Wehrdienst in der Diskussion


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 10. Februar 2003 07:35:54:

Der Wehrdienst in der Diskussion.
Eigentlich muss auch jede Religionsorganisation, ob groß oder klein - früher oder später - sich mit dieser Frage auseinandersetzen. Wie das in den Jahren vor 1945 aussah, ist ja weitgehend bekannt.
Seitens der "Großkirchen" (evangelischerseits) gibt es unter anderem dazu auch eine Stellungnahme von Walther Bienert. Eine direkte Kontinuität zur Handlungsweise der Großkirchen vor 1945 vermeidet er aber. Er wollte sozusagen nach 1945: eine Neubestandsaufnahme vornehmen. Signalisieren. Wie es denn in dieser Frage weiter gehen soll. Denkt man daran, dass die "Großkirchen" beispielsweise eine umfängliche "Militärseelsorge" unterhalten, geraten auch die Ausführungen von Bienert in ein schiefes Licht. Und dieses "schiefe Licht" hört auf den Namen: Widerspruch zwischen Theorie und Praxis.

Also unterstellen wir mal: Bienert habe da die "ideale Theorie" aus der Sicht seiner Organisation beschrieben. Und fragen dann weiter. Wie sehen deren Details aus?
Nun, im Jahre 1952 veröffentlichte er erstmals sein Buch mit dem Titel: "Krieg, Kriegsdienst und Kriegsdienstverweigerung nach der Botschaft des Neuen Testaments" Im Jahre 1985 wurde diese Schrift dann erneut wieder aufgelegt.

Eine seiner Thesen lautet:
"Der Hauptmann, der das mit der Exekution beauftragte Kommando führte, ist angesichts des Kreuzestodes Jesu sogar gläubig geworden ... Es wird uns aber nicht berichtet, daß dieser Hauptmann oder diese Soldaten nach ihrem Gläubigwerden ihren Soldatenberuf aufgegeben hätten ... Dasselbe gilt bereits von dem Hauptmann zu Kapernaum, dessen Glauben von Jesus hervorgehoben wird ... Damit hat Jesus anerkannt, daß der Soldatenberuf notwendig ist (zwar nicht für das Reich Gottes, aber für andere Zwecke ... Durch das Kreuz Christi ist daher der Krieg nicht aufgehoben und der Soldatenstand nicht abgeschafft. Es muß auch nach dem Kreuzestod Jesu eine bewaffnete Macht geben, die verpflichtet ist, die Aufträge der Obrigkeit notfalls mit Gewalt durchzuführen."

Dies ist seine Grundsatzthese. Bezüglich zu klärender Details meint er dann weiter:
"Nun ist es aber nicht nur denkbar, sondern eine immer wiederkehrende Erscheinung, daß ein Staat sich auch für andere Zwecke als die des Strafens der Bösen der Gehormsamspflicht seiner Untertanen zu bedienen sucht. Der Staat wird immer bemüht sein, auch einen Angriffskrieg als 'Verteidigungskrieg' zu tarnen, schon um damit die Legalität seines Handelns zu behaupten und um die moralische Kraft seiner Untertanen mit heranzuziehen. Eine solche - etwa durch einen Angriffs- oder Eroberungskrieg - über ihre Befugnisse hinausschreitende 'Obrigkeit' ist eben dadurch schon nicht mehr 'von Gott verordnete Obrigkeit', ist von Gott abgefallene, sündige Obrigkeit, die dem Satanas dient. "
Weiter Bienert dann:
"Die Entscheidung darüber, ob ein Angriffskrieg oder ein Verteidigungskrieg vorliegt, hat der Christ in seinem eigenen Gewissen zu treffen. Gerade hier aber steht der Christ meist vor unlösbaren Problemen. Schon angesichts der Tatsache, daß Kriege provoziert werden (durch wirtschaftliche Mittel, durch Ehrverletzung, durch Aufreizung, durch Propaganda, durch Bündnissysteme usw.), kann der Christ in seinem Gewissen keine Gewißheit erlangen, wer wirklich der Angreifer und wer der Angegriffene ist. "

Seinen beschriebenen Konflikt meint Bienert dann mit dem zweideutigen Spruch lösen zu können:
"Auf das Verhältnis zum Staat und Kriegsdienst übertragen heißt das: Der Gläubige soll in Zweifelsfällen lieber der Kriegsdienstforderung seines Staates nachkommen, als aus eigener ungewisser Beurteilung heraus den Staat verurteilen und ihm den Gehorsam verweigern ... Die befehlenden Staatsmänner tragen dann die Verantwortung für das, was sie tun und was ihre Untertanen in Ausführung der staatlichen Befehle tun."
Der Grunddissenz, etwa zu den Zeugen Jehovas, liegt auch darin: Bienert akzeptiert die Existenz weltlicher Staaten. Er stellt sie nicht unter das Verdikt eines "unmittelbar bevorstehenden Harmagedons". Weil er ihnen also eine wie auch immer zu bemessende Existenzfrist zubilligt, stellt er sie nicht grundsätzlich in Frage. Sucht demzufolge in sich anbahnenden Konfliktsituationen nach einem Interessenausgleich. Ob man über seine angebotene Lösung "glücklich" ist, kann man wohl mit Fragezeichen versehen. Gleichwohl ist sein Ansatz durchaus mit bedenkenswert.



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