Geschrieben von X am 11. September 2007 21:23:
Als Antwort auf: Re: "GEMEINSCHAFTSENTZUG"
geschrieben von X am 10. September 2007 21:57:
Zitate:
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Brücke zum Menschen 1990/I 101/102 S.30,31
II. Bericht von einem Leben als Geächteter
Als Zeuge Jehovas hatte ich schon immer ein sehr ungutes Gefühl, was den
Gemeinschaftsentzug betrifft. Dennoch hielt ich mich in manchen Fällen an die
Vorschriften insofern, als ich mit Ausgeschlossenen keine enge Gemeinschaft pflegte
(glücklicherweise wurde auch nie einer meiner Freunde aus unserer Versammlung
ausgeschlossen). Zur Grußverweigerung konnte ich mich allerdings nicht durchringen. In
anderen Fällen hielt ich mich manchmal nicht an die Regeln der WTG. Ich suchte das wegen
der angedrohten Folgen geheimzuhalten.
Nachdem ich mich von den Zeugen Jehovas getrennt hatte, stellte ich mit Entsetzen fest,
wie sehr ich noch ,im Sinne der Organisation funktionierte'. Z.B war wenige Tage nach
meinem Schritt eine gute
(ZJ-)Freundin bei uns zu Besuch. Statt nun den Versuch zu unternehmen, mit ihr zu
sprechen, sie nach ihrer Ansicht zu dem, was ich getan hatte zu fragen oder sonst etwas
ganz Normal Menschliches zu tun, zog ich mich in ein anderes Zimmer zurück! Dadurch, daß
alle ZJ den Kontakt zu mir abbrachen, kam ich mir sehr vereinsamt vor. Unglücklicherweise
begegneten mir in dieser Zeit auch noch einige frühere ZJ-Freunde auf der Straße, die
sich wie gefordert verhielten, d.h. sie grüßten nicht. Ich kann es kaum in Worte fassen,
was diese völlige menschliche Mißachtung bedeutete, obwohl es sich nur um ganz banale,
kurze Vorgänge handelte.
Allerdings grüßten einige wenige anfangs im Vorübergehen, vielleicht automatisch. Das
erschwerte mir das Ganze aber noch: An sich hatte ich mich, nachdem ich zunächst
meinerseits reflexartig, gegrüßt hatte (zunehmend kam ich mir dabei wie ein Narr vor),
dazu entschlossen, es generell zu unterlassen. So sah es nun manchmal so aus, als wäre
ich es, der diesen Ausdruck elementaren Respekts vor dem anderen verweigern würde. Im
Lauf der Zeit hat sich dies dann so erklärt, daß inzwischen kein ZJ mehr grüßt.
Nachdem ich erfahren hatte, auch meine Schwiegereltern wollten künftig jeden Kontakt zu
mir vermeiden, bat ich meine Frau, dafür zu sorgen, daß den mir bekannten ZJ fortan
solche Situationen erspart blieben.
Das schlimmste daran ist zu wissen, daß diese Leute gar nichts gegen mich persönlich
haben, sondern auf Anordnung und in der Annahme handeln, mir damit auch noch einen
Liebesdienst zu erweisen. Der ,Gemeinschaftsentzug' soll ja u.a. dazu dienen, ,den
Übeltäter zur Besinnung zu bringen'! ....
Teil 6 (1)
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