Geschrieben von Drahbeck am 01. November 2006 11:31:53:
Als Antwort auf: Russell 1911 in Wien, Thema: Israel
geschrieben von Gerd B. am 01. November 2006 08:12:48:
Es gibt wohl einen grundsätzlichen Dissens.
Das ist die Frage wie das Wirken "charismatischer Religionsführer" (in diesem
Falle eben Russell) grundsätzlich bewertet werden soll.
Der eine Pol diesbezüglicher Bewertungen besagt. In Richtung "göttlicher
Prophetie" zu deuten. Selbstredend tendieren die Zeugen zu dieser Richtung.
Der andere Pol hingegen, und dieser Position schließe ich mich an, besagt.
Er hat vorhandene weltpolitische Spannungen in religiöser Phraseologie
"verklärt".
Beispiel "Vorhersage" des ersten Weltkrieges.
Wenn man so will, kann man dann auch dem aus dem "religiösen Muckertal"
entstammenden Friedrich Engels, nun wahrlich nicht mit Russell auf eine Stufe stellbar,
zum "Propheten des Weltkrieges" hochstilisieren.
So erklärte etwa Friedrich Engels, im Jahre 1887 ebenfalls
"Und endlich ist kein andrer Krieg für Preußen-Deutschland mehr möglich, als ein
Weltkrieg, und zwar ein Weltkrieg von einer bisher nie geahnten Ausdehnung und Heftigkeit.
Die Verwüstungen des Dreißigjährigen Kriegs zusammengedrängt in drei bis vier Jahre
und über den ganzen Kontinent verbreitet Zusammenbruch der alten Staaten und ihrer
traditionellen Staatsweisheit, derart, daß die Kronen zu Dutzenden über das
Straßenpflaster rollen und niemand sich findet, der sie aufhebt; absolute Unmöglichkeit,
vorauszusehn, wie das alles enden und wer als Sieger aus dem Kampf hervorgehen wird. Das
ist die Aussicht, wenn das auf die Spitze getriebene System der gegenseitigen Überbietung
in Kriegsrüstungen endlich seine unvermeidlichen Früchte trägt. Das ist es, meine
Herren Fürsten und Staatsmänner, wohin Sie in ihrer Weisheit das alte Europa gebracht
haben."
Der Unterschied zwischen Russell und Engels besteht darin; dass letzterer auf einen
Politikwechsel hin orientierte; während Russell den klassischen Opiatcharakter der
Religion betonte. Hoffe und Harre - auf den "Sanktnimmerleinstag"!
Der Philosemitismus des Russell ist ebenfalls schon seit den 1880er Jahren nachweisbar.
Er war zwar in der religiösen Szene (mit) ein diesbezüglicher Bahnbrecher, jedoch
keineswegs der "Einzigste". Bahnbrecher konnte er auch nur deshalb sein, weil
die übrige religiöse Konkurrenz weitgehend schon "verweltlicht" und auch ihr
eigentliches Ziel ein "bequemes Beamtenleben" zu führen, weitgehend erreicht
hatte. Und aufgrund dieser Behäbigkeit, nicht mehr genügend Sensoren an ihren
"Antennen" eingeschaltet hat, für die Themen die "in" waren. Seit dem
Auftreten eines Theodor Herzl war der Zionismus solch eine Frage die "in" war.
Für saturierte Beamte hingegen, als die darf man die zeitgenössischen Pastoren der
religiösen Konkurrenz weitgehend ansprechen, Für diese saturierten Herren war die Frage
viel wichtiger, wie denn die Börsenkurse tagesaktuell ständen und anderes mehr in der
Richtung.
Dieses Vakuum hat in der Tat Russell mit ausgefüllt.
Besonders nennen möchte ich da den aus dem Bereich der Methodistischen Kirche stammenden
Ernst F. Stroeter mit seiner deutschsprachigen Zeitschrift "Das Prophetische
Wort". Etwa zur gleichen Zeit wie Russell im ähnlicher Weise in der
"Israel-Frage" tätig. Ansonsten aber doch von Russell in zwei wesentlichen
Punkten getrennt. Hauptdissenspunkt "Allversöhnungslehre". Zweiter
Dissenspunkt. Im Bereich des Protestantismus feierte die Höllenlehre besonders im Bereich
des Methodismus ihre größten (fragwürdigsten) Triumphe. Bekanntlich widersprach Russell
in der Höllenlehrfrage dem kirchlichen Mainstream und somit auch dem Ströter.
Was den 1911er Auftritt von Russell in Wien anbelangt; zum Weiterlesen auch empfohlen
Israel
Wien
Hippodrom
|