Die sieben Nachbarn – zweite Antwort – Punkt eins: „Was ist widernatürlicher?

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von + am 20. April 2006 10:33:47:

Als Antwort auf: Re: Die sieben Nachbarn – erste Antwort – „Ich bin Unschuldig!!!“ geschrieben von Marion am 20. April 2006 08:02:14:

Hallo Marion!

Ups! - Ich fürchte ich habe bis gerade eben noch nie in das Gästebuch gesehen…

Nun Ja - wie soll ich Dir jetzt darauf Antworten?
– wir beide stehen jetzt vor einer, mir sehr vertrauten Frage:

Sind wir Terroristen oder Freiheitskämpfer?

Mal Angenommen Du bist jetzt wieder 14 Jahre und voller Träume und Fantasien, aber besitzt Deine heutige Lebenserfahrung.
Was würdest Du Dir selber auf Deinen Beitrag antworten?

Du wolltest damals eine Prinzessin sein, Du wolltest glücklich sein, Berge erstürmen, die ganze Welt gehörte Dir.

Es ist doch unsere Endlichkeit und der Alltag der uns diese Träume Tag für Tag verhagelt und begräbt.

Und wir leben in einem Zeitabschnitt indem in unserer Kirche durch Zensur und Inquisition ein Klima von Intoleranz und Konformismus erzeugt.
Einerseits sind wir selber ein Teil dieses Apparates und - ich komme später darauf zurück – wir können uns vor Gott nicht auf Befehlsgewalt berufen - andererseits aber sind wir und ist unsere Kirche nicht „verbesserungsresistent“.

Nenn mir einen Grund warum wir aufhören sollen zu träumen.

Zuerst also noch einmal zu folgendem:

>>>trotzdem gilt für mich mit Aussgeschlossenen keine gesellige Gemeinschaft zu pflegen.... Wir haben keine andere Wahl – das gilt natürlich auch für mich – das gilt für jeden anderen.

>>>...ich kenne viele die ausgeschlossen waren und wieder zurück kamen, Es gab sogar einige die mehrfach wieder Aufgenommen wurden.
Es gibt aber auch Brüder die dazu nicht mehr in der Lage waren.
Trotzdem aber einen bewundernswerten tiefen Glauben besitzen.
Denen ich es nicht Wert bin auch nur das Wasser zu reichen.
Denen ich von Herzen gerne sagen möchte:
„behaltet eure Dankbarkeit Gott gegenüber.
Euer Verhältnis zu Gott hängt nicht mit dem Parteibuch zusammen das jemand glaubt zu besitzen.“

>>>Ich hoffe, dass nie ein guter Freund(in) von mir einmal Ausgeschlossen sein wird ...diesen Pfahl möchte ich nie tragen müssen..aber wenn es so sein sollte....dann denke ich , dass die gleiche Regel für mich gelten wird. Was wenn es Dich selber trifft?
Was wenn Du feststellen musst das Du unschuldig bist?

>>>Es ist sicher ein Fehler tgl diese Seite zu lesen Das ist es ganz sicher nicht.
Im Gegenteil.
Wir setzen uns mit der Wirklichkeit auseinander.
Wir geben den Dingen die wir nie sehen durften aber alle täglich spüren einen Namen.
Wir „Begreifen“ – im Sinne von Anfassen.

Was ich hier Lerne ist die Frage:
Welchen Wert hat die Aussage der Menschen die sich das Sprachrohr Gottes nennen?
Wie viel Macht besitzt mein Klerus tatsächlich?

Bedenke hierbei dass die Wachtturm Gesellschaft selber sagt:
„Hey! wir sind nicht inspiriert!“

Dann sage ich:
„Ok! dann könnt ihr aber auch niemanden von Gott trennen!“

>>>...ich kann aber nicht den Einzelfall beurteilen...<<<

Diese Gerichtsverfahren sind streng geheim.
Es ist niemanden Gestattet darüber zu sprechen.
Selbst der Angeklagte darf niemanden als Vertreter zu seiner Verhandlung hinzuziehen.
Selbst dann nicht wenn er selber nicht in der Lage ist sich selber zu Verteidigen.
Sei es weil er eine Frau ist (und es geht zum Beispiel um Verfehlungen spezieller Probleme die nur Frauen betreffen),
oder weil er die Sprache nicht vollständig sprich,
weil er das Regelwerk nur unzureichend kennt,
oder einfach weil er emotional so Aufgepeitscht ist das sein Verhalten in dieser Verhandlung zusätzlich zu seiner Verurteilung führt.

Wären diese Verhandlungen Öffentlich wie es Jesus eingeführt hat würde dies nicht passieren.
Aber darauf komme ich später zurück.

Einen Nachbarn hatte ich nämlich noch nicht erwähnt:

Den Behinderten Bruder der sich so gerne auch als „ganzen“ Mann gefühlt hätte.

Ihn will ich hier exemplarisch als Beispiel bringen um Dir zu zeigen dass unsere Praxis der Kaltinquisition widernatürlich ist.

Die Wachtturm Gesellschaft nimmt sich heraus in das Leben seiner Mitsklaven einzugreifen.
Sie stochert mit Stöcken in unserem Uhrwerk – genannt Leben.

• Punkt eins: die Widernatürlichkeit der Kaltinquisition

Bei einem Ehepaar aus Kalifornien, beide Zeugen Jehovas, hatte jemand im Schlafzimmer Schriften und Bilder mit Darstellungen ungewöhnlicher Sexualpraktiken gesehen.

Ermittlungen der Ältesten am Ort ergaben, dass das Ehepaar beim Geschlechtsverkehr tatsächlich auch andere Praktiken als den einfachen Genitalkontakt pflegte.

Den Auslöser bildete ein Artikel im Wachtturm vom 15. März 1970 (S. 189-191), der die Aufmerksamkeit auf derartige sexuelle Beziehungen gelenkt und sie sehr ausführlich erörtert hatte.
Ohne Zweifel waren die Ältesten dadurch für solche Berichte erst sensibel geworden;
er war wahrscheinlich auch verantwortlich dafür,
dass im vorliegenden Fall die Vorgänge im Schlafzimmer erst gemeldet wurden.

Die Ältesten schrieben nach Brooklyn, und die leitende Körperschaft sollte nun beschließen, ob gegen das Ehepaar etwas unternommen werden sollte, und wenn ja, was.

Nach nur wenigen Stunden wurde in Brooklyn die Entscheidung gefällt, dass dem Ehepaar die Gemeinschaft zu entziehen sei.
Später wurde das als offizielle Lehrmeinung veröffentlicht und galt für alle Personen, die sich vorsätzlich ähnlicher Praktiken bedienten.

Siehe auch Wachtturm vom 15. Februar 1973, S. 126-128; ebenso vom 1. Februar 1973, S. 95, 96.

Die Veröffentlichung wurde so verstanden und angewendet,
dass Ehegatten sich gewöhnlich verpflichtet fühlten,
den Ältesten Mitteilung zu machen,
wenn derartige Praktiken in ihrer Ehe gepflegt wurden,
ganz gleich ob im gegenseitigen Einverständnis
oder auf Initiative nur eines Partners hin.

Im letztgenannten Fall wurde von dem Partner,
der nicht die Initiative ergriffen hatte,
erwartet, dass er sich von allein bei den Ältesten meldete,
sofern der Partner, der dies verlangt hatte, dazu nicht bereit war.

Bedenke bitte hierbei das sich nicht von allein zu offenbaren gemeinhin als Indiz für eine reuelose Haltung gilt und wird als Anzeichen für die Notwendigkeit eines Gemeinschaftsentzugs angesehen.

Die Entscheidung der leitenden Körperschaft aus dem Jahre 1972 führte zu einer stattlichen Anzahl von „Komiteeverhandlungen", in denen die Ältesten solchen Mitteilungen oder Geständnissen über Sexualpraktiken nachgingen.

Frauen waren in solchen Anhörungen auf das Peinlichste betroffen,
wenn sie Fragen der Ältesten über die intimsten Ehegeheimnisse zu beantworten hatten.

Viele Ehen, in denen einer der Partner kein Zeuge war,
machten eine stürmische Zeit durch,
da der Partner, der dem Glauben nicht angehörte,
sich vehement wehrte gegen die seiner
oder ihrer Ansicht nach unrechtmäßige Einmischung in private Eheangelegenheiten.

Einige Ehen zerbrachen daran und wurden geschieden.

„Wegen dieser Frage ist es in einer immensen Zahl von Fällen zu Problemen gekommen, häufig dort, wo einer der Ehepartner ungläubig ist. Frauen haben sich geweigert, ihren Mann auf diese Weise zu stimulieren, oder sich von ihm auf diese Weise stimulieren zu lassen. Daran sind Ehen kaputtgegangen."

In den folgenden fünf Jahren ging eine noch nie dagewesene Flut von Briefen ein.
In den meisten wurde Zweifel daran geäußert,
dass es überhaupt eine biblische Grundlage für die Mitglieder der leitenden Körperschaft gab,
sich derartig in das Privatleben anderer einzumischen,
und es klang durch, dass man die Stichhaltigkeit
der offiziellen Begründung hierfür nicht einsehen könne.

Diese stützte sich vor allem auf Römer, Kapitel l, Verse 24 — 27,
wo von Homosexualität die Rede ist,
und nach Ansicht der Briefeschreiber sei nicht erkennbar,
wie eine Anwendung des Textes auf heterosexuelle Beziehungen
bei einem Ehepaar zu rechtfertigen sei.

Andere Briefe, oft solche von Ehefrauen,
zeugten einfach von einer großen Verwirrung
und einer Qual wegen der Unsicherheit darüber,
ob das vom Briefschreiber praktizierte Vorspiel nun zulässig sei.

Eine Frau teilte mit, sie habe mit einem Ältesten gesprochen,
und er habe ihr gesagt, sie solle an die leitende Körperschaft schreiben,
„um ganz sicher zu gehen".

So schrieb sie den Brief, erklärte, ihr Mann und sie liebten sich innig,
beschrieb dann eine bestimmte Art von Vorspiel,
an die sie sich beide gewöhnt hätten,
und fügte hinzu:
„Meiner Meinung nach ist das eine Sache des Gewissens,
doch ich schreibe an Euch, um ganz sicher zu gehen."

Sie schloss mit den Worten:
„Ich habe schreckliche Angst, und ich fühle mich so verletzt,
und diesmal habe ich vor allem die Sorge,
wie (mein Mann) über die Wahrheit denken wird . . .
Ich weiß, dass ihr mir sagen werdet, was ich tun soll."

In einem anderen typischen Brief schreibt ein Ältester,
er habe ein Problem, das ihn sehr bewege,
und dafür sei es seiner Ansicht nach das Beste,
„sich an die ,Mutter' um Rat zu wenden".

(Siehe zu dem Begriff „Mutter“: WT 1. Dezember 1950, S. 358, 359, vom 15. April 1952, S. 122, und vom 1. Juli 1957, S. 402, 403)

Das Problem bezog sich auf sein eheliches Sexualleben.
Seine Frau und er seien sich im Unklaren darüber,
„wie weit man beim Vorspiel zum Geschlechtsakt genau gehen kann".
Er versicherte der Gesellschaft:
„Meine Frau und ich werden jeden Rat, den Ihr uns gebt, genauestens befolgen."

Diese Briefe zeigen, welch absolutes Vertrauen in die leitende Körperschaft gesetzt wird.

Sie glaubten, die Männer in diesem Gremium könnten ihnen sagen,
„wie weit man gehen kann", selbst in solch intimen Bereichen ihres Privatlebens,
und meinten, sie müssten das dann „genauestens befolgen''.

Die Gesellschaft verschickte viele Antwortbriefe zu diesem Thema.
Man bemühte sich darin oft um eine begrenzte Klarstellung
(wobei man Dinge sagte, ohne sie direkt beim Namen zu nennen),
welches sexuelle Vorspiel zu den verurteilten Handlungen gehörte,
so dass andere Varianten dadurch ausgenommen wurden.

In einem Bürovermerk eines Mitarbeiters der Dienstabteilung der Gesellschaft
vom Juni 1976 wird über ein Telefongespräch mit einem Unterweiser
der Schulungskurse für Älteste berichtet.
Diesem internen Vermerk zufolge rief der Dozent wegen eines Ältesten
in einem seiner Seminare an,
der sich zu bestimmten missbilligten sexuellen Praktiken in seiner Ehe bekannt hatte.

Wörtlich heißt es:

„Bruder (es folgt der Name des Dozenten) besprach die Angelegenheit eingehend mit ihm,
um herauszufinden, ob es sich wirklich um orale Kopulation handelte....
(Der Dozent) teilte ihm mit, in Anbetracht der Umstände
solle er mit den anderen im Komitee sprechen.
Zufällig waren die beiden anderen Mitglieder des Komitees im selben Kurs,
und so ging er zu ihnen und sprach mit ihnen.
(Der Dozent) weiß nun nicht, wie es weitergehen soll.. . .
Ihm wurde vorgeschlagen, er solle den Fall der Gesellschaft ausführlich schildern,
damit er in Zukunft genau weiß, was er zu tun hat, und nicht anzurufen braucht."

Hieran wird deutlich, wie weit in den Intimbereich die Befragungen gingen
und wie fest die Zentrale die Fäden in der Hand hielt.
Immer wieder lassen die Briefe erkennen,
dass die Betroffenen sich wirklich Gott gegenüber verpflichtet fühlten,
den Ältesten über jede Abweichung von der Vorschrift
der leitenden Körperschaft Mitteilung zu machen.

Einem Mann in einem Staat des Mittelwestens,
der sich dazu bekannt hatte,
gegen eine Entscheidung der leitenden Körperschaft
über seine ehelichen Beziehungen verstoßen zu haben,
sagten die Ältesten, sie würden deswegen an die Gesellschaft schreiben.

Er schrieb selbst noch einen Brief dazu.

Acht Wochen vergingen, und schließlich schrieb er noch einmal nach Brooklyn:

„Das Warten, die Angst und die Spannung sind fast mehr, als ich ertragen kann“

Er schrieb, man habe ihn aller Aufgaben in der Versammlung enthoben,
er dürfe auch nicht mehr bei den Zusammenkünften beten, und weiter:

„Mit fast jeder Woche verliere ich etwas,
worum ich 30 Jahre lang gebetet und wofür ich mich abgemüht habe."

Er bat um eine baldige Antwort:

„Ich muß von der drückenden Last befreit werden,
nicht zu wissen, wie ich vor Jehovas Organisation stehe."

Manche Ältesten bemühten sich,
die Sache etwas weniger forsch anzugehen.

Dann konnte es ihnen aber passieren,
daß sie dafür von der Zentrale in Brooklyn gerügt wurden.

Interessanterweise waren einige Älteste sogar der Ansicht,
die Haltung der leitenden Körperschaft sei viel zu lasch
und gehe noch nicht weit genug.

In einem Brief von einem Ältesten aus den USA heißt es:

„Einige der älteren Brüder waren der Ansicht,
die leitende Körperschaft hätte noch weiter gehen sollen
in ihrer Verurteilung widernatürlicher Praktiken unter Eheleuten
und auch bestimmte Stellungen beim Geschlechtsakt verbieten sollen ..."

Weiter unten sagt der Älteste, wie er selbst darüber denkt:

„Da Jehova in diesem (18.) Kapitel von 3. Mose
wie auch in den anderen Kapiteln über Fragen der Sexualität
so sehr ins Detail geht,
weshalb wird den Eheleuten dann nichts über annehmbare
und nicht annehmbare Stellungen bei der geschlechtlichen Vereinigung gesagt?
Wenn Jehova gewollt hätte,
dass dieser eheliche Privatbereich den Nachforschungen
oder Ansichten der Richter oder der älteren Männer offen stehen sollte,
hätte er das dann nicht getan,
damit geeignete Maßnahmen gegen Übertreter ergriffen werden konnten?"

Von der Richtlinie der Gesellschaft mit betroffen
waren unter anderem auch Menschen,
deren normale Sexualfunktionen durch eine Operation
oder einen Unfall stark beeinträchtigt waren.

Wie hier dein siebter Nachbar.

Manche gaben ihrem Kummer darüber Ausdruck,
dass sie nun durch die Entscheidung der leitenden Körperschaft
in eine so missliche Lage gebracht wurden.

Ein Mann, der auf solche Weise impotent geworden war,
hatte in den darauf folgenden Jahren durch die Anwendung
eines jetzt von der Organisation verurteilten Mittels
noch einen Anteil am Sexualleben nehmen können.

Er sagte, vor der Entscheidung der leitenden Körperschaft
habe er sich wenigstens noch halbwegs als Mann fühlen können,
weil er seiner Frau immer noch Freude bereiten konnte.

Er könne, so schrieb er, nicht erkennen,
wo die biblische Grundlage für die im Wachtturm vertretene Position zu finden sei,
seine Frau fühle sich aber daran gebunden,
und er habe nachgegeben, weil er sie liebe.

Zwar wisse er, dass er noch immer derselbe Mensch sei,
doch seelisch gehe er vor die Hunde,
da er ernsten Schaden für seine Ehe befürchte.

Flehentlich bat er, man möge ihm mitteilen,
ob es nicht in Gottes Willen ein „Schlupfloch" gebe,
das ihm ermögliche, seiner Frau Freude zu bereiten.

In solcher und ähnlicher Sachlage wurde das Gewissen der Ältesten,
die gegen Übertreter dieser Richtlinie der leitenden Körperschaft vorgehen mussten,
schwer belastet.

Der oben bereits erwähnte Älteste schreibt am Schluss seines Briefes folgendes:

„Ich kann biblische Gesetze und Grundsätze nur in dem Maße anwenden,
in dem ich auch dahinter stehen
und sie als Vertreter Jehovas und Christi Jesu ehrlich akzeptieren kann.
Und wenn ich diese Gesetze und Grundsätze als Ältester
in der Versammlung auszuführen habe,
dann will ich das nicht deswegen tun, weil ich nun mal glaube,
dass dies die Organisation Jehovas ist und ich ihr folge,
ganz gleich, was sie von mir verlangt,
sondern ich tue es, weil ich wirklich glaube, dass das völlig mit der Bibel übereinstimmt.
Für mich soll auch in Zukunft gelten,
wozu der Apostel Paulus in l. Thessalonicher, Kapitel 2, Vers 13, ermahnt,
nämlich das Wort Gottes anzunehmen,
nicht als Menschenwort, sondern als das, was es wahrhaftig ist,
als das Wort Gottes."

Dies zeigt exemplarisch, dass der Gemeinschaftsentzug, ein widernatürlicher Eingriff in das Leben jedes Zeugen für Jehova ist.

Als nach über fünf Jahren das Thema schließlich wieder auf der Tagesordnung stand,
wurde die alte Entscheidung umgestoßen,
und die leitende Körperschaft zog sich aus diesem Intimbereich
des Lebens anderer Leute wieder zurück.

Der Text erschien im Wachtturm vom 15. Mai 1978, Seiten 30, 31, wo es unter anderem hieß:

Nach sorgfältiger weiterer Erwägung dieser Frage
gelangen wir jedoch aufgrund des Fehlens deutlicher biblischer Anweisungen
zu der Überzeugung, dass es sich dabei um etwas handelt,
wofür ein Ehepaar selbst die Verantwortung vor Gott übernehmen muss,
und dass es nicht die Aufgabe der Versammlungsältesten ist,
das Verhalten in solchen ehelichen Intimbeziehungen zu bestimmen
oder jemandem lediglich aufgrund derartiger Handlungen die Gemeinschaft zu entziehen.
Damit soll nicht gesagt werden,
dass die verschiedenen heute gepflegten sexuellen Handlungen gutgeheißen würden,
denn so sind diese Ausführungen keineswegs gedacht.
Durch sie kommt lediglich das Bewusstsein für die Verpflichtung zum Ausdruck,
die Bibel entscheiden zu lassen und keinen dogmatischen Standpunkt in Fällen einzunehmen,
in denen es mangels biblischer Beweise keine ausreichende Grundlage dafür gibt.

Gemeinschaftsentzüge sind keine biblische Grundlage für dogmatische Festlegungen.

Durch noch so viele Worte ist es nicht möglich, den angerichteten Schaden Widergutzumachen,
all die Peinlichkeiten, die Verunsicherungen und seelischen Leiden,
die quälenden Schuldgefühle und die zerrütteten Ehen,
zu denen es als Folge der ersten Entscheidung kam,
einer Entscheidung, die innerhalb weniger Stunden von Männern gefällt wurde,
die ganz kalt an die Sache herangingen, ohne zuvor darüber in Kenntnis gesetzt worden zu sein
und nachgedacht zu haben,
ohne gesondert darüber zu beten oder die Schrift zu erforschen.

Und doch hatte ihre Entscheidung fünf Jahre lang weltweit Gesetzeskraft
und brachte vielen Menschen Folgen,
an denen sie ein Leben lang zu tragen haben.

All das wäre nicht nötig gewesen.

Ein anderes Problem, das aufkam, war ähnlicher Art wie das eben behandelte.

Es betraf eine Zeugin Jehovas in Südamerika,
deren Ehemann zugegeben hatte, mit einer anderen Frau sexuelle Beziehungen gehabt zu haben.
Die Schwierigkeit lag darin, dass er angab,
die Beziehungen seien von der Art wie im zuvor beschriebenen Fall,
nur dass es sich diesmal um analen statt genitalen Verkehr handelte.
Die Entscheidung der leitenden Körperschaft lautete,
der Tatbestand des Ehebruchs sei nicht erfüllt.

Für Ehebruch sei in jedem Fall genitale Kopulation erforderlich,
bei der eine Zeugung von Kindern möglich sei.

Darum sei der Mann nicht „ein Fleisch" mit der anderen Frau geworden,
und - so der Beschluss –
die Ehefrau habe keinen biblischen Grund für eine Scheidung
und zukünftige neue Eheschließung.

Zugleich folgte aus der Entscheidung,
dass man sich nach der Bibel von einem Ehemann,
der sich homosexueller Handlungen
oder sogar geschlechtlicher Beziehungen zu einem Tier schuldig machte,
nicht scheiden lassen dürfte,
da ein Mann nicht mit einem anderen Mann
oder mit einem Tier in dem Sinne „ein Fleisch" werden kann,
dass dadurch Nachkommen gezeugt werden.

Das war zu Anfang jenes Jahres sogar ausdrücklich so im Wachtturm gesagt worden.

Siehe Wachtturm vom 15. März 1972, S. 191, 192.

In der Neuen-Welt-Übersetzung der Gesellschaft werden Jesu Worte an dieser Stelle wie folgt wiedergegeben:

„Ich sage euch, dass wer immer sich von seiner Frau scheiden lässt,
ausgenommen aufgrund von Hurerei,
und eine andere heiratet, Ehebruch begeht."


Zwei verschiedene Begriffe werden verwendet,
„Hurerei" und „Ehebruch".

In den Wachtturm-Veröffentlichungen hatte es aber seit Jahrzehnten geheißen,
sie bezögen sich im wesentlichen alle beide auf dasselbe;
unter Hurerei sei zu verstehen,
dass ein Mann mit einer anderen als seiner Ehefrau ehebrecherische Beziehungen hat
(beziehungsweise eine Frau mit einem Mann, der nicht ihr Ehemann ist).

Warum, gebrauchte Matthäus zwei verschiedene Wörter (porneia und moikheia),
um den Ausspruch Jesu wiederzugeben,
wenn doch in beiden Fällen dasselbe gemeint ist, nämlich Ehebruch?

Der Grund ist dass der griechische Begriff pomeia
(der in der Neuen-Weit-Übersetzung mit „Hurerei" wiedergegeben wurde)
sehr weit gefasst war und ALLE Arten sexueller Unmoral,
weshalb er in vielen Bibelübersetzungen einfach mit „Unmoral",
„sexuelle Unmoral", „Unkeuschheit" oder „Unzucht" übersetzt wird.

Für „Ehebruch" steht im griechischen Originaltext von Matthäus 19:9 das Wort moikheia,
das im Gegensatz zu pomeia keine weite,
sondern eine sehr enge Bedeutung hat;
es wird nur für Ehebruch im üblichen Wortsinn gebraucht.

Aus einem Lexika geht hervor,
dass der Ausdruck auch auf homosexuelle Beziehungen Anwendung fand.

In der Bibel selbst wird porneia in Judas, Vers 7, gebraucht,
um damit die berüchtigten homosexuellen Handlungen
der Leute von Sodom und Gomorrha zu bezeichnen.

Im Wachtturm vom 15.März 1973 Seite 191 und 192 wurde dies dann revidiert.

In einem Brief von einer Zeugin, die einige Jahre zuvor herausgefunden hatte,
dass ihr Mann mit einem Tier geschlechtlich verkehrte schieb sie der Leitenden Körperschaft:

„Mit so einem Mann konnte ich nicht zusammenleben", und ließ sich scheiden.
Später verheiratete sie sich wieder.
Daraufhin wurde sie dafür aus der Versammlung ausgeschlossen,
da sie „nicht biblisch frei war".
Nachdem der revidierte Wachtturm-Artikel herausgekommen waren,
schrieb sie und bat darum, dass in Anbetracht der jetzt veränderten Grundsätze
etwas unternommen werde, sie von der Schmach zu befreien,
die wegen des Gemeinschaftsentzugs auf ihrem Namen lastete.

Schaden der durch Gemeinschaftsenzug Angerichtet wird kann niemals wieder gutgemacht werden

Schaden der durch wechselnde Lehrmeinungen über Jahrzehnte hinweg bei zahllosen Menschen angerichtet wird.

Die leitende Körperschaft spielt sich gleichzeitig als Kläger, Gerichtshof und Gesetzgebende Körperschaft auf, deren Entscheidungen und Maßgaben für alle Zeugen Jehovas bindende Gesetzeskraft haben sollen.

Sie war in dem Sinn eine „leitende Körperschaft", in dem man auch den Sanhedrin in biblischen Zeiten als solche bezeichnen konnte, da er ähnliche Funktionen ausfüllte.
Ebenso wie damals alle auftauchenden Fragen, die Gottes Namenvolk betrafen, dem Sanhedrin in Jerusalem zur Klärung vorgelegt wurden, so auch heute der leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas in Brooklyn.

Mit dem bekannten Ergebnis.

Kaltinquisition ist in allen belangen unseres Lebens widernatürlich.

www.isfsp.org/isabella_med.wmv


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