Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Sie wollen es immer "noch wissen"
Der Kampf der Zeugen Jehovas um den KdöR-Status
(entnommen aus: MIZ Heft 1/2001 S. 33-36 [MIZ = Materialien und Informationen zur Zeit]

Hartnäckigkeit wird man ihnen bestimmt bescheinigen können. Bereits 1996 wurde in MIZ [1] berichtet, dass die Zeugen Jehovas nunmehr mit aller Macht versuchen, auch "Körperschaft des öffentlichen Rechts" in diesem Lande zu werden. Nachfolgend gab es noch weitere Gerichtsentscheide bezüglich dieses Anliegens. So versagte das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 26. 6. 1997 den Zeugen Jehovas den ersehnten Status. Unter Hinweis auf die Wahlverweigerungspraxis der Zeugen Jehovas hatte es dies als "verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Widerspruch zu dem für die staatliche Ordnung in Bund und in den Ländern konstitutiven Demokratieprinzip, das zum unantastbaren Kernbestand der Verfassung gehört", bewertet.

Dem wird man entgegenhalten können, dass es auch andere Religionsgemeinschaften gibt, die den ersehnten Status bereits seit längerem besitzen, die auch mit der Demokratie auf Kriegsfuß stehen. Und das keineswegs nur im Bereich sogenannt "kleinerer Religionsgemeinschaften". In der Folge dieses Entscheides reichten die Zeugen Jehovas beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde ein, die nach einer mündlichen Anhörung vom 20. 9. 2000 dann am 19. 12. 2000 endgültig entschieden wurde. Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung zurück. Im Kernsatz seiner Entscheidung betonte es, dass eine über allgemeine Rechtstreue hinausgehende "Loyalität zum Staat vom Grundgesetz nicht verlangt" werde.

Dennoch wurde mit diesem Entscheid noch nicht automatisch der erstrebte KdöR-Status festgemacht. Dies zu prüfen ist die Aufgabe eines erneuten Verfahrens. Ein wesentliches Element für die Rückverweisung lautet nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes:

"Insbesondere ist im fachgerichtlichen Verfahren offen geblieben, ob die Beschwerdeführerin - wie das Land Berlin behauptet - durch die von ihr empfohlene Erziehungspraktiken das Wohl der Kinder beeinträchtigt oder austrittswillige Mitglieder zwangsweise oder mit vom Grundgesetz missbilligten Mitteln in der Gemeinschaft festhält und damit dem staatlichen Schutz anvertraute Grundrechte beeinträchtigt ..."

In der Praxis hat sich erwiesen, dass insbesondere die Erziehungsmethoden der Zeugen Jehovas vielfachen Widerspruch finden. Bereits in einem 1996 erschienenen Buch [2] hatte Kurt-Helmuth Eimuth dies mit thematisiert. Auch in der sich zu den Zeugen Jehovas kritisch äußernden Internetszene, läßt sich diesbezüglich etliches nachweisen.

Durchforstet man das einschlägige Schrifttum der Zeugen Jehovas nach diesem Aspekt, so wird man insbesondere auf eine 1983 von ihnen veröffentlichte Broschüre stoßen. [3] Ist doch in dieser Broschüre zu ungeschützt das eigentliche Gesicht der Zeugen Jehovas gezeigt worden. Inwieweit diese Fakten gerichtsrelevant sein können, muss die Zukunft zeigen. Jedoch sei zur eigenen Urteilsbildung mal einiges aus dieser Broschüre zitiert, die seinerzeit besonders dazu bestimmt war, in Lehrerkreisen Verbreitung zu finden um diesen die Andersartigkeit der Zeugen Jehovas-Kinder "verständlich" zu machen.

Einleitend wird schon in dieser Broschüre festgestellt [4]:
"Einige Lehrer mögen jedoch den Eindruck haben, Kinder von Zeugen Jehovas seien nicht kooperativ, weil sie sich an manchen Schulprogrammen und -funktionen nicht beteiligen.".Ein Knackpunkt, dass universitäre Ausbildung bei den Zeugen Jehovas verpönt ist, wird beispielsweise mit den Worten umschrieben: "Obwohl jugendliche Zeugen Jehovas an einer guten Schulbildung interessiert sind, streben sie nicht nach Prestige oder einer angesehenen Stellung. Ihr wichtigstes Lebensziel ist, Gott auf wirkungsvolle Weise zu dienen. … In Ländern, in denen sie Unterrichtskurse wählen können, entscheiden sie sich daher im allgemeinen für Fächer, die sie darauf vorbereiten, sich in dieser modernen Welt ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Viele … gehen in eine Lehre. Wenn sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben, möchten sie eine Arbeit aufnehmen, die es ihnen gestattet, sich auf ihren Hauptberuf, den christlichen Dienst, zu konzentrieren." [5]

Hier wurde es ausgesprochen: Der Dienst für die Zeugen Jehovas soll der "Hauptberuf" sein. Da reicht es also unter ungünstigen Umständen - in ihrer Lesart - auch aus, nur ein Hilfsarbeiterdasein zu fristen, oder verkürzt zu arbeiten. Versteht sich, dass dies mit entsprechenden finanziellen Einbussen verbunden ist. Aber das ist für die Autoren offenbar kein Thema.

Auch in dieser Broschüre wird kräftig auf der Endzeitklaviatur gespielt. Etwa mit der Bemerkung: "Da wir davon überzeugt sind, daß diese Umwälzung sehr nahe ist, halten es unsere jungen Leute für realistisch, sich auf eine Lebenslaufbahn vorzubereiten, die in Übereinstimmung mit unserem Glauben an die Realität des Königreiches Gottes ist. Unser Hauptziel besteht darin, den Menschen von der vor uns liegenden glänzenden Zukunft zu erzählen." [6] In diesem Kontext meint man auch auf die akuten Endzeiterwartungen im Urchristentum verweisen zu sollen, denen man sich gleichfalls verpflichtet fühle. Etwa mit der Ausführung:
"Wie man sich vorstellen kann, wirkten sich diese Zukunftserwartungen bereits auf das Leben der ersten Christen spürbar aus. Sie waren deswegen ein ganz besonderes Volk, getrennt von der Welt. Über sie schrieb der Historiker Adolf Harnack in seinem Buch Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten (1902): 'Die Christen (empfinden sich) hier auf Erden als Pilger und Paröken (Fremdlinge); sie wandeln im Glauben und nicht im Schauen, und ihre ganze Lebensweise ist weltflüchtig und allein durch das jenseitige Reich, dem sie zueilen, bestimmt' ... Jesus sagte deutlich, daß das Getrenntsein von der Welt ein auffallendes Merkmal seiner Jünger sein werde. 'Sie sind kein Teil der Welt', sagte er (Johannes 17:16; 15:19). In Übereinstimmung mit diesem Grundsatz bemühen sich Jehovas Zeugen, 'kein Teil der Welt' zu sein." [7]

Präzisiert wird das noch durch die weitere Anmerkung: "Gleichzeitig glauben wir aber, daß - wie die Bibel deutlich zeigt - 'die ganze Welt in der Macht dessen liegt, der böse ist' (...). Daher sind wir über die nachteiligen Auswirkungen besorgt, die der Einfluß der Welt auf unsere Kinder haben kann. Die Welt verherrlicht oft einen Lebensstil, den wir für schädlich halten. Auch die Schulen sind davon betroffen. Daher wünschen Jehovas Zeugen, daß ihre Kinder soweit wie möglich solchen Einflüssen fernbleiben."

Im weiteren Verlauf dieser Broschüre wird die Sexualmoral der Zeugen Jehovas hervorgehoben, die unter anderem bewirke, dass das Problem lediger Mütter und ähnliches, bei ihnen nicht so verbreitet sei wie andernorts. Folgt man dieser Argumentation, dann dürfte wohl das Zölibat katholischer Priester eine "noch höhere Moralstufe" darstellen. Wer das so sehen will, der mag es tun. Indes dürfte nicht unbekannt sein, dass es auch dazu kritische Stimmen gibt. Analoges gilt auch für die entsprechenden Moralvorstellungen der Zeugen Jehovas. Solange sie auf freiwilliger Einsicht beruhen - nun gut. Indes die Praxis beweist, dass sie auch mit ziemlich rigiden Methoden durchgesetzt werden. Unter anderem auch mittels ihrer berüchtigten Ausschlußpraxis. Aber dazu hüllen sich die Schreiber in dieser Broschüre lieber in Schweigen.

Der nächste relevante Abschnitt dieser Broschüre bezieht sich auf ihre vermeintliche politische "Neutralität", die zugleich beinhaltet, sich gewissen staatsbürgerlichen Auflagen prinzipiell zu entziehen. Da wir in Deutschland im letzten Jahrhundert bereits mit zwei Diktaturen "gesegnet" waren, die diesbezüglich keinen Spaß verstanden, sei jetzt hier nicht weiter auf diesem Aspekt eingegangen. Zumal das freiheitliche System der gegenwärtigen Bundesrepublik Deutschland es den Zeugen Jehovas ermöglicht, relativ ungeschoren diesbezüglich über die Runden zu kommen.
 

Nicht nur auf die "große Politik" schlägt diese Haltung der Zeugen Jehovas durch, sondern auch auf jegliche Bereiche, in diesem Fall, die "Schulpolitik". Dazu folgender Absatz aus genannter Broschüre: "An vielen Schulen werden Schüler in Gremien oder in Positionen wie die des Klassensprechers gewählt. ... Die Schüler sollen dadurch nicht nur an schulischen Entscheidungsprozessen beteiligt werden, sondern sollen auch lernen, wie man sich politisch betätigt. Jugendliche Zeugen Jehovas mischen sich aber nicht in die Schulpolitik ein; weder lassen sie sich in ein Amt wählen, noch wählen sie andere in ein Amt."[8] Aber um die Sache nicht zu sehr ins Extreme ausufern zu lassen, versucht man eine Art "goldene Brücke" zu bauen. Wobei man darüber streiten kann, ob es denn überhaupt solch eine sei; oder nicht vielmehr nur ein "verfaulter Steg". Jedenfalls findet sich in dieser Broschüre auch der Satz: "Die Ernennung durch den Lehrer betrachten sie jedoch als etwas anderes. Wenn daher jugendliche Zeugen Jehovas eingesetzt werden, irgendwelche Aufgaben in Verbindung mit der Schule zu erfüllen, zum Beispiel für Ordnung zu sorgen oder den Verkehr zu regeln, so werden sie ermuntert, mitzuwirken, soweit dies möglich ist. Natürlich ist unseren Jugendlichen klar, daß nicht jede Abstimmung politischer Natur ist."

Auch ansonsten sollen Schülerinnen und Schüler an gemeinschaftlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen: "Die Tatsache, daß sich Jehovas Zeugen an den meisten Festen und Feiern nicht beteiligen, kann für einen Lehrer etwas befremdend sein."[9]

Wie wahr. Da gibt es nicht viel hinzuzufügen. Insoweit es einen vermeintlichen "religiösen Hintergrund" bestimmter Feste anbelangt, sei jetzt darauf nicht näher eingegangen. Über religiöse Thesen streiten sich bekanntlich auch andere. Auch selbstredend betrifft dieser Zeugen Jehovas-Grundsatz auch dass feiern oder Nichtfeiern von Geburtstagen. Auch hierbei die Argumentation der Zeugen Jehovas dazu: Dogmatik pur! Etwa wenn sie schreiben:

"Doch bei den einzigen beiden in der Bibel erwähnten Geburtstagen wurden Personen gefeiert, die keine echten Gläubigen waren. In dem einen Fall war es ein ägyptischer Pharao und in dem anderen Fall der von den Römern eingesetzte Antipas. Bei beiden Geburtstagsfeiern wurde jemand umgebracht (...). Es überrascht daher nicht, die folgenden geschichtlichen Hinweise in bezug auf die Einstellung der ersten Christen zu Geburtstagsfeiern zu lesen: 'Die Idee einer Geburtstagsfeier lag den Christen dieser Periode überhaupt fern' (...) Von keiner der heiligen Personen, die in den Schriften erwähnt werden, wird gesagt, sie habe an einem Geburtstag ein Fest gefeiert oder ein großes Essen veranstaltet. Nur Sünder (wie Pharao und Herodes) feiern den Tag, an dem sie in diese Welt hineingeboren sind.'(...) Außerdem besteht bei Geburtstagsfeiern die Neigung, dem Betreffenden übermäßige Bedeutung beizumessen. Das ist zweifellos einer der Gründe, weshalb die ersten Christen keinen Geburtstag feierten (...) Sie werden daher feststellen, daß Jehovas Zeugen an Geburtstagsfeiern (an den Partys, am Singen, am Geschenkegeben usw.) nicht teilnehmen." [10]

Lang und breit werden im Anschluß daran eine Reihe von Feiertagen genannt, die Jehovas Zeugen nicht feiern wollen, wie: Weihnachten, Ostern, Neujahrstag, Maifeiertag, Muttertag, Nationale Danksagungstage und anderes mehr. Angesichts solchen Rigorismus, verwundert es schon gar nicht mehr auch zu vernehmen, dass man außerschulische Aktivitäten, wie zum Beispiel Sport, nicht sonderlich gern sehe und als "Ersatz" Wert darauf lege, dass die Zeugen Jehovas-Kinder von ihrer Eltern und der WTG-Organisation reichlich beschäftigt gehalten werden, mit Dingen, die man als wichtiger als denn Sport ansehe.

Wohl kaum ein Konfliktpunkt wird in dieser Broschüre ausgelassen. So beispielsweise etwa auch die Bemerkung: "Aber Eltern, die Zeugen Jehovas sind, werden eine Anzahl Faktoren berücksichtigen, bevor sie ihren Kindern erlauben, bei einem Theaterstück in der Schule mitzuwirken, zum Beispiel: Ist das, was in dem Stück dargestellt wird, in Übereinstimmung mit biblischen Grundsätzen? (…) In manchen Gegenden werden an Schulen von Zeit zu Zeit Spendenaktionen für irgendwelche Zwecke durchgeführt. Es gibt sogar Länder, in denen Schüler zu Blutspenden aufgerufen werden. Aus Gewissensgründen können wir daher weder Blut annehmen noch spenden." [11]

Die derzeitige Zeugenführung hat sich ja schon ziemlich gut eintrainiert im "Kreide fressen", auf dass ihre Stimme den Außenstehenden doch nicht gar zu rauh erscheine. Möchte man doch auch von diesem Staat belohnt werden, als Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Wenn dass nicht bitterer Ernst wäre, könnte man fast darüber lachen. Demnächst soll also das Berliner Bundesverwaltungsgericht in dieser "endlosen Geschichte" erneut befinden.

Ein letztes Zitat mag als Beleg dafür dienen, dass tatsächlich jedoch sogar Einfluss auf Unterrichtsinhalte genommen werden soll: "Wenn daher Eltern von Zeugen Jehovas den Eindruck haben, daß ihre Kinder mit Ansichten und Anschauungsmaterial indoktriniert werden, durch die die Grundsätze, die sie zu Hause gelehrt werden, offenkundig untergraben werden, werden sie darum bitten, daß ihre Kinder vom Sexualkundeunterricht befreit werden, oder ihre gesetzlichen Rechte in Anspruch nehmen und darum bitten, daß ihre eigenen Vorstellungen den Schülern ebenfalls vermittelt werden. Aber nicht alles, was als wissenschaftlich bezeichnet wird, beruht notwendigerweise auf Tatsachen. Es gibt auch Theorien, wie die Evolutionstheorie (auch Abstammungslehre genannt), die oft als wissenschaftliche Tatsache hingestellt werden. (…) Was die Mitwirkung in einem Schulorchester betrifft, werden Eltern und Jugendliche einige Faktoren berücksichtigen. Zum Beispiel werden sie in Betracht ziehen, wo und unter welchen Umständen der Unterricht erteilt und was für Musik gespielt wird. Wenn erwartet wird, daß das Schulorchester bei religiösen oder politischen Anlässen spielt, könnte sich ein Zeuge Jehovas nicht daran beteiligen. Selbst wenn im Unterricht nur geübt wird, würden Schüler, die Zeugen Jehovas sind, nicht die Nationalhymne oder Lieder spielen, die mit religiösen oder nationalen Feiertagen verbunden sind."[12]

Anmerkungen:
[1] Sie wittern Morgenluft, MIZ 2/96, S. 57-60.
[2] Kurt-Helmuth Eimuth: Die Sekten-Kinder, Freiburg/Br. 1996.
[3] Jehovas Zeugen und die Schule, Hrsg. von der Wachtturm Bibel & Traktatgesellschaft, Wiesbaden (jetzt Selters) 1983. Sie wird zwar von letzteren derzeit nicht mehr verbreitet. Sie ist aber nach wie vor auf einer von den Zeugen Jehovas veranstalteten Sammlung ihres Schritfttums auf CD-ROM mit enthalten. Der Öffentlichkeit gegenüber versucht man indes diese Broschüre und auch die CD-ROM soweit wie möglich vorzuenthalten.
[4] Ebenda, S. 3.
[5] Ebenda, S. 5.
[6] Ebenda, S. 6.
[7] Ebenda, S. 7.
[8] Ebenda, S. 16.
[9] Ebenda, S. 17.
[10] Ebenda.
[11]Ebenda, S. 24.
[12] Ebenda, S. 28f.

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