unterlagen vorhanden sind, kann als durchaus überschaubar bezeichnet werden. Es gab ja noch diverse andere faschistische Sondergerichte. Es erfolgt hier schon mal die Eingrenzung auf Frankfurt/Main. Die zweite Eingrenzung ist. Das Urteil für den Betroffenen lautete auf fünf Jahre (die theoretische "Höchsstrafe"). Die dritte Eingrenzung ist. Es handelt sich um jemand, über welchen in den WTG-Akten einige Unterlagen vorhanden sind. Angesichts dieser Eingrenzung besteht begründeter Anlass zu der Einschätzung, dass Konrad Franke an vorderster Stelle der wie vor beschrieben, Eingegrenzten steht.

In dem von Johannes Tuchel und Reinhard Schattenfroh hrsg. Buch: "Zentrale des Terrors. Prinz-Albrecht-Straße 8. Das Hauptquartier der Gestapo", gibt es auf Seite 222 einen, ein "Unbekannter Zeuge Jehovas (um 1936)" überschriebenen Abschnitt.

Das redaktionelle Vorwort dazu notiert:

"... Ein unbekannter Zeuge Jehovas berichtete für die Akten der 'Watch Tower Socuety', des amerikanischen Hauptquartiers."

Nun mag man einräumen, dass Tuchel/Schattenfroh dessen Name in der Tat nicht bekannt sein mag, bzw. nicht mitgeteilt wurde. Es bleibt zwar eine Hypothese, gleichwohl eine solche mit hoher Wahrscheinlichkeit, wenn unterstellt wird, der "Unbekannte" hörte auf den Namen Konrad Franke. Da ein ausdrücklicher Bezug zu den WTG-Akten hergstellt ist, läge es also an letzterer, Gegenteiliges zu beweisen. Solange dieser Beweis nicht erbracht ist, unterstelle ich, der vermeintlich "Unbekannte" sei Konrad Franke gewesen. Nachstehend dann noch die Zitierung, was laut Tuchel/Schattenfroh, selbiger für die WTG-Akten zu Protokoll gab:

Wie betäubt in Berlin im Gestapokeller Prinz-Albrecht-Straße angekommen, ging das Verhör unter brutalster Mißhandlung zweieinhalb Tage lang weiter. Einer verhörte, zwei hielten mich fest, während ein Dritter mit einem schweren Gummiknüppel auf mich einschlug. Diese Tortur dauerte, ohne daß ich zur Ruhe kam, zweieinhalb Tage lang. Daraufbrachten sie mir Papier; ich sollte alles aufschreiben, die Brüder aufschreiben, die mit mir tätig waren. Als sie wiederkamen und auf dem Papier lasen, daß ich mich allein vor Jehova verantwortlich fühle und keinen Namen nennen werde, gingen die Mißhandlungen weiter. Danach kam ich in meine Zelle, konnte aber vor Schmerzen nicht ruhen. Wieder ein neues Verhör, wobei auf dem Tisch im Zimmer ein Totenschädel lag. Zwei Stunden schlug man wie wahnsinnig auf mich ein, aber plötzlich hörten sie auf und warfen mir ein etwa zehn Zentimeter dickes Aktenbündel auf den Tisch, daß ich ein blöder Hund sei, mich so schlagen zu lassen, da sie von mir ja doch schon alles wüßten, was sie wissen wollten. Ich durchblätterte es flüchtig und war erstaunt zu sehen, was man über meine Tätigkeit bereits alles wußte ... Vierzig Tage dauerten die Verhöre dort insgesamt. Dann ging es nach Frankfurt/Main zum Sondergericht, wo ich zu der höchstzulässigen Strafe von fünf Jahren verurteilt wurde.

Dem Fall Konrad Franke sind auch die nachfolgenden Aussagen in dem Buch von Horst Knaut „Propheten der Angst" (1975 erschienen) zuzuordnen. Knaut hatte sich, offiziell als Journalist vorgestellt, und mehrmals an die WTG-Zentrale einen Fragenkomplex eingereicht, die er gerne beantwortet hätte. Sei es in einem persönlichen Gespräch. Sei es in schriftlicher Form. Beide Varianten wurden ihm verweigert. Im Kontext dieser Erfahrungen kommentiert Knaut dann:

„Erich Frost lebt heute 75jährig in Tuttlingen. Als einer der Ältesten gehört er der dortigen Ortsversammlung der 'Zeugen Jehovas' an. Inzwischen schwer herzkrank und an einer unheilbaren Wirbelverletzung leidend, ist er weiter nach bestmöglichen Kräften 'für die Wahrheit' im Einsatz und erwartet Harmagedon.

Sein Amtsnachfolger im Dotzheimer Generalstabsquartier ist Konrad Franke, der Gesalbte. Auch zu diesem Historienkomplex und zu ein paar Fragen nach christlicher Reue, Schuldbekenntnis und Buße wollte ich mich so gern einmal mit einem Zeitgenossen unterhalten, der demnächst an der Seite Christi sitzen will …

Schließlich zeige ich Heribert G. Am späten Abend noch einen Briefwechsel, den ich mit einem leitenden 'Zeugen Jehovas' in der Bundesrepublik geführt hatte. Mir ging es bei diesem Schriftwechsel um die Klärung der Frage, ob der Betreffende einst bei der Gestapo ein bestimmtes Protokoll unterschrieben habe oder nicht. (In diesem Protokoll hatte der 'Zeuge Jehovas' andere Mitbürger, die der Gestapo noch nicht bekannt waren, preisgegeben.) Meine Anfrage war so klar formuliert, daß es nur ein klares Ja oder ein klares Nein dazu hätte geben können. Statt dessen kam eine lange Antwort mit einem ausweichenden Gefasel, mit Bibelsprüchen, mit einem Drumherumreden. Weder Hü noch Hott war aus der Antwort zu entnehmen. Ein fünfzehnjähriger Gymnasiast, dem ich jene Frage und Antwort einmal gezeigt hatte, schüttelte nur den Kopf und sagte: 'Der Kerl muß wohl'n bißchen irre sein!' Diesen Briefwechsel nun zeige ich Heribert G., der weiß, daß der Schreiber der Antwort in den Reihen der 'Zeugen Jehovas' eine Autorität ist.

'Ist die Antwort auch echt?' Fragt Heribert G.

'Ja, sie ist echt. Hier ist der Briefumschlag mit dem Poststempel Wiesbaden!'

Heribert G. ist innerlich aufgewühlt. Ich spüre, wie er mit etwas ringt. …" S. 132, 213)

Die Gebetskunst des Hans Müller

Was sagte Erich Frost aus

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