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Geschrieben von Drahbeck am 05. März 2003 16:04:42: Ein kleiner DDR-Rückblick. Es geht hier jetzt mal um eine Detailfrage. Um Lexika mit Informationen zu
Religionsfragen. Noch eine weitere Zwischenbemerkung. In Alt-Bundesrepublikanischen Gefilden gibt es
auch zum Thema Religion usw. diverse spezialisierte Verlage. Soviel dass man sie kaum
überblicken kann. Auch das war unter den provinziellen DDR-Verhältnissen grundlagend
anders. Im Prinzip gab es dort nur drei Verlag dafür. Nur im Union-Verlag erschienen dann die Lexikas mit Religionsthematik. Es versteht sich
fast von selbst. Nur als einbändige Ausgaben. Von einer sechsbändige Ausgabe a la RGG
wagte dort niemand auch nur im Entferntesten zu träumen. Übrigens erschien die erste Auflage des thematisch verwandten Buches des Theologieprofessors Helmut Obst (gleichfalls im Uniion-Verlag) 1980 ("Apostel und Propheten der Neuzeit") gleichfalls ohne ein die Zeugen Jehovas bezügliches Kapitel. Das sollte sich erst mit der zweiten Auflage (1981) ändern. Und dies deshalb auch, weil gewissen DDR-Regisseuren im Hintergrund, das weiter totschweigen dessen, selbst nicht mehr so geheuer wahr. Aber das möchte der von ihnen auch begünstigte Herr Obst heute lieber nicht mehr so genau wissen. Noch einmal gab der Union-Verlag ein spezielles der Religion gewidmetes Lexikon heraus.
Das nannte sich dann "Kirchenlexikon" und erschien erst im Jahre 1990. Also
fünf Minuten vor Toresschluß der DDR. Aber immerhin noch eindeutig DDR-orientiert. Sie ist auch in diesem Kirchenlexikon mit zwei speziellen, dem weiteren Umfeld der Zeugen Jehovas zuzuordnenden Artikeln vertreten. Während der eigentliche, die Zeugen Jehovas behandelnde Artikel von dem Helmut Obst bestritten wird. Es hat (zumindest meine Person) aufhorchen lassen, als ich es zur Kenntnis nahm, dass die Frau Tröger da auch die Freytag-Bewegung abhandelte und eine weitere von ihr abgesplitterte Gruppe. Die waren ja auch von dem DDR-Verbots-Verdikt ebenfalls betroffen, haben aber im Gegensatz zu den Zeugen Jehovas dort nicht überlebt. So können sich die Zeiten ändern! Nachstehend noch als Dokumentation (ohne weitere Kommentierung) die drei genannten Artikel aus diesem Kirchenlexikon: Zeugen Jehovas Nach dem 2. Weltkrieg gelang den Z. J. weltweit der Durchbruch zu großen Missionserfolgen. 1965 überschritt die Zahl der »Verkündiger« die Millionengrenze. Neben Nordamerika und Europa bildeten die Entwicklungsländer zunehmend einen Schwerpunkt ihrer Aktivitäten. Dort konnten teilweise erhebliche Erfolge erzielt werden. Global gab es 1985 nach eigenen Angaben 3 024 131 Verkündiger in 205 Ländern. Sie leisteten 590 540 205 Stunden Verkündigungsdienst. In der DDR und 18 anderen Staaten ist die öffentliche Arbeit der Z. J. nicht erlaubt. Die Zahl der Verkündiger betrug in der BRD und Berlin (West) 1985 115 604. In einer Reihe von Ländern haben sich ehemalige Z. J. zu eigenen Vereinigungen zusammengeschlossen (z. B. in der DDR die »Studiengruppe Christliche Verantwortung«, Gera). An der Spitze der Gemeinschaft stehen der Präsident und die Leitende Körperschaft (18 Mitglieder). 6 Komitees (z. B. ein Schreib-, Lehr-, Fabrikkomitee) unterstehen direkt der Leitenden Körperschaft. Die von ihr berufenen und ausgesandten Zonenaufseher stellen durch regelmäßige Besuche den Kontakt zu den Organisationseinheiten in den einzelnen Ländern, Ländergruppen oder Erdteilen her. Dort bestehen Zweigkomitees und Zweigbüros. Das Gebiet, für das ein Zweigbüro zuständig ist, gliedert sich in Bezirke, die wiederum in Kreise (etwa 20 Versammlungen) aufgeteilt sind. Sie werden von Bezirks- bzw. Kreisaufsehern kontrolliert. Die unterste Einheit ist die Versammlung. Sie wird von der Ältestenschaft, bestehend aus Sekretär, Aufseher und Dienstamtsgehilfen, geleitet. Ein straff organisiertes Schulungs- und Missionssystem garantiert die einheitliche Ausrichtung der inneren und äußeren Arbeit. Alle Aktivitäten werden genau abgerechnet. Eine Ausbildung der ehrenamtlichen Funktionsträger erfolgt nicht. Finanziert wird die Organisation durch Spenden (»Gute-Hoffnung-Gelder«) und Verkauf von Schriften. Karitative Einrichtungen bestehen nicht. Das christliche Kirchenjahr mit seinen Festen, insbesondere Weihnachten und Ostern, sowie alle volkstümlichen Bräuche (z. B. Geburtstagsfeiern) werden entschieden abgelehnt. Von Gottesdiensten im herkömmlichen Sinn kann man nicht sprechen. Zentrale Veranstaltung ist das sonntägliche Wachtturmstudium mit Gesang und Gebet im »Königreichssaal«. Daneben bestehen für die Mitglieder vielerlei Verpflichtungen (z. B. Felddienststunden mit Nachbesuchen, Heimstudien, Bezirksstudien, Dienstversammlungen). Im Mittelpunkt der Kontakte zur Welt stehen die missionarischen Bemühungen. Die Kirchen gelten als Teil der satanischen Organisation, zu der keinerlei Beziehungen bestehen dürfen. Lehrgrundlage ist allein die Bibel, die in einer eigenen Übersetzung (Neue-Welt-Übersetzung) verwendet wird. Das Lehrgebäude basiert auf Bibelstellen, die wie frei verfügbare Bausteine aus allen biblischen Büchern ausgewählt werden. Im Zentrum der Lehre steht der Plan Gottes. Er ist von Jehova entworfen, um auch nach dem Fall Luzifers seine Absicht, die Menschen zum ewigen Glück zu führen und seinen Namen zu rechtfertigen, zu verwirklichen. Jesus, von Natur aus nicht Gott, sondern ein zum Sohn angenommenes Geschöpf Gottes, erbrachte durch seinen Tod das notwendige »Loskaufopfer«. Im endzeitlichen Kampf hat er eine wichtige Aufgabe. 1914 übertrug ihm Jehova die »Königreichsgewalt«. Satan wurde von ihm besiegt und auf die Erde geworfen, die jetzt ganz vom Teufel beherrscht wird. Zu seiner Organisation gehören auch die Kirchen als Teil des »Weltreichs der falschen Religion «. Viele der kirchlichen Lehren sind nach Ansicht der Z. J. absolut falsch (z. B. Trinitätslehre, Unsterblichkeit der Seele, Erlaubnis von Blutgenuß und Bluttransfusion). Die Z. J., die »Theokratische Organisation«, repräsentieren dagegen das kommende Gottesreich. Sie kennen allein den rechten Namen Gottes (Jehova), mit dem er gerufen sein will. Die Angehörigen der »Theokratischen Organisation« stehen im schroffen Gegensatz zur Welt. Das alttestamentlich ausgerichtete Gottesbild in Verbindung mit der apokalyptischen Naherwartung prägen die betont gesetzlich-strenge Ethik der Z. J. Hoffnung und Angst bestimmen die Sicht von Gegenwart und Zukunft. Immer neu errechnete Termine für das Ende der 6000 Jahre seit der Erschaffung der Welt (als wahrscheinlich wurde zuletzt das Jahr 1975 angenommen) lösten mehrfach apokalyptische Hochstimmung und danach tiefe Enttäuschungen aus. Die Schlacht von Harmagedon, in der alle widergöttlichen Mächte und Menschen vernichtet werden, gilt nach wie vor als nahe bevorstehend. Sie wird stattfinden, solange noch »Überrestglieder«, die das Jahr 1914 erlebten, auf Erden sind. Die Zukunftsverheißungen für die Z. J. selbst sind sehr detailliert und äußerst verlockend. Die 144 000 Gerechten werden nach ihrer Entrückung beim Wiederkommen Christi vom Himmel aus über die Erde herrschen, auf der die »große Volksmenge« der getreuen Z. J. in paradiesischen Verhältnissen lebt. Die Heilsgeschichte endet mit dem »goldenen Zeitalter« für alle, die sich zu Jehova bekehren, und mit der Vernichtung des Teufels und seines Anhangs. Hauptproblem für die Lehre der Z. J. ist der Kampf mit der verrinnenden Zeit. Die wichtigsten apokalyptischen Daten sind bereits verbraucht. So kann das Abendmahl (einmal im Jahr am 14. Nisan) nur noch von den Angehörigen der »Tempelklasse« gefeiert werden, das heißt von den Z. J., die bis 1931 zur Wachtturmgesellschaft fanden. Die Taufe ohne trinitarische Formel wird öffentlich durch Untertauchen vollzogen. Bei Eheschließungen kann im Königreichssaal eine Hochzeitsansprache gehalten werden. Auch Bestattungsfeiern werden durchgeführt. Intensive Missionstätigkeit, die Exklusivität ihres Anspruchs und ihrer Methoden, die
Radikalität ihrer religiösen und ethischen Forderungen sowie die absolute Hingabe vieler
an die Ziele der Organisation ließen die Z. J. zu einer der bekanntesten wie
umstrittensten Religionsgemeinschaften der Neuzeit werden. Menschenfreunde - Les Amis de l'Homme Freytags Bücher fanden starke Verbreitung, seine Anhängerschaft wuchs. Seine Bewegung fand vor allem in der Schweiz, in Frankreich (Eglise du Royaume de Dieu - Les Amis de l'Homme), Deutschland, Österreich und Amerika Verbreitung. Als ihr Zentrum entstand in Cartigny bei Genf das »Philanthropische Werk«. Das »Menschenfreundliche Werk - Kirche des Reiches Gottes«, das in Deutschland die Bezeichnung »Menschenfreundliche Gesellschaft >Der Engel des Herrn<« erhielt, wurde 1933 von den Faschisten verboten. Seit 1945 ist es in der BRD wieder tätig und umfaßt (nach Hutten) etwa 70 »Gruppen«. 1947 starb A. Freytag. Nach seiner Lehre wurde die Grundordnung der Schöpfung, der Altruismus, nicht eingehalten. Dadurch entstanden alle Übel in der Welt: Schäden an Leib und Seele, Krankheit und Tod, Zerstörung der Natur, Haß und Krieg. Um diese zu beseitigen, muß das »Weltallgesetz« Gottes wiederhergestellt werden, wozu die »Sendboten« Gottes in die Welt kamen. Jesus ist das Urbild des neuen Menschen. Er verkündete erneut die richtige Lebensordnung. Mit ihm brach das Evangeliumszeitalter an, das 2000 Jahre währt, sieben Perioden umfaßt und der Sammlung der »Kleinen Herde«, d. h. der 144 000 wahren Christen (außerhalb der Kirchen!), dient. A. Freytag verstand sich als endzeitlicher Sendbote der 7. Periode, der dieses Werk vollenden und Menschen um sich scharen sollte, die nach dem »Weltallgesetz« das Gottesreich auf Erden aufbauen. Diese Aufgabe fällt vor allem der »Armee des Allmächtigen« zu, während die Glieder der »Kleinen Herde« unmittelbar am Wirken Christi (Totenauferweckung usw.) teilhaben. Mit den Freunden der »Armee des Allmächtigen« bilden die drei Gruppen die »Glaubensfamilie«. In der Lehre A. Freytags kommen die Vorstellungen der Bibelforscher mir teilweise zur Geltung. Vor allem geschieht nach seiner Ansicht die Einführung des Reiches Gottes allmählich durch menschliche Anstrengung (altruistische Lebensweise) und nicht durch die Entscheidungsschlacht von Harmagedon. Deshalb kommt dem »Heute« eine besondere Bedeutung zu. Zur Gesundung des einzelnen Menschen an Seele und Leib und damit der Menschheit insgesamt soll außer der Hingabe an den Nächsten auch eine vegetarische Ernährung beitragen. In den »Versuchsstationen«, die in mehreren europäischen Ländern und in Mexiko
eingerichtet wurden, möchten die »Menschenfreunde« ihre Lehren und ihre Lebensweise
modellhaft verwirklichen (u. a. durch eine »alternative« Landwirtschaft). In der
Gemeinschaft gilt die durch Untertauchen vollzogene Taufe als Aufnahmeritus. Am Karfreitag
wird das Passahmahl gehalten. Außer den täglichen Morgenandachten gibt es mehrere
wöchentliche Versammlungen unterschiedlichen Charakters (Heiligungs-, Gebets- und
Leseversammlungen; in letzteren werden A. Freytags Schriften gelesen). Les Amis de l'Homme (Menschenfreunde) Im Unterschied zum »Menschenfreundlichen Werk« vertreten die
französischen Menschenfreunde keine exklusiven Glaubenslehren, verlangen nicht den
Kirchenaustritt ihrer Anhänger und nehmen jedermann auf, der ihren Altruismus der Tat
teilt. Im Sinne der praktizierten Nächstenliebe richteten sie ab 1950 das karitative Werk
der »Sozialen Dienste« ein und gründeten ab 1969 im Tal von Saint-Germain eine
Siedlungsgemeinschaft, die durch ihre Unterstützung von Bauern mit Landmaschinen ein
breites Echo fand. Ihr optimistischer Grundgedanke ist, durch Vorbildhaltung immer mehr
Menschen für ein altruistisches Leben zu gewinnen und so das Reich Gottes allmählich auf
Erden zu errichten. |