Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren ("Goldenes Zeitalter" 15. 6. 1937)


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 29. Juni 2007 05:38:06:

Als Antwort auf: Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren ("Goldenes Zeitalter" 1. 6. 1937) geschrieben von Drahbeck am 28. Juni 2007 07:24:40:

Ein relatives Novum ist in der Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. Juni 1936 zu registrieren. Und zwar der dortige Artikel „Die Bibelforscher vor dem Berner Obergerichte".
Eine darin vorkommende Hauptfigur, ein Herr namens Boris Toedtli. Weshalb ist von einem Novum die Rede? Nun fast hätte der es geschafft, nazistische Zeugen Jehovas-Verbotsverhältnisse zu damaliger Zeit, auch in die Schweiz zu importieren. Fast.... Erstens kam es anders, und zweitens als er dachte.

Neben Jonak, man vergleiche
Jonak
ist besonders Toedtli der „Urtypus" der katholisch-faschistischen Symbiose. Um es klar zu sagen, und das habe ich schon früher deutlich erklärt. Ich habe die miese Kreatur Toedtli in keiner Weise zu verteidigen. Und ich greife den katholischen Ex-ZJ Günther Pape diesen Aspekt betreffend auch scharf an, weil er genau das tut (den Toedtli zu verharmlosen).

Wer sich mit der WTG kritisch auseinandersetzen will (das tue ich bekanntermaßen auch), kann es auf der sachbezogenen Ebene durchaus tun. Einer Kreatur indes wie eines Boris Toedtli bedarf es dazu in keiner Weise. Auch dann nicht, wenn man zu registrieren hat, diesem Toedtli gelang es ja, führende Schweizer WTG-Funktionäre gerichtlich belangen zu lassen.
Wer den weiteren Background des Toedtli verschweigt, und genau das tut Pape, der disqualifiziert sich diesbezüglich grundlegend. In dieser Frage kann es nur ein Entweder - Oder geben.
Pape und noch mehr seine katholische Kirche, hätten da noch einiges an unaufgearbeiteter Geschichte vor ihrer Haustür zu liegen.

Da es im Falle Toedtli noch eine Fortsetzung der Gerichtsexkapaden gab, sei auf den diesbezüglich schon früher abgegebenen Kommentar dazu verwiesen.
19382Toedtli

In der heutigen GZ-Referierung, sei deshalb der genannte GZ-Artikel lediglich im weiteren kommentarlos, im nachfolgenden (etwas gekürzt), vorgestellt und dokumentiert. Die Kürzungen betreffen jene Aspekte, die nicht zwingend zum Hauptthema gehören.

Die Bibelforscher vor dem Berner Obergericht
Die II. Strafkammer des bernischen Obergerichts hatte sich am 28. Mai mit einer nicht alltäglichen Rechtsmaterie zu befassen. Dieser Prozeß ist nun nicht nur wegen den daran beteiligten Personen interessant, sondern weil es hier um weltanschauliche und grundsätzliche Fragen ging, die das heißumstrittene "alte Judenbuch", die Bibel, zum Gegenstand hatten und dazu die verfassungsmäßigen Freiheitsrechte tangierten.

Die Beklagten, die der Herabwürdigung der Religion und des Vergehens gegen das Gesetz über Schmutz- und Schundliteratur und das .Lichtspielwesen angeklagt waren, M. C. Harbeck und F. Zürcher, sind die beiden verantwortlichen Funktionäre der amerikanischen Bibel- und Verlagsgesellschaft für Jehovas Zeugen (früher Bibelforscher geheißen), die Watch Tower Bible and Tract Society. Diese Körperschaft, die seit vielen Jahren in der Schweiz tätig ...

Mit Urteil vom 26. August hatte der Gerichtspräsident IV von Bern die beiden Angeschuldigten freigesprochen, gegen welches Erkenntnis der Privatkläger die Appellation einlegte. Eingeklagt sind verschiedene Stellen der Buchreihen "Schriftstudien", "Rechtfertigung", "Licht", "Das Königreich, die Hoffnung der Welt" und eine Anzahl bildlicher Darstellungen, die in den Büchern und Broschüren der Zeugen Jehovas enthalten sind.
Zu Beginn der obergerichtlichen Verhandlung gab der Präsident des Gerichtes eine Erklärung ab: es sei in letzter Zeit der Unfug eingerissen, Fragen dem Gericht zu stellen, die nicht in die Kompetenz des Gerichtes gehörten, Fragen weltanschaulicher und historischer Natur. Es sei nicht Sache des Gerichtes, zu prüfen, ob die Zeugen Jehovas schädlich seien, ob sie Vorposten des Bolschewismus, ob sie staatsgefährlich seien u. s. w., auch nicht, ob sich der Privatkläger wirklich in seinen religiösen Gefühlen verletzt fühlen durfte; das Gericht habe lediglich zu untersuchen, ob der Tatbestand der "Herabwürdigung der Religion" vorliege oder nicht.

Wir überlassen es dem Leser, über die Richtigkeit dieser Äußerung zu urteilen, fragen uns aber, ob nicht gerade hier die Entstehungsgeschichte des Prozesses von großer Wichtigkeit sei. Bekanntlich ist in Bern noch immer der Prozeß über die "Protokolle der Weisen von Zion" hängig. Der in diesem Prozeß auf Veranlassung des Beklagten, eines Mitgliedes der nationalen Front, zugezogene Experte Fleischhauer ist der bekannte Leiter der antijüdisch-nationalsozialistischen Propagandazentrale in Erfurt (Deutschland) und steht zugleich dem sattsam bekannten U-Bodung-Verlag vor. In seinem umfangreichen Expertengutachten hat nun Fleischhauer die Behauptung aufgestellt, die Zeugen Jehovas seien die Wegbereiter der jüdischen Weltherrschaft, die verantwortlichen Leiter der Bibelforscher glaubten selbst nicht an "diesen Zauber" und benützten die Gläubigen lediglich als Werkzeuge. Auf diese Angriffe hin gaben die Vertreter der Zeugen Jehovas eine Erklärung ab: "Antwort auf die Lügentirade von Fleischhauer".
(Redaktionelle Einfügung. Dazu kann man vergleichen:
19352Fleischhauer)

Diese hatte zur Folge, daß einerseits der Experte die Verfasser dieser Erklärung wegen Verleumdung einklagte, anderseits die Leiter der Vereinigung der Zeugen Jehovas Fleischhauer einklagten wegen bewußt falscher Abgabe einer Expertise. Fleischhauer gab hierauf eine sog. "Vernehmlassung" zu den Akten, und plötzlich reicht nun ein Dritter, der heutige Kläger Tödtli, Strafanzeige ein gegen die Zeugen Jehovas wegen Herabwürdigung der Religion.

Wer ist nun dieser Tödtli, der sich in seinen heiligsten Gefühlen verletzt glaubt durch die Schriften und Bilder der Zeugen Jehovas? Dem Eingeweihten gibt schon sein
Briefkasten genügend Aufschluß:
U. Bodung-Verlag
Schweizerische Presse Korrespondenz
B. Tödtli
World Service
Welt Dienst
Wir haben schon erwähnt, daß dem U-Bodung- Verlag der Nationalsozialist Fleischhauer vorsteht; er ist aber auch Chefredaktor des "Weltdienstes". Und nun staune der Leser erst noch: Eigentümer der Schweizerischen Presse-Korrespondenz ist die im Jahre 1931 in St. Gallen gegründete Aktion: "Für Kirche und Papst"!
Hie Nationalsozialismus — hie Katholizismus! Wie ist das möglich, wird der erstaunte Leser fragen. Wir können ihm die Antwort darauf geben:

Die Beschuldigung, daß die Bibelforscher getarnte Kommunisten seien, daß sie mit den Freimaurern und Juden den gewaltsamen Umsturz der christlichen Regierungen anstrebten und auf den Trümmern der Christenheit ein jüdisches Reich errichten wollten, wurde zuerst im katholischen Bayern von deutsch-völkischen Pfarrern und katholischen Priestern erhoben.
Ein sogenannter Freimaurerbrief spielte im Jahre 1925 in einem Prozeß in St. Gallen eine unrühmliche Rolle. Es sollte mit diesem der Beweis erbracht werden, daß die Bibelforscher von den Juden finanziell unterstützt würden. Der Brief wurde vom Bezirksgericht Zürich als Beweis abgelehnt und war später unauffindbar! Aber dessen ungeachtet berufen sich der Kläger und insbesondere dessen geistige Urheber, Fleischhauer und der noch zu erwähnende Dr. Jonak, immer noch auf dieses nicht mehr existierende Schriftstück von zweifelhafter Bedeutung.

Auch in diesem Prozeß liegt wiederum ein mysteriöser Brief bei den Akten, aus dem die politische und kommunistische Einstellung der Zeugen Jehovas bewiesen werden soll. Der Brief soll von Winnipeg (Kanada) an das Bureau der Wachtturm-Gesellschaft in Magdeburg (Deutschland) im September 1936 gesandt worden sein, obschon das Bureau seit der Machtergreifung durch Hitler im Jahre 1933 von der Gestapo besetzt und geschlossen war, eine Tatsache, die jedem Zeugen Jehovas bekannt ist und sogar in den Jahresberichten aller Sprachen der Zeugen Jehovas besprochen wurde. Und trotzdem sollte ein solch wichtiges Schriftstück in dem zum ersten Mal, nach sechzig Jahren unpolitischer Tätigkeit, die Zeugen Jehovas aufgefordert werden, den "Heiligen Vater Stalin" zu unterstützen und den sozialistischen und kommunistischen Arbeiterorganisationen beizutreten, ausgerechnet an das geschlossene, von der Gestapo bewachte Bureau in Deutschland gesandt worden sein, während sich in der gesamten, in siebzig Sprachen verbreiteten Literatur von 230 Millionen Exemplaren auch gar nichts oder auch nur ein einigermaßen ähnlich tönendes, politisches Wort findet.
(Redaktionelle Einfügung. Man vergleiche zu diesem Aspekt
19382Hope)

Ist es nun Ironie des Schicksals, daß die Vertreter der Weltanschauung, die in Deutschland die Zeugen Jehovas aufs schärfste bekämpft, gerade weil sie Gott über alles, auch über den Staat stellen, nun hier in der Schweiz die Vertreter derselben Bewegung wegen Herabwürdigung der "Religion" anklagen?
Und nun zum Urteil zurück: Die beiden Angeschuldigten, die Herren Harbeck und Zürcher, wurden zu einer Buße von je Fr. 100.— verurteilt wegen Herabwürdigung der Religion und zu den Staats- und Interventionskosten der Gegenpartei; eine Widerhandlung gegen das Schundliteraturgesetz wurde verneint. Aus der nicht gerade imponierenden Begründung entnehmen wir folgendes:

Was einmal die Legitimation des Klägers betrifft, so ist zuzugeben, daß Tödtli, ehemals Mitglied der griech.-katholischen Kirche, allerdings nicht Mitglied der römisch-katholischen Kirche geworden ist, aber er ist, wie er uns versichert hat, Anhänger dieses Glaubens, eines Glaubens, der durch das bern. Strafgesetz geschützt wird; Tödtli ist also als "Verletzter" zu betrachten. So die Ansicht des Gerichts betr. Aktivlegitimation des Klägers. Wir überlassen es dem vorurteilslosen Leser, sich über diesen "juristischen Scharfsinn" einen Reim zu machen.
Hierauf geht der Präsident zur Bewertung einzelner Schriften und Bilder über, für deren Verbreitung die beiden Angeschuldigten strafrechtlich verantwortlich seien als Verbreiter und Drucker.

Es war erstaunlich, was man nun zu hören bekam: Es sei allerdings zuzugeben, das die Schriften biblische Ausdrücke wie das Wort "Hure" im biblischen Sinne gebrauchten, dieser Ausdruck werde aber immer und immer wieder verwendet, so daß ein damit verbundener Zweck leicht zu erkennen sei. Es gehe im übrigen nicht an (der Leser staune), daß biblische Wendungen, die vor 2000 Jahren ein Prophet Hesekiel zur Geißelung der damaligen verdammungswürdigen jüdischen Zustande gebraucht habe, einfach zur Kritik der Mißstände der katholischen Kirche und des Klerus heute benützt würden! Äußerungen, wie "das Christentum sei hochgezüchtete Heuchelei" seien dazu angetan, sowohl bei den Katholiken wie bei den Protestanten schweres Ärgernis zu erregen.

Diese Kostproben aus der Urteilsbegründung mögen dem Leser zur Genüge zeigen, von welch "hoher geistiger" Warte aus dieser Prozeß beurteilt wurde. Wir möchten uns hier noch einige Bemerkungen erlauben.
Der Referent des Bundesgerichts hat in der Beschwerdesache der Zeugen Jehovas gegen den luzernischen Regierungsrat erklärt (die eingeklagten Schriften und Bilder lagen bei den Akten des Bundesgerichtes!): allerdings seien, vielleicht einige Wendungen in den Schriften der Bibelforscher zu scharf und polemisch gehalten, doch sei immerhin darauf hinzuweisen, daß die Wendungen, die z. B. Luther in seinen "Tischreden" gebrauche, in nichts hinter den angefochtenen Schriftstellen stehen und teilweise sogar in ihrer aggressiven Form noch weitergingen. Wir fragen: Ist es Herabwürdigung der Religion, wenn eine Christenheit, deren Priester Kanonen segnen, die zur Hinmordung unschuldiger Neger hergestellt wurden, als hochgezüchtete Heuchelei bezeichnet wird? (Von den Greueln der Inquisition gar nicht zu reden.) Oder werden demnächst die Werke eines Nietzsche verboten? Steht doch darin die nicht völlig unrichtige Ansicht, daß "die Kirche akkurat das sei, wogegen Christus gepredigt habe"?

Für denjenigen, der sich die Mühe genommen, die Bewegung der Zeugen Jehovas näher kennenzulernen, ist es ohne weiteres klar, daß die Zeugen aus lauteren Motiven handeln. Sind das Kommunisten, die monatelang in Konzentrationslagern schmachten, nur weil sie Gott über Hitler stellen und von ihm allein das "Heil" erwarten? Die Zeugen Jehovas stehen, wie ein Bundesrichter in der Verhandlung vom 30. April ausgeführt hat, auf dem Boden des Urchristentums, und sie gebrauchen deshalb in ihren Schriften die Sprache der Bibel. Seit Jahrzehnten verbreiten die Bibelforscher ihre Schriften, niemand hat sich verletzt gefühlt, und heute kommt ein griechisch-orthodoxer national-sozialistischer Agent und behauptet in seinen heiligsten, religiösen Gefühlen verletzt zu sein durch die Schriften Rutherfords! Und ein — notabene — bernisches Obergericht schützt eine solche Kreatur, die, nachdem sie bereits die Strafanzeige eingereicht hat, Hrn. Jonak in Wien bitten, muß, ihm Stellen aus den Schriften Rutherfords, des Präsidenten der Zeugen Jehovas, zur Verfügung zu stellen, um seine Strafanzeige zu begründen!

Wo bleiben unsere verfassungsmäßig garantierten Freiheitsrechte; wird demnächst in Bern die Bibel verboten,- weil sie die "Religion" herabwürdigt, oder als Schundliteratur bezeichnet werden muß?"

Exkurs:
Was Günther Pape in seinem Buch "Die Wahrheit über Jehovas Zeugen" zum Fall Toedli zu sagen wusste. Liest man das, soll wohl der Eindruck vom "braven Katholiken" entstehen. Das war so ein "braver Katholik", in Personalunion stramm antikommunistischer Exilrusse, nicht mal - wie gerichtlich fetgestellt - tatsächliches Mitglied der katholischen Kirche.
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Toedtli schmückte sich mit allerlei Titeln, und sonstigem anfechtbaren Gebaren. Ein Auszug daraus im lesenswertem Buch von Norman Cohn "Die Protokolle der Weisen von Zion".
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