Geschrieben von + am 07. Dezember 2007 00:08:
Als Antwort auf: Re: Tagebuch eines Toten - Liebesbriefe
geschrieben von + am 06. Dezember 2007 00:03:
Verdun, was für ein furchtbares Wort!
Wer zählt die toten Leiber, jung und hoffnungsvoll, lassen sie ihr Leben.
Jetzt verwesen die Gebeine irgendwo, zwischen Stellungen, in Massengräbern, auf
Friedhöfen.
Es ist Nacht.
Ich liege unter meiner Zeltbahn; neben mir am Waldesrand schleudern unsere 21-cm-Mörser
ihre vernichtenden Geschosse, zirka 3 Kilometer weiter tobt das Gewehrfeuer der
Infanterie.
Schon das Anhören lässt mich erschaudern.
Schlafen kann ich nicht.
Ein knistern in meiner Tasche, der letzte Wachtturm, der Verkünder der Gegenwart Christi
macht mich völlig munter.
Verdun, was für ein hässliches Wort!
Ich krieche morgens aus einem Granatloch (viele sind ganz voll Wasser), und sehe im hellen
Sonnenschein die Türme des Douaumont oder eines anderen Forts, die ihre Augen drohend ins
Hinterland richten.
Ich habe Schüttelfrost, wenn ich meine Blicke rundum schicke.
Hier hat der Tod seine Knochensaat ausgesät.
Die Front wankt, heute hat der Feind die Höhe, morgen wir, irgendwo ist hier immer
verzweifelter Kampf.
Eben noch freue ich mich der warmen Sonne, höre ich es schon irgendwo brüllen und
heulend herankommen.
Dahin sind alle Träume von Frieden und Heimat.
Ich bin ein Wurm und kralle mich in das tiefste Loch.
Trommelfelder-Schlachtfelder, auf denen nichts zu sehen ist als ersticken der
Qualm-Gas-Erd-Klumpen- Fetzen in der Luft, die wild durcheinander wirbeln: das ist Verdun.
Verdun. Verdun! VERDUN welch Hölle.
Weshalb ist dieser Krieg?
Warum sollen wir das Leichte unserer Drangsal nicht wirklich gern ertragen, da doch Gott
so barmherzig, getreu und gütig ist?
Gewiss mag es Gottes Absicht sein, uns, die wir im Felde stehen besonders die göttlichen
Tugenden der Barmherzigkeit der Liebe, des Mitgefühls usw. hier im Felde erlernen zu
lassen.
Am Morgen stellte sich heraus, dass noch ein weiterer Verlust vom Tage zuvor zu
verzeichnen war.
Am Abend vorher war eine Gasgranate im Bereich der Komp. eingeschlagen, so daß sich die
Mannschaft vorübergehend der Gasschutzmasken hatte bedienen müssen.
Bei Tagesanbruch fand man nun den L.R. Fritz Matthar in seinem Stollen tot vor.
Er war an Gasvergiftung gestorben.
Seltsam.
Er hatte seine Gasmaske nicht einmal versucht aufzusetzen.
Allmählich klärte sich der trübe Himmel wieder auf und die feindl. Flieger- und
Artillerietätigkeit setzte stärker ein.
Pausenloses Einschlagen und Abfeuern der Geschosse.
Infolge davon fielen am Abend noch der Gefreite Pelz und Musk.
Um 12 ½ Uhr endlich wurde die Kp. von der 12./118 abgelöst.
Oder zumindest das was von der Kp. noch übrig war.
Allein bei der Ablösung betrugen die Verluste 6 Tote und 25 Verwundete.
Es ist mein Herzenswunsch recht tapfer zu kämpfen gegen die Mächte des Bösen.
Uns können die Feindgeschosse nicht schrecken denn der Herr hat uns Zeit und Ziel gesetzt
in seiner Gnade; seine Ehre dürfen wir rühmen.
Nach ihrer Rückkunft wurde die Mannschaft sofort mit Lebensmitteln versorgt und begab
sich zur Ruhe.
Es ist mir eine Freude euch wissen zu lassen das mich der Wachtturm und der Brief An
die Brüder im Felde erreichte.
Mit welchem Verlangen ich Euren sendungen entgegensehe.
Es ist für mich ein Festtag und ein Tag besonderer Gnade, wenn ich etwas erhalte, das nur
schon den Stempel Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft trägt.
Abgesehen von kleinen Appellen verblieb der Tag den Leuten zum Ausruhen.
In der Frühe um 05.30 marschierte die Kp. vom Waldlager ab nach dem Bahnhof Vilosnes.
Dort wurde sie nach Stenay verladen, wo sie um 08.00 eintraf.
Nach kurzer Ruhepause trat sie den 12 km langen Fußmarsch nach der Ortsunterkunft
Landrécourt an und kamen dabei über ein Schlachtfeld.
Ein Marsch über Leichenfelder.
Ich musste bei dem traurigen Anblick an die vielen Verheißungen denken.
Was für ein Jammer und Elend hat doch die Sünde in die Welt gebracht, aber welch eine
Segnung steht der Menschheit auch bevor.
Ein Jammerbild zeigt sich hier im Dorf als Gefangene durchgeführt wurden.
6000 wurden hier durchgeführt.
O welch ein Jammer!
Man sah von allen Seiten zusammengelaufene Flüchtlinge, Wagen mit Frauen und Kindern,
Männern, die Kühe vor sich her treiben.
Ich habe so etwas noch nie gesehen.
04.00 nachmittags wird das Dorf von den Franzosen stark beschossen, wobei die Kp. 4
Verwundete und 1 Toten hat. Wegen der Beschiessung wird das Dorf geräumt und das Btl.
bezieht Unterkunft im Waldlager Penardwald.
Ich beschließe gegen 01.00 nachts, mit Christinecke um halb vier morgens dem
Jammerkeller zu entfliehen und nach Morgemoulin zu laufen. Vor erschöpfung falle jedoch
in einen tiefen Schlaf und wache erst um halb sechs auf. Draußen wütet wie immer heftig
das französische Sperrfeuer. Es nutzt aber nichts, wir müssen weg, der Keller ist zu
voll. Wir springen von Trichter zu Trichter, kommen durch die alte Weinberg-Stellung
hindurch und legen etwa noch 1 km im Marschmarsch zurück. Das linke Bein, das inzwischen
ziemlich stark angeschwollen ist, schmerzt zwar sehr, doch tut es noch seine Dienste.
Gestern waren wir wieder an unserem Bestimmungsort angelangt, ich war aber sehr abgespannt
mithin konnte ich erst heute meinen Bericht beenden.
Der Feind gräbt sich unter unsere Schützengräben.
Er treibt Stollen unter der Erde, unterminiert komplette Schützengräben um sie dann
abschnittsweise in die Luft zu sprengen.
Menschenschlachten.
Ja Gott sei Dank das diese Tage verkürzt werden.
Unter den Truppen habe ich schon recht viele Bibelforscher verteilt.
Gott möge seinen Segen dazu geben.
Für mich ist die Wahrheit alles, und ich bin bereit, für sie zu sterben.
Sollte es sein das ihr nichts mehr von mir höret, so lasset uns noch inbrünstiger werden
im Gebet und Flehen für einander.
Lebet wohl in dem Herrn, und in der Macht seiner Stärke.
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Wachtturm Juni 1915
Seite 95
Wachtturm 15. 4.1996
Seite 13 Warum die verweltlichte Religion ihr Ende finden wird
der Krieg und die Religion.
Wir mögen den Beweis dafür schon in den Kirchen am Ort gesehen haben.
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