Re: "GEMEINSCHAFTSENTZUG"


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von X am 08. September 2007 23:03:

Als Antwort auf: Re: "GEMEINSCHAFTSENTZUG" geschrieben von X am 07. September 2007 22:46:

Zitate:
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Erwachet! 8.9.1957

"Die ,New York Times' berichtete ...
Der wesentliche Charakter der Sowjetunion hat sich nicht geändert.
Sie ist noch immer eine totalitäre Diktatur, in der sich eine kleine Gruppe erfolgreich alle Macht über das sowjetische Volk anmaßt.'"
Parsimony23674
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Matthäus 7:1,2

"Hört auf zu richten, damit ihr nicht gerichtet werdet;
denn mit dem Gericht, mit dem ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden;
und mit dem Maß, mit dem ihr meßt, wird man euch messen."

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Brücke zum Menschen 1990/I 101/102 S.26,27

Seit 1981 wieder: ,härtere Gangart'

Die selbstproduzierte Krise im Anschluß an das 1975-Debakel und die im Jahr 1980 offen ausbrechenden Konflikte in der Weltzentrale der WTG in Brooklyn brachten 1981 eine völlige Wende.

Raymond Franz schreibt dazu:

,Durch den ,Watchtower' vom 15.September 1981 (,Wachtturm' vom 15.Dezember 1981) wurde das alles nicht nur rückgängig gemacht, sondern zum Teil trat sogar noch eine Verschärfung gegenüber der Situation vor 1974 ein.'
(,Der Gewissenskonflikt'
S.296).

Die Artikelserie in den Ausgaben vom 1.12 und 15.12.1981 befaßte sich erstmals seit sieben Jahren, sozusagen ,aus gegebenem Anlaß', ausführlich mit dem Thema ,Gemeinschaftsentzug'.

Im WT vom 15.12. wurde nun wieder ganz strikt bestimmt, daß es keinerlei Gemeinschaft mit Ex-ZJ geben darf (S.21/12), ebenso wurde das Grußverbot erneuert (S.23/23 u.24).

Die 1974 entwickelte Linie der Unterscheidung zwischen 2.Joh. entsprechenden und anderen Ausgeschlossenen wurde völlig aufgegeben.

Für die Verwandten außerhalb der engen Familie galt nun wieder, ,jeden unnötigen Umgang zu vermeiden und selbst geschäftliche Kontakte auf ein Minimum zu beschränken'
(S.29/19).

Neu ist die ausführliche Erörterung des Status von Menschen, die die Zeugen Jehovas von sich aus verlassen (eine in den Jahren nach 1975 akut gewordene Frage):

Sie wurden den Ausgeschlossenen völlig gleichgesetzt.

,Personen, die den Glauben und die Glaubenslehren der Zeugen Jehovas vorsätzlich verwerfen, ...sollten passenderweise so betrachtet und behandelt werden wie jemand, dem wegen seines Unrechts die Gemeinschaft entzogen wurde' (S.22/16).

Sehr deutlich wird auch denen der Gemeinschaftsentzug angedroht, die sich nicht an das Ächtungsverbot halten (S.24/25-27):

,Wenn er aber nicht aufhört, Gemeinschaft mit den Ausgeschlossenen zu pflegen, ,hat er an den bösen Werken teil' ...und muß aus der Versammlung entfernt oder ausgeschlossen werden' (S.25/27).

Prominentestes Opfer dieser Änderung wurde Raymond Franz, der Autor des 1974er Artikels (vgl. ,Der Gewissenskonflikt', S.296ff.).

Das neue ,Organisationsbuch'-Buch mit dem Titel ,Organisiert, unseren Dienst durchzuführen' (Erscheinungsjahr 1983) verändert daran nichts.

Erstmalig in einem solchen Handbuch wird der Begriff des ,Verlassens der Gemeinschaft' für diejenigen benutzt, die sich freiwillig von ,der Organisation' trennen, im Sinne der Regelung des WT vom 15.12.1981 (S.149).

Es wird ferner präzisiert, daß eine Berufung gegen das Urteil eines Rechtskomitees innerhalb von sieben Tagen eingelegt werden muß und daß die Berufungsverhandlung möglichst innerhalb einer Woche durchgeführt werden sollte (S.146).

Als bisher letzte größere Abhandlung zu diesem Gegenstand erschien im WT vom 15.4.1988 der Artikel ,Zucht, die eine friedsame Frucht eintragen kann'.

Gegenüber 1981 bietet er kaum etwas Neues.

Aus ihm spricht derselbe Geist rigider Ausgrenzung, ja, er enthält sogar noch eine Verschärfung der Vorschriften, wenn er Verwandten außerhalb des engsten Familienkreises nahelegt, ,so gut wie gar keinen Kontakt' zum Ausgeschlossenen zu haben, und sollte es in familiären Angelegenheiten dennoch einmal erforderlich sein, ihn ,auf ein Minimum (zu) beschränken' (S.28/14).

Wir werden am Schluß nochmals auf diese Spitzenleistung humanen Denkens zurückkommen.

Vor dem Hintergrund der Entwicklung seit 1981 muß noch von einer überraschenden Veröffentlichung im Jahr 1988 berichtet werden.

Bis dahin wurden ,ungetaufte Mitverbundene die Übeltäter sind', wie getaufte ZJ behandelt, d.h. bei einer ,schweren Verfehlung' wurde eine Komiteeverhandlung durchgeführt, die mit der Bekanntmachung enden konnte, daß ,der Betreffende nicht mehr als ein anerkannter Mitverbundener angesehen wird' (Aus: ,Organisiert, unseren Dienst durchzuführen', S.148).

Folge:

,Die Versammlung wird dann den Übeltäter genauso betrachten wie einen Ausgeschlossenen' (S.148).

Im WT vom 15.11.1988 wird zunächst der ,strikte Standpunkt' der Exkommunikation gegenüber getauften ZJ, die abtrünnig wurden, bestätigt (S.14/21-23; S.17/11).

Für die Gruppe der ,anerkannten Mitverbundenen', die nun als ,ungetaufte Verkündiger' bezeichnet wird, gilt eine veränderte Verfahrensweise:

Es wird bei ,Fehltritten' keine Komitee-Verhandlung mehr durchgeführt, sondern zwei Älteste (anstatt drei wie beim Rechtskomitee) führen ein Gespräch mit dem ,ungetauften Verkündiger' (S.18/13 u. 14).

Führt dies nicht zur Reue, wird bekanntgegeben, ,der Betreffende ist kein Verkündiger der guten Botschaft mehr' (S.19/17).

Im Gegensatz zu früher muß er aber nicht vollständig gemieden werden, sondern er wird als ,ein Weltmensch' betrachtet, mit dem ein normaler menschlicher Umgang möglich ist (S.19/18).

Eine weitere Änderung dieses Artikels betrifft getaufte minderjährige ZJ, denen die Gemeinschaft entzogen wurde.

Bestimmte der WT vom 15.12.1981 noch, die Eltern ,würden mit ihm persönlich kein Bibelstudium durchführen, bei dem er sich beteiligen könnte' (S.27/13), gilt nun nach dem WT vom 15.11.1988:

,Liebevolle Eltern können somit ein Heimbibelstudium mit ihm durchführen, selbst wenn ihm die Gemeinschaft entzogen worden ist' (S.20/25).

Über den Grund dieser neuen Regelung läßt sich (wie bei allen Entscheidungen der ,leitenden Körperschaft') nur spekulieren.

Naheliegend scheint mir zu sein, daß es sich um eine Maßnahme hauptsächlich im Hinblick auf Jugendliche handelt.

Vielleicht hat man - reichlich verspätet - eingesehen , daß man bei ihnen mit der WT-üblichen Holzhammer-Pädagogik in der Regel wenig ausrichten kann.

Die neue Verfahrensweise scheint eine Gegenmaßnahme gegen den Exodus einer nennenswerten Zahl von jungen Menschen gerade in diesem Alter zu sein, die in einer Zeugen-Familie aufgewachsen sind, und die man mit dem rigiden Vorgehen oft erst endgültig verprellte.

Damit scheint sich aber kein allgemeines Umdenken in der Ausschluß-Praxis anzubahnen, sondern es handelt sich offensichtlich um einen pragmatischen Lösungsversuch für ein als problematisch empfundenes Teilgebiet bei weiter fortbestehender strenger Ausgrenzung
aller übrigen Abweichler.

Teil 4
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Steven Hassan S.194

"Eine rechtmäßig handelnde Organisation würde niemals den Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern zu verhindern suchen."


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