Gemeinschaftsentzug

 

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 14. Februar 2002 16:53:33:

"Man stellte mich vor die Wahl, zu gehorchen oder die Konsequenzen zu tragen"
Gemeinschaftentzugs-Dokumentation

Rita Kraus aus der Schweiz hat ihren diesbezüglichen Fall dokumentiert. Nachstehend ein paar Kernaussagen daraus (Übersetzung aus dem Französischen, die zur Verfügung gestellt wurde).

Ste-Croix, den 24. November 2000
Berufung gegen Gemeinschaftsentzug
Liebe Brüder,
das Rechtskomitee der Versammlung Ste-Croix/Yverdon-les-Bains hat mir am 20. November 2000 telefonisch mitgeteilt, es sei verpflichtet mich auszuschließen. Ich lege hiermit gegen diesen Beschluß Berufung ein.

Gründe: Die Ältesten hielten mir vor, man habe mich mit der ausgeschlossenen ehemaligen Schwester Monique ... aus Ste-Croix sehen, und man verlangte, dies künftig gemäß den Anweisungen zu unterlassen; ich müsse diese Frau wie nicht existent behandeln.
Monique ... wohnt im gleichen Haus mit mir, in der Wohnung direkt unter mir; wir sind die beiden einzigen Mietparteien, was schon ersichtlich macht, daß es manchmal Dinge notwendig zu gesprochen gibt, ähnlich wie wenn zwei Personen am gleichen Arbeitsplatz tätig sind. Darüber hinaus kennen wir uns seit vielen Jahren und sind befreundet. Ich weiß, daß ihr Gemeinschaftsentzug auf einer falschen Beschuldigung beruht. Aus diesem Grund konnte und kann ich es vor meinem Gewissen nicht verantworten, sie wie eine Schuldige zu verurteilen, gar wie eine Antichristin zu behandeln.

Wohlgemerkt: ich stelle nicht die biblische Einrichtung und Verfahrensweise des Gemeinschaftsentzuges in Frage. Es handelt sich hier um den konkreten Fall dieser Schwester, was ja auch die Anklage war, um nichts anderes.
Auch die Ältesten wissen inzwischen, daß die Anklage gegen Monique falsch war. Doch sie sagten: 'auch wenn sie das nicht getan hat, wessen man sie beschuldigte, so hat sie dann doch bei der Verhandlung nicht die Wahrheit gesagt, und der Gemeinschaftsentzug ist dann eben für die Unwahrheit, für Lüge'. Man zitierte mir Offenbarung 21:8 und den Fall von Ananias und Sapphira. Das erscheint mir so, wie wenn ein Richter der Welt sagen würde: 'der Mensch ist wegen schweren Raubes verurteilt; nun stellt sich heraus, daß er an der Tat unschuldig ist; aber er hat, wie mir jetzt bekannt wurde, irgend wann einmal eine Sachbeschädigung verursacht. Darum übertragen wir einfach das Urteil!' Nicht einmal im satanischen Weltsystem - um es mit dem Wortlaut unserer Veröffentlichungen auszudrücken - wäre das möglich; selbst dort erwarten die Brüder, wenn sie die Gerichte anrufen, doch Gerechtigkeit; sollte unsere theokratische Gerechtigkeit geringen und schlechter sein? Und sollte jemand, der von einem ungerechten Urteil weiß, dann zu einem lieblosen und ungerechten Verhalten gegen sein eigenes Gewissen aufgefordert, genötigt oder gar unter Androhung von Sanktionen gezwungen werden? (Der Wachtturm 15. 7. 1997 S. 13 § 21)

Ich dachte immer, daß die Gesellschaft die Ältesten in ihren Informationen angewiesen hat, bei der Behandlung von Unwahrheiten oder Lügen gutes Urteilsvermögen, Ausgeglichenheit und Vernünftigkeit walten zu lassen, besonders wenn der Betroffene psychischem Druck oder Streß ausgesetzt war oder er Menschenfurcht hatte, und wenn bekannt ist, daß sich jemand nicht schamlosen und böswilligen Lügen zur Gewohnheit gemacht hat. Man sollte diejenigen vielmehr mit liebevoller biblischer Ermahnung wieder zurecht bringen und nicht einfach ein falsches Urteil auf einen völlig anderen Sachverhalt übertragen, weil man sich vielleicht davor fürchtet, ein Unrecht eingestehen zu müssen. Aber ein anderes Unrecht hebt das frühere nicht auf.

Ein weiterer Punkt ungerechten Verhaltens seitens der Ältesten muß ich hier leider erwähnen. Man erlaubte mir, Monique als Zeugin zur Verhandlung mitzubringen; aber während mehr als einer Stunde, in der die Ältesten mit ihr sprachen, wurde ich aus dem Raum verwiesen. Vor welchem Gericht wird der Angeklagte aus dem Raum gewiesen, wenn sein eigener Zeuge gehört wird? Es war meine Verhandlung, nicht die von Monique! Ist das gerecht oder Machtmißbrauch? Danach sagte man mir unter anderem, man könne einen (ungerechtfertigten) Gemeinschaftsentzug nicht aufheben, denn welchen Eindruck würde das bei den Brüdern in der Versammlung machen! Aber hat nicht der Wachtturm vom 15. 9. 1996 gezeigt, daß man Vertrauen gewinnt, wenn man sich entschuldigt, und dazu gehört doch sicher auch das Berichtigen von Irrtümern oder Unrecht, wie ja auch der Wachtturm vom 15. 11. 1993 sagt. Niemand macht den Ältesten Vorwürfe, denn sie waren damals bei ihrer Entscheidung im guten Glauben, aber jetzt wissen sie, daß diese Entscheidung - ohne ihr Verschulden - falsch war da Monique nicht getan hat was unter 1 Kor 5 und 2 Joh 10-1 fallen würde. Sollte man diese deshalb nicht doch in Ordnung bringen, statt am Unrecht festzuhalten wegen 'ihres Ansehens'?

Man verwies mich wiederholt auf Matt. 18:15-17. Mir ist nicht bekannt, daß ich gegen jemanden im Sinne von Matt. 18 gesündigt hätte. Falls man nur den Vers 17 gemeint haben sollte, aus dem Zusammenhang heraus, nur um die Verhaltensweise gegen 'Fremde und Steuereinnehmer' zu erläutern, so bin ich gern bereit, diese Worte Jesu zu beachten. Und hat Jesus den Jüngern nicht selbst vorgelebt, wie er seine Worte verstand? Er erfüllte das Gesetz Jehovas vollkommen, also auch die Worte in 5. Mose 10:18-19. Oder wollten die Brüder mir sagen, er habe seinen Jüngern die Nachahmung des hartherzigen und unbiblischen Beispiels der Pharisäer empfohlen und nicht die Beachtung des Gesetzes und seines eigenen Beispiels?
Man stellte mich vor die Wahl, zu gehorchen oder die Konsequenzen zu tragen. Aber kann mich jemand zwingen, gegen mein Gewissen zu handeln, was ja Sünde ist (Röm 14:23). Der Einwand, ein Gewissen könne sogar gewissen Verhaltensweisen zustimmen wie zum Beispiel, wenn Menschen aus der Welt finden, daß ein Leben in 'wilder Ehe' völlig normal sei, halte ich für geschmacklos, ja für widerwärtig, wenn man dies einer Schwester sagt, die sich wirklich bemüht hat und bemüht, nach Gottes Wort zu leben. Kann man von mir verlangen, etwas zu tun, was ich als Unrecht erkenne? Sind Älteste Herren meines Glaubens (2. Kor. 1:24)? Wenn Älteste (unbewußt und deshalb auch unfreiwillig ein Unrecht getan haben, sollten sie es dann nicht von sich aus in Ordnung bringen statt zu verlangen, das Unrecht um der Einheit willen mit zu tragen?

Und kann man mir vorwerfen, der Organisation nicht unterwürfig zu sein oder zu gehorchen? Wo hat die Organisation je verlangt, eine bekanntermaßen falsche Entscheidung der Ältesten gegen das eigene Gewissen zu vertreten? Die Brüder in Frankreich haben gerade jetzt in ihrem Traktat 'Welches Komplott wird in Frankreich geschmiedet?', den sie in 12 Millionen Exemplaren verteilen, deutlich gesagt, daß 'sie die Gewissensfreiheit sehr hoch halten'. Das ist doch wohl die Meinung der Organisation, oder? Denken hier die Ältesten nicht auch so? Wollen sie mich zu einer 'Abtrünnigen' machen, nur um an ihrem Unrecht festzuhalten?

Ich habe in den Jahren der Gemeinschaft mit den Brüdern - sowohl als Pionierin wie als Verkündigerin - die Bruderschaft schätzen und lieben gelernt, und ich würde sie jederzeit gegen Unrecht und falsche Anklagen verteidigen, aber ich habe auch gelernt, daß wir vor unserem Schöpfer Jehovas eine persönliche Verantwortung tragen (Röm. 14:12; 2. Kor. 5:10).

Ich habe nichts getan, was ich vor Jehova und seinem Sohn, dem Richter aller, nicht bekennen würde, nichts, was nach meiner Erkenntnis einen Gemeinschaftsentzug verdienen würde. Und ich kann vor Jehova nicht gegen mein Gewissen handeln.

Zusammenfassend stelle ich fest, daß die Ältesten mich keine Sünde anhand der Bibel überführt haben. Der Eindruck verstärkt sich, daß ich gerichtet und verurteilt werde aufgrund von Regeln und Anweisungen zu denen nur Älteste Zugang haben und der Wachtturm vom 15. 1. 1994 S. 17 und 20 verstärkt mich noch in meinem Unbehagen. Darin war über die Anweisungen, die Älteste als gerechte Richter anwenden sollten, folgendes zu lesen: 'Älteste müssen die Bibel regelmäßig studieren und zu Rate ziehen sowie mit den biblischen Publikationen gründlich vertraut sein, die der treue und verständige Sklave veröffentlicht. (2. Timotheus 3:14, 15). Dazu gehören die Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! sowie andere Veröffentlichungen, die die Anwendung biblischer Grundsätze in speziellen Situationen zeigen.' Eine dieser Veröffentlichungen wird dann in einer Fußnote wie folgt beschrieben: 'Zu diesen Veröffentlichungen gehört das Buch "Gebt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde", das biblische Richtlinien enthält und für ernannte Versammlungsaufseher oder Älteste bestimmt ist.' Welche andere Veröffentlichungen gibt es noch? Ich glaube zu wissen daß die Israeliten nur ein Gesetz hatten, sowohl für die Richter wie für die Angeklagten. Abschließend möchte ich noch sagen, daß ich nie den Eindruck hatte, daß meine Verhandlung im Geiste des Wachtturms vom 1. 7. 1992 S. 15-16 verlief. Auszugsweise war zu lesen: 'Mit ehrerbietiger Furcht müssen Älteste, die einen Rechtsfall behandeln, ihr Äußerstes tun, um sicherzugehen, daß Jehova tatsächlich 'mit ihnen ist in der Sache des Gerichts'. Ihre Entscheidung sollte genau widerspiegeln, wie Jehova und Christus den Fall betrachten ... Die Atmosphäre bei einer Verhandlung vor dem Rechtskomitee sollte zeigen, daß Christus tatsächlicher in ihrer Mitte ist.' Zu keiner Zeit verspürte ich diese Gegenwart Christi, noch daß man bestrebt gewesen wäre, ein Schaf mit den Worten zu retten, die ihm sein Vater anvertraut hatte!

Soweit der wesentliche, an das Schweizer WTG-Büro adressierte Text.

In einem weiteren Brief vom 10. 12. 2000 an ihr nahestehende Mitglieder der örtlichen Zeugen Jehovas-Versammlung, macht Rita Kraus ihrem Groll unter anderem auch mit dem Ausruf Luft:

"Bei all den Überlegungen und Ausführungen der Ältesten hatte ich das Empfinden, daß nicht der Mensch, nicht ich, im Vordergrund stand, daß es nicht um mich ging, auch nicht um die Bibel, sondern um die Organisation, um ihre Autorität, um Gehorsam ihr gegenüber; das Recht auf Gewissensentscheidung wurde nicht anerkannt, nicht einmal gesehen oder gewürdigt! Es wurde schlicht und einfach Gehorsam verlangt, wie von einem Sklaven, aber nicht von einem Sklaven Jesu Christi, sondern von einem Sklaven von Menschen ... Gehorsamsforderungen treten an die Stelle der biblischen Argumentation."

Die Mauer des Schweigens, war wohl die einzige Antwort darauf. In ihrer Not wandte sich Rita Kraus sogar noch in zwei Briefen (vom 20. 1. 2001 und 10. 4. 2001) an das Mitglied der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas, Gerrit Lösch in Brooklyn. Das erste dieser Schreiben, indem sie erneut ihre Gewissensplagen darlegte, blieb schon mal völlig unbeantwortet. Im zweiten Schreiben wurde sie dann etwas deutlicher; etwa mit dem Ausruf:

"Habt Ihr vergessen, dass Jehova, der Vater Jesu Christi, sowie auch Christus selbst besonders an den 'Kleinen und Schwachen' in seinem Reich interessiert sind (Matth. 18:6), an den Kleinen und Schwachen wie Witwen und Waisen, aber auch an den einflußlosen Alten, Armen, Bedrückten wie auch an den Frauen? Ja, auch ich zähle zu diesen 'Kleinen', denen Ihr keine Beachtung schenkt, und wegen derer Jesus jene warnte, die diesen Kleinen Anstoß geben durch Lieblosigkeit, Hochmut, Nichtbeachtung, durch Kühle und Kälte im Benehmen. Jesus, dem Herrn, liegen diese Kleinen wahrhaft am Herzen; ist das auch bei seinem 'Sklaven' so? Jehova beauftragt sogar seine Engel im Interesse der Kleinen und Schwachen (Matth. 18: 10-11); für Engel, die vor Gott stehen, sind die 'Kleinen' nicht zu klein. Doch wie werden diese von Euch geachtet?"

Nun sah sich Gerrit Lösch doch noch zu einer Antwort genötigt (datiert vom 3. 5. 2001)
Schon die Anredeform, betont kühl. Er spricht sie an mit "Geehrte Frau Kraus" und lässt sein Schreiben mit dem Satz ausklingen "Höflich, Gerrit Lösch. Kopie: Thun Bethel."

So kühl wie die Form, so auch der Inhalt. Am Anliegen von Rita Kraus bewusst vorbeiredend, meint er sie damit formal "trösten" zu können, dass Ausgeschlossene, sofern sie sich nicht aktiv dagegen wenden, nach einem Jahr wieder Besuch von Jehovas Zeugen erhalten würden "mit dem Ziel den Weg zur Wiederaufnahme zu ebenen."

Damit aber keine Missverständnisse aufkommen, lässt er zugleich auch noch wissen:
"Schafe zeichnen sich dadurch aus, daß sie demütig sind und sich gerne leiten lassen."
Zur Substanz der Auseinandersetzung lehnt er jegliche Stellungnahme ab.

Wie eben zitiert, vermag er indirekt nur eines sagen: "Runterschlucken, sich dem Schicksal ergeben" und darauf warten, wenn die WTG-Metzger die Schermesser an dieses Schaf wieder ansetzen. Sollte es bei dieser "Wollscherung" sich gar zu laut bemerkbar machen, heißt dass Endrezept für die WTG-Metzger wohl nur Schlachtung des Schafes! 

 

ZurIndexseite