Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren ("Goldenes Zeitalter" 1. 4. 1937)


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 25. April 2007 07:04:39:

Als Antwort auf: Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren ( geschrieben von D. am 30. März 2007 08:30:13:

In mehrfacher Hinsicht erweist sich die WTG als „hochgeschreckt", wovon als ein herausragendes Dokument auch die Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. April 1937 kündet
Schon einleitend findet man eine sogenannte „Autorisierte Erklärung", datiert vom 1. 3. 1937 überschrieben: „ Warum Todesstrafe für Jehovas Zeugen (Bibelforscher)".

Man erwähnt, dass diese „Erklärung" bereits von einer Reihe Schweizer Tageszeitungen, denen sie zugestellt wurde, abgedruckt worden ist.
Das besondere an dem Vorgang ist offenbar auch das, dass da faschistische Propaganda in Sachen Zeugen Jehovas, auch in die Schweiz „übergeschwapt"ist. Dazu zitiert das GZ:

„Zum Beispiel die Lügenmeldung deutscher Zeitungen, daß Bibelforscher in Düsseldorf Zettel verteilt hätten, auf welchen zu lesen war:
"Bald wird eine ehrliche, rechtmäßige Regierung errichtet werden zugunsten der Menschheit, unter der Oberaufsicht des großen Messias, unseres Heiligen Vaters Josef Stalin von Neu-Rußland der Sowjetrepubliken"

Indem nun unterstellt wurde, „irgendjemand" habe gar vom „Heiligen Vater Josef Stalin" gefaselt, kann man es durchaus nachvollziehen, dass da die Alarmglocken auf höchster Stufe anzuschlagen begannen, und dass man solch eine Unterstellung nicht auf sich sitzen lassen wollte. Auch in späteren Ausgaben des „Goldenen Zeitalters" sah man sich noch genötigt, auf diesen Vorfall einzugehen, und seinerseits Recherchen anzustellen, wie und warum es dazu überhaupt kommen konnte
Der Fall wurde schon mal referiert.
Dazu kann man vergleichen
Der Fall Hope Slipachuk

Noch ein weiteres Novum in dieser GZ-Ausgabe wäre zu registrieren.
Und zwar jener „Persönliche Brief", datiert vom 11. 1. 1937 der an den Nazidikator Hitler gerichtet wurde. Allerdings, dass mit dem „persönlich" hat das GZ dann aber doch abgeändert. Indem es diesen Brief abdruckt, hat es ihm den Charakter eines Offenen Briefes verpasst.

Ob denn eine in diesem Brief auch enthaltene Textpassage wirklich noch der Zeit angemessen war, müssen der Briefschreiber und die GZ-Redaktion mit sich selbst ausmachen, wenn es darin auch heißt:
„Das wiederholte Studium Ihres Buches 'Mein Kampf' bestärkte mich in diesem Entschluß; denn ich sagte mir, dieses Buch zeugt von einer Erfahrung und von einem geschichtlichen Wissen, daß der Schreiber desselben meine Ausführungen unbedingt verstehen muß."

Nun ja, lasen wir es bei dem kritischen Zwischenton bewenden. Man sagt ja nicht umsonst: „Zuletzt stirbt die Hoffnung". Offenbar hatte der Schreiber noch Hoffnung.
Zu diesem Thema kann man auch vergleichen
Brief an Hitler

Um auf die Eingangs genannte „autorisierte Erklärung" zurückzukommen. Offenbar stützte man sich da auf eine Notiz der Schweizer Zeitung „Der Bund", der wiederum aus der SS-Wochenzeitung „Das Schwarze Korps" zitierte. Jedoch wird die konkrete Ausgabe des „Schwarzen Korps" nicht verifiziert.

Das GZ zitiert:
„Das "Schwarze Korps" verlangt die Todesstrafe für die "Ernsten Bibelforscher" und schreibt u. a.: "Bisher wurden die Bibelforscher wegen Ihrer verbotenen Betätigung lediglich auf Grund des Paragraphen 4 der Verordnung: vom 28. Februar 1933 bestraft Dieses Verfahren Ist unseres Erachtena vollig unzulänglich. Das deutsche Volk muß seinen Feinden mit brutaler Kraft jede Lust nehmen, das religiöse Mäntelchen zur Unterwühlung seines Bestandes zu mißbrauchen. Narren gehören ins Narrenhaus. Für Verbrecher solcher Art reichen das Zuchthaus und die Sicherungsverwahrung als Strafe kaum aus."
„Der Bund" Nr. 83 vom 19. II. 37

Aufgrund der Datumsangabe kann man den fraglichen Artikel also schon mal als vor dem 19. Februar 37 lokalisieren.

Meines Erachtens käme da nur ein Artikel im „Schwarzen Korps" vom 11. Februar 1937 (S. 14) in Frage. Er sei einmal nachstehend in seinen wesentlichen Aussagen dokumentiert.

(Redaktionelle Vorbemerkung):
Nachstehender zu Dokumentarzwecken wiedergegebener Text, stellt ein Paradebeispiel faschistischer Propaganda dar. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine inhaltliche Identifizierung mit ihm,
n i c h t erfolgt)

Besuch beim Sondergericht
Die Kleinen lässt man laufen
Du heilige Einfalt! Wie es im Kriege richtig war, die nächste in Entlausungsanstalt aufzusuchen, so ist es auch in unserer Zeit richtig, das Vorhandensein einiger Läuse im Staatspelz keineswegs zu verschweigen. Nicht alle 67 Millionen Reichsdeutsche laufen als patentiert hochanständige und hochwertige Menschen durch die Weltgeschichte. Am Rande der Volksgemeinschaft wird es immer Abfall geben. Es fragt sich lediglich, wie man mit diesem Abfall fertig wird. Das ist aber eine Frage, die das ganze Volk angeht. Was ist das für ein Abfall, und wie soll man ihn behandeln?

Ein Besuch bei einem Sondergerichts ist in dieser Beziehung ungemein lehrreich. Sondergerichte sind unseren Kriminalgerichten angegliedert. Die verhandeln diejenigen Fälle, die nach dem sogenannten Heimtückegesetz unter Anklage stehen. Dieses Gesetz erfasst Übeltäter, die sich gegen den Staat, die Bewegung, ihre führenden Personen oder Einrichtungen vergehen, ohne dass sie deshalb Hochverräter sind. Die Verhandlungen sind selbstverständlich öffentlich.

Ein willkürlich gegriffener Verhandlungstag ergibt folgendes Bild.
Fall A:
Der Angeklagte, ein alter, schwer beweglicher Mann, dessen Augen aber listig und scheinheilig ruhelos umherwandern, der sich für die staatsgefährliche verbotene Vereinigung der sogenannten Bibelforscher betätigt. Er hat sich systematisch an Leute herangemacht, die für seine „Ideen" empfänglich schienen, und hat sie mit verbotenen Druckschriften versorgt, wovon er in seinem Keller ein ganzes Lager hatte.

In einem Genesungsheim, dass ihm, den ganz gut versorgten Rentenempfänger, der also bekämpfte Staat eröffnete, hat er gleichfalls Reden geschwungen und den deutschen Gruß verweigert.
Er verteidigt sich überaus geschickt, in dem er den Vorsitzenden mit einem Wust von wirren Reden überschüttet. Er hat nicht das geringste gegen den Staat. Sein Reich ist gewissermaßen nicht von dieser Welt. Er hält sich lediglich an Anweisungen Jehovas, die ihn beispielsweise veranlassen, die Wehrdienstverweigerung zu programmieren. Der Staatsanwalt fordert ein Jahr, das Gericht erkennt auf sechs Monate Gefängnis.

Der Verurteilte geht anscheinend unberührt hinaus. Er wird die sechs Monate absitzen und danach wieder anfangen, sein Sprüchlein aufzusagen, die, wie die Erfahrungen der Gerichte lehren, zwar wirr, aber nicht ungefährlich sind, weil sie immer wieder bei einfältigen Leuten Unheil anrichten. Aber was soll man mit ihm tun? Eine schwerere Strafe würde ihn auch nicht zur Vernunft bringen, ein Freispruch würde die scheinheilige Unverfrorenheit verdoppeln, mit der sich seinesgleichen über das Verbot hinwegsetzt.

Nicht das ist im Falle entscheidend, dass der unentwegte Bibelforscher ein persönlich bedauernswerter Greis ist. Entscheidend ist, dass er trotz staatlichen Verbotes Propaganda für eine Sekte, deren Staatsgefährlichkeit der Laie gar nicht übersehen kann.

Solche Leute sind keine Staatsfeinde sie sind lediglich Idioten, und es ist viel wichtiger, die Erzeugung solcher Idioten zu verhindern, als mit schwerem Geschütz die leider Gottes nun einmal vorhandenen Exemplare zu bekämpfen.

Wenn schon das „Schwarze Korps" zitiert wird, dann sei auch noch jener Artikel im selbigen, in der Ausgabe vom 24. 12. 36 zitiert. Letzterer nimmt auch auf den Luzerner Kongreß der Zeugen Jehovas und seine Folgewirkungen Bezug. Ich würde das so interprtieren.
Da „schaukelte man sich gegenseitig hoch".

Wenn man zu Recht den Terror des Naziregimes brandmarkt, stellt sich dennoch die Frage, ob die WTG-Organisation ihrerseits nicht auch zu dessen weiteren Eskalation beitrug.
Das „Schwarze Korps" vom 24. 12. 36 schrieb:

(Redaktionelle Vorbemerkung):
Nachstehender zu Dokumentarzwecken wiedergegebener Text, stellt ein Paradebeispiel faschistischer Propaganda dar. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine inhaltliche Identifizierung mit ihm,
n i c h t erfolgt)

Zeugen Jehovas gesucht
Im September tagte der "Mitteleuropäische Kongress der Zeugen Jehovas" in Luzern. Es kam dabei zur Abfassung einer Resolution, die in Flugblättern gedruckt wurde und an deren Schluß es heißt, dass "je eine Abschrift dieser Resolution an Herrn Hitler und an den Papst in der Vatikanstadt, dem Haupt der römisch-katholischen Hierarchie" gesendet wird. ...

Wir wissen nicht, wer die Zeugen Jehovas sind. Sie scheinen sich jedenfalls selbst für Ernst zu nehmen und berufen sich u. a. auf Hesekiel, Matthäus und Jesaja. Da versteht man auch, wenn sie, wie alle anderen, die sich ebenfalls auf Hesekiel, Matthäus und Jesus berufen, an die Menschheit appellieren wie zum Beispiel:

"Wir rufen alle gut gesinnte Menschen auf, davon Kenntnis zu nehmen, dass Jehovas Zeugen in Deutschland, Österreich und anderswo grausam verfolgt, mit Gefängnis bestraft und auf teuflische Weise misshandelt und manche von ihnen getötet werden. Alle diese verruchten Taten werden gegen sie von einer grausamen, heimtückischen und bösen Macht verübt, wozu diese durch jene religiöse Organisation, nämlich die römisch-katholische Hierarchie, welche viele Jahre lang das Volk betäubt und den heiligen Namen Gottes gelästert hat, veranlasst wird.

Die Hitler-Regierung, die von den Jesuiten, der römisch-katholischen Hierarchie unterstützt und beeinflusst wird, hat wahren Christen jeder Art grausamer Verfolgung auferlegt und fährt fort, dies zu tun, gleichwie auch Christus Jesus usw.
siehe nach bei Hesekiel 33: 8, 9.

Wie gesagt, die Resolution wurde in Luzern abgefasst und dabei könnte man die Geschichte auf sich beruhen lassen, wenn dieses Flugblatt nicht auch in ganz Deutschland zur Verteilung kommen würde, obwohl davon nichts bei Hesekiel, Matthäus und Jesaja, Lukas oder in den Büchern des Moses zu lesen ist.

Verteilen kann man diesen Vorgang nicht nennen. Man findet die Resolution einfach im Briefkasten. Gesehen wurden bei dieser Werbeaktion für die "Zeugen Jehovas" nur einige Juden. Nun scheint man aber doch nicht genug der in Bern gedruckten Flugblätter über die Grenze gebracht zu haben, nachdem es auch Exemplare gibt, die mit einem Vervielfältigungsapparat hergestellt wurden. "Herzliche Grüße" liegen ebenfalls bei "an unsere verfolgten Geschwistern Deutschland", die wir hiermit weiter geben.

Die Jesuiten werden nicht weniger empört sein, dass man ihnen nachsagt, sie steckten mit den Nationalsozialisten unter einer Decke, und wir sind nicht weniger aufgebracht, dass man uns das gleiche zumutet. Aber damit hat man noch immer nicht den Schlüssel zu den "Zeugen Jehovas", die in Österreich genauso verfolgt, misshandelt und getötet werden sollen wie bei uns im Reich. In Österreich geht es nämlich den Juden, abgesehen von der angespannten Wirtschaftslage, verhältnismäßig sehr gut. Und bei uns im Reiche dürfen sie sich auch nicht beklagen, denn das Gesetz schützt sie und damit sie ganz unter sich bleiben, werden noch eigene zu diesem Zwecke erlassen. Es bleibt also schleierhaft, wer gepeinigt, gequält, misshandelt und getötet wurde! Aber diese Toten sind ebenso geheimnisvoll wie die "Zeugen Jehovas" die keine Zeugen nennen, die die grässlichen Missetaten gesehen haben.

Nur eines ist erwiesen: die Zeugen Jehovas huschen über die Treppen und stecken Resolutionen in die Briefkasten. So jemand einen solchen "Zeugen" erwischt, bitte nicht zu quälen, zu misshandeln oder gar zu ermorden, aber setzt im ruhig eine richtig hinter die Löffel, aber bitte nicht vor Zeugen; es sei denn der einzige "Zeuge Jehovas" selbst.


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