Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Wachtturm-Waage

Da gab es mal eine Webseite (inzwischen gelöscht), die nannte sich die "Wachhturm-Waage". Formal trat sie mit dem Anspruch auf, weder pro noch kontra Zeugen Jehovas Stellung zu beziehen. Als dann der "WTG-Ukas" herauskam, der WTG-Alleinvertretungsanspruch, dass sie nur allein Jehovas Zeugen im Internet authentisch vertreten dürfe, und das private Webseiten von Zeugen Jehovas "so überflüssig wie ein Kropf" seien, strich nebst anderen in der Perspektive auch die "Wachtturm-Waage" die Segel.

Von ihrem seinerzeitigem Angebot hatte ich mir eigentlich nur zwei Beiträge abgespeichert. Weiteres abzuspeichern wäre zwar sinnvoll gewesen, aber dann war es auch diesbezüglich schon zu spät. Ein Beitrag davon, der Bericht von "Sophia" (Gaby) ist auch heute noch bei InfoLink in einer wie mir scheint, erweiterten Form zugänglich. Man vergleiche dazu:

http://www.infolink-net.de/docs/com/erfahrung007.htm

Wie gesagt, auch bei der Wachturm-Waage gab es da einen Vorläufer-Bericht davon. Die Autorin war über eine gewisse Zeit auch im Infolink-Forum besonders aktiv. Inzwischen ist ihr seinerzeitiges Engagement doch wohl etwas zurückgetreten. Dies sei kein Vorwurf, sondern nur eine Feststellung.

Dann gab es dort noch ein zweiten Beitrag auf jener Webseite in Form eines Kommentars.

Sein Autor gab vor kein Zeuge Jehovas zu sein, nahm aber vehement für sie Partei. Ich wurde diesem Kommentar, dem ich so nicht beipflichte, zugestehen, dass er das Problem des Zweiklassen-Kirchenrechts in der Bundesrepublik Deutschland mit anreißt. Jenes Zweiklassenrecht wird auch von mir - nicht gutgeheißen.

Allerdings, und das sei auch noch gesagt. Einen wesentlichen Unterschied sehe ich dabei allerdings. Etliche andere Kritiker des Zweiklassen-Kirchenrechts möchten es dahingehend egalisieren, dass alles was sich Religion nennt, in diesem Staat genau die gleichen Privilegien erhalten möge, wie die "Grosskirchen". Genau in diesem Punkt bin ich grundsätzlich anderer Meinung. Abschaffung der Privilegien - gleiches Recht für alle! Es ist ein unerträglicher Zustand, dass totalitäre Religionsorganisationen, deren Kommandostruktur besagt, es wird von oben nach unten diktiert, auch noch privilegiert werden sollen.

Wie gesagt der Beitrag von "Sophia" ist offenbar als eine Vorläufer-Variante zu bewerten. Diese Sachlage möchte ich doch gerne mal nutzen, einige Kernsätze aus ihm, die mir besonders bedeutungsvoll erscheinen, nochmals herauszustellen bzw. zu kommentieren. Sie schreibt darin unter anderem:

Das sie als Pionier für die Zeugen Jehovas tätig war und dass zwölf Jahre nach ihrer Taufe auch für sie der Punkt erreicht war, wo das Wachtturm-Korsett für sie unerträglich wurde. Davor hatte sie und ihr Ehemann (Ältester bei den Zeugen Jehovas) schon versucht "den starren fundamentalistischen Tendenzen innerhalb der Organisation mildernd entgegen zu treten."

Bezeichnend erscheint mir in ihrem Bericht auch die Aussage zu sein "daß es nicht möglich ist, sich aus den aktiven Wirkungsbereichen bei den Z. J. an den passiveren Rand der Organisation zurückzuziehen und ansonsten zu schweigen, um nicht alles zu verlieren. Im Gegensatz zu den Landeskirchen ist dieser tolerante Randbereich eben nicht gerade breit" und es: "entstehen bei nicht genügender Konformität unausweichlich Konflikte. Es gibt einen Punkt, an dem Toleranz, Akzeptanz, Anpassung und, wie es Jehovas Zeugen ausdrücken, ein sogenanntes 'Warten auf Jehova' in Heuchelei übergeht und man beginnt, fruchtlos 'gegen Windmühlen zu kämpfen', wenn nicht gravierende Änderungen im Leben vorgenommen werden. An diesem Punkt war ich angelangt."

Ich würde diesen durchaus eindrucksvollen Bericht dahingehend kommentieren: Auch "Sophia" wäre vielleicht heute noch ein treues Mitglied der Zeugen Jehovas, wenn sie nicht in einer nicht anders als wie totalitär zu bezeichnenden Religionsgemeinschaft gelandet wäre. Letztendlich ist auch sie an diesem totalitärem Klima zerbrochen. Nicht die Kritik an kritikwürdigen Lehren der WTG (da war offenbar auch sie bereit einige "Kröten herunterzuschlucken") war es, die letztendlich den Ausschlag für die skizzierte Entwicklung gaben.

Ich fürchte, "Sophia" ist kein "Präzendenzfall". Es wird früher oder später noch einigen anderen ähnlich ergehen!

Nachstehend noch die seinerzeitigen Originaltexte der "Wachtturm-Waage":

 

Zeugen Jehovas


Wegbereiter einer totalitär-fundamentalistischen Ideologie?

Vor einigen Jahren begannen Politiker und Kirchenvertreter ein neues Thema aufzugreifen: die Gefahr durch "Sekten". In der ganzen Republik verkünden Ihre Protagonisten wie z.B. die sektenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Fr. Renate Rennebach, daß von "Sekten" wie Scientology und den ZJ (auch andere wie die Neuapostolische Kirche bekommen dabei ihr Fett ab) eine nicht zu unterschätzende Gefahr für unsere Gesellschaft ausginge. Besonders die ZJ sind - gleich nach Scientology - in das Visier dieser "Tugendwächter" geraten, während merkwürdigerweise Religionen wie der Islam, der Bhudismus und andere nicht-christliche Religionen, die in Deutschland immer mehr Fuß fassen, von dieser neuen staatlichen "Fürsorge" ausgenommen sind.
 
So widmete Fr. Rennebach ca. 3/4 eines Vortrages, den sie auf Einladung der Jusos am 16.12.96 in Vellmar hielt, dieser Gruppierung. Neben den unzeitgemäßen - mit anderen Worten: nicht dem Zeitgeist entsprechenden Erziehungsmethoden - prangerte sie u.a. die durch das Glaubensbekenntnis vorgeschriebene Wahlenthaltung und somit offene Staatsferne der ZJ an, obwohl durch das Grundgesetz die Wahlfreiheit verbürgt ist. Sie hatte frohe Kunde für das "normale" Volk: die Enquetekommission des Bundestages zur Sektenfrage, der sie angehört, arbeitet emsig daran ihre Vorstellungen in die für 1997 geplante Novellierung des Kindschaftsrechtes einfließen zu lassen. Das hieße bezogen auf eventuelle Sorgerechtsstreitigkeiten zwischen Elternteilen unterschiedlichen Glaubens, daß der Elternteil, der die Glaubensrichtlinien der ZJ vertritt, beim Sorgerecht für das gemeinsame Kind leer ausgeht, da sein Glauben das Kindeswohl gefährde [(ein eindeutiger Verstoß gegen Artikel 4 GG!). Mit solchen Methoden sind die ZJ bereits im Dritten Reich bestens vertraut gewesen. Auch damals nahmen die Nazis den ZJ die Kinder weg, da diese doch offensichtlich nicht in der Lage waren, ein Kind "anständig" den staatlichen Richtlinien gemäß zu erziehen.

Um eines klarzustellen: Ich bin kein Zeuge Jehovas - aber ich ärgere mich über jegliche Art von Diffamierung, insbesondere wenn sie im Gewande des vorgeblichen Schutzes des öffentlichen Wohls daherkommt und in Wirklichkeit andere Ziele verfolgt. Ich erhebe meine hier dargestellte Position auch nicht in den Rang einer wissenschaftlichen Arbeit; worum es mir geht ist eine Gegenposition aufzubauen gegen die neuzeitlichen Methoden einer Gesinnungsschnüffelei, die noch subtiler daherkommt, als es Napoleons Innenminister Fouche sich je hätte träumen lassen.

Was ist es eigentlich, was diese Leute, von denen bescheidene 200.000 in der Bundesrepublik leben, so gefährlich für unser Staats- und Gesellschaftssystem macht (gefährlicher als die Tatsache, daß in der Bundesrepublik 4,5 Millionen Menschen ohne Arbeit sind ? Ist es, daß sie von Haus zu Haus gehen und den Menschen sagen, du sollst nicht lügen und betrügen, deinem Ehepartner treu sein, du sollst nicht töten und Schwerter zu Pflugscharen umschmieden (Siehe Wandinschrift im UNO-Hauptquartier) und bei alledem allen, die ihnen zuhören, die freie Wahl lassen, diese Grundregeln anzuerkennen oder auch nicht? Oder ist es die Tatsache, daß die ZJ zu den ehrlichsten Steuerzahlern auf der ganzen Welt zählen, daß bei ZJ die Scheidungsrate um die 4,5% liegt, wobei die Scheidungen mitgezählt sind die erfolgten bevor der Betreffende sich als ZJ bekannte? Oder daß sie seit Jahrzehnten kontinuierlich an einem konservativen Wertesystem festhalten, das noch vor wenigen Jahrzehnten als normal akzeptiert wurde, inzwischen jedoch schon mindestens zweimal von der Zeitgeist-lokomotive überrollt und folgerichtig heute als "verkalkt" diffamiert wird?

Fakt ist, man findet unter den ZJ hochintelligente und zutiefst gestörte Menschen, Reiche und Arme, sympathische und weniger sympathische, aber im Schnitt gesehen mehr charakterstärkere Menschen und beeindruckende Persönlichkeiten als in den aktivsten Zirkeln der Staatskirchen. Jede Versammlung der ZJ bietet ein intensiveres Gemeindeleben als zehn Gemeinden der Großkirchen zusammen!
Aber niemals habe ich bei meinen sehr intensiven Kontakten zu Angehörigen dieses Glaubens einen Hinweis auf irgend eine Devianz unter diesen Menschen entdecken können, die in Zusammenhang mit ihrer Religion steht.

 

Offensichtlich zeigt die "Sekten"-Diskussion, daß das Geistesleben in der Bundesrepublik bei weitem nicht mehr so liberal und tolerant ist, wie es vor wenigen Jahren noch war. Was immer dem pseudo-liberalen und eindimensionalen Weltbild der sogenannten "Sektenexperten" widerspricht, gerät gnadenlos in die Zielscheibe der ihnen verbundenen Medien. Wohin das einmal führen soll, hat die Sektenbeauftragte der Stadt Hamburg, Ursula Cabertas, bereits angedeutet: Auch die katholische Kirche mit ihren autoritären Strukturen würde sich der Diskussion stellen, d.h. dem Zeitgeist anpassen müssen.
Gleichmacherei an allen Fronten. (Siehe Techno in den Kirchen statt "Frohe Botschaft")

Das Merkwürdige an der ganzen Diskussion ist jedoch: wie kann es sein, daß sich Vertreter des Konkurrenzunternehmens Kirche zu Richtern und Gutachtern über die Qualität anderer Glaubensgemeinschaften aufwerfen können. Pikanterweise handelt es sich ja bei den meisten Sektenbeauftragten" um Theologen und Pastoren der protestantischen bzw. katholischen Kirche. Von der endgültigen Trennung zwischen Kirche und Staat sind wir wohl doch noch etwas entfernt.

Die Arbeit dieser "Sektenexperten" aus Politik und Kirche zeigt bereits erste Früchte: der Antrag der ZJ auf Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts wurde im Juni d.J. von einem Berliner Gericht in dritter Instanz abgelehnt. Als Begründung mußte die eingangs erwähnte angebliche Demokratie- und Staatsferne der ZJ herhalten. Aber dem Islam soll diese Organisationsform durch unseren neuen Innenminister Schilly zuerkannt werden, obwohl ihm dieser Status seit Jahren mit der gleichen Begründung vorenthalten wird wie bei den ZJ. Zwischenfrage: wie staatsnahe ist eigentlich der Islam?. Eine Begründung, die meinerseits böse Erinnerungen an eine erst wenige Jahre zurückliegende Zeit wachruft, als Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes die volle Härte des Dienstrechts zu spüren bekamen, weil sie es wagten ihre Unterschrift gegen den Nato-Doppelbeschluß zu leisten. Ist nun in dieser unseligen Tradition zu befürchten, daß diese Urteilsbegründung einmal Grundlage für ein Berufsverbot von ZJ im öffentlichen Dienst sein wird?

Am Rande sei hier noch folgendes erwähnt: der Autor des Buches
"Die Zeugen Jehovas - eine Herausforderung", Helmut-Dieter Hartmann, der den Zeugen Jehovas sehr freundlich gesonnen ist, wartet bis heute auf eine Gesprächsmöglichkeit mit seiner früheren Parteigenossin Renate Rennebach. Wie dürftig ist die Argumentationsbasis von Frau Rennebach, daß sie sich bis heute jedem Gespräch mit ihm verweigert?

Dezember 1998

Warum ich die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas verließ

(Eine Retrospektive)

Da ich im Glauben der Zeugen Jehovas (ZJ) aufwuchs, entwickelte sich eine tiefe Vertrautheit mit der damit verbundenen Lebensführung.

Bereits mit ca. 14 Jahren begann ich meinen erlernten Glauben zunehmend kritischer zu  betrachten, entschloß mich aber ungeachtet dessen, zwei Jahre später meine Hingabe durch die Taufe zu symbolisieren.

Zwölf Jahre sollten vergehen, bis ich mich schließlich entschloß, die Gemeinschaft der ZJ zu verlassen. Allerdings wurde mir die Gemeinschaft nachträglich nicht entzogen. Ich habe mich distanziert und die zuständigen Personen in der Versammlung wissen lassen, daß ich bis auf Widerruf keinerlei Kontakt wünsche. In der Praxis bedeutet dies, daß ich die Organisation der ZJ und deren Bibelinterpretationen weder öffentlich noch privat repräsentiere.

Ja, ich war "Allgemeiner Pionier". Durch den aktiven Glauben, deutlich gemacht durch das ehrenamtliche Predigtwerk, hatte ich die Gelegenheit, Menschen zu helfen, wieder über Gott, die Zukunft, den Sinn des Lebens und über die persönliche Lebensqualität nachzudenken und Änderungen vorzunehmen. Die Feststellung, daß das Predigtwerk die Lebensqualität vieler verbessert hat, wirkte anspornend, mein Hauptaugenmerk weiterhin darauf zu richten. Weiterhin bestand für mich die horizonterweiternde Möglichkeit, tatsächlich die verschiedensten Menschen und deren Ansichten kennenzulernen.

Trotz so mancher Kritikpunkte gab es meiner Meinung nach vergleichsweise "Schlimmeres" als die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der ZJ. Die negativen Erfahrungen sowie Gegenargumente von Ex-Zeugen betrachtete ich allesamt als Einzelfälle. Kritik aus der "Welt" bewertete ich mit großer Distanz, da diese Personen von ganz anderen Prämissen ausgingen und damit keine fundierten Aussagen machen konnten.

Meine persönliche Aufgabe sah ich darin, eine liberalere Einstellung geltend zu machen, der hierarschischen Struktur sowie den starken fundamentalistischen Tendenzen innerhalb der Organisation mildernd entgegen zu treten, ohne dabei andere "zum Straucheln" zu bringen und an Ort und Stelle denjenigen zu helfen, die unter dem rigiden System litten. Eine große Stütze war mir dabei nach meiner Heirat mein Mann, welcher sein Amt als Ältester entsprechend zu nutzen wußte. Gemeinsam zogen wir in ein sogenanntes "Hilfe-Not-Gebiet" und zusammen mit anderen liberal eingestellten Zeugen war es unser Ziel, die Organisation gemäß unseren Möglichkeiten zu reformieren.

Mit der Zeit nahmen die Kritikpunkte an der Organisation aber eher zu als ab. Hier die Punkte, die schließlich zu meiner Distanzierung von den ZJ führten:

* Anspruch der Z.J., auf Erden die einzig "wahre Religion" zu sein, welche trotz Unvollkommenheit allein des Segens Gottes und seiner Leitung sicher sein kann. Außerhalb dieser Gemeinschaft sei der Mensch ohne Gottes Schutz der Willkür Satans ausgeliefert und "auf dem breiten Weg in die Vernichtung durch Gott".   Behauptung der Z.J., daß Gebet und Meditation unbedingt mit der "einzig wahren" Religionsgemeinschaft verbunden sein müßte, um überhaupt von Gott wahrgenommen zu werden. Auch spirituelles und persönliches Wachstum soll einzig und allein von der Zugehörigkeit zu den Z.J. abhängen. Die leitende Körperschaft bezeichnet sich ungerechtfertigterweise als "Kanal Gottes" und mißbraucht ihre Macht, indem sie entsprechenden Gehorsam fordert, wodurch der Naivität bei Gläubigen Vorschub geleistet wird.

* Beim (geänderten) Taufgelübde gibt sich der Täufling nicht allein Gott hin, sondern muß auch die Organisation der Z.J. als einzig wahren Kanal Gottes anerkennen und diesem Gehorsam geloben.   Zwang zur Freiwilligkeit (Es wird jedem Z.J. unmißverständlich klar gemacht, was von ihm erwartet wird und welche Konsequenzen Zuwiderhandlungen genau haben. Fast parallel dazu erfährt dieser aber, daß er diese oder jene Entscheidung bitte schön "freiwillig" und gemäß "seinem Gewissen" zu entscheiden hat. Das ist reiner Hohn!)

* Zweierlei Maß in bezug auf politische Neutralität

* Pharisäertum (siehe Jesu Worte in Matth. 23... Besser kann man es nicht ausdrücken!)

* Unterminierung der Rolle Jesu Christi und damit auch seiner Lehre von Barmherzigkeit, Güte, Liebe und Toleranz  

* Auf Dauer zu begrenztes und einseitiges Angebot an "geistiger Nahrung" (Einem Neuling mag das Glaubensmodell der Z.J. zu Beginn sehr umfassend erscheinen. Für jemanden wie mich, die in diesem Glauben aufgewachsen ist, ist alles irgendwann nur noch Wiederholung. Da es getauften Zeugen offiziell untersagt ist, glaubensmäßig vorauszueilen", sind die vielen Zusammenkünfte dann nicht mehr sehr gewinnbringend. Selbst beim sogenannten persönlichen Studium sind die Grenzen des "Forschens in den Schriften" eng gesteckt. Dieses Studium soll dazu dienen, die Bibelinterpretationen der WTG zu vertiefen. Eigens zu diesem Zweck wurden von der Organisation der Z.J. Nachschlagewerke gefertigt, die ihre Sicht der Dinge selbst bei so einem "tiefen Studium der Bibel" bestätigen. Auf keinen Fall soll das persönliche Studium oder gar hinzugezogene "weltliche" Literatur dazu dienen, die Bibel anders zu interpretieren, konträre Schlüsse zu ziehen oder die Organisation der WTG zu kritisieren. Das wäre "gefährliches unabhängiges Denken".)

* Extremes Endzeitdenken (Dieses Endzeitdenken bewirkt, daß Menschen alles daran setzen, die verbleibende "Zeit des Endes" in der Weise zu nutzen, um schließlich von Gott gerettet zu werden und sich mit ständiger Wachsamkeit bemühen, "das Ziel" im Auge zu behalten. Nicht wenige leiden unter typischen Managerkrankheiten. Manchmal kamen mir diese Menschen wie Lasttiere vor, denen, um sie in Bewegung zu halten, ständig eine verlockende Möhre vor die Nase gehalten wird, aber ohne sie jemals zu bekommen. Für Ruhe, Geduld, Gelassenheit, Hobbys, Ausgelassenheit, höhere Bildung, Selbstfindung und ähnliches bleibt da wenig bis keine Zeit. Nur Z.J., die eindeutig ernsthaft erkrankt sind oder eben ein hohes Alter haben, werden weniger unter Druck gesetzt. Aber diese sind in der Regel nicht mehr in der Lage, sich außer um ihre Krankheit um die schönen Dinge des Lebens zu kümmern.)

* Überbetonte Darstellung eines strafenden Gottes

* Überbewertung des Predigdienstes (Alternative, gleichwertige christliche Tätigkeiten {zum Beispiel im sozialen Bereich} werden nicht angeboten beziehungsweise nicht als gleichwertig anerkannt. Personen, die, aus welchen Gründen auch immer, zu wenig in den Predigdienst gehen, wird deutlich gesagt, daß sie auf diese Weise im biblischen Sinne "Blutschuld" auf sich laden und so wird entsprechender Druck auf das bei aktiven Zeugen sowieso schon recht empfindliche Gewissen ausgeübt. Das Ergebnis ist mangelhafte bis ungenügende "Bestandspflege" innerhalb der Versammlungen.)

* Fleiß- und Glaubenskontrolle durch den persönlichen und nicht anonymen monatlichen Predigdienstberichtzettel Zweiklassengesellschaft (einmal bestehend aus einer kleinen, zahlenmäßig kontrollierten Minderheit, die sich von Gott direkt berufen fühlt, nach dem Tode eine königliche Regentschaft im Himmel {als "Braut Christi"} zu übernehmen und der Mehrheit, die hofft, in baldiger Zukunft unter paradiesischen Verhältnissen unter dieser Regierung ewig auf der Erde leben zu dürfen. In der Gegenwart fühlt sich diese Minderheit als "leitende Körperschaft" und "treuer verständiger Sklave Gottes" für den Glauben der Mehrheit der Z.J. sowie für die Bekehrung der Ungläubigen verantwortlich und von Gott persönlich dazu angeleitet. Wobei die "leitende Körperschaft" dabei den eigentlichen Machtfaktor darstellt.)

* Ausschluß (Gemeinschaftsentzug) von ungetauften Verkündigern

* Veränderung historischer Daten, um eigene Endzeitrechnungen zu belegen (z.B. das Jahr 607 v.Chr., um das Jahr 1914 n.Chr. belegen zu können)

* Fundamentalistische Interpretation der Bibel. Die symbolische und buchstäbliche Deutung biblischer Aussagen ist logisch oft nicht nachvollziehbar (z.B. die buchstäbliche Interpretation der in der Offenbarung erwähnten 144000)  

* Mißbrauch oder Überbetonung biblischer Aussagen, um die eigene Lehre zu untermauern (z.B. Gehorsam und eine demütige Haltung gegenüber einer angeblich 'einzig wahren' Organisation)

* Ausschluß für Handlungen, die einer deutlichen biblischen Belegbarkeit entbehren

*  Engstirnige und wechselhafte Interpretation von biblischen Prophezeiungen und anderen Aussagen, die den Gläubigen als anzunehmendes "neues Licht" verkauft werden (temporärer Dogmatismus)

* Überzogene Einstellung zur Aufnahme von Blut in Verbindung mit der durchorganisierten Kontrolle der Gläubigen, ob diese dem Verbot, Blut in sich aufzunehmen, auch Folge leisten

* Aalglatte Argumentationsweisen (Es ist schwer, gegenüber einem rhetorisch geschulten Z.J. Gegenargumente plausibel zu machen. Biblische Aussagen und Zitate werden aus dem Zusammenhang gerissen oder in einem gar nicht vorhandenen Zusammenhang zitiert, um die Richtigkeit der Aussagen der Z.J. zu belegen. Kritikwürdige Situationen in der Welt und bei anderen religiösen Gemeinschaften werden in übertriebener Weise herausgestellt, um die so viel besseren Verhältnisse in der kleinen Gruppe der Z.J. anzupreisen. Kritikwürdige Verhältnisse bei den Z.J. dagegen werden als ganz natürliche menschliche Schwäche oder Ausnahme interpretiert. Systematisch werden Menschen auf ihre innersten Unsicherheiten gestoßen, um ihnen dann die Sicherheit der allein wahren Religion der Z.J. anzubieten.)

* Extreme Konformitätszwänge und moralische Erpressung bis hin zu Drohungen, damit der geforderten Norm entsprochen wird sowie Unbarmherzigkeit und Härte sobald innerhalb der Versammlung kritische Fragen anklingen (Strafmaßnahmen: Ausschluß, öffentliche Zurechtweisung, Gekennzeichnetsein, Gottes Schutz- und Segensentzug oder eine Vernichtung durch ihn etc.)

* Bedingungsliebe (Die Liebe Jehovas zum Menschen ist davon abhängig, ob sich der einzelne auch genügend für die Organisation der WTG einsetzt und deren wechselhafte Bibelinterpretationen entsprechend loyal vertritt. Für Zuwendung wird der hohe Preis der eigenen Freiheit gefordert. Liebe wird pervertiert, indem sie zugeteilt oder verweigert wird, um zu kontrollieren und Macht auszuüben.)

* Pauschale Leistungszwänge (Unter der Prämisse, daß der Mensch im Grunde sehr faul und träge sei, wird angenommen, daß dieser ständig Ermahnungen, Ansporn, Kontrolle und 'Ermunterung' benötige, um sich für das "ewige Leben" zu qualifizieren. Religion sollte meiner Meinung nach aber gerade ein Ort der Annahme, des Friedens und der Ruhe sein und keine Art von Hochleistungssport. Das Leben birgt doch so schon Probleme genug.)

* Insgesamt zu negative Grundeinstellung zum Menschen als sündigem Geschöpf, das die Anerkennung Gottes weder geschenkt bekommt, noch diese trotz äußerster Anstrengungen letztendlich wirklich verdienen kann

*  Zwang zum Glücklichsein, Hang zum Perfektionismus und ein sektiererisches Verständnis von Loyalität, um den Namen Jehovas nicht zu beschmutzen, Satan Lügen zu strafen und vor der "Welt" durch christliches Verhalten ein gutes Zeugnis für den "einzig wahren Glauben" abzulegen (Der ständige Konflikt zwischen den überhöhten Anforderungen bei den Zeugen und der persönlichen Realisierbarkeit läßt nicht wenige Zeugen Jehovas eine Art von Doppelleben führen. Andere, und das sind gemäß meiner Erfahrung nicht wenige, ertragen die ständige Überforderung nicht mehr, so daß sie heimlich zu dem Allround-Tröster Alkohol greifen und/oder unter schweren Depressionen leiden).

* Ungenügende Entfaltungsmöglichkeiten innerhalb und erst recht außerhalb der Gemeinschaft der Z.J.

* Neigung, "Satan und seine Dämonen" für Mißstände verantwortlich zu machen, die definitiv in der Verantwortlichkeit des einzelnen liegen

* Unwürdige bis menschenverachtende Behandlung von Ausgeschlossenen, die einer entsprechenden biblischen Grundlage entbehrt

* Ungenügender Handlungsspielraum für Personen in verantwortungsvollen Positionen (viele Pflichten aber kaum Rechte), geschweige denn für "normale Verkündiger" Isolierung vom normalen weltlichen Geschehen (Engere Kontakte außerhalb der Gemeinschaft der Z.J. sind unerwünscht und in Schule und Beruf, sind sie auf ein Mindestmaß zu beschränken. Der Kontakt zu Andersdenkenden im Predigdienst erfolgt offiziell nur zum Zwecke der Bekehrung)

* Diskriminierungen aufgrund des Geschlechtes (Bei den Zeugen steht die Frau nicht gleichwertig neben dem Mann, sondern gilt als seine Gehilfin, welche prinzipiell männlicher Führung bedarf. Der Mann hat bei den Zeugen grundsätzlich Vorrang vor der Frau. Er sollte die Frau, wenn sie sich schön artig fügt, in ihrer untergeordneten Rolle aber möglichst liebevoll behandeln. Bei dem "Grundsatz von der Leitung durch ein Haupt" handelt es sich um eine spezielle Bibelinterpretation der Organisation der Zeugen Jehovas, die sich bis in die privatesten Bereiche hineinzieht. Wenn es tatsächlich eine grundsätzliche, männliche Überlegenheit gäbe, wäre eine solche Rollenverteilung verständlich. Dagegen spricht aber definitiv die Realität. Mann und Frau ergänzen sich zwar wunderbar, aber keiner ist dem anderen grundsätzlich überlegen. Vielen Frauen und Männern bei den Zeugen Jehovas kommt diese hierarchisch patriarchalische Regelung aus den verschiedensten Gründen durchaus gelegen, so daß sie gar nicht auf die Idee kommen zu opponieren und/oder die Unterdrückung der Frau geradezu forcieren. Andere, und zwar nicht nur Frauen, leiden unter diesem starr festgelegten Rollenverständnis. Echte Partnerschaft und wirkliches Erwachsenwerden sind unter diesen Bedingungen eben nicht möglich.)  

* Ablehnung 'zeitaufwendiger' Hobbys oder aller allzu regelmäßiger sportlicher Tätigkeiten (religiöse Pflichten, insbesondere der Predigdienst, haben grundsätzlich Vorrang)

* Mangelhaftes Engagement für Kinder und Jugendliche in den Versammlungen (insbesondere Tätigkeiten betreffend, die über den Predigdienst hinausgehen)

* Kinder von Z.J. müssen schon von frühester Kindheit an wie Z.J. leben (Predigdienst sowie Auftreten in der Schule), obwohl sie nicht getauft sind.

* Ablehnung höherer Bildung (Dies gilt hauptsächlich für Kinder, die im Glauben der Z.J. aufwachsen und für die Lebensphase nach der Taufe. Ansonsten wird es natürlich gern gesehen, wenn sich Akademiker bekehren lassen. Das dient dem allgemeinen Ansehen der Z.J.. In Anbetracht der Endzeit soll es für Z.J. wichtiger sein, die verbleibende Zeit dem Predigtwerk zu widmen. Außerdem "verleitet" höhere Bildung zu kritischem Denken, welches innerhalb der Organisation als "Rebellion gegen Jehova" angesehen und entsprechend geahndet wird.)

* Verängstigung der Kinder von Z.J. zu erzieherischen Zwecken (Bedrohung durch Satan und seine Dämonen, dem Kommen der "Großen Drangsal" und der Vernichtung durch Gott in Harmagedon)

* Obwohl Kindesmißhandlung in der WTG-Literatur verurteilt wird, sind die Grenzen körperlicher Züchtigung, sprich elterlicher Gewalt, zu weit gesteckt. Die "Rute der Zucht" ist laut Bibel dabei ein wirksames Mittel. Auf der biblischen Grundlage, daß "Torheit an das Herz eines jeden Kindes geknüpft sei", wird weniger normgerechten Kindern kontinuierlich der Wille und nicht selten auch das Rückrad gebrochen. Verantwortungsbewußte Zeugen-Eltern handeln gemäß ihrem Verständnis von Liebe auf diese Weise, weil sie ihre Kinder vor einer Vernichtung in Harmagedon bewahren und mit diesen gemeinsam in das "Neue System" gelangen möchten. Selbstverständlich gibt es Eltern, die sich im Alltagsleben weniger streng an die Ratschläge der WTG bezüglich Kindererziehung halten, so daß deren Kinder ungezwungener aufwachsen als Kinder von linientreueren Zeugen. Es gilt dabei aber darauf hinzuweisen, daß diese in nicht unerhebliche Schwierigkeiten geraten, sobald die zuständigen Stellen innerhalb der Versammlung auf irgendeine Weise von dem nicht konformen Verhalten erfahren.

* Feststellung, daß nicht wenige Zeugen aufgrund der rigiden Glaubensstruktur, der sie unterworfen sind, seelisch und körperlich erkranken oder von sich selbst entfremdet leben. Letztere wirken nicht selten wie aufgezogene mechanische Puppen oder freundlich lächelnde Marionetten. In ihrem sicherlich aufrichtigen Bemühen, "auf dem Weg der Wahrheit zu wandeln", ist ihnen in keiner Weise bewußt, auf welche Weise das organisierte System der WTG eine ständige Bewußtseinskontrolle durchgeführt und sie zunehmend instrumentalisiert.

* Indem Jehovas Zeugen Schuldgefühle, Angst und Furcht, Scham, die ständige Sorge um die Annahme Gottes und die eigene Errettung in Harmagedon, die Minderwertigkeit des sündigen Menschen, Unterwürfigkeit, Selbstverleugnung, Ausharren und Gehorsam fördern und fordern, unterdrücken ja verteufeln sie alle Bemühungen, die ein tatsächlich persönliches Verhältnis zu Gott, echte Eigenverantwortung, selbständiges Denken und Handeln, Geltendmachen der eigenen Stärke, ein gesundes Verhältnis zwischen Selbst- und Nächstenliebe, Selbstverwirklichung und -vertrauen, partnerschaftliche Gleichbewertung beider Geschlechter sowie ein wirklich tolerantes Miteinander betreffen.

* Feststellung, daß sich aufgrund der hierarchischen Struktur und der Machtinteressen einer klerikalen Minderheit innerhalb der Organisation so gut wie nichts bewegen läßt, auch wenn dies noch so sanft und vorsichtig geschehen mag. Überängstlich auf den "Frieden in der Versammlung" bedacht, werden kritische Gedanken schnell als bedrohlich empfunden, mit gefährlichem Sektierertum in Verbindung gebracht und dementsprechend behandelt. Als Frau besteht, wenn überhaupt sowieso nur die Möglichkeit, so indirekt wie nur irgend möglich zu agieren.

* Feststellung, daß es nicht möglich ist, sich aus den aktiven Wirkungsbereichen bei den Z.J. an den passiveren Rand der Organisation zurückzuziehen und ansonsten zu schweigen, um nicht alles zu verlieren. Im Gegensatz zu den Landeskirchen ist dieser tolerante Randbereich eben nicht gerade breit.

* Da alle aktiven Zeugen Jehovas durch den Predigdienst öffentliche Repräsentanten der Organisation der Z.J. sind, entstehen bei nicht genügender Konformität unausweichlich Konflikte. Es gibt einen Punkt, an dem Toleranz, Akzeptanz, Anpassung und, wie es Jehovas Zeugen ausdrücken, ein sogenanntes "Warten auf Jehova" in Heuchelei übergeht und man beginnt, fruchtlos "gegen Windmühlen zu kämpfen", wenn nicht gravierende Änderungen im Leben vorgenommen werden. An diesem Punkt war ich angelangt. Wie konnte ich da weiterhin im allgemeinen Pionierdienst stehen, Menschen die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas wärmstens empfehlen oder gar weiter planen, in den Missionardienst zu gehen?!

Die meisten Kritikpunkte für sich allein betrachtet wären kein Grund gewesen, der Gemeinschaft der Z.J. und damit auch allem bisher Vertrauten und Geliebten den Rücken zu kehren. Gleichgültig welcher Organisation man auch angehören oder mit welchen Menschen man eine Beziehung eingehen mag, so gehören Fehler und Schwächen ganz natürlich dazu. Institutionen haben eben ihre eigene Dynamik. Es wäre unrealistisch und unvernünftig, von unvollkommenen Menschen eine vollkommene Organisation zu erwarten.  

Es war aber die Summe der Kritikpunkte und deren Komplexität in Zusammenhang mit der eigenen Natur, die schließlich ausschlaggebend für den Rückzug waren!!

Mir fiel das Verlassen der Gemeinschaft  ausnehmend schwer und zwar in Verbindung mit der Tatsache, daß JZ näherer Kontakt zu einer solchen Person, wie ich es dann sein würde, untersagt ist. Beim Verlassen der Gemeinschaft gilt es, mit dem Verlust fertig zu werden, alles, auch das Vertraute und Geliebte, für immer verloren zu haben und gleichzeitig ein komplett neues Leben aufbauen zu müssen. In dem Glauben der Zeugen Jehovas aufgewachsen, war für mich ein annähernd adäquates "Leben in der Welt" einfach nicht vorstellbar. So tief war ich darin verwurzelt. Dennoch unternahm ich diesen folgenreichen Schritt.

Meine Eltern und meine Schwiegermutter haben sich nach vielen Szenen und aufreibenden Diskussionen entschieden, den Kontakt doch nicht völlig abzubrechen und bei den sehr selten gewordenen Besuchen über möglichst unverfängliche Themen zu sprechen. Wir, mein Mann und ich, sehen unsere Aufgabe nicht darin, sie aus der vermeintlichen 'Sekte der ZJ 'herauszuretten'; denn sie fühlen sich dort summa summarum wohl und sind dort für ihre Verhältnisse gut aufgehoben. Außerdem sind sie in ihrem Alter und in Anbetracht ihres Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage, sich dem schwierigen Aufbau eines komplett neuen Lebens zu stellen. Wir akzeptieren ihre Lebensführung, auch wenn dies nicht auf Gegenseitigkeit beruht.

Für die jüngeren Mitglieder der Familie sind wir allerdings gestorben und der Vernichtung durch Gott in Harmagedon geweiht, wenn wir nicht fluchs bereuen und umkehren. Selbstverständlich verletzt solch ein (einseitig) intolerantes Verhalten sehr. Inzwischen lege ich aber wenig bis gar keinen Wert mehr darauf, mit Personen Umgang zu pflegen, die mich nicht so nehmen können, wie ich bin . Außerdem haben sich die jeweiligen Persönlichkeiten zu weit voneinander wegentwickelt, so daß es kaum noch unverfängliche Gesprächsthemen geben würde.

Heute halte ich die Zeugen Jehovas für eine Religionsgemeinschaft von vielen. Eine Gemeinschaft, die so manchem die Geborgenheit und den Halt gibt, den er/sie für sein/ihr Leben benötigen mag. Die Tatsachen zeigen allerdings, daß die rigide Glaubenstruktur der ZJ noch lange nicht für jeden in spiritueller, physischer und psychischer Hinsicht förderlich ist, im Gegenteil.

Die große Krise, die mit dem Verlust der vertrauten Gemeinschaft der Z.J. und der damit verbundenen Lebensführung verbunden war, habe ich inzwischen nach sehr harten Kämpfen und vielen Tränen überwunden. Von Tag zu Tag betrachte ich meinen erlernten Glauben sowie die Organisation der ZJ mit mehr Distanz.

Im Gegensatz zu mir hegte mein Mann aufgrund seiner Position einige Zeit länger als ich die Hoffnung, innerhalb der Organisation notwendige Änderungen anstrengen zu können und ermunterte mich immer wieder, ihn dabei doch weiterhin zu unterstützen. Dazu war ich reinen Gewissens aber nicht mehr in der Lage. Schließlich legte er nach vielen Überlegungen sein Amt bis auf weiteres nieder und gewann auf diese Weise Distanz zum Glauben der Z.J.. Heute kann er sich nicht mehr vorstellen, dorthin zurückzukehren. So haben wir damit begonnen, das neu gewonnene Leben zu festigen und auszubauen. Der Glaube der Zeugen Jehovas wird auf irgendeine Weise immer ein Teil unseres Lebens bleiben, hat daran aber keinerlei Mitbestimmungsrecht mehr. Es gilt, das Beste aus dem zu machen, was man mitbekommen hat.

Während des Neu-Orientierungprozesses mußte ich feststellen, daß bestimmte Handlungs- oder Denkweisen allein darauf zurückzuführen waren (und noch sind), daß  ich eine Zeugin Jehovas war. Gleichzeitig mußte ich feststellen, daß Kindheit und Jugend wenn auch nicht in jeder so doch in in mancher Hinsicht unwiederbringlich verloren sind. Es gab nichts und niemanden, der sich soweit in die Lage versetzen oder über entsprechendes Fachwissen verfügte, um adäquate Hilfestellungen zu bieten. Aus der Not heraus mußte ich mir selbst helfen. Durch die Zugehörigkeit zu den ZJ konnte ich  allerdings sehr viele Erfahrungen sammeln, die an anderen Orten nicht so leicht gemacht werden können. Das weiß ich zu schätzen.

Den Lesern die besten Wünsche

Sophia

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