Gehirnwäsche


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 19. Januar 2002 08:06:32:

Amazon.de veröffentlicht auf seinen Seiten auch eine Leserrezension zu dem Buch von J. G. Melton und Massimo Introvigne mit dem Titel "Gehirnwäsche und Sekten". Ich kann mich dem Urteil des Rezensenten nur anschließen, dass dies Buch nicht empfehlenswert ist. Nachstehend der diesbezügliche, wie mir scheint durchaus interessante Text:

Einseitig, unkritisch und weltfremd!, 17. Februar 2001
Rezensentin/Rezensent: aus Deutschland
Als ich das Buch bei Amazon gefunden habe, habe ich gehofft, Beweise dafür zu finden, daß es Gehirnwäsche gibt. Leider versuchen die Autoren das Gegenteil. Sie wollen beweisen, daß es keine Gehirnwäsche gibt. Das hat auch folgenden Grund: Es gab in den USA mehrere Fälle, wo Sektenmitglieder aus den unterschiedlichsten Gründen kriminell geworden sind und dann vor Gericht einfach ausgesagt haben, daß die Sekte, in der sie sich befinden oder sich befanden, eine Gehirnwäsche bei ihnen durchgeführt hätte und sie deshalb nicht verurteilt werden können bzw. während ihrer Tat nicht zurechnungsfähig waren. Es handelt sich hier also um einen Mißbrauch des Begriffs "Gehirnwäsche" von seiten der Mitglieder von Sekten. Die Herausgeber dieses Buches und ihre Koautoren waren und sind also geradezu gezwungen, zu beweisen, daß es Gehirnwäsche nicht gibt.

Sie vergessen nur eins: Es gibt einen Unterschied zwischen harmlosen kleinen religiösen Gruppierungen, deren Glaubensinhalte lediglich von der Norm abweichen und totalitären, destruktiven Sekten, die psychisch krank machen. Die Autoren dieses Buches plädieren für mehr Toleranz gegenüber religiös Andersdenkenden, was natürlich korrekt ist. Man merkt aber, daß es sich bei den Autoren um Psychologen handelt, die in ihrem weltfremden elitären Elfenbeinturm eingekerkert sind und von destruktiven Sekten absolut nichts wissen. Die totalitäre und krankmachende Sekte der Zeugen Jehovas und die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtete Sekte Scientology als süße, kleine, harmlose Gruppen zu bezeichnen, ist der Gipfel der Ignoranz. Diese Psychologen sollten einmal die Zeugen Jehovas eingehend studieren und beobachten, indem sie Aussteigerberichte lesen, zu den Versammlungen gehen und Interessierte beim sogenannten Bibelstudium begleiten, wo ihnen im Laufe von ein, zwei Jahren die Lehren der Wachtturmideologie langsam eingetrichtert werden. Oder sie sollten einmal zu Scientology gehen, wo sie Zehntausende oder Hunderttausende von Mark für irgendwelche Kurse ausgeben, oder reicht etwa das Budget der ehrenwerten "American Psychological Asscociation" (APA) nicht?

Ein ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehovas hat mehrere Male den Wunsch geäußert, Selbstmord zu begehen, weil es mit dem Masturbieren nicht aufhören konnte. Das ist Gehirnwäsche. Vjekoslaw Marinic, ein ehemaliger Zeuge Jehovas kroatischer Abstammung, der im Frühjar letzten Jahres bei Alfred Biolek aufgetreten ist, hat sich einige Zeit nach seinem Fernsehauftritt erhängt. Einer der Hauptgründe dafür waren panische Angst vor Dämonen und Teufeln. Das ist Gehirnwäsche. Ein anderer ehemaliger Zeuge Jehovas hat während seiner Mitgliedschaft bei der Sekte als Zwanzigjähriger die Beziehung zu seiner Freundin beendet, weil er ein schlechtes Gewissen hatte, daß er mit ihr schlief. Das ist Gehirnwäsche. Ein anderer ehemaliger Zeuge Jehovas wurde als 17jähriger nach sechs Monaten Bibelstudium massiv von drei Ältesten und einem sogenannten Dienstamtgehilfen eingeschüchtert. Er sollte auf keinen Fall an der Universität studieren oder etwa Abitur machen, denn bald käme "Harmagedon" (das Jüngste Gericht). Dieser junge Mann hat sich zwar durchgesetzt und Abitur gemacht, aber aus Angst vor Harmagedon hat er nicht studiert während seiner ganzen Mitgliedschaft bei der Sekte. Das ist Gehirnwäsche.

Das Prinzip der Gehirnwäsche ist in der deutschen Psychologie und Psychiatrie bekannt. Vielleicht wird es unter einer anderen Bezeichnung gehandhabt, das Prinzip ist aber anerkannt. Zeugen Jehovas arbeiten gewissermaßen mit Zuckerbrot und Peitsche. Das Zuckerbrot ist die Hoffnung, für immer auf einer paradiesischen Erde zu leben und die Anerkennung durch die anderen Sektenmitglieder. Die Peitsche ist die panische Angst vor Harmagedon und die Nichtanerkennung durch die Sektengemeinschaft. Es ist bei Zeugen Jehovas außerdem verboten, offen Kritik an der Organisation anzubringen, wenn sie sich in den Versammlungen befinden, denn das schade dem Geiste der Versammlung. Außerdem komme Kritik von Satan. Die Wachtturm-Organisation ist also noch unfehlbarer als der Papst. Das ist Gehirnwäsche.

Das ganze Buch ist also für ehemalige und traumatisierte Mitglieder von Sekten ein Schlag ins Gesicht. Die von den Autoren dieses Buches oft zitierte, kritisierte und fast schon diffamierte Professorin für Psychologie Margaret Singer weiß sehr wohl um die Destruktivität von Sekten. Ihr wird vorgeworfen, sektenfeindlich zu sein und auf unwissenschaftliche Art und Weise beweisen zu wollen, daß totalitäre Sekten bei ihren Mitgliedern eine Gehirnwäsche durchführen. Das von ihr geschriebene Buch "Sekten" sollte man auch mal lesen, um sich eine ausgewogene Meinung zu machen. Scientology mag in den USA ein höheres Ansehen haben als hier in Deutschland. Wir Europäer wissen aber, wie hirnlos, unkritisch, oberflächlich und ungebildet der amerikanische Durchschnittsbürger ist. Sogar als Nicht-Deutscher kann ich sagen, daß ich froh bin, daß die deutsche Regierung kritischer und achtsamer mit totalitären Sekten umgeht als die amerikanische. Das Thema Sekten mag für Psychologen ein unbekanntes Spezialthema sein. Der Wunsch, mehr zu wissen und nicht als Schmalspurakademiker sein Dasein zu fristen, sollte für die Autoren dieses Buches ein Ansporn sein, sich mit der Sektenproblematik auseinanderzusetzen. Abschließend kann ich nur noch sagen, daß das Buch viel zu teuer ist und eigentlich nicht einmal den einen Punkt verdient hat.


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