|
Geschrieben von Drahbeck am 31. Oktober 2006 04:10:27: Heute vor numehr 90 Jahren, verstarb ein nicht unbekannter Herr auf einer
Eisenbahntour. Erstens kommt es ziemlich oft anders, und zweitens als man denkt. Auch aus dem alten Europa hatten Russell kurz zuvor Nachrichten erreicht, welche für ihn nicht sonderlich erfreulich. So hatte etwa die Ortsgrúppe Bern der Bibelforscher eigens eine Resolution, datiert vom 10. 9. 1916 an Russell abgesandt, in der er unter anderem zu lesen bekam: "Sie ( die Berner Ortsgruppe) bedauert, dass Br. Russell über die Verhältnisse
in der Schweiz nur einseitig und vielfach unrichtig informiert worden ist; Dieses offenbar an eine Palastrevolution erinnernde Schreiben, hat seinen Adressaten aber doch wohl nicht sonderlich beeindruckt. Lanz, dem die Berner ostentativ den Rücken stärkten, blieb weiterhin des Amtes enthoben und wurde durch einen neuen Mann, frisch aus den USA-Staaten importiert, dem Herrn Conrad C. Binkele ersetzt, der nun bis etwa 1925 die WTG-Geschäfte in der Schweiz führte. Just in jenem Jahre sollte sich dann auch noch Binkele, mit dem neuen mächtigen Mann in Brooklyn, dem Herrn Rutherford, überwerfen. Zum Fall des Dr. Lanz wurde schon unter Bezugnahme auf einen WTG-Jahrbuchbericht schon
mal festgehalten; Zitat Jahrbuch:: Damit hatte dieser "Vorzeige-Bibelforscher" (Lanz war von Beruf Zahnarzt), der so gar nicht der sonstigen Bibelforscher-Klientel entsprach, der aber aufgrund seines gewandteren Auftretens einen typischen Bibelforscher der Marke "heilige Einfalt" von seinem WTG- Posten verdrängt hatte (den Holzfäller Adolphe Weber) selbst ein Fall geworden, jener, von denen die WTG heute nicht mehr gerne spricht. Die Betrübnis über den Tod Russells war in seiner Anhängerschaft nicht gering. In
der deutschen Wachtturm"-Ausgabe vom Februar 1917 (und als Separatdruck in
einer 135 Seiten umfassenden Schrift aus dem Jahre 1917, mit dem Titel: "Pastor C. T.
Russell. Seine Leben und sein Wirken") kann man sich noch heute ein plastisches Bild
davon verschaffen. Der euphorische Gesamtcharakter dieser Schrift kommt auch in solchen Aussagen zum
Vorschein, wie etwa:
Zu den weiteren Highlights des Gedenkrede von Rutherford, gehört wohl auch die
vollmundige Aussage: Seine Rede beschloß Rutherford dann durch das verlesen einer Predigt des Russell,
die für diesen Tag vorgesehen war (die er aber nunmehr nicht mehr persönlich vortragen
konnte). Und darin findet sich denn auch jener Passus, der vielleicht eine Art
Schlüsselpassage" ist. Bringt er doch zum Ausdruck, was die Russell-Bewegung
im eigentlichen motivierte. Seine Zuhörer ließ er (auch bei dieser Gelegenheit) wissen: Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, wollte man die Russellbewegung auf das
staunen kleiner Kinder über den wissenschaftlich-technischen Fortschritt reduzieren.
Namentlich dessen Schattenseite hatte es auch Russell angetan, wofür auch seine Aussage
steht: Es waren somit letztendlich politische Fragen, die auch Russell bewegten, für die er jedoch meinte nur das Patentrezept" des großen Zampano" präsentieren zu können, der da alles richten" soll. In der Praxis hingegen weniger als Nichts richtet". Dieser Glaube unterschied sich aber in wesentlichen Punkten von dem Glauben, den seine heutigen "Nachfahren" da so an den Tag legen. Die können beispielsweise wenig bis nichts etwa mit jener Aussage anfangen, die man in der vorbenannten Schrift auch lesen kann: "Im Jahre 1910 besuchte Pastor Russell Palästina und Rußland. Hier predigte er vor Tausenden orthodoxer Juden über das Sammeln der Juden in Palästina. Im Jahre 1911 gehörte er mit zu einem Komitee von sieben Männern, die eine Reise um die Welt machten und besonders die Zustände im Missionswerke in Japan, China, Korea und Indien prüften. Bei dieser Gelegenheit besuchte er auch wieder die Juden in Palästina und Galatien und erklärte ihnen, daß die Prophezeiungen lehren, die Juden würden binnen kurzem wieder in Palästina eingerichtet werden. Bei seiner Rückkehr nach Amerika wurde ihm in Neuyork in dem Hippodrom durch Tausende von Juden eine große Ovation dargebracht." Das schon genannte Testament nimmt einen wesentlichen Platz in dieser Publikation
ein. In ihr findet sich auch der Satz: Da begegnet man schon einer Intention des Testaten. Er träumte davon diesergestalt "weiterleben" zu können. Weniger bewusst war ihm allerdings der durch die Geschichte mehrfach belegte Spruch: "Der König ist tot. Es lebe der neue König". Immerhin begegnet man hier einer Wurzel, weshalb auch heutzutage das WTG-Schrifttum in der Regel ohne Verfassernamen erscheint. Das seine "Schriftstudien" dereinst durch seinen ungeahnten Nachfolger verdrängt, und durch dessen immenses Schrifttum dem Vergessen überantwortet wurden, hätte er sich bei der Testamentabfassung wohl auch nicht träumen lassen. Damit wäre es nun angezeigt, auf selbiges etwas näher zu sprechen zu kommen. Für Russells Nachfolge müssen wir unbedingt die wesentlichsten Bestimmungen in Russells Testament kennenlernen. Man vergleiche dazu auch: Grundsätzlich: Die für ein Weiterbestehen seines Werkes getroffenen testamentarischen
Regelungen sind wenig klar und mehrdeutig - kein Wunder bei Russells gering entwickeltem
Einfühlungsvermögen in juristische Sachverhalte. Vor allem gibt es keine klar umrissene
Abgrenzung der Kompetenzen. Klar ist nur, daß Russell für die Zeit nach seinem Tod in Konkurrenz zu diesem
Direktorium die Bestallung eines fünfköpfigen Herausgeberkomitees vorsieht . Zu Mitgliedern dieses Herausgeberkomitees wurden bestimmt Die Mitglieder dieses Komitees sollten zur Bethelfamilie gehören und wie diese entschädigt werden. Zustimmung oder Ablehnung des ihnen angebotenen Sitzes sollte binnen Wochenfrist dem Vizepräsidenten der Gesellschaft ohne Rücksicht darauf, wer zu dieser Zeit dieses Amt bekleidet", kundgetan werden. Wie bereits erwähnt, war die WT-Gesellschaft als Aktiengesellschaft konstruiert, in der jedermann für 10 Dollar Stimmrecht erwerben konnte. Im Augenblick seines Hinscheidens verfügte Russell über ein Aktienpaket von 25.000 Stimmen dieser Art unter insgesamt etwa 150.000 Stimmrechten. Der Rest verteilte sich auf etwa 600 Personen. Natürlich mußte nun demjenigen, der angesichts der breiten Streuung der sonstigen Aktien die Stimmabgabe dieser Aktien überwachte, innerhalb der Gesellschaft ein entscheidendes Machtwort zufallen. Nun hatte Russell im Blick auf dies Aktienpaket dies verfügt: Ich habe schon die Wachtturm Bibel- und -Traktat-Gesellschaft mit allen meinen Stimmanteilen begabt, und ich lege diese nun in die Hände von fünf Bevollmächtigten. Es sind folgende: Schwester E.-Louise Hamilton, Schwester Almeta M. Natiou Robison, Schwester I. G. Herr, Schwester C. Tomlius, Schwester Alice G. James". Auch hier sind die Kompetenzabgrenzungen und Eigentumsverhältnisse nicht ganz
geklärt. Sicher ist wohl nur, daß dieser Ausschuß die Macht des Direktoriums
beschneiden sollte. Einfügung: Da aber machten seine adventistischen Kompagnons, Barbour und Paton, schon nicht mehr
mit. Die Gründung seines Zion's Watch Tower" verklärt Russell daher schon mit
dem Satz: Weiter geht's bei ihm mit der Aussage: Auch seinem Mitstreiter der Frühzeit, Paton bescheingt er: Nun war er einstweilen da angelangt, mehr oder weniger nur noch von Claqueren
umgeben zu sein. Kritisches Potential war außen vor". Zurückkkehrend zu den Ausführungen von Dietrich Hellmund: Das war die Chance für das Direktorium der Gesellschaft. Es konnte, ja mußte jetzt für die freigewordenen Plätze Ersatzleute finden, konnte hier die angemessenste Wahl unter den Kandidaten treffen und schuf damit für künftige Eingriffe den entscheidenden Präzedenzfall. Damit war praktisch die Überordnung über das Herausgeberkomitee gewährleistet, letzteres hat bereits in der unmittelbaren Folgezeit keine eigenständige Rolle mehr spielen können. Dann war da noch das fünfköpfige Damenkränzchen, das die 25.000 Stimmanteile verwalten sollte. Es hätte etwa bei der demnächst anstehenden Wahl des zweiten Präsidenten der WT-Gesellschaft durch gezielten Einsatz der damit verbundenen Macht eine entscheidende Rolle spielen können. Dazu stellt die heutige Geschichtsschreibung der ZJ lakonisch fest: Als er (Russell); starb erloschen nach dem Gesetz natürlich seine Stimmen mit ihm". Das ist eine sehr höfliche Formulierung für die damit beschriebene Entmachtung der fünf. Wahrscheinlich hat man den bevollmächtigten Damen vorgerechnet, daß ihre Stimmabgabe juristisch problematisch sei und daß sie am besten daran täten, wenn sie für alle Zeiten die Stimmrechte ruhen ließen. Wahrscheinlich steckt hinter dem fertigen Ergebnis der Juristenverstand Rutherfords. Ein Meisterstück! Mit diesen beiden Ausschüssen hatte das Direktorium nur sehr schwer kontrollierbare Machtfaktoren ausgeschaltet. Der Trend war die Zentralisierung der Leitung. Allerdings lag zu diesem Zeitpunkt noch die entscheidende Machtzusammenballung in der Hand des Gremiums, des Direktoriums der Gesellschaft. Wie wird es ergänzt? Wer wird an seiner Spitze stehen? Wird im Direktorium kollegial oder diktatorisch entschieden? Am 6. Januar 19l7 wurde Joseph Franklin Rutherford zum Nachfolger Russells gewählt. Die Wahl erfolgte einstimmig, gewiß ein Zeichen dafür, daß sich die leitenden Männer der Gesellschaft vorher untereinander abgestimmt hatten. W. E. Van Ambourgh wurde Sekretär-Kassierer, A. N. Pierson Vizepräsident. Hier die Lebensgeschichte des zweiten Präsidenten bis zur Wahl
: Angesichts dieser Laufbahn ist für uns zunächst das eine interessant: In fast jedem seiner Bücher, die er später schreiben wird, ist ein Hinweis auf den Verfasser Richter" Rutherford untergebracht. Dabei ist das Recht Rutherfords, diesen Titel zu führen, ziemlich zweifelhaft. Von dem Urteil über die Berechtigung, diesen Titel zu führen, muß freilich das Urteil über seine juristische Eignung für ein solches Amt deutlich unterschieden werden. Rutherford war ein blendender Jurist mit hoher fachlicher Eignung. Weniger Theoretiker des Rechtes als Meister in seiner Handhabung entschied er manchen Streitfall schon durch überlegenes Taktieren in Verfahrensfragen. War er im Recht, suchte er sich unnachsichtig Recht zu verschaffen. Wußte er sich im Unrecht (was er freilich nie zugegeben hätte), suchte er ebenso geschickt diesen Tatbestand zu verheimlichen. ... Hier mehrere wichtige Beispiele: Rutherford leitete die Umsiedlung der Zentrale von Pittsburgh nach New York und schuf dafür die juristischen Voraussetzungen. Das war wegen der unterschiedlichen Gesetzgebung in beides Bundesstaaten ein großes Problem. Für sein geschicktes Taktieren in schwierigen Situationen ist ein an sich nebensächlicher Vorfall aus dem Jahre 1915 bezeichnend. J. H. Troy, ein baptistischer Prediger aus Südkalifornien, forderte Russell zu einer öffentlichen Diskussion heraus. Für den gesundheitlich verhinderten Russell nahm Rutherford die Herausforderung an, als ehemaliger Baptist schien er dafür gut geeignet. Allerdings schien der Gegner alle Trümpfe in seiner Hand zu haben. Schon der Termin war mehr als geschickt gewählt. 1915 war das Jahr, in dem sich alle Voraussagen Russells als falsch erwiesen hatten. Eine Abfallbewegung hatte unter den Bibelforschern eingesetzt. Troy brauchte nur in dieser, in der Werbung groß herausgestellten Debatte immer wieder auf Russells Prophezeiungen hinzuweisen und ihn als falschen Propheten zu brandmarken - dann war er in der Offensive und hatte gewonnenes Spiel. Rutherford sah hier nur eine Chance, und die lag in der Taktik. Denn auf eine Herausstellung der für die Bibelforscher kritischen Argumente durfte er es nicht ankommen lassen. So machte er wenige Tage vor Beginn mit Troy schriftlich aus, daß jeder 1000 Dollar
als Garantie dafür hinterlegen sollte, daß man nicht über persönliche Dinge sprechen
wollte, damit wurde, wie es schien, eine sachliche, biblische Erörterung gewährleistet.
Troy konnte diese Erklärung umso leichter unterschreiben, als er ja nicht Dinge wie die
alte Scheidungsgeschichte aufwärmen wollte. Russells Prophezeiungen waren ja wesentlich
attraktiver. Ein Presseinterview Troys bestätigte Rutherfords Befürchtungen. So wartete
er auf seine einzige Chance, die in der Auslegung oben genannter Garantie bestand. Drei
Minuten vor Beginn der Debatte bat Rutherford Troy ins Nebenzimmer. Rutherford Von dem unerwarteten Vorgehen völlig überrascht, fragte Troy: Fortsetzung Parsimony.19646 |