Re: Tagebuch eines Toten - Liebesbriefe


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von + am 06. Dezember 2007 00:03:

Als Antwort auf: Re: Tagebuch eines Toten - Feldgeistliche geschrieben von + am 05. Dezember 2007 00:00:

Liebste Melanie!
Mein liebstes kleines Vögelchen!

Hätt’ ich Flügel wie ein Vogel flöge ich weit weg mit Dir
an den Ort, wo böse Menschen könnte nicht mehr schaden Dir.

Da Ihr so sehr durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogen worden seid, indem alle Männer vom Hof zum Militärdienst eingezogen wurden und nun die ganze Arbeitslast auf Euch die Ihr zurückgeblieben seid, liegt, seid versichert, dass ich in allen Euren Anliegen herzlich Anteil nehme.
Schreib so oft du kannst!
Die Ungewissheit ist das Schlimmste.

Liebstes Vögelchen!

Wenn ich Fronturlaub bekomme möchte ich um Deine Hand anhalten.
Mein Urlaubsgesuch habe ich schon eingereicht!

 

Zum dritten Male durfte ich durch des Herrn Gnade Deinen lieben Brief mit dem Schreiben „An die Brüder im Felde“ empfangen.
Dank unserem lieben himmlischen Vater, für die herrlichen Worte des Trostes und der Erquickung.
Heute hatte die Kp. außer Kranken keine Verluste, weil hier auf dem Graben fast kein Feuer lag. Hier konnten jeden Tag Post und Lebensmittel herangeschafft werden.

Wie notwendig für einen jungen Kreuzsoldaten die gute Belehrung und Ermahnung ist, um im Kampfe wider die Sünde, das Fleisch und die Listen der Welt und des Satans festzustehen und nicht von seinem Platze zu weichen, darf ich besonders wertschätzen.
Wir sind nun unserem Pionierzug zugeteilt. Gehen mit den Apparaten in Stellung und gehen sofort daran, Stände für die Apparate zu bauen und uns einzuschießen.

Die Franzosen beschießen uns mit schweren Minen.
Wir geben Schnellfeuer auf die franz. Sappen und Gräben.
Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie einem dabei zu Mute ist.
Viel, viel könnte ich Dir erzählen, aber das geht nicht.
Das erzählt sich besser persönlich.
Weißt Du, so mit Dir auf den Knien, in den Armen.
So manches möchte ich berichten.
Erfreuliches und (oft weit mehr) Unerfreuliches.
Alles das aber würde als Geschriebenes eine Gefahr bedeuten.

Vormittags ziemlich ruhig. Nachmittags begannen die Franzosen die Stellungen und Laufgräben mit Schrapnells abzutasten. In der Nacht schanzte wieder ein Zug, während der Rest der Kompanie Material nach der vorderen Linie trug.

Natürlich fehlt auch der Geruch des Krieges nicht.
Das Leben ist etwas unregelmäßig, z. B. haben wir uns schon vier Tage nicht waschen können.
Warum ist auch nicht wichtig.
Von der großen Kriegslage weiß ich nichts zu berichten, da wir soweit nicht orientiert sind. Ich glaube, wenn wir hier fertig sind, ist auch der Krieg soweit abgeschlossen.
Unsere Komp. marschiert nach dem 5 km entfernten Städtchen Étain (Woëvre- Ebene) zum Baden und Entlausen.
Gegen Abend sind wir im Kriegskino.
Dabei geraten wir unter Fliegerbeschuss.
Zwei Unteroffiziere fallen. Sie verbrennen bei lebendigem Leib. In der Kompanie ist Gefreiter Samer, verwundet.

Gehen wieder in Stellung. Wir beschießen mit Erfolg franz. Sappen und legen abends Sperrfeuer vor die feindlichen Gräben. Es ist in der Stellung jetzt erträglicher wie früher. Wir erhalten auf unsere Gräben wenig Artilleriefeuer.

Vielen, vielen Dank für die Zusendung der beiden Wachttürme Mai und Juni.
Stehen wir doch durch den Wachtturm in enger Fühlung miteinander und dürfen aus ihm, durch die Gnade des Herrn, die herrlichen Grundwahrheiten schöpfen als Speise zur rechten Zeit.
Der Krieg muss ja mal zu Ende gehen!

Rücken in Reservestellung nach der alten deutschen Stellung bei Cuisy. Hier tragen wir nachts Munition nach vorn.

Unser Stoßtrupp streift heute mal in der näheren Umgebung herum; Tilla-Wald, Orne-Grund, Amel-See bis zu den Dörfchen Amel und Senon. Im Feldlazarett zu Amel besuchen wir einige verwundete Kameraden. Auf dem Rückweg nehmen wir im Amel-See herrliche Schwimmbäder. Später haben wir bei Durchquerung eines Waldes Gelegenheit, eine in guter Deckung stehende schwere Batterie in Tätigkeit zu sehen. Diese soll die Aufgabe haben, die vom Feinde besetzten Forts Souville und Tavannes zu beschießen. - In wenigen Minuten ist der Granatenkoloß in das Rohr geschoben, die Zielrichtung genommen, und auf den Befehl „Feuer“ dröhnt die Erde zu unseren Füßen. Die Kanoniere machen beim Abschuß den Mund auf und halten sich die Ohren zu, damit das Trommelfell nicht platzt. Wir tun das gleiche. Mit einem unheimlich fauchenden Todesgesange, fährt das Geschoß, wie einige Sekunden sichtbar und hörbar, am Himmel dahin. Die Einschläge aber gehen im Getöse der Verdun-Schlacht unter.

Nachts geht es in Ruhestellung ins Waldlager, wo wir Wege bauen.
Auch das Waldlager wird jetzt oft beschossen und hauptsächlich durch Bombenwurf feindlicher Flieger nachts beunruhigt.

Am heutigen Sonntagmorgen marschiert unser II. Btl. unter Major Schönian nach dem Städtchen Étain, wo ich vor einigen Kameraden Gottesdienst abhalten kann. Bei dem Feldgottesdienst wirkt eine richtige Militärkapelle mit. Da es heute abend wieder in Stellung geht, so schreiben wir noch schnell einen Gruß nach der lieben Heimat. Am schönen Sonntagnachmittage wird noch ein kleiner Spaziergang in dem nahen Wald gemacht. Denn wer weiß ob wir diese herrliche grünende Natur mit dem munteren Vogelgezwitscher einmal wiedersehen können. Denn da vorn ist ja nur alles Schlamm und Trichter. Auch in einer Kantine wird noch eingekehrt. Hier erfrischen wir unsere Kehlen noch mal mit gutem Bier.

Den ganzen Tag über fand starkes Artillerieduell statt. Abends ging ein Zug vor und begann 200 m hinter der vorderen Linie einen neuen Reservegraben anzulegen.
Ob die noch nicht bald genug Krieg haben? Mit Schlafen kommen wir gar nicht mehr bei; aber das macht nichts, die Hauptsache, es geht mit Gottes Hilfe gegen die Feinde Deutschlands vorwärts.

Während am Vormittag schönes Wetter herrschte, setzte zum Nachmittag Regen ein. So wie tags zuvor fand wieder eine Beschießung der Stellung und des rückwärtigen Geländes durch Schrapnelle statt. Nachts um 00.30 wurde unsere Ablösung durch die 9. Kompanie bewerkstelligt. Ohne Verluste kam die Kompanie zurück und traf bei Tagesanbruch im Waldlager 3 bei Brieulles ein.

Gerne und immer gedenke ich Eurer im Gebet mit Flehen zu unserem Vater im Himmel, dass er durch Eure schwache Kraft mächtig wirken und Eure Arbeit reich segnen möge.
Mit Freuden wollen den Weg vollenden den wir durch des Herrn Gnade angefangen haben und ihn im Glauben vertrauen, mag kommen, was da will.
Das soll jeden Tag unsere Losung sein.
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei allezeit mit uns allen.

In herzlichster Liebe seit tausendmal gegrüßt Du meine Liebste und alle Lieben daheim.

=========================================================

Wachtturm Februar 1915

Seite 18

Mit Gottes Hilfe gegen die Feinde Deutschlands.

Wachtturm 1. 7.1976

Seite 396

„Sie kamen an die Front, um unsere Waffen zu segnen, und gebrauchten die Kanzeln als Werbezentren für die Armee. Am Ende des Krieges wechselten sie den Kurs. Das, was sie zuvor unterstützt hatten, verurteilten sie nun, um bei der Siegerseite gut angeschrieben zu sein. Für mich war diese schamlose Heuchelei mit wahrem Christentum nicht zu vereinbaren.

 

Gewidmet einer kleinen Prinzessin am Wegesrand


ZurIndexseite