Re: "Blutfluß" oder Extremismus kontra Barmherzigkeit?

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von + am 10. Juni 2007 11:03:47:

Als Antwort auf: Re: "Blutfluß" geschrieben von Sofia am 09. Juni 2007 23:06:

Hallo Sofia!

Über kein anderes Thema ist so viel von dritter Seite gesprochen und geschrieben worden, wie über das Thema Blut.
Es gibt kein anderes Thema das Außenstehende, aber auch aktive Zeugen Jehovas, derart beschäftigt hat, dass sie sich bewogen fühlten, sich außerhalb der Versammlung mit der Blutfrage der Wachtturm Gesellschaft auseinander zu setzen.

Wenn man dies in kurzen Statements zusammenfassen möchte würde ich folgende wichtige Grundsatzüberlegungen dazu aufzählen.

1. Ist das Verweigern von Bluttransfusionen als Zeuge Jehovas eine Schutzvorkehrung Jehovas?

- Nein, weil Jehovas Zeugen Blut zur Medizinischenverwendung nicht kategorisch ablehnen.
Beispielsweise wird für die Herstellung nur einer Anwendung eines Blutgerinnungsmittels für einen Bluter, tausende Liter Menschenblut benötigt. Diese für Bluter unbedingt lebensnotwendigen Blutgerinnungsmittel, waren schon in den 70er Jahren bei Jehovas Zeugen erlaubt. Bluter zogen sich auf diese Art AIDS zu. Heute werden von Jehovas Zeugen zahllose Medizinische Anwendungen und Medikamente mit Blutfraktionen aus Fremdblut akzeptiert. Man kann also nicht von einem Schutz Gottes sprechen, der einen Zeugen Jehovas vor Fremdblut durch eine Art „Schutzschild“ bewahrt.

- Das Ablehnen von Blut ist auch deswegen keine Schutzvorkehrung weil jeder medizinische Eingriff Risiken mit sich bringt. Im Falle eines Gesundheitsschadens – insbesondere einer lebensbedrohlichen Situation wägt man die Risiken mit den Chancen ab. Lehnt man eine Behandlungsmethode kategorisch ab, bewahrt einen das zwar vor den möglichen Risiken, es nimmt jemanden aber vor allem die Chancen. Ärzte sind sich der Risiken in Verbindung mit der Verwendung von Blut sehr wohl bewusst. Eine Religionsorganisation kann niemals von einem Schutz Gottes sprechen wenn es einem Mitglied die Heilungschancen verbaut.

2. Ein zweiter grundsätzlicher Aspekt zum Thema Blut ist die Tatsache dass die Bibel den respektvollen Umgang mit Blut als das Symbol für die Wertschätzung des Lebens bezeichnet.
Blut ist ein Symbol für Leben.
Nur das ein Symbol, nicht wichtiger ist, als das, was es Symbolisieren soll.

Stellen wir uns doch folgende Situation vor.
Du rutscht beim Bergwandern aus und hängst mit einer Hand an einer Klippe.
Dein dich, über alles liebender Ehemann, könnte dich durch einen Beherzten Griff an dein Handgelenk retten.
Nun kullert jedoch gleichzeitig Dein abgefallener Ehering Richtung Klippenkante.
Für was soll sich Dein Mann entscheiden?
Für seine Frau oder den Ehering?

Was ist wichtiger?
Das Symbol oder das wofür das Symbol steht?

Lehnt ein Zeuge Jehovas die Chance auf Rettung durch eine Bluttransfusion ab hat er zwar das Symbol gerettet aber das, wofür das Symbol steht, verloren.

3. Die Bibel spricht von essen und nicht von einer Organspende.
Hier begeben wir uns auf einen Bereich der Interpretation.
Deswegen will ich dies auch bei dem kurzen Statement belassen.
Allein die Tatsache jedoch, das man es so oder so interpretieren kann, müsste genügen das eine Religionsorganisation die es ehrlich meint, es den eigenen Mitgliedern überlässt dies selbst zu entscheiden.

Seid über 50 Jahren argumentiert die Wachtturm Gesellschaft schon wie wild drauf los das Organtransplantation mit Ernährung gleichzusetzen ist.
Das kommt daher, da unser Körper Blut als Transportmittel verwendet und nicht als Nahrungsmittel. Blut bleibt in unserem Körper enthalten und wird nicht verdaut.
Nun spricht die Bibel aber eindeutig von Essen.

Wie gesagt – hierüber könnte man ein endloses Diskussions-Ping-Pong-Spiel spielen.
Wie auch immer ist es nicht eindeutig genug, um Mitlieder deswegen der Gemeinschaft zu entziehen.

4. Es gibt Gottesgebote und Menschengebote.
Mann kann auch von Grundlehren sprechen.
Menschengebote sind eine Modeerscheinung - sie kommen und gehen.
An der kurzen Geschichte der Wachtturm Gesellschaft kann man schön beobachten wie Aberglaube, Halbwissen und Mystizismus die Überzeugung der Zeugen Jehovas in Sachen Blut, geprägt und immer wieder verändert hat.
Dies allein ist Beweis genug dass man Blutgebote genauso ablehnen sollte wie Höllenlehren oder Evolutionstheorien.

Interessanterweise gibt es bis heute keinen einzigen Wachtturm in den die Wachtturm Gesellschaft sich für ihre Lehränderungen in Sachen Blut entschuldigt.
Sie schreibt das das was einige Mitglieder in die Aussagen hineininterpretiert haben schuld war oder das Artikelschreiber übereifrig waren.
War die leitende Körperschaft eigentlich je an etwas schuld?

5. Extremismus kontra Barmherzigkeit?

– Österreichische Eltern geben ein 10 jähriges Kind zur Adoption frei weil Ärzte dem Kind gegen ihren Willen eine Bluttransfusion verabreichten.

www.bka.gv.at/Docs/2006/12/22/Zeugen Jehovas.pdf

- Ein im sterben liegender Vater wollte sich von seinen, weit entfernt lebenden Kindern noch ein letztes Mal verabschieden und ließ sich sein Leben dafür durch eine Bluttransfusion verlängern.
Älteste der Ortsversammlung hörten, dass er sich einer Bluttransfusion unterzogen hatte, und unternahmen mehrere Versuche, trotz seiner sehr schlechten Verfassung und gegen den Willen seiner Frau mit ihm zu reden. Aufgrund ihrer Beharrlichkeit hatten sie Erfolg damit, und unter Verhör gab der Vater zu, dass er eine Transfusion erhalten hatte. Er wurde noch an seinem Sterbebett der Gemeinschaft entzogen…

Parsimony.15780


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