Geschrieben von Drahbeck am 07. März 2006 12:19:17:
Als Antwort auf: WTG und Stasi geschrieben von Kontra am 07.
März 2006 11:38:26:
"dass Jehovas Zeugen mit der Stasi geheimdienstliche Kontakte hatten, dass es
Verbindungen gab und dass es offenbar gegenseitige Dienstleistungen gegeben hat"
Diese Interpretation teile ich so nicht. Eher umgekehrt wird ein Schuh daraus. Kontakte
der WTG (bzw. einzelner Personen die ihr zuzuordnen sind) zu westlichen Geheimdiensten,
die ihrerseits für die WTG-Kreisdiener entsprechende "Gefälligkeiten" in der
Ausweissache arrangierten. Das gilt insbesondere für jene Phase in den fünfziger Jahren,
wo das (faktische) Westberliner WTG-Zweigbüro sich noch
n i c h t in der Bayernallee befand. Folgt man den Stasi-Andeutungen im Uraniabuch, kommen
da insbesondere ein oder einige unter Wauer stehende, in den Bereich der näheren
Betrachtung.
Zitat Uraniabuch:
" Politisch hatte es indessen den Charakter eines Ostbüros angenommen. Wichtige
Mitarbeiter des Leiters Ernst Wauer waren u. a. Oskar Thiele, Kurt Hille, Horst Ritt,
Heinz Szewczyk und Günther Uhlig.... Kreis und Bezirksdiener wurden von Ernst Wauer mit
gefälschten DDR-Personalausweisen versehen und in Westberlin stationiert, was ohne
Abdeckung durch zuständige Dienststellen schwerlich möglich war. Derart gefälschte
Ausweise erhielten u. a. der Bezirksdiener Ernst Pietzko aus Weimar und der Kreisdiener
Holdi Quandt aus Grünhainichen."
Weiter meint das genannte Uraniabuch:
"1955 erfolgte ein Wechsel in der Leitung des Ostbüros. WTG-Präsident N. H. Knorr
sah sich gezwungen, sowohl den Zweigdiener in Wiesbaden, Erich Frost, als auch den Leiter
des Ostbüros, Ernst Wauer, ihrer Posten zu entheben. Die von Wauer durchgeführte Praxis
gefälschter DDR-Personalausweise für die Hauptverbindungsleute in die DDR und die
Unterschlagung von 10 000 Mark aus der DDR geschmuggelter Gelder durch den
Ostbüro-Kassenleiter Kurt Hille waren öffentlich ruchbar geworden. Natürlich passierte
allen dreien nichts Ernsthaftes. Hille wurde zwar abgesetzt, aber es wurde nicht bekannt,
ob man ihn zur Aburteilung der Justiz übergab. Solche Vorkommnisse werden, wenn es geht,
vertuscht. Wauer wurde lediglich in den Kreisdienst der WTG nach Stuttgart versetzt".
Ob Wauer selbst, den die Stasi wie aktenkundig belegt, nach dem Osten verschleppen
wollte, da aktiv tangiert war, würde ich eher mit einem Fragezeichen versehen. Indes der
Fakt der "Ausrüstung" mit DDR-Ausweisen, wird auch von Dirksen widerwillig
zugegeben.
Dirksen etwa präsentiert dazu dass Ammenmärchen; Zitat:
"Teilweise mußten die Kreisdiener auch zu dem Mittel greifen, sich andere
Ausweisdokumente zu besorgen, mit denen sie sich im Gebiet der DDR aufhielten. Sie
verwendeten dazu oftmals Ausweise bereits verhafteter Glaubensbrüder, mit denen sie
gewisse Ähnlichkeiten hatten."
Dazu hatte ich schon mal kommentiert:
"Wie dies? Kann man da nur zurückfragen. Kreisdiener haben den Zugriff auf die
Ausweispapiere bereits Verhafteter? Das glaubt doch Dirksen wohl selbst nicht. Das
bedeutete ja, dass die Stasi die Ausweispapiere bereits Verhafteter freigab. Weiter. Wo
wollen die fraglichen Kreisdiener nun so genau wissen, wer von den Verhafteten ihnen am
ähnlichsten sei und genau diese Papiere an sich nehmen? Eine wahrhaft abenteuerliche
Konstruktion, die ein praktizierender Rechtsanwalt da zum besten gibt. Grimms Märchenbuch
hat bei ihm da wohl Pate gestanden.
Näher dürfte man der Sache allerdings kommen, wenn man die Vokabel von Ausweispapiere
besorgen, zugrunde legt. Da steckt eine gewisse Logistik hinter. Da solche Papiere in der
Regel nicht auf der Straße zu liegen pflegen. Da sind Verbindungen zu entsprechend
einflußreichen Dienststellen unabdingbar. Dirksen selbst nennt den DDR-Fall Karl-Heinz
Simdorn, alias Wolfgang Daum, dem die DDR-Stasi eine neue Identität als Wolfgang
Daum" verschaffte. Damit ist schon mal klar, in welcher Richtung die Recherchen
laufen müssen. Statt der Stasi, muss man in diesem Zusammenhang wohl eher von westlichen
Geheimdiensten reden."
Und weiter:
"Zum Fall Ernst Pietzko (S. 536) will Dirksen wissen, dass er die
Ausweispapiere eines nach Westberlin geflohenen vormaligen DDR-Zeugen Jehovas übernahm.
Selbst wenn dem so ist, setzt auch dies eine gewisse Logistik voraus. Zum Beispiel das
auswechseln des Passbildes. Und ein 1,80 m. Mann dürfte wohl kaum geeignet sein die
Papiere eines nur 1,60 m großen zu übernehmen. Letzteres nur mal als
Veranschaulichungsbeispiel. Im Falle Pietzko auch noch bemerkenswert (S. 537), dass auch
seine Ehefrau über einen fremden Ausweis verfügte. Das sind in der Tat ein bisschen
zuviel Zufälle".
Auf Seite 545 redet er auch davon, dass der vom DDR-Regime zu 15 Jahren Zuchthaus
verurteilte Kreisdiener Gotthold Quandt gleichfalls über einen gefälschten
Personalausweis verfügte. Zitat:
"Da er zum Zeitpunkt der sogenannten Personalausweis-Aktion (von Dirksen nicht näher
erläutert) im Jahre 1953/54 aufgrund seiner reisenden Tätigkeit keinen festen Wohnsitz
hatte und in sofern damit rechnen mußte, daß er bei Antreffen ohne gültigen Ausweis
verhaftet würde, wurde ihm ein anderer Personalausweis beschafft ..."
Wie dieses "beschaffen eines Personalausweises" in der Praxis vor sich ging,
darüber zieht es Dirksen allerdings vor zu schweigen. Schon verständlich: Pfeifen es
doch die Spatzen von den Dächern. So etwas ist nur durch aktive Verbindung zu
Geheimdienstkreisen möglich!"
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