Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren ("Goldenes Zeitalter" 1. 9. 1937)


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 29. September 2007 14:34:31:

Als Antwort auf: Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren ("Goldenes Zeitalter" 15. 8. 1937) geschrieben von D. am 31. August 2007 08:10:32:

"Wir dachten einmal, der Herr würde vielleicht die Herzen einiger weltlich Reichen berühren, und sie würden eine Menge Geld beisteuern und so die finanzielle Kraft zur Ausbreitung seiner Botschaft der Wahrheit mächtig vergrößern. Nun aber sieht Gottes Volk, dass eine solche Erwartung unrichtig war" (Rutherford in „Rechtfertigung" Bd. II S. 277).

Diese Worte enthüllen dann doch wohl eine gewisse Enttäuschung.
Namentlich angesichts Rutherford's kostspieliger Radio-Ambitionen wollen jene Stimmen einfach nicht verstimmen, die da fragen. Wie lief das im Detail ab? Konnte die zu Rutherford's Zeiten doch ausgesprochene Unterklassen-Religion wirklich aus eigenen Mitteln die dafür notwendig hohen Beiträge aufbringen? Oder war es nicht vielmehr so, dass sie da von interessierter Seite finanziell mit unterstützt wurde. Ein Name taucht da immer wieder auf: Rockefeller.

In der zeitweilig in der Schweiz erscheinenden WTG-Zeitschrift „Jehovas Jugend" gibt es eine Ausgabe welche den amerikanischen Automobilkönig Henry Ford in einer Weise als „Tugendheld" und Vorbild bejubelt, dass einem gelinde gesagt, beim lesen dieser Auslassungen schlecht werden kann. Just im Anschluss daran gibt es die nebulöse Aussage, Rockefeller habe einer von ihm einst geförderten Kirche, mitgeteilt. Sie müsse zukünfig ohne solche Förderung von seiner Seite auskommen.
Um welche Kirche es sich da handelte, lässt „Jehovas Jugend" allerdings im Dunkeln. Es kann eine andere, außer der WTG sein. Aber damit ist noch keineswegs ausgeschlossen, dass auch die WTG - zumindest zeitweise - zu den von Rockefeller Mit-Begünstigten gehört.

„Jehovas Jugend" schreibt in der Redaktion von Franz Zürcher in ihrer Nummer 38:

„Als Ford im Dezember 1920 seine Fabrik schloss, triumphierte die Hochfinanz darüber, dass er nun sicher am Ende seiner Kraft angelangt sei. Bald darauf erhielt er von ihr das Anerbieten eine Anleihe von 50 Millionen anzunehmen und so sein Unternehmen zu „retten".
Ohne weiteres würde dieses listige Anerbieten zur größten Überraschung der Hochfinanz abgelehnt. Bald darauf bekam Ford Rohmaterial zu den Preisen, die er wünschte, weil man froh war, das er endlich wieder einkaufte. Henry Fords Unternehmen ist ein schlagender Beweis dafür, dass bei intelligenter Führung des Betriebes, auf einer weniger selbstsüchtigen Grundlage als der allgemein üblichen, der Fabrik dem Arbeitern und auch den Käufer enorme Vorteile erwachsen gegenüber den Unternehmen, deren Basis Gewinnsucht ist.

Ist Henry Fords Prinzip der „Dienstleistung" vielleicht das Mittel, welches überall angewandt die Weltkrise beheben könnte? Ist sein Prinzip tatsächlich die goldene Regel, die wie ein Zaubermittel alle Schwierigkeiten beseitigt und das langersehnte bringt? Existiert ein solches Mittel überhaupt?

Eine solche Regel gibt es in der Tat, und ganz klar aufgedrückt heißt sie: „Alles was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollt ihr ihnen tun."
Du wünsches selber nicht Übervorteilt, sondern gerecht behandelt zu werden, darum verkehre du zuerst mit den andern, wie du wünschest, das er mit dir verkehren soll. Was hindert die Menschen daran, sich nach dieser Regel zu richten?

Die Antwort ist: Es gibt keine gerechte Entscheidung für jemand der diese Regel kennt und sie nicht befolgt. Wer es ernst nimmt, diese in Matthäus 7:12 gegebene Regel zu achten, findet das er im allgemeinen leicht und schön ist, sich danach zu richten. Dies wird bestätigt durch 1. Johannes 5:3: „Seine Gebote sind nicht schwer."
Die Zeit kommt eilends herbei, da der neue Herrscher der Erde, Christus Jesus, allen Menschen das Lebensrecht geben wird, die bereit sind dieses Gebot zu erfüllen. Für jener aber, die in Selbstsucht verharren wird es keine Existenzberechtigung geben. Im Königreich Gottes wird dann die goldene Regel in vollkommener Wirksamkeit sein, zum besten und zur Ehre Jehova, der sie gab.

Da aber Geistliche nun beginnen wirtschaftliche Lehrsätze aufzustellen, so meint Mr. Utley, sollten sie froh sein, wenn ihre Pfarrkinder von solchen Predigten fernblieben, ohne einen Kirchenskandal herbeizuführen. John D. Rockefeller jun. hat einer Kirche, die er bisher finanziell unterstütze mitgeteilt, dass sie künftig auf diese Hilfe nicht mehr zählen dürfe."
(Hervorhebung von mir).

Anmerken muss man, dass es dieselbe Ford-Lobhudelei noch in einer weiteren Ausgabe von „Jehovas Jugend" gibt, der sogenannten „Probenumer". Dort ist der Rockefeller-Passus allerdings nicht enthalten. Er wurde ofenbar eigens in der Nr. 38 hinzugefügt. Mit der Nr. 39/40 bendete „Jehovas Jugend" auf Geheiss von Rutherford, dann ohnehin ihr weiteres Erscheinen.

In diese Indizienkette reiht sich dann auch das agieren im Schweizer Bibelforscherprozess der Jahre 1924/25 ein. Namentlich abgestellt auf den Urheber diesbezüglicher Anwürfe, Herbert v. Bomsdorff-Bergen. Und wie in Zuschriften selbigen an die „Münchener Katholische Kirchenzeitung" dokumentiert. Bomsdorff wich nicht einen Milimeter von seinen für die WTG ehrenrührigen Unterstellungen ab. Die WTG bei ihrer juristischen Gegenoffensive - hat dann faktisch - Bomsdorff-Bergen außen vor gelassen.

Was den eingeknickten Verleger des Bomsdorff anbelangt, der in der Tat mit der WTG einen Vergleich abschloss (dessen finanzielle Kosten zudem noch die WTG trug), so lässt Bomsdorff in seiner Zuschrift an die „Münchener Katholische Kirchenzeitung" auch kein gutes Haar an dem, bezichtigt ihn zudem einer kriminellen Vergangenheit. Schon allein das hätte für den Verleger Grund genug sein müssen, sich zu wehren. Er liess aber alle ehrenrührigen öffentlichen Anschuldigungen auf sich sitzen.
Das war den wohl auch der geeignete Partner für die WTG.

Nun hat man zwar zu konstatieren. Ein dokumentenmäßiger Beweis für die Behauptung einer (zeitweiligen) Fremdfinanzierung der WTG ist bis heute nicht geliefert worden. Gleichwohl ist es unstrittig, dass der späte Rockefeller massiv in die religiöse Szene hinein investierte. Allenfalls ist bestreitbar. Wer Nutznießer und wer eben nicht.
Eingangs genanntes Rutherford-Zitat belegt aber auch, dass solche Finanzspritzen nicht an sich den Status eines „Dauerzustandes" erreichten. Bekam da einer mal was, und später trocknete die Quelle aus, dann kann man eine diesbezügliche Enttäuschung durchaus nachvollziehen.
Registriert der so Enttäuschte, von dritter Seite gibt es eine hämische „Abrechnung" mit dem einstigen Wohltäter, kann man es auch nachvollziehen, dass selbige als interessant eingestuft wird. Man spricht ja keine eigenen Werturteile aus. Man zitiert einfach nur.

Ein solcher Fall liegt meines Erachtens in der Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. September 1937 vor. Da wird ein Rockefeller bezüglicher Artikel aus einer anderen Zeitschrift („Der öffentliche Dienst") zitiert.

Bereits in seiner Ausgabe vom 15. 9. 1933 hatte das „Goldene Zeitalter" notiert:
„Seitdem sich John D. Rockefeller sen. im Jahre 1898 vom geschäftlichen Leben zurückgezogen hat, hat er etwa sechshundert Millionen Dollar verschenkt; aber sein Vermögen vergrössert sich schneller als er es wegbringen kann."

Eine zwingende Notwendigkeit, einen neueren Artikel in Sachen Rockefeller auch der Leserschaft des „Goldenen Zeitalters" zur Kenntnis zu bringen, bestand sicherlich nicht. Nun kann man die Motivation der GZ-Redaktion dafür sicherlich unterschiedlich deuten. Das sei nicht in Abrede gestellt. Lassen wir die Frage also einstweilen unbeantwortet. Zitieren wir einfach das, was das GZ in Sachen Rockefeller seinen Lesern mitteilte:

„Das Denkmal des Millionärs
Am 23. Mai 1937 ist auf seinem Landgut in Florida John Davison Rockefeller im Alter von 97 Jahren 10 Monaten und 14 Tagen gestorben. Er war ein Mann, dem die Welt viel Böses zu verdanken hat, Böses, das er durch riesige Stiftungen wieder gutmachen wollte, ein Mann, der einen einzigen, wirklich großen Glauben hatte, den Glauben an das Geld. In diesem Glauben handelte er, als er alt wurde, selbst mit Gott. Die riesigen Stiftungen des alten Rockefeller sind nichts anderes als Schweigegelder.

De mortuis nihil nisi bene. Wollte man diesem Grundsatz treu bleiben, der da besagt, man solle von Toten nichts, wenn nicht Gutes sagen, so müßte man über John D. Rockefeller schweigen ... Mit einer Rücksichtslosigkeit sondergleichen, der hervorragendsten Eigenschaft dieses Mannes, kämpfte er die andern Gesellschaften, die sich ihm nicht anzuschließen bereit waren, nieder. Mit welchen Mitteln dieser Kampf geführt wurde? Mit allen! ...

Eisenbahntarife sind zwar festgesetzt, dürfen auch nicht unterschritten werden, aber Herr Rockefeller wußte damals (1870) schon, daß es nicht leicht ist, gewissen Summen Widerstand zu leisten. Er bestach einzelne Inhaber von Bahnen. Hatte er es so erreicht, daß eine Bahngesellschaft ihm ungesetzliche Vorzugstarife einräumte, so spielte er diese Gesellschaft gegen andere aus, scheute sich auch nicht, gelegentlich ein bißchen zu drohen. Vanderbilt, der erheblichen Widerstand leistete, gewann er durch eine kleine Interessenbeteiligung an der Standard Oil. Die Standard Oil erhielt durch diese Methoden Frachtpreise, gegen die keine andere Gesellschaft aufkommen konnte.
Gewiß, es handelte sich um einen kleinen Betrug, aber wenn ein Betrug derart sicheren Gewinn abwarf, so konnte eben das Gesetz, das derartiges verbot, einfach nicht stimmen -, dachte Herr Rockefeller, und er dachte es während seiner ganzen geschäftlichen Laufbahn.

Das Auto wurde erfunden. Der Ölverbrauch stieg dauernd. Ein Transport in Fässern war nicht mehr lohnend, man mußte Rohrleitungen legen. Herr Rockefeller legte sie - neben die Schienen der Eisenbahn. Es gab Bahngesellschaften, die das nicht zugeben wollten. Aber die gab es nur kurze Zeit. Denn jetzt wurde Rockefeller rabiat. Ganze Armeen von Gangstern mietete er sich, und die Bahnlinien, die ihm das Legen der Röhren neben dem Schienenstrang nicht gestatten wollten, wurden plötzlich von unheimlichen Unfällen aller Art bedroht. Ihre Arbeiter wurden überfallen und ermordet, die Schienen wurden zerstört, Züge wurden angehalten und ausgeraubt. Die Mannen Rockefellers arbeiteten gut. Die Bahnen willigten in die Rohrleitungen ein.

Die Standard Oil hatte damit das Monopol der Ölversorgung.
Hier sehen wir das zweite Geschäftsprinzip Rockefellers, des
"königlichen" Kaufmannes: Gewalt geht vor Recht Die Welt hat es mit Schrecken erlebt... Von den 35 Millionen barrels (l barrel, zu deutsch Faß, enthält etwa 160 l Öl) Weltverbrauch lieferte die Standard Oil im Jahre 1882 mehr als 30 Millionen. Selbst für damalige amerikanische Verhältnisse waren die Geschäftsmethoden des ersten Trusts ein wenig zu gewalttätig. Von 1887 bis 1911 ist daher immer wieder der Versuch gemacht worden, den Trust gerichtlich - also de jure - zu belangen. Man hat ihn auch mehrfach aufgelöst Aber Geld ist stärker als das Gesetz. Die Herren trustees blieben zusammen, auch wenn ihre Gesellschaften "gar nichts mehr miteinander zu tun hatten".

Und die 30 Millionen Dollar, zu denen der Bundesrichter Landis, gestützt durch den Präsidenten Theodor Roosevelt, dem erbitterten Feind der Trusts (das haben die Roosevelts anscheinend so in sich), die Standard-Oil im Jahre 1907 verurteilte, sind - wenigstens bis heute - noch nicht bezahlt Aber der Satz des Bundesrichters ist gerichtsnotorisch: "Ihr verletzt durch eure fluchwürdigen Methoden die menschliche Gesellschaft tiefer als Falschmünzer und Posträuber."

Damals schon - um die Jahrhundertwende - handelte Rockefeller mit Gott.
Große Spenden wurden verteilt. Hunderttausende von Dollar. John Davison war kein junger Mann mehr, mußte Vorsorge treffen, daß er dereinst gut aufgenommen würde, wenn er im Himmel seinen Kontoauszug zeigen muß. Er spendete mit Vorliebe für Kirchen. Und da traf ihn einmal ein harter Schlag: Eine Kirche, der er 100 000 Dollar überwiesen hatte, schickte den Betrag zurück mit dem Bemerken, es könne dem Herrn nicht mit dem unreinen Geld des Ölkönigs gedient werden. ... Man wundert sich manchmal, daß die Politik der letzten 30 Jahre sich der Methoden bedient, die man nur noch als verbrecherisch bezeichnen kann. Man wundert sich nur deshalb, weil man nicht sieht, daß die Politik nichts anderes mehr ist, als die Ausführung der Befehle, die die sogenannte Wirtschaft den Staaten gibt Diese Wirtschaft aber wird in genau dem gleichen Zeitraum nahezu ausschließlich von der Ölwirtschaft beherrscht, und diese Ölwirtschaft, in der Hunderte von Milliarden investiert sind, hat immer unverkennbar die "Geschäftsmethoden" ihres eigentlichen Gründers angewandt, die Methoden des "Ölkönigs" John Davison Rockefeller. Es ist nicht zuletzt John D. Rockefeller, der in nächster Zeit die Welt in einen Krieg stürzen wird, dessen Ausmaße ungeheuerlich sein werden.

Wo er auch ausbricht - und es ist nicht gesagt, daß Europa das erste Schlachtfeld sein muß -, er wird ein Krieg, der keinen Erdteil verschonen wird, ein "Überweltkrieg" unter garantiert patriotischsten Parolen für - Öl! Denn Öl ist flüssiges Gold, und Gold ist das Hirngespinst der Menschheit, das aus Menschen Unmenschen macht.

Herr Rockefeller ist tot ... Aber seine "Idee", die er so stark gehabt hat, daß sie ihn besaß, lebt, die Idee des Öls, des Geldes, die Idee der Welt von heute. - De mortuis nihil nisi bene. Wollte man diesem Grundsatz treu bleiben, so müßte man über John D. Rockefeller schweigen. Leider, leider ist das nicht möglich, denn die Welt erntet schon dauernd die bitteren Früchte, die dieser jetzt Tote gesät hat. Und Millionen Toter erheben Anklage, Anklage von solcher Wucht, wie sie kein irdisches Gericht erheben kann, Anklage gegen John Davison Rockefeller!" (Entnommen aus "Der öffentliche Dienst" Nr. 23 - 1937 - Seite 4.)"


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