Nachdenkliches zum Konzil von Nizäa ,dem Bibelkanon, der WTG und dem "tuvS"


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Prometeus am 02. März 2002 19:22:41:

Im wesentlichen lassen sich folgende WTG- Dogmen hinsichtlich der Entstehung des Kanons der sogenannten "christlich griechischen Schriften" festmachen:

1. Die Bibel ist als ganzes "von Gott inspiriert" und die Auswahl der dazugehörigen Schriften vom "heiligen Geist" überwacht.

2. Gott selbst überwachte und redigierte "sein Wort" höchstpersönlich.

3. Seit der Zeit der Apostel bis heute gab es zu jeder Zeit eine oder mehrere Personen, die den " treuen und verständigen Sklaven" darstellten und "von Gott geleitet waren".

4. das Konzil von Nizäa im Jahre 325 war ein Meilenstein des Abfalls vom wahren Glaubens, da dort die Trinitätslehre (Dreieinigkeit) zum Dogma erhoben und gleichzeitig die "arianische Lehre" zur Ketzerei erklärt wurde.

Die diesbezüglichen Quellenangabe aus WTG- Literatur zum Konzil von Nizäa (sh 276 11 Abtrünnigkeit - Der Weg zu Gott blockiert)

Konstantin wollte, daß in seinem Reich Einheit herrschte. Deshalb berief er im Jahre 325 u. Z. ein Konzil nach Nizäa ein - die Stadt lag im östlichen, griechischsprachigen Teil seines Reiches, von der neuen Stadt Konstantinopel aus auf der anderen Seite des Bosporus. Es heißt, daß zwischen 250 und 318 Bischöfe, nur eine Minderheit (von ca. 1800, Einfügung von mir), am Konzil teilnahmen und daß die meisten aus dem griechischsprachigen Gebiet kamen. Selbst Papst Silvester I. war nicht anwesend. Nach heftigen Debatten wurde auf diesem nicht repräsentativen Konzil das Nizäische Glaubensbekenntnis formuliert, das sehr von trinitarischem Gedankengut beeinflußt war. Die Streitigkeiten um die Dreieinigkeitslehre waren aber damit nicht zu Ende. Die Rolle des heiligen Geistes Gottes in dieser Lehre war noch immer nicht klar. Die hitzigen Debatten hielten jahrzehntelang an, und um schließlich in dieser Hinsicht Einigkeit zu erzielen, waren die Einberufung weiterer Konzilien, die Autorität verschiedener Kaiser und die Verbannung als Strafmaßnahme erforderlich. Die Theologie gewann einen Sieg, während diejenigen, die sich an die Bibel hielten, eine Niederlage hinnehmen mußten (Römer 3:3, 4).

Interessanterweise zitiert der "Erwachet" (8. 4. 1973 Seite16-20 "Wie die Christenheit trinitarisch geworden ist") über die vorherrschende Stimmung dieses Events, bei dem es ja primär um die Frage der "Göttlichkeit Jesu" ging, wie folgt:

"Zwei Monate lang stritten die Trinitarier und die Arianer miteinander, die Trinitarier zeigten sich oft außerordentlich intolerant. Konstantin bemerkte, daß die Trinitarier in der Übermacht waren, daher entschied er zu ihren Gunsten. Er "unterdrückte die Opposition in den Reihen der Bischöfe und forderte, daß alle Anwesenden unterschrieben, da sie sonst verbannt würden. Nur zwei Bischöfe aus Libyen verweigerten die Unterschrift; zusammen mit Arius und den Priestern, die treu zu ihm hielten, wurden sie nach Illyrien verbannt", in ein Gebiet, das heute dem westlichen Jugoslawien entspricht. Die Schriften des Arius wurden beschlagnahmt und verbrannt, und auf den Besitz seiner Schriften wurde die Todesstrafe gesetzt."

ferner:

"Als Arius auf dem nizäischen Konzil aufstand, um das Wort zu ergreifen, soll Nikolaus von Myra ihn ins Gesicht geschlagen haben, und während Arius seine Rede fortsetzte, sollen viele Bischöfe, die der trinitarischen Auffassung huldigten, sich die Ohren zugehalten haben und aus dem Saal gelaufen sein, um ihre Abneigung gegen seine Ketzereien zu demonstrieren."

Außer diesem Streit ging es in Nizäa bekanntermaßen unter anderem auch darum, festzustellen, welche der -zig kursierenden "Evangelien" und "Briefe" in den biblischen Kanon aufgenommen werden sollten. Leider bedeckt sich die WTG in ihren geschichtlichen Darstellungen dazu. In jüngerer WT- Literatur konnte ich jedenfalls darüber nichts finden.

Nachdem vorher schon einige Egomanen und Wichtigtuer ihren eigenen Kanon erstellt hatten, wäre es doch an der Zeit 300 Jahre nach Jesu Tod endlich einen verbindlichen Kanon zu erstellen. Hier ein kurzer unvollständiger historischer Abriss:

Ca. 51-125 n.Chr.: Die Bücher des NT werden geschrieben, aber auch einige andere christliche Texte entstehen während dieser Zeit - z.B. die Didache (ca 70 n.Chr.), 1 Clemens (ca. 96 n.Chr.), Der Brief des Barnabas (ca. 100 n.Chr.), und die Briefe des Ignatius von Antiochien (ca. 110 n.Chr.)

Ca. 140 n.Chr.: Marcion, ein römischer Geschäftsmann, lehrt, daß es zwei Götter gäbe: Yahweh, den grausamen Gott des AT, und Abba, den freundlichen Vater des NT. Marcion eliminiert das AT als Teil der Schrift und er behält, da er anti-semitisch eingestellt ist, nur 10 Briefe und 2/3 des Evangeliums nach Lukas bei (er läßt alle Hinweise auf Jesu jüdische Abstammung weg). Marcions "Neues Testament" - das erste so zusammengestellte NT - bringt die Hauptsttrömung der Kirche zu einer Entscheidung bzgl. eines Kerns für einen Kanon: die vier Evangelien und die Briefe des Apostels Paulus

Ca. 200 n.Chr.: Der Umfang des Kanons ist jedoch noch nicht festgelegt. Nach einer Liste, die in Rom ca. 20 n.Chr. (dem Muratorischen Kanon), besteht das NT aus den 4 Evangelien, Apostelgeschichte, 13 Briefen des Paulus (Hebräer ist darin nicht enthalten); 3 der 7 allgemeinen Briefe (1 - 2 Johannes und Judas); und auch noch die Offenbarung (Apokalypse) des Petrus.

Voltaire (bekanntlich kein Christ) meinte behaupten zu müssen (allerdings hatte er auch Quellenmaterial), man hätte in Nizäa den Kanon nach dem Zufallsprinzip zusammengestellt (durch Werfen der einzelnen Schriften [vielleicht in einen Zielkreis]) um einen Konsens in dieser Frage herzustellen. Ob das wahr ist wissen wir nicht genau, aber aufgrund der dort vorherrschen Stimmung ist anzunehmen, daß es sogar der Wahrheit nahekommen könnte.

Nun stellt sich die Frage, wie hier der "heilige Geist" überhaupt auf die Abläufe Einfluß nehmen konnte, ging es doch hier um nichts weniger als um die Endfassung von "Gottes Wort". Wer vertrat hier Gott? Wer repräsentierte dort den "treuen und verständigen Sklaven"?

Vielleicht Arius? Arius als Antipode von Athanasius, von Russel als "3.Sendbote Gottes" definiert, hatte doch dort in Nizäa die Schlacht verloren, und wurde von seinen Widersachern sogar später vergiftet. Hätte er es als rechtschaffener Verfechter der "biblischen Wahrheit" nicht verdient, "Gottes Schutz" zu erhalten und darüber zu wachen daß nur "Gottes Wille" geschehe im Hinblick auf die Endfassung seines geschriebenen Wortes?

Statt dessen gewann der Vorkämpfer der "Dreieinigkeit", Athanasius von Alexandrien, dort die Übermacht. War er hier Gottes Werkzeug zur Abfassung seines Werkes? Immerhin getraute sich selbst dieser Machtmensch Athanasius (immerhin wurde das katholische "athanasianische" Glaubensbekenntnis nach ihm benannt) 42 Jahre nicht, diese vorläufige Endfassung des "neuen Testaments" öffentlich bekanntzugeben. Erst 367 u. Z. im Rahmen eines Osterbriefes wurde sie für seinen eigenen Machtbezirk als verbindlich erklärt.

Wie also können so die "christlich griechischen Schriften" dennoch von Gott inspiriert sein?

Die WTG stellt sich diesem Dilemma nur sehr vage: Das Einsichten- Buch sagt unter dem Stichwort "Kanon":

"Ob ein gewisses Buch allerdings wirklich kanonisch ist, hängt nicht davon ab, wie oft oder von welchem nichtapostolischen Schriftsteller es zitiert worden ist. Der Inhalt des Buches muß den Beweis erbringen, daß es ein Produkt des heiligen Geistes ist."

ferner:

"Allein die Niederschrift eines religiösen Buchs, seine jahrhundertelange Erhaltung und die Tatsache, daß Millionen ihm Wert beimessen, beweist nicht, daß es göttlichen Ursprungs oder kanonisch ist. Es muß eindeutig zu erkennen sein, daß Gott sein Autor ist und es von ihm inspiriert wurde. Der Apostel Petrus erklärt: "Prophetie wurde niemals durch den Willen eines Menschen hervorgebracht, sondern Menschen redeten von Gott aus, wie sie von heiligem Geist getrieben wurden" (2Pe 1:21). Eine Untersuchung des Bibelkanons ergibt, daß sein Inhalt dieses Merkmal in jeder Hinsicht aufweist."

Der "Wachtturm" vom 15.4. 1970 S.250 sagt dazu:

"Eine Schrift gilt nicht als kanonisch, weil sie besonders alt ist, weil sie von vielen verehrt wird oder weil eine Kirchenversammlung, ein Komitee oder eine Gemeinschaft sie anerkannt hat. Die Meinungen nichtinspirierter Männer waren lediglich insofern nützlich, als sie das bestätigten, was Gott bereits als kanonisch gebilligt, behütet und bewahrt hatte."

Bedauerlicherweise führen die Schreiberlinge der WTG hier keine Beweise an. Auch ansonsten wird die Uninspiriertheit der "apokryphen Evangelien und "Briefe"" nur mit Gemeinplätzen untermauert:

Das Einsichten- Buch führt aus unter dem Stichwort "Apokryphen":

"Spätere apokryphe Werke. Besonders vom 2. Jahrhundert u. Z. an entstand eine Unmenge von Schriften, die beanspruchten, von Gott inspiriert und kanonisch zu sein, und angeblich mit dem christlichen Glauben zu tun hatten. Diese Werke, oft die "Neutestamentlichen Apokryphen" genannt, stellen einen Versuch dar, die Evangelien, die Apostelgeschichte, die Briefe und die in den kanonischen Büchern der Christlichen Griechischen Schriften enthaltenen Offenbarungen nachzuahmen. Eine große Anzahl dieser Apokryphen kennt man nur aus vorhandenen Fragmenten oder aus Zitaten und Anspielungen, die sich bei anderen Schreibern finden.
Diese Schriften lassen erkennen, daß man bemüht war, etwas zu berichten, was die inspirierten Schreiber absichtlich ausgelassen hatten. Hierzu gehören die Begebenheiten und Ereignisse, die sich im Leben Jesu von seiner frühen Kindheit an bis zu seiner Taufe zutrugen; andererseits suchte man durch diese Schriften Lehren oder Traditionen zu beweisen, die keine Stütze in der Bibel fanden oder ihr sogar widersprachen. Zum Beispiel sind das sogenannte Thomasevangelium und das sogenannte Protevangelium des Jakobus voller phantasiereicher Schilderungen von Wundern, die Jesus angeblich in seiner Kindheit wirkte. Alles in allem erwecken diese Schriften jedoch den Anschein, als ob Jesus ein launenhaftes und gereiztes, aber mit außergewöhnlichen Kräften versehenes Kind gewesen wäre. (Vergleiche den wahren Bericht in Lukas 2:51, 52)........
So, wie die früheren apokryphen Schriften nicht in die anerkannten vorchristlichen Hebräischen Schriften aufgenommen wurden, wurden auch die späteren Apokryphen nicht für inspiriert gehalten noch in den frühesten Verzeichnissen oder Katalogen der Christlichen Griechischen Schriften als kanonisch aufgeführt."

Eine sonderbare Auffassung angesichts der Tatsache wie die Auswahl der "inspirierten Schriften" möglicherweise von statten ging.

Was die "Inspiration" angeht, schrieb schon Lukas in seinem Evangelium am Anfang ( Kap. 1:1-4, NW):

"1 Da es viele unternommen haben, eine Darlegung der unter uns völlig beglaubigten Tatsachen zusammenzustellen, 2 so wie sie uns die überlieferten, die von Anfang an Augenzeugen und Diener der Botschaft wurden, 3 beschloß auch ich, weil ich allen Dingen von Anbeginn genau nachgegangen bin, sie dir, vortrefflichster Theophilus, in logischer Reihenfolge zu schreiben, 4 damit du die Gewißheit der Dinge völlig erkennst, über die du mündlich belehrt worden bist."


Der Prolog des Lukasevangeliums, in dem der Autor versichert, "eine Darlegung der unter uns völlig beglaubigten Tatsachen zusammenzustellen" zu haben, ist einer der vielen Belege dafür, dass der Schreiber gar nicht daran dachte, sich für inspiriert zu halten. Lukas war auch nicht der Meinung, etwas Ungewöhnliches zu tun. Bekennt er doch im ersten Vers, "viele" (nicht nur 2 Vorschreiber, z.B. Matthäus und Markus) hätten vor ihm solche Berichte verfasst. Sie befriedigten ihn aber nicht, weil sie nicht "von Anfang an" und "in logischer Reihenfolge" erzählten (z.B. weil damit falsche Schlüsse gezogen würden). So will er offensichtlich verbessern, damit sich der "vortreffliche Theophilus", für den er sein Opus schreibt, von der "Zuverlässigkeit" der
Nachrichten, in denen er unterwiesen ist, überzeugen könne. Und das alles lange Zeit nach dem Tod Jesu! Und er war beileibe nicht der einzige von der Sorte!

Nun stellt sich erneut die Frage nach dem Wirken des "Heiligen Geistes" in dieser Affäre!

Frage an alle Bibelforscher:

Und wer repräsentierte hier in diesem außergewöhnlichen Auswahlprozeß in Nizäa den "treuen und verständigen Sklaven"? Gebrauchte Gott seine "Feinde" (Athanasius & Co.) als sein Werkzeug, um das wichtigste, das er den Menschen mitzuteilen hatte, nämlich seine "Heilige Schrift", zusammenzustellen?

Frank Bechhaus schreibt interessanterweise auf seiner web- site dazu:

"Der neutestamentliche Kanon ist als Ergebnis eines langfristigen und durchdachten Entwicklungsprozesses anzusehen."

Ich wüsste nicht, warum!

Und falls Gott früher seine Gegner Gegner ausgesucht hat um seinen Willen zu vollenden, warum dann nicht auch heute? Und wenn er früher seine Feinde erwählte um nach dem Würfelprinzip sein "heiliges Buch" zusammenzustellen, warum benutzt er heute einen Haufen angeblich von ihm ausgesuchter Greise um sein Volk zu belehren?

Antworten erwünscht!



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