Re: Gelesen

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 05. Januar 2007 06:46:07:

Als Antwort auf: Kirsten John-Stucke geschrieben von Drahbeck am 05. Dezember 2006 10:59:28:

Die ein Schattendasein fristende "Arnold-Liebster-Stiftung" zeichnet laut Impressum mit für einen Druckkostenzuschuß der Broschüre "12 Jahre - 12 Schicksale". Ruft man ihre mit angegebene URL auf ( www.alst.org ) wird man dort seit dem diese Webseite im Netz, außer den Reklame-Hinweisen für die Bücher "Allein vor dem Löwen" und "Hoffnungsstrahl im Nazisturm" kaum neues vorfinden.

Der Link "Historisches Archiv" glänzt durch Inhaltslosigkeit, was man eigentlich auch dem Link "Neuigkeiten" bescheinigen kann. Im Link "Veranstaltungen" werden noch im laufenden Jahre jene aus dem Jahre 2003 genannt. Und damit erschöpft sich auch der. Als Adresse mit Telefonnummer wird eine aus 61184 Karben (Hessen) ausgewiesen. Man fragt sich bei wem man da wohl "landet". Wahrscheinlich beim ersten Vorsitzenden dieser Stiftung, einem Herrn Uwe K.. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, diesen Namen je in anderem relevanten Zusammenhang registriert zu haben. Oder doch. Im Forumsarchiv 153 wurde ein Pressebericht über den Bau des WTG-Kongreßzentrums in Bingen zitiert. Und genau dort findet sich der Satz:
"... sagt Uwe K., Sprecher der Wachturmgesellschaft, die den Bau trägt."
Also einer jener faktischen WTG-Hauptamtlichen, welche außerhalb Selters wohnen.

Gäbe es diesen Hinweis auf den Druckkostenzuschuß nicht, wüsste wohl kaum einer noch was von dieser "Stiftung". Immerhin, schon im von Regin Weinreich herausgegebenen Buch, war ebenfalls von einem Druckkostenzuschuss für selbiges von dieser Stiftung die Rede.

Der erste der zwölf vorgestellten Fälle in dieser Broschüre ist der des Walter Haman. Wesentlich neues wird in ihm nicht berichtet. Bereits in den Publikationen von Minninger und Moß (partiell auch bei Hesse) wird er erwähnt. Solche Details wie im 1974 ZJ-Jahrbuch nachlesbar, dass Hamann im KZ in der SS-Kantine arbeitete (was de facto einer indirekten Überlebensversicherung gleichkam) hält man in dieser Broschüre nicht für erwähnenswert.

Das zweite Fallbeispiel, Heinrich Wickenkamp, ist einer jener Fälle von Beamten im öffentlichen Dienst (schon zu Zeiten der Weimarer Republik), für die es mit der Machtübernahme durch die Nazis, rapide abwärts ging. So auch in diesem Fall. Immerhin sei auch der Satz zitiert:
"Heinrich Wickenkamp wurde auf Grund seines schweren Herzleidens nicht eingezogen und entging nur knapp einer KZ-Einweisung." Andere hatten noch nicht mal die Chance zum "knapp entgehen." Selbstredend ist das kein individuell zu verantwortender Umstand.

Das Wuppertal (von Friedrich Engels auch als "Muckertal" verballhornt) war (und ist) seit je eine relative Zeugen Jehovas-Hochburg. Ihm widmet sich das dritte Fallbeispiel, Gustav Foerst. Selbiger wurde schon früher ausführlich beschrieben, namentlich von Christian Leeck, unter anderem in einem Aufsatz der Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins, "Romerike Berge". Die diesbezüglichen Ausführungen lesen sich über weite Strecken, wie ein "abkupfern" dessen, was Leeck bereits früher geschrieben hatte. Immerhin fand sich bei Leeck auch noch die Angabe, Först habe zeitweilig die Funktion eines Untergrundfunktionärs der Zeugen im Barmer Raum wahrgenommen. Indem es nun der Gestapo gelang, auch ihn in ihre Mangel zu nehmen, und durch entsprechende Gegenüberstellungen, gelang es ihr immer besser die ZJ-Strukturen zu durchschauen.

Fallbeispiel Nr. 4, Hubert Nobis, ist einer jener Doppelverfolgten (Naziregime und Ostdeutschland). Letzteres (auch letzteres) sprang nicht gerade "fein" mit den Zeugen um. Unfraglich. Nicht alle welche die harte Hand des östlichen Regimes am eigenen Leibe zu verspüren bekamen, blieben indes auf Dauer WTG-hörig. Solch Fall ist wohl der des Horst Kühn über den die CV einmal schrieb. Mag man sein Votum auch als von Ressentiments getränkt (und somit nicht objektiv) einschätzen, so sei doch zitiert, was dieser über Hubert Nobis ausführte:

"In der Haftanstalt Bautzen lernte ich einen Bruder kennen, er hieß Hubert Nobis, er war nach 1945 als Sonderpionier in der Gegend von Meiningen-Suhl eingesetzt. Von ihm erfuhr ich sehr viel über E. Frost, denn er war mit ihm im KZ Sachsenhausen. Hubert sagte wörtlich:
"Alle wunderten sich, wie Erich Frost nur zum Landesdiener ernannt werden konnte, denn nach den Satzungen wäre das unmöglich gewesen!"
Der Auffassung waren Brüder, welche mit Frost zusammen im KZ waren.
Erich Frost hat noch ein viel größeres Sündenregister, was an unbrüderlichem Verhalten nichts zu wünschen übrig läßt. Frost hatte im KZ durch seine guten Beziehungen zur SS-Aufsicht, immer sehr viel zu essen, daß sogar das Brot in seinem Schrank verschimmelte, wohingegen andere Brüder dort verhungerten. Frost wohnte nicht in den Baracken unter den anderen Brüdern, er wohnte im Hause der Wache, weit er dort bei allen Gelegenheiten für die SS-Wache Musik spielen musste, als ehemaliger Musiker.

Von einem Bruder, welcher auf Grund seines Berufes überall Zutritt hatte, wurde Frost auf sein unbrüderliches Verhalten hingewiesen. Der Bruder bat um Brot von seinem Überfluß, da andere Brüder hungerten Frost antwortete:
"Wenn ich dir von dem Brot geben würde, würde es womöglich mein Leben kosten, und ich bin nicht gewillt, für meine Gutmütigkeit zu büßen!"
Die anderen konnten also verhungern, nur er hatte als großer Bruder ein Recht zu leben. Frost kannte die Leiden der Brüder ja nur vom Hörensagen, selbst hat er sie nicht miterlebt. "

Es versteht sich selbstredend für eine von der "Arnold-Liebster-Stiftung" mit herausgegebene Publikation, dass solch kritische "Zwischentöne" keinerlei Erwähnung finden.

Fallbeispiel Nr. 5, Hans Thoenes, ist auch aus der Referierung der Familiengeschichte der Fam. Thoenes, etwa bei Hesse, bereits ausführlich dargestellt. Einerseits war die Widerständigkeit des seinen Eltern entrissenen Hans Thoenes enorm. Andererseits konnte das Naziregime einen makabren Sieg dergestalt feiern, der in dem Satz der Broschüre zum Ausdruck kommt:
"Er gab dem Druck nach und ging zur Wehrmacht, doch die Situation seiner Eltern konnte er dadurch nicht ändern."

Fallbeispiel Nr. 6 Elly Fey aus Köln, ist einer jener Fälle aus dem Bereich der Zeugen Jehovas, denen noch eine verspätete postume Ehrung durch Verlegung eines "Stolpersteines" (im Jahre 2004) an ihrer Wohnadresse zuteil wurde.

Fallbeispiel Nr. 7, der hingerichtete Wilhelm Kusserow, ist bereits früher durch die einschlägigen Familienbiographien der Familie Kusserow bekannt geworden.

Fallbeispiel Nr. 8 ist Arthur Winkler gewidmet. Letzterer agierte zeitweilig von Holland aus als verantwortlicher Funktionär für die WTG-Organisation im Untergrund in Hitlerdeutschland. Auch ihn erwischte die Gestapo im Jahre 1941 noch.
Winkler ist in die Zeugen Jehovas-Geschichte noch dergestalt eingegangen, dass von ihm ein glorifizierender Bericht (Memorandum)
über den "Auszug aus Sachsenhausen" (am Ende der Nazizeit) publiziert wurde. Dieser Bericht indes will nicht all und jedem "so recht schmecken". Ist doch insbesondere eine gewisse Überheblichkeit (man wähnt sich als Gottes alleiniges Volk) an etlichen Stellen zu spüren. Auf diesen Bericht und die Kontroverse um ihn, geht indes diese Broschüre mit keinem Wörtlein ein.

Auf Fallbeispiel Nr. 9, Karl Schurstein, wurde erst vor einiger Zeit im Forumsarchiv A152 näher eingegangen.

Im allgemeinen geht die bekannte Darstellungsweise dahingehend, kaum einer der Zeugen Jehovas hätte im Naziregime die berüchtigte Abschwörungserklärung unterzeichnet. Eine Ausnahme von dieser Regel wird als Fall Nr. 10 vorgestellt (Johanna Windolph). Zu ihrem Fall liest man u. a. die Sätze:
"Ihr Mann Alex (geb. 1901) war im November 1942 nach zwei Haftstrafen von insgesamt zweieinhalb Jahren und anschließender "Schutzhaft" nach Unterzeichnung der "Erklärung" freigekommen und hatte in Berlin Wohnsitz genommen. Johanna Windolph war nun bereit, ebenfalls die "Erklärung" zu unterschreiben. Am 17. April 1943 wurde sie aus dem Konzentrationslager entlassen.
Als ihr Sohn 1946 aus der Kriegsgefangenschaft heimkam".

Mitgeteilt wird aber auch, Frau Windolph sei erst im KZ (heimlich) getauft worden. Insofern muss der Fall ihres Sohnes wohl mit anderen Maßstäben gemessen werden. Was indes ihren Mann anbelangt, gibt es keine näheren Erläuterungen. Lediglich die Aussage: Nach Ende der Nazizeit zog die Familie wieder nach Krefeld und schloss sich der dortigen Ortsgemeinde der Zeugen Jehovas an"

Als ein in Brandenburg-Görden enthaupteter Zeuge Jehovas, wird als Fall 11 der des Ernst Mayer vorgestellt; sowie weitere Hinrichtungsfälle aus ihrem näherem Umfeld.

Der letzte Darstellungsfall ist Hermann Struthoff gewidmet, der mit zum überwiegend aus Zeugen Jehovas zusammengesetzten "Restkommando" der Wewelsburg gehörte.
Über selbige hat insbesondere Kirstin John-Stucke publiziert, die zusammen mit Herrn W. und Herrn Michael K., inhaltlich verantwortlich für die Broschüre zeichnet. Wer für welche Beiträge zuständig ist, wird allerdings nicht ausgewiesen.

Die Gesamt-Broschüre ist offenbar jetzt auch im Internet herunterladbar, auf einer der WTG zuzuordnenden Webseite:

www.jwhistory.net/text/pdf/nrw2006.pdf


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