Geschrieben von + am 09. Dezember 2007 00:04:
Als Antwort auf: Re: Tagebuch eines Toten - Fronturlaub geschrieben
von + am 08. Dezember 2007 00:26:
Ein Granatloch an dem anderen.
Der grüne Rasen ist verschwunden, verschwunden ist der kleine Wald, der hier stand, nur
Erde und Steine, Loch an Loch ist zu sehen.
Und ununterbrochen sausen Granaten hernieder und wühlen das Erdreich auf.
Fürchterlich hat hier unsere Artillerie gewütet.
Der Boden ist wie umgepflügt.
Das Tal vor der Höhe liegt unter ständigem Sperrfeuer der Franzosen.
Tag und Nacht donnern die Kanonen.
Keiner traut sich hinunter, um Lebensmittel zu holen.
Dann kommt, dass wir von unserer eigenen Artillerie Feuer erhalten, besonders von 21 cm
Geschossen.
Am Abend tobt ein Handgranatenkampf der 27er und der neben uns liegenden 96er gegen die
Franzosen.
Ich komme in ein Französisches Dorf.
Hier bekam ich von Euch die bestellten französischen Schriften.
Des Nachmittags gings nun gleich ans Verteilen von Haus zu Haus.
Die Leute sahen mich erst etwas schüchtern an, als ich ihnen aber das Blatt hinreichte
und sie fragte, ob sie es lesen könnten, nickten sie mir freundlich zu und nahmen es
dankbar entgegen.
Dabei finde ich ein Haus vor, das sauber ist und in dem mich in der Diele eine junge
Frau mit guten Manieren begrüßt.
Mme. Madeleine Pierga führt mich in zwei große, sehr wohnlich eingerichtete Zimmer, die
ich für unsere Kompanie hergerichtet lasse.
Überall, in Vasen und Schalen, prangen Blumen, eine Glastür führt von dem zu ebener
Erde liegenden Wohnzimmer nach dem Garten.
Die Hausfrau, deren Gatte bei Verdun gegen uns kämpft, stellt mir ihr Söhnchen Ro-Ro
(Robert) vor, und auf die Frage nach dessen Alter stellt sich heraus, dass er heute 2
Jahre alt wird.
Das ist ein Grund zu einem Geburtstagskaffee, zu dem ich die Mutter und Lt. Knoch
einlade, zu dem Mme. den Kaffee amerikanischer Herkunft liefert.
Knoch ist gleichfalls glänzend untergebracht bei einer Frau Oenstreicher mit Tochter und
bringt von da eine Torte mit, gebacken von amerik. Mehl.
In diesem herrlichen Neste, in dem das ganze Btl. dank strengster Disziplin in bester
Harmonie mit den Einwohnern bleibt, verleben wir schöne Stunden.
Nur der dauernde Donner der Geschütze vor Verdun verrät den Krieg.
Offze. und Mannsch. erholen sich bei knappem Dienst sichtlich.
Täglich wird das Werfen von Handgranaten geübt, in dem wir alle eine große
Fertigkeit erlangen.
Nachmittags mache ich bei schönstem Wetter Ausritte nach Joppécourt, wo der schwäbische
(Leonberger) Landsturm Bier verzapft, oder nach Fillières oder nach der Moulin au Bois
bei Serrouville.
Am Morgen darf ich im Caillette-Wald in vorderster Linie unsere armen Verwundeten besuchen
und einen Gottesdienst abhalten.
Vor einigen Tagen empfing ich Eure liebe Sendung von 6 schönen Friedenskarten, und bitte
ich Euch, mir noch 2 weitere Serien, sowie auch 12 Exemplare des letzten Wachtturms zu
senden.
Ich lege einen Zweimarkschein dem Briefe bei, da es der schnellste Zahlungsweg aus dem
Felde ist.
Leider kann ich darüber hinaus nicht den Abonnementspreis für das vergangene Jahr und
auch für das laufende Jahr einsenden.
Ich sende jeden Groschen meines Löhnung nach Hause.
Im Schützengraben verschenke ich etliche Photo-Drama-Bücher; da kam ein Kamerad zu
mir und sagte, so ein Buch besitze er schon.
Ich fragte ihn, wo er es gekauft habe.
Er sagte, ein Feldgeistlicher habe es ihm geschenkt, bei welchem er einige Zeit Bursche
war.
Ja das Wort der Wahrheit dringt durch die Finsternis und beginnt immer heller und heller
zu leuchten.
Der Herr führe und leite uns nach seinem Wohlgefallen.
Ich veranstalte noch eine italienische Nacht im Garten, dann geht's mittags wieder los
nach vorn.
Wir marschieren über Landres nach Amel, wo wir stark durchnässt abends anlangen.
Es sind fast nur noch Ruinen von dem Dorfe übrig.
In der Nacht regnets an allen Ecken rein.
Da die Telefonleitungen täglich zerschossen werden (an einem Tag beispielsweise ein
einziger Strang 18 mal), so ist ein Relais-Postendienst zwischen Dieppe und vorderster
Stellung eingerichtet, so daß selbst im stärksten Sperrfeuer schriftliche Meldungen und
Befehle nach vorn kommen.
In Dieppe kommt der Rest der Komp. in Kellern unter.
Es ist ein böser Ort, der Tag und Nacht im im schweren Feuer liegt.
Sehen lassen darf sich niemand.
Grunwald und ich kommen in einen mit Steinen eingedeckten kellerartigen Unterstand unter,
der in einem Hause liegt. Früh räumen wir den Raum sauber ein, so daß der Aufenthalt
erfreulich wird.
Nachdem das schwere Werk geschehen, beginne ich an einer Skizze, die einen Blick durch das
Dach der Häuser darstellen soll.
Während des Zeichnens muß ich mehrfach mit schnellen Satz in den Unterstand springen,
weil unmittelbar neben dem Hause die Granaten einschlagen.
Plötzlich wirds im Dorf lebhaft, dicht vor uns neben meinem Hause lagerte
Artilleriemunition sowie Kartuschen.
Diese war durch Volltreffer in Brand geraten und explodierte mit Heulen und Zischen.
Grunwald zieht mich zu dem Unterstand, wir überlegen gerade, was zu tun sei, als ein
ungeheurer Knall ertönt und die Tür wie ein Blatt Papier in den Raum fliegt, dahinter
Rauch und Staub, sodaß wir kaum Luft bekommen, alle Lichter sind aus.
Ich werfe den Blick vor die Tür und sehe ein Bild grenzenloser Verwüstung: ein
Volltreffer war vor der Tür eingeschlagen.
Als bald darauf ein zweiter Schlag erfolgte, hauen wir ab, querfeldein, in
Hausschuhen und Hemdsärmeln.
Wir beziehen für die nächsten Tage in einem bombensicheren Artillerieunterstande.
Die Komp. ist übrigens die 4 Tage lang nicht untätig, sie trägt jede Nacht
Pioniermaterial und Munition nach der vordersten Stellung.
Der Feind schießt stundenlang stärkstes Trommelfeuer und gast uns außerdem ein; unsere
Keller werden eingeschlagen, einige Kompanien werden obdachlos; ziemlich starke Verluste.
Meine Kp. bewährt sich hier vortrefflich, indem sie ungeachtet des enormen Feuers alle
Aufträge ausführt.
An Verlusten hatte die Komp. bis jetzt 1 Toten und mehrere Verwundete durch Verschüttung.
Nachts rückt das Btl. wieder in die vorderste Stellung ein.
Der Franzose hat uns besser gefasst und trommelt unsere Unterstände ein.
Obgleich 12./3 wieder in Stellung C liegt, hat sie doch Verluste, so bei Ablösung der
Uffz.-Posten 1 Toten, 3 Verwundete.
Außerdem wird beim Beerdigen eines Mannes ein Krankenträger verwundet.
Die 9., 10. und 11. Komp. haben schwere Verluste, weil ihnen mehrere Stollen eingeschlagen
werden.
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Wachtturm 15. 7.1978
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Seite 15 Abs. 18-19 Das Christentum und die Merkmale der wahren Religion
Sie wurden Soldaten, als sie keine Christen mehr waren
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