Geschrieben von anonym am 07. Dezember 2005 00:36:46:
GROSSVATER war schon über achtzig Jahre alt.
Er war groß und hatte sanfte blaue Augen und einen buschigen weißen Bart.
Er hatte ein wunderbares Gesicht.
Es zeigte eine Aura großer Würde und Gefasstheit.
Er war unser Freund und Vertrauter.
Opa ging gerne spazieren.
Besonders gern ging er im Sand am Strand entlang.
Am liebsten hatten wir es, wenn er uns mitnahm, uns huckepack" trug und uns
über Gott erzählte.
Manchmal fing Opa an, laut zu singen.
Er hatte eine kratzige hohe Tenorstimme.
Oma war es am liebsten, wenn er aufhörte zu singen, denn er konnte eigentlich den Ton
nicht halten, aber uns gefiel es so.
Wenn wir mit einstimmten und zusammen sangen, war es uns wohl ums Herz.
Jeden Abend, nach dem Abendbrot, holte Oma ein großes schwarzes Buch, und Opa sagte:
Und was lesen wir heute Abend?"
Jeden Abend las er eine andere Geschichte vor.
Sie wohnten in einem alten, ganz aus Holz gebauten Bauernhaus, das sieben Räume und einen
Dachboden hatte.
Der Dachboden war für Gerd und mich ein Museum, und wir verbrachten viele Stunden, um in
den alten Sachen herumzukramen.
Eines Tages sagten wir aus Spaß zu Großpapa, wir wollten den Dachboden durchwühlen, um
,,zu sehen, wie sehr sich die Welt verändert hat".
Er empfand den Sarkasmus in unseren Worten.
Ihr glaubt mir nicht, wenn ich sage, dass sich die Zeiten geändert haben, nicht
wahr?"
Ohne auf eine Antwort zu warten, ging er die Treppe hinauf, steuerte direkt auf eine alte
Truhe zu, öffnete sie und zog einige vergilbte Zeitungen heraus
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Photodrama der Schöpfung Seite 4
Es werde Licht! Und es ward Licht. (1.Mose 1,3)
Diese Worte stellen kurzgefaßt das Resultat der 7000 Jahre dar, genannt der erste
Tag. Dies heißt nicht, daß Gottes Wort nicht genügt haben würde, irgend ein
Wunder zu bewirken, sondern Gott zieht es vor, seine herrlichen Vorsätze auf natürlichem
Wege hinauszuführen.
Wachtturm 22 April 1961
Seite 5
Die Bibel sagt jedoch nicht ausdrücklich, wie lang die sechs Schöpfungstage waren,
und das Zeugnis der Natur deutet an, daß es sich um lange Zeitperioden gehandelt hat. Die
Bibel enthält jedoch Anhaltspunkte, die uns helfen, die Länge des Ruhetages Gottes zu
bestimmen. Da diese sieben Tage alle zu einer Woche" gehören, ist es
vernünftig, anzunehmen, daß jeder dieser Tage gleich lang war, wie das auch die sieben
Tage einer Kalenderwoche sind. 2. Mose 20:8-11.
Tage von verschiedener Länge
Wenn wir in Betracht ziehen, daß der Schöpfer, Jehova Gott, den Schöpfungsbericht
inspiriert hat und daß das Zeugnis der Natur zeigt, daß von der Zeit an, da
nachdem die Erde sich abgekühlt hatte zum erstenmal auf der Erde Licht erschien,
bis zu der Erschaffung des Menschen sehr viele Jahre vergangen sein müssen, kommen wir zu
dem Schluß, daß keine Tage von 24 Stunden gemeint sein können. Im Schöpfungsbericht
selbst werden verschiedene Zeitperioden als Tag bezeichnet. Als Gott das Licht
Tag" nannte, meinte er damit einen Tag von zwölf Stunden. Als er sagte, daß
die Lichter an der Ausdehnung des Himmels zu Zeichen und zur Bestimmung von Tagen
und Jahren" seien, meinte er ganz eindeutig Tage von vierundzwanzig Stunden. Die
ganze Schöpfungswoche wird sogar als ein Tag bezeichnet: Dies ist die Geschichte
des Himmels und der Erde ... an dem Tage, da Jehova Gott Erde und Himmel machte."
1. Mose 1:5, 14; 2:4.
Die Bibel berichtet auch, daß Gott je einen Tag für ein Jahr" bestimmt hat
und daß bei ihm ein Tag" ist wie tausend Jahre". Bestimmt weisen
auch Ausdrücke wie der Tag Jehovas" und der Tag Christi" auf
Zeitperioden hin. Somit gibt es in der Bibel keine Stütze für die Auffassung, daß jeder
Schöpfungstag nur vierundzwanzig Stunden gedauert habe. 4. Mose 14:34; 2. Pet.
3:8; Joel 2:1; Phil. 1:10.
Seit den ersten paar Jahrhunderten nach Christus bis heute hat es viele Bibelgelehrte
gegeben, die die Auffassung teilten, die Delitzsch in seinem Werk New Commentary on
Genesis vertritt und die lautet: Damit sind Tage Gottes gemeint, bei ihm sind
tausend Jahre wie ein Tag, der vergangen ist, PS. 90:4 ... Die Schöpfungstage sind, wie
die
Heilige Schrift selbst zeigt, keine Tage von vierundzwanzig Stunden, sondern Äonen ...
Denn dieses irdische und menschliche Zeitmaß kann keine Anwendung auf die ersten drei
Tage haben ... auch nicht auf den Sabbat, weil dort die einschränkende Redewendung
fehlt." In dem jüdischen Werk Encydopedia of Bible Interpretation, Ka-sher, 1953,
lesen wir etwas Ähnliches.
Da aus der Bibel hervorgeht, daß Gottes Ruhetag siebentausend Jahre lang ist, ist es
vernünftig, zu schlußfolgern, daß die anderen sechs Tage, von denen im ersten Kapitel
des 1. Buches Mose gesprochen wird, gleich lang sind, also insgesamt 42000 Jahre umfassen.
Diese Zeitperiode scheint in Anbetracht der Mutmaßungen der Wissenschaftler kurz zu sein;
doch ist sie lang genug, daß alles, was in 1. Mose 1:3-28 aufgezählt wird, vor sich
gehen konnte, daß Licht werden konnte, die Ausdehnung, das Trockene und die Vegetation
entstehen konnten, die Lichter erscheinen, die Fische, Vögel, Landtiere und zum Schluß
der Mensch geschaffen werden konnten. Somit wird unser Glaube an den Schöpfungsbericht
der Bibel sowohl durch Gründe der Vernunft als auch durch das Zeugnis der Bibel selbst
gestärkt, weil sie uns erkennen lassen, wie lang die Schöpfungstage waren.
Wachtturm 1970 15.5 Seite 309-312
Die Schöpfungstage, von Gottes Standpunkt aus gesehen
DAS WORT TAG IN DER BIBEL
Nicht nur von einem Jahr, sondern sogar von tausend Jahren spricht Gottes Wort mitunter
als von einem Tag. Der Prophet Moses kam durch sein Nachsinnen zu dem Schluß: Denn
tausend Jahre sind in deinen Augen wie der gestrige Tag, wenn er vergangen ist, und wie
eine Wache in der Nacht. Der Apostel Petrus drückte es noch eindeutiger aus mit den
Worten: Möge diese eine Tatsache eurer Kenntnis nicht entgehen, Geliebte, daß ein
Tag [griechisch heméra] bei Jehova wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein
Tag. Ps. 90:4; 2. Petr. 3:8.
DIE LÄNGE DER SCHÖPFUNGSTAGE
Wie lang waren denn diese Tage der Schöpfung? Die Bibel hilft uns, die Länge
des siebenten Tages zu errechnen. Da diese Tage alle zu einer einzigen
Woche gehörten, ist anzunehmen, daß alle diese Tage gleich lang
waren.
Was die Länge des siebenten Tages betrifft, so ist es interessant festzustellen, daß die
Bibel beim siebenten Tag nichts von einem Abend und einem Morgen
sagt wie im Falle der anderen sechs Tage. Das ist von nicht geringer Bedeutung. Der
Bericht lautet einfach: Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn; denn an
demselben ruhte er von all seinem Werk. 1. Mose 2:3.
Die einzig logische Schlußfolgerung ist die, daß der siebente Tag damals weiter
andauerte. Stützt die Bibel diese Schlußfolgerung? Jawohl, denn sie spricht davon, daß
Jehova Gott Jahrtausende nach der Schöpfung immer noch ruhte. So lesen wir in Psalm
95:8-11, daß Jehova zu den Israeliten in der Wüste sagte, sie würden wegen ihrer
Herzenshärte nicht in seine Ruhe eingehen. Das zeigt, daß Gott von der Zeit der
Erschaffung Evas an bis zu jener Zeit, also mehr als 2 500 Jahre, von den in 1. Mose,
Kapitel 1 und 2 beschriebenen Werken geruht hatte.
Etwa 400 Jahre später sprach der Psalmist David (Ps. 95:8-11) vom Eingehen in die Ruhe
Gottes in seinen Tagen. Und über tausend Jahre nach den Tagen Davids sprach der Schreiber
des Hebräerbriefes davon, daß Jehova Gott immer noch ruhe. Er ermahnte die Christen,
nicht so zu handeln wie die Israeliten in der Wüste, die nicht in Gottes Ruhe eingegangen
seien, sondern ihr Äußerstes zu tun, in jene Ruhe [Jehovas Ruhe] einzugehen.
Er sagte in diesem Zusammenhang, daß dem Volke Gottes noch eine Sabbatruhe
verbleibe. Da die Worte des Apostels Paulus auch auf die heutigen Christen anwendbar sind,
läßt dies den Schluß zu, daß Jehova nun schon fast 6 000 Jahre Sabbat hält oder von
seinen sichtbaren Schöpfungswerken ruht. Hebr. 4:9, 11.
Auf diese Weise kämen wir auf 6 000 Jahre. Ist das die Länge des siebenten Tages? Nein,
denn wir lesen: Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn. Dieser
Tag muß sehr gut enden, und das ist angesichts der heutigen Weltlage nicht
der Fall. Folglich kann der Tag noch nicht zu Ende sein. Diese sechstausend
Jahre sind in Wirklichkeit gewissermaßen die Arbeitswoche des Menschen gewesen, in der er
im Schweiße seines Angesichts gearbeitet hat. Er wird jedoch unter der
Tausendjahrherrschaft Christi, die nach der biblischen Chronologie und aufgrund der
Erfüllung der biblischen Prophezeiungen nun sehr bald beginnen wird, ruhen können.
1. Mose 2:3.
Das siebente Jahrtausend des siebenten Tages wird somit ein Sabbat sein. Satan
und seine Dämonen werden während dieses Tages gebunden sein. Christus und seine
gesalbten Nachfolger werden als Könige und Priester herrschen. Mit welchem Ergebnis? Alle
Feinde Gottes werden unter Christi Füße gelegt werden. Durch diesen Sabbat wird der
siebente Tag wirklich geheiligt sein, denn er wird Gerechtigkeit hervorsprossen lassen.
1. Kor. 15:24-28; Offb. 20:1-6; Psalm 72.
Demnach ist der siebente Tag der Schöpfungswoche also siebentausend Jahre
lang. Aufgrund der Länge des siebenten Tages ist es daher vernünftig
anzunehmen, daß jeder der anderen sechs Tage ebenfalls siebentausend Jahre
dauerte. Das würde genügend Zeit lassen für die Erschaffung aller Dinge, die nach dem
Bibelbericht an jedem der sechs Schöpfungstage erschaffen wurden.
EINE EREIGNISREICHE WOCHE
So erschien am ersten Tag allmählich Licht über der Wassertiefe,
die die Erde umhüllte. Am zweiten 7 000-Jahr-Tag wurde zwischen den zwei
Wasserschichten die Atmosphäre gebildet. Am dritten Tag erschien nach und
nach das trockene Land, und Jehova Gott erschuf jede Art von Pflanzen: Gräser, Büsche
und Bäume.
[Fußnote]
Nach 1. Mose 5:3-29 und 7:6 vergingen von der Erschaffung Adams bis zur Sintflut 1 656
Jahre. Wie aus 1. Mose 11:10 bis 12:4 hervorgeht, vergingen von der Sintflut bis zu der
Zeit, wo Gott mit Abraham seinen Bund schloß, 427 Jahre. Aus Galater 3:17 geht hervor,
daß von diesem Zeitpunkt an bis zur Gesetzgebung 430 Jahre vergingen, und das macht
zusammen über 2 500 Jahre. Siehe Die ganze Schrift ist von Gott inspiriert und
nützlich, Seite 281, 282.
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Mit der Aufgabe der 1975 Auslegung waren wir gezwungen die 7000 Jahre dauernden
Schöpfungstage aufzugeben.
Dies schloss mit ein das wir die grundsätzliche Auslegung 1 Tag für ein Jahr aufgeben
mussten.
Das Leben Wie ist es entstanden? Durch Evolution oder durch Schöpfung? Kap. 3
S. 34 Was sagt der Schöpfungsbericht? ***
Das Vorerwähnte soll zu einem Verständnis des Schöpfungsberichts beitragen. Aus
diesem wirklich realistischen Bericht geht hervor, dass sich der Schöpfungsprozess nicht
nur über eine Zeitspanne von 144 Stunden (6 × 24), sondern über viele Jahrtausende
erstreckte.
Unterredungsbuch S. 385 - S. 386 Schöpfung
Wurde die gesamte stoffliche Schöpfung vor 6 000 bis 10 000 Jahren innerhalb von nur 6
Tagen erschaffen?
Die Tatsachen widersprechen einer solchen Schlussfolgerung:
(1) Auf der nördlichen Halbkugel kann man in einer klaren Nacht den Andromedanebel sehen.
Sein Licht benötigt etwa 2 Millionen Jahre, um die Erde zu erreichen, was anzeigt, dass
das Universum zumindest Millionen von Jahren alt sein muss.
(2) Das Vorkommen radioaktiver Endprodukte im Gestein der Erde lässt darauf schließen,
dass manche Gesteinsschichten Milliarden von Jahren lang keiner Veränderung unterworfen
waren.
In 1. Mose 1:3-31 ist nicht von der ursprünglichen Erschaffung der Materie oder der
Himmelskörper die Rede. Dort wird beschrieben, wie die bereits bestehende Erde als
Wohnstätte für den Menschen hergerichtet wurde. Dazu gehörte die Erschaffung
grundlegender Arten von Pflanzen, Meerestieren, fliegenden Geschöpfen, Landtieren und die
Erschaffung des ersten Menschenpaares. Von alldem wird gesagt, es sei innerhalb eines
Zeitraumes von sechs Tagen geschehen. Das hebräische Wort, das mit
Tag wiedergegeben wird, hat jedoch eine Vielzahl von Bedeutungen, darunter:
eine lange Zeit; der Zeitraum für ein außergewöhnliches Ereignis (W.
Wilson, Old Testament Word Studies, Grand Rapids, Mich. [USA], 1978, S. 109).
Der verwandte Ausdruck lässt den Gedanken zu, dass jeder Tag Tausende von
Jahren gedauert haben könnte.
Alle Ideen haben ihre Geschichte. Nur leider sind sich die Anhänger bestimmter Ideen
dessen nicht bewusst.
Weiß man aber nichts über den Anlass, die Ursprünge und den Entwicklungsgang einer
Idee, so meint man oft, sie sei wahr, selbst wenn das gar nicht der Fall ist.
Auf solcher Unkenntnis gedeiht sehr leicht Fanatismus.
Weiß man Bescheid über die geschichtliche Entwicklung einer Idee, so heißt das nicht
gleich, dass sie damit auch widerlegt ist, doch man kann ihren Wahrheitsgehalt besser
abschätzen.
Ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie eine Idee solche Folgen zeitigen kann, ist das
Konzept der "Heidenzeiten", die Christus in Lukas 21:24 erwähnt.
Der Grundsatz "ein Tag für ein Jahr"
Gemäß einer Berechnung sollen die "Heidenzeiten" oder "bestimmten
Zeiten der Nationen" insgesamt 2520 Jahre dauern, wobei man sich auf das
Tag-Jahr-Prinzip stützt.
Danach steht in Zeitprophezeiungen der Bibel jeweils immer ein Tag für ein Jahr,
"genauso wie auf einer Landkarte ein Zentimeter beispielsweise immer für einen
Kilometer steht".
Prophetische Zeiträume werden in der Bibel an zwei Stellen ausdrücklich auf diese Weise
berechnet:
in 4. Mose 14:34 (genau wie die Kundschafter das Land 40 Tage ausgeforscht hatten, so
musste Israel 40 Jahre durch die Wüste wandern, "ein Jahr für einen Tag")
und in Hesekiel 4:6 (Hesekiel sollte 390 Tage lang auf seiner linken Seite liegen und
40 Tage lang auf seiner rechten Seite, wobei er prophetisch die Vergehungen Israels und
Judas trug, die diese in ebensoviel Jahren begangen hatten, "ein Tag für ein
Jahr").
Hierbei gilt es zu beachten, dass diese Auslegung in beiden Fällen aus der Bibel
selbst stammt.
Diesen Berechnungsgrundsatz für prophetische Zeiträume wandten einige Rabbiner auf die
"siebzig Wochen" aus Daniel 9:24-27 an, doch als allgemeines Prinzip wurde er
nicht vor dem ersten Jahrhundert formuliert, und zwar von dem berühmten Rabbi Akibah ben
Joseph (ca. 50-132 u.Z.), und auf die längeren Zeitperioden der Prophezeiungen Daniels
wurde das Prinzip erst Anfang des 9. Jahrhunderts angewandt.
Rabbi Nahawendi und einige seiner Nachfolger sahen die 2300 Tage aus Daniel 8:14 als Jahre
an, die von der Zerstörung Shilohs (942 v.u.Z.) bis zum Jahr 1358 u.Z. liefen; dann
würde der Messias kommen.
In gleicher Weise sah er die 1290 Tage (Daniel 12:11) als Zeitraum von Jahren an, der mit
der Zerstörung des zweiten Tempels (70 u.Z.) beginnen sollte und zum selben Enddatum
führte: 1358 u.Z..
Es erscheint nicht notwendig, das "Jahr-Tag-Prinzip" auf diese Prophezeiung
anzuwenden, und zwar einfach deshalb, weil darin keine Tage, sondern lediglich Wochen
erwähnt werden.
Das hebräische Wort für "Woche", shabua, bedeutete für einen Juden nicht
immer eine Zeitspanne von sieben Tagen wie im Deutschen und Englischen. Shabua heißt
wörtlich "sieben".
Die Juden kannten auch eine "sieben" oder shabua von Jahren (3. Mose 25:3, 4, 8,
9).
Waren "Wochen von Jahren" gemeint, so wurde gewöhnlich das Wort für
"Jahre" hinzugefügt, aber nicht in jedem Fall:
"Im nachbiblischen Hebräisch taucht v Wochen' mit der Bedeutung von 'Wochen von
Jahren' Hunderte von Malen auf in den Jubeljahrschriften (ca. 150 v.u.Z.), in der Mischna
und im Talmud" (G. F. Hasel: The Seventy Weeks of Daniel 9:24-27. Washington 1976).
Waren "Wochen von Tagen" gemeint, so wurde häufig das Wort für
"Tage" angefügt, wie in der anderen Stelle in Daniel, wo shabua vorkommt (10:2,
3).
In Daniel 9:24 heißt es einfach, "siebzig sieben sind bestimmt worden", und aus
dem Kontext geht hervor, dass anscheinend "siebzig sieben von Jahren" gemeint
sind.
So kommt es, dass in manchen Übersetzungen "siebzig Jahrwochen" steht (Bruns,
Menge, Die Bibel in heutigem Deutsch). Siehe Hilfe zum Verständnis der Bibel, S. 1353,
und Kapitel 3, Fußnote 60.
Schon bald taten andere es Nahawendi gleich, wie zum Beispiel Saadia ben Joseph im
selben Jahrhundert und Salomo ben Jeroham im 10. Jahrhundert.
Der Letztgenannte zählte die 1335 Jahr-Tage (Daniel 12:12) ab Alexander dem Großen und
kam so auf das Jahr 968 u.Z. als spekulatives Datum der Erlösung Israels.
Der berühmte Rabbi Rashi (1040-1105) errechnete, dass die 2300 Jahr-Tage im Jahr 1352 zu
Ende gehen sollten, worauf seiner Ansicht nach der Messias kommen würde.
Abraham bar Hiyya Hanasi dachte sich, die 2300, 1290 und 1335 Jahre endeten zu
verschiedenen Zeitpunkten im 15. Jahrhundert.
Viele weitere jüdische Gelehrte, selbst noch aus dem 19. Jahrhunden, legten andere
Zeitpunkte für das Kommen des Messias fest, wobei sie sich ebenfalls auf das
Jahr-Tag-Prinzip stützten.
Der erste christliche Bibelausleger, der das Jahr-Tag-Prinzip auf die langen
Zeitabschnitte aus Daniel und Offenbarung anwendete, war anscheinend der Abt des
Zisterzienserklosters von Corace, Joachim von Fiore.
Darauf wies Charles Maitland im Verlauf des letzten Jahrhunderts in mehreren Abhandlungen
hin.
Als er beispielsweise die Auffassung widerlegen wollte, die 1260 Tage aus Offenbarung 11:3
seien 1260 Jahre, kam er nach umfangreichen Nachforschungen zu dem Schluss:
"Das System der 1260 Jahre ... war völlig unbekannt, bis ein verrückter Abt es im
Jahr 1190 in die Welt träumte".
Viele Anhänger der Jahr-Tag-Theorie haben im 19. Jahrhundert versucht, diese Äußerung
Maitlands über den späten Ursprung dieses Prinzips zu widerlegen, doch stets ohne
Erfolg.
Selbst Reverend E. B. Ellion, einer der gelehrtesten unter seinen Gegnern, musste nach
gründlicher Erforschung aller vorliegenden Quellen zugeben:
"Die in den Prophezeiungen Daniels und denen der Offenbarung über den Antichrist
genannten Tage wurden von den Kirchenvätern der ersten vier Jahrhunderte als
buchstäbliche Tage und nicht als Jahre gedeutet".
Nach dem 4. Jahrhundert gab es zwar einige Bibelausleger, die für eine symbolische
Bedeutung der 1260 Tage eintraten, doch haben sie (bis zum 12. Jahrhundert) nie die
Jahr-Tag-Regel darauf angewandt und auch nicht auf andere Zeitabschnitte, ausgenommen die
dreieinhalb Tage aus Offenbarung 11:8, die manche Ausleger als dreieinhalb Jahre deuteten
(so erstmals Victorinus im 4. Jahrhundert).
Das war natürlich weit entfernt vom durchgängigen Gebrauch einer Jahr-Tag-Regel.
So musste Elliott in seiner Abhandlung über die 1260 Tage Maitland zustimmen, dass
Joachim von Fiore der erste christliche Autor war, der das Jahr-Tag-Prinzip auf diese
Prophezeiung anwendete:
"Wie gerade gezeigt, war Joachim Abbas aus dem 12. Jahrhundert der erste, der dies in
sehr grober Form versuchte;
und im 14. Jahrhundert folgte ihm der Wiclif-Anhänger Walter Brüte".
Joachim, der wahrscheinlich von Rabbinern beeinflusst war, ließ die 1260 Jahre zur Zeit
Christi zu zählen anfangen. Er glaubte, sie würden schon bald in ein "Zeitalter des
Geistes" münden.
Wenn er sich auch auf kein bestimmtes Jahr festlegte, so sieht es doch so aus, als habe er
das Jahr 1260 u.Z. im Sinn gehabt.
Dieses Jahr wurde nach seinem Tod "von seinen Nachfolgern als das Schicksalsjahr
angesehen, das den Anfang eines neuen Zeitalters bringen würde, und daran glaubten sie so
fest, dass einige, als dieses Jahr verstrichen war, ohne dass sich etwas Besonderes
ereignete, überhaupt keiner seiner Lehren mehr glaubten".
Die Werke Joachims waren Anstoß für eine neue Auslegungstradition, in der das
Jahr-Tag-Prinzip die Grundlage für die Deutung von Prophezeiungen bildete.
Während der folgenden Jahrhunderte wurden zahllose Daten für die Wiederkunft Christi
festgelegt, die überwiegend auf diesem Prinzip basierten.
Die meisten Reformatoren glaubten an dieses Prinzip, und es wurde bis weit ins 19.
Jahrhundert von der Mehrzahl der protestantischen Theologen vertreten.
Die Anwendung des Prinzips auf die Heidenzeiten
In Offenbarung 11:2, 3 ist von einer prophetischen Zeitspanne von "zweiundvierzig
Monaten" oder "tausendzweihundertsechzig Tagen" die Rede, während derer
der "Vorhof ... des Tempelheiligtums ... den Nationen gegeben worden [ist], und sie
werden die heilige Stadt zweiundvierzig Monate lang niedertreten" (Offb. 11:2).
Es erschien darum einleuchtend, diese Worte mit der Prophezeiung über die Heidenzeiten in
Lukas 21:24 in Verbindung zu bringen, und genau das taten einige der
Nachfolger Joachims auch.
Da aber in Offenbarung 11:2, 3 und 12:6, 14 anscheinend von der christlichen Kirche die
Rede war, deutete man Jerusalem oder "die heilige Stadt" gemeinhin als die
römische Kirche.
Einige vertraten die Auffassung, die Bedrängnis der heiligen Stadt werde im Jahr 1260
enden; andere glaubten, diese Prophezeiung beziehe sich auf das buchstäbliche Jerusalem.
Arnold von Villanova, ein bekannter Arzt des Mittelalters, identifizierte die Heidenzeiten
als die 1290 Tage in Daniel 12:11 und vermutete, dass die Abschaffung der jüdischen Opfer
bei der Zerstörung Jerusalems durch die Römer deren Beginn bedeuteten, so dass er das
Ende der Heidenzeiten für das 14. Jahrhundert erwartete.
Das Auslaufen der Heidenzeiten in der nahen Zukunft wurde auch mit den Kreuzzügen in
Verbindung gebracht.
Arnold sagte:
"Wie können die Treuen das heilige Land den Ungläubigen entreißen, wenn nicht das
Ende der Heidenzeiten bevorsteht?".
Für Walter Brüte, Nachfolger Wiclifs im England des ausgehenden 14. Jahrhunderts,
begannen die Heidenzeiten "kurz nach dem Weggang der Apostel".
Er rechnete 1290 Jahre vom Zeitpunkt der Zerstörung Jerusalems an:
Wenn man nun in den Chroniken nachschaut, wird man finden, dass nach der Zerstörung
Jerusalems und der Zerstreuung des heiligen Volkes und der Aufrichtung des Greuels, d.h.
des Götzens der Vernichtung Jerusalems, am heiligen Orte, also dort, wo zuvor der Tempel
Gottes stand, 1290 Tage verstrichen sind, wenn man - wie es bei den Propheten allgemein
getan wird - einen Tag für ein Jahr nimmt.
Die Zeiten der Heidenvölker, denen Gott die Niedertretung der heiligen Stadt nach deren
Riten und Gebräuchen für 42 Monate gewährte, sind vollendet.
Da nach dieser Berechnung die Heidenzeiten bereits abgelaufen waren, glaubte Brüte an ein
unmittelbar bevorstehendes zweites Kommen Christi.
Die Zeit ging weiter und ließ viele für die Apokalypse angegebene Daten hinter sich.
Die 1260 oder 1290 Jahre ließen sich nicht mehr von der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70
oder dem Tod der Apostel an zählen.
Nun musste der Ausgangspunkt auf ein späteres Datum verlegt werden.
Gruppen, die von der Römischen Kirche verfolgt und als Ketzer gebrandmarkt wurden,
hielten sich im allgemeinen für die "wahre Kirche", die in Offenbarung 12 als
ein Weib dargestellt wurde, das für "1260 Tage" in die "Wildnis"
fliehen musste, den Zeitraum, für den das geistige Jerusalem niedergetreten werden
würde.
Den Anfang hierfür legte man häufig irgendwo in das 4. Jahrhundert, wie es besonders oft
die Reformatoren taten.
John Napier (1550-1617), der herausragende schottische Mathematiker und Erforscher der
Prophetie, ließ die Zeitspanne um das Jahr 300 oder 316 beginnen, so dass sie in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts endete.
Aus den niedertretenden Heiden wurde schon bald das römische Papsttum.
Später verschob man den Ausgangspunkt weiter nach vorn, ins 6. oder 7. Jahrhunden, als
die Päpste eine echte politische Macht waren.
So zählte beispielsweise George Bell gemäß einem Artikel, den er im Londoner
Evangelical Magazine von 1796 veröffentlichte, die 1260 Tage vom Jahr 537 oder 553 an und
sagte den Sturz des Antichristen (des Papstes) für "1797 oder 1813" voraus.
Bell schrieb über die 1260 Jahre:
Die heilige Stadt soll von den Heiden oder den Papisten niedergetreten werden, die zwar
dem Namen nach Christen sind, aber in ihrer Religionsausübung Heiden, indem sie Engeln,
Heiligen und Bildern Anbetung darbringen und die Nachfolger Christi verfolgen.
Diese Heiden nehmen das tägliche Opfer hinweg und richten den Gräuel auf, der die
sichtbare Kirche Christi für die Zeit von 1260 Jahren verwüstet daliegen lässt.
Das wurde 1795 während der Unruhen nach der Französischen Revolution niedergeschrieben,
gerade bevor der Papst von französischen Soldaten gefangen genommen und ins Exil gebracht
wurde. Von besonderem Interesse dabei ist, dass diese Ereignisse in Frankreich und Italien
zum Teil bereits fast ein Jahrhunden zuvor von mehreren Bibelauslegern vorausgesagt worden
waren; der Bekannteste unter ihnen war der schottische Pastor Robert Fleming jun. (ca.
1660-1716).
Wegen dieser beachtlichen Vorhersagen galt das Jahr 1798 unter Bibelkommentatoren bald
ganz allgemein als das Ende der 1260 Jahre.
Diese Auffassung - mit kleinen Abweichungen - machten sich auch Charles Taze Russell und
seine Nachfolger (bis 1930) zu eigen; noch heute herrscht sie unter den
Siebten-Tags-Adventisten vor.
Die Französische Revolution von 1789-1798 und die Wirren ihrer Nachwehen in Europa riefen
bei vielen Menschen ein großes Interesse an der Erforschung der Prophetie hervor,
insbesondere da einige der Umwälzungen von den Bibelauslegern vorausgesagt worden waren.
Die Revolution erreichte ihren Höhepunkt mit der gewaltsamen Beseitigung der Monarchie
und der Ausrufung der Republik im Jahr 1792.
Neue, extremistische Führer stürzten Frankreich in eine Zeit des Terrors und des Chaos
und eröffneten eine fast ununterbrochene Zeit der Eroberungskriege, die bis 1815
andauerte, als Kaiser Napoleon bei Waterloo geschlagen wurde.
Die Historiker sind sich darin einig, dass die Französische Revolution einen wesentlichen
Wendepunkt in der Geschichte darstellte.
Mit ihr ging eine lange Zeitepoche relativer Stabilität in Europa zu Ende.
Sie entwurzelte die überkommenen Ordnungen und hatte weit reichende Folgen für das
politische und religiöse Denken.
Der Historiker R. R. Palmer sagt dazu auf Seite V von Georges Lefebvres Werk The Corning
ofthe French Revolution (New York 1947) folgendes:
Selbst heute, in der Mitte des 20. Jahrhunderts, kann man noch immer sagen, dass die
Französische Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts der Wendepunkt der modernen
Zivilisation war, und das trotz all der Dinge, die zu Lebzeiten heute noch gar nicht so
alter Menschen geschehen sind; und es gilt auch für Amerika oder andere Teile der Welt,
in denen die europäischen Großmächte nicht mehr die Machtposition ausüben, die sie
einst hatten.
Die Entwurzelung politischer und sozialer Ordnungen und Institutionen in Europa
veranlasste viele Menschen zu dem Glauben, sie lebten in den letzten Tagen.
Menschen aller Schichten - Geistliche, Politiker, Rechtsanwälte und Laien - widmeten sich
dem Studium der Prophetie.
Eine umfangreiche Literatur zu dem Thema entstand, Zeitschriften wurden gegründet, die
sich diesen Fragen zuwandten, und auf beiden Seiten des Atlantiks wurden Konferenzen über
Prophetie abgehalten.
Das religiöse Erwachen begann zwar in England, breitete sich aber schnell auf den
Kontinent und die Vereinigten Staaten von Amerika aus.
In den USA erreichte die Strömung ihren Höhepunkt in der bekannten Miller-Bewegung.
Als Zeitpunkt für das zweite Kommen wurden allgemein die Jahre 1843, 1844 oder 1847
genannt, in denen die 2300 Jahr-Tage aus Daniel 8:14 zu Ende gehen sollten.
In dieser Atmosphäre fieberhafter Spekulation entstand auch eine neue Interpretation der
Heidenzeiten, bei der die 1260 Jahre auf 2520 Jahre verdoppelt wurden.
John Aquila Brown
Der erste Bibelausleger, von dem bekannt ist, dass er auf 2520 Jahre kam, ist John
Aquila Brown. Das war 1823. Er brachte diese Zeitspanne allerdings nicht mit den
Heidenzeiten aus Lukas 21:24 in Verbindung; die Heidenzeiten waren für ihn 1260
Mondjahre, was 1242 Jahren nach dem Julianischen Kalender entsprach.
Wenn auch nichts über das Leben von J. A. Brown bekannt geworden ist, so beeinflusste er
doch das Endzeitdenken seiner Tage beträchtlich. Er war nicht nur der Urheber der
2520-Jahr-Berechnung, sondern wandte auch als erster die 2300 Jahr-Tage aus Daniel 8:14
auf die Zeit von 457 v.u.Z. bis 1843 u.Z. an.
Browns Chronologie erschien zuerst in einem Artikel der Londoner Zeitschrift The Christian
Observer, Ausgabe vom November 1810.
Sowohl in England wie auch den USA sollte sich das Interesse der Bibelausleger auf das
Jahr 1843 als den Endpunkt der 2300 Jahre konzentrieren, wenn später auch einige
Kommentatoren das Jahr 1844 bevorzugten (wie auch Brown selbst in späteren Jahren) oder
das Jahr 1847.
Das Jahr 1843 wurde von den Nachfolgern Millers in den USA einmütig übernommen.
Zahlreiche Bibelkommentatoren rechneten die "sieben Zeiten der Heiden" von der
Gefangenschaft Manasses im Jahr 677 v.u.Z. an, wie zum Beispiel John Fry in seinem 1835
erschienenen Buch Unfitlfilled Prophecies of Scripture (Unerfüllt gebliebene
Bibelprophezeiungen).
Offensichtlich wollte man sie zur selben Zeit enden lassen wie die 2300 Jahre, mithin 1843
oder 1844.
Ebenfalls im Jahr 1835 veröffentlichte William W. Pym sein Buch A Word of Warning in the
Last Days (Ein Wort der Warnung für die letzten Tage), in dem er die "sieben
Zeiten" 1847 enden ließ.
Hervorzuheben hierbei ist, dass er seine Berechnung der 2520 Jahre für die Heidenzeiten
sowohl auf die "sieben Zeiten" in 3. Mose 26 wie auch auf die "sieben
Zeiten" in Daniel 4 stützt:
"Mit anderen Worten, die Bestrafung, vor der Mose warnte, die sieben Zeiten oder 2520
Jahre währen sollte, und die Strafen, die Daniel geoffenbart wurden, die durch die
Reinigung des Heiligtums nach dem Verlauf des größten Teils der 2520 Jahre zum Abschluss
kommen sollten".
Andere Autoren, die das von dem deutschen Theologen J. A. Bengel (1687-1752) festgelegte
Jahr 1836 favorisierten, versuchten, die "sieben Zeiten" in jenem Jahr zum
Abschluss kommen zu lassen.
So tat dies unter anderen W. A. Holmes, Kanzler von Cashel, in seinem 1833 erschienenen
Buch The Time of the End (Die Zeit des Endes).
Er datierte die Gefangenschaft Manasses unter Esar-Haddon auf 685 v.u.Z., und durch
Hinzuzählen von 2520 Jahren kam er auf ein Ende der "sieben Zeiten" im Jahr
1835-36.
Edward Bickersteth (1786-1850), Prediger in Watton (Hartfordshire) probierte verschiedene
Ausgangspunkte für die sieben Heidenzeiten aus:
Rechnen wir die Gefangenschaft Israels von 727 vor Christus an, der Zeit der ersten
Gefangenschaft Israels unter Salmaneser, dann würde sie 1793 zu Ende gehen, als die
Französische Revolution ausbrach.
Gehen wir von 677 vor Christus aus, ihrer Gefangenschaft unter Esar-Haddon (demselben
Jahr, in dem Manasse, der König von Juda, in Gefangenschaft gebracht wurde, 2. Könige
17:23, 24; 2. Chronika 23:11), so würde sie 1843 enden.
Oder, wenn wir bei 602 vor Christus anfangen, als Jojakim endgültig durch Nebukadnezar
entthront wurde, so gelangen wir zum Jahr 1918.
Alle diese Zeitspannen mögen mit Ereignissen an ihrem Endpunkt in Verbindung stehen und
verdienen ernsthafte Beachtung.
Die Heidenzeiten und die Miller-Bewegung
Die Hauptwerke über Prophetie aus England wurden in den USA vielfach nachgedruckt und
übten einen starken Einfluss auf amerikanische Autoren dieses Gebiets aus, darunter auch
auf William Miller und seine Anhänger.
Ihre Auffassungen über die verschiedenen Prophezeiungen wurden zum größten Teil, wenn
nicht vollständig, zuvor bereits von anderen Bibelauslegern vertreten.
In der Frage der "Heidenzeiten" folgte Miller einfach seinen Vorgängern und
Zeitgenossen und ließ sie 1843 enden.
In einer Ansprache auf der First General Conference in Boston vom 14. und 15. Oktober 1840
behandelte Miller die Bibelchronologie.
Darin ordnete er die "sieben Zeiten" oder 2520 Jahre dem Zeitraum 677 v.u.Z. bis
1843 u.Z. zu. Ein paar Jahre später schrieb er auf Seite 11 von Wm. Müler's Apology and
Defence (1845):
"Aus meinen weiteren Studien der Heiligen Schrift zog ich den Schluss, dass die
sieben Zeiten der Vorherrschaft der Heiden beginnen mussten, sobald die Juden aufgehört
hatten, eine unabhängige Nation zu sein, was mit der Gefangenschaft Manasses der Fall
war, die die besten Chronologen mit 677 v.Chr. angeben."
Zu den Miller-Anhängern, die ebenfalls die 2520 Jahre vertraten, zählte Richard
Hutchinson (der Herausgeber von The Voice of Elijah), der 1843 eine Schrift verfasste mit
dem Titel The Throne ofJudah Perpetuated in Christ, sowie Philemon R. Russell (Herausgeber
von Christian Herald and Journal), der in der Ausgabe seiner Zeitschrift vom 19. März
1840 einen Artikel in diesem Sinne schrieb.
Die 2520 Jahre erscheinen auch auf Zeittafeln, die die Evangelisten der Miller-Bewegung
benutzten.
Nelson H. Barbour
Nach der "großen Enttäuschung" von 1844 zerbrach die Bewegung Millers in
mehrere Adventistengruppen.
Die ursprüngliche Gruppierung der "Evangelical Adventists" wurde durch
Spaltungen immer kleiner.
Manche meinten, der Zeitpunkt habe gestimmt, nur habe man auf das falsche Ereignis
gewartet.
Es hieß, man habe "das unrichtige Ereignis zur richtigen Zeit" erwartet.
Diese Position wurde von einer anderen Gruppe übernommen, die später als die
Siebten-Tags-Adventisten bekannt wurde.
Andere, unter ihnen Miller selbst, bekannten offen, sich in der Zeit geirrt zu haben.
Von vielen wurden neue Zeitpunkte festgesetzt: 1845, 1846, 1847, 1853, 1854, 1866, 1867,
1868, 1873 usw.
Die Adventistenbewegung spaltete sich immer weiter auf, als einzelne Anhänger immer neue
Daten festlegten, während andere überhaupt keine speziellen Endzeitdaten mehr
akzeptierten.
George Storrs, einer der Führer der Miller-Bewegung in ihrer letzten Phase, gründete
1863 eine Gruppe mit dem Namen "The Life and Advent Union".
Eine andere führende Persönlichkeit, Jonathan Cummings, verkündete 1852, "neues
Licht" über die Chronologie erhalten zu haben; das zweite Kommen sei für den Herbst
1853 oder das Frühjahr 1854 zu erwarten.
Viele Miller-Anhänger schlössen sich Cummings an, der die Zeitschrift World's Crisis
herausgab.
Sie riefen die Gemeinschaft "The Advent Christian Association" ins Leben
(später "The Advent Christian Church" genannt), die heute neben den
Siebten-Tags-Adventisten die bedeutendste adventistische Gruppierung ist.
Einer der Mitverbundenen Millers, Nelson H. Barbour, "verlor seinen Glauben
vollständig" nach der "großen Enttäuschung" von 1844 und wanderte nach
Australien aus, wo er während des Goldrauschs nach Gold schürfte.
Im Jahr 1859 kehrte er über London nach Amerika zurück.
"Um die Monotonie der langen Seefahrt zu überbrücken, schlug der englische Pfarrer
vor, wir sollten systematisch die Prophezeiungen studieren; dem stimmte der Bruder
bereitwillig zu".
Beim Lesen der Bibel meinte Barbour, den Fehler in Millers Rechnung entdeckt zu haben:
Weshalb ließ Miller die 1290 und die 1335 Jahr-Tage aus Daniel 30 Jahre eher als die 1260
Jahre anfangen?
Sollten nicht alle drei Abschnitte zur selben Zeit beginnen?
Dann würden die 1290 Jahre 1828 und die 1335 Jahre 1873 enden!
"Bei der Ankunft in London (1860) begab er sich in die Bibliothek des Britischen
Museums und fand dort neben anderen ausführlichen Werken Elliotts Horae Apocalypticae,
das damals (1860) als Standardwerk das Jahr 1866 als den Zeitpunkt für die Wiederkehr des
Herrn angab".
Elliott hatte in dieses Werk eine Zeittafel des Pfarrers Christopher Bowen mit
aufgenommen, betitelt "Die biblische Chronologie der Welt".
Diese verwies darauf, dass im Jahr 1851 seit der Erschaffung des Menschen 5979 Jahre
vergangen seien.
Schnelles Weiterrechnen zeigte Barbour, dass 6000 Jahre im Jahr 1873 ablaufen würden.
Ihm erschien das eine bemerkenswerte Bestätigung seiner eigenen Berechnung der 1335
Jahre.
Nach seiner Rückkehr in die USA bemühte sich Barbour, andere für dieses neue Datum der
Wiederkehr des Herrn zu interessieren.
Vom Jahr 1868 an begann er, seine Resultate mündlich und schriftlich öffentlich bekannt
zu machen.
Im Jahr 1870 brachte er die Schrift Evidences for the Corning of The Lord in 1873: or the
Midnight Cry heraus, aus deren zweiter Ausgabe bereits zitiert wurde.
Außerdem schrieb er eine Artikelserie über seine Zeitrechnung für die Zeitschrift
World's Crisis, deren damaliger Herausgeber Miles Grant hieß.
Im Jahr 1873 gründete er eine eigene Zeitschrift mit dem Titel The Midnight Cry (Der
Mittemachtsruf), "deren Auflage schon bald darauf bis zu 15 000 Exemplare monatlich
betrug".
Darin wurde verkündet, dass "der Bräutigam für 1874 zu erwarten" sei.
Doch als dieses Jahr gekommen und verstrichen war, bereitete das Barbour und seinen
Anhängern große Sorgen:
Als das Jahr 1874 kam und es in den buchstäblichen Wolken und auch sonst kein Zeichen der
fleischlichen Wiederkehr Jesu zu sehen gab, kam es zu einer gründlichen Prüfung aller
Argumente, auf die der 'Mitternachtsruf sich gegründet hatte.
Als kein Mangel oder Fehler darin gefunden wurde, führte das zu einer kritischen Prüfung
der
Schrifttexte, die etwas über die Art und Weise des Kommens Christi auszusagen scheinen,
und bald stellte sich heraus, dass es ein Fehler war, Jesus bei seinem zweiten Kommen im
Fleische zu erwarten ....
B. W. Keith, einer der Leser des Midnight Cry (und später Artikelschreiber für Zion's
Watch Tower), "hatte das 24. Kapitel von Matthäus anhand der Emphatic Diaglott
gelesen, einer neuen und sehr genauen Wort-für-Wort-Übersetzung des Neuen Testaments.
Als er bei Vers 37 und 39 ankam, war er sehr überrascht, dort die Worte zu lesen:
'Denn so wie die Tage Noahs wird auch die Gegenwart des Sohnes des
Menschen sein.'"
Er stellte fest, dass das griechische Wort parousia, das sonst mit "Kommen"
wiedergegeben wurde, als "Gegenwart" übersetzt wurde.
Damit ergab sich eine Möglichkeit, das Datum 1874 noch zu retten, und von da an lehrten
Barbour und seine Mitverbundenen, Jesus sei tatsächlich 1874 gekommen und sei von da an
"unsichtbar gegenwärtig":
"Damit war klar zu Tage getreten, dass zwar die Art und Weise, in der sie Jesus
erwartet hatten, verkehrt gewesen war, dass aber der Zeitpunkt, der im Midnight Cry
genannt worden war, stimmte, und dass der Bräutigam im Herbst des Jahres 1874
tatsächlich kam ... "".
Wieder einmal hieß es, dass "ein unrichtiges Ereignis zur richtigen Zeit"
erwartet worden war.
Dieser Erklärung konnten aber die meisten Leser des Midnight Cry nicht folgen und die 15
000 Leser "gingen bis auf etwa 200 zurück".
Barbour selbst war davon überzeugt, dass der Morgen des Tausendjahrtags angebrochen sei,
und so meinte er, der Titel Midnight Cry passe nicht mehr für seine Zeitschrift.
Er sagte: "Kann mir vielleicht jemand sagen, wie ein 'Mitternachtsruf am Morgen
ertönen soll?"
So hieß die neue Zeitschrift, die er im Juni 1875 herausgab, nachdem die alte ihr
Erscheinen im Oktober 1874 eingestellt hatte, Herold of the Morning (Herold des Morgens),
was zu den damaligen Ansichten Barbours besser passte.
In einer der ersten Ausgaben (September 1875) veröffentlichte er seine Berechnung der
Heidenzeiten, wobei er deren Abschluss mit 1914 angab.
Charles Taze Russell
Charles Taze Russell eröffnete zusammen mit seinem Vater und einigen weiteren
Bibelforschem in Allegheny (Pennsylvanien) im Jahr 1870 eine Bibelstudiengruppe, die in
engem Kontakt mit einigen Adventisten stand, darunter einer Gruppe in Allegheny unter der
Leitung von Jonas Wendell, und mit der Gemeinde George Storrs in New York. Russell wusste
zwar, dass einige der Adventisten, so auch Jonas Wendell, Christus für 1873 oder 1874
zurückerwarteten, lehnte aber bis 1876 jede Festlegung von Daten ab:
"Im Januar 1876 wurde meine Aufmerksamkeit in besonderer Weise auf den Gegenstand der
prophetischen Zeit gelenkt, und wie sehr sie mit diesen Lehren und Hoffnungen verknüpft
ist. Es kam dies so:
Ich erhielt ein Blatt genannt "Der Herold des Morgens", von seinem Verfasser,
Mr. N. H. Barbour, zugesandt."
Russell war überrascht herauszufinden, dass Barbours Gruppe zu derselben Schlußfolgerung
über die Art und Welse der Wiederkehr Christi gelangt war wie seine eigene, "dass
Sein Kommen gleich dem Diebe sein würde, nicht im Fleische, sondern als ein Geistwesen,
den Menschen unsichtbar".
Sofort schrieb Russell an Barbour wegen der Zeitrechnung, und zu einem späteren Zeitpunkt
im Verlauf des Jahres 1876 verabredete er sich mit ihm in Philadelphia, wo Russell
während des Sommers geschäftlich zu tun hatte.
Russell verlangte von Barbour, ihm, "wofern es ihm möglich wäre, völlig und
schriftgemäß zu beweisen, dass die Prophezeiungen auf 1874 als die Zeit hindeuteten, mit
der des Herrn Gegenwart und 'die Ernte1 angefangen habe.
Er kam," so Russell, "und seine Beweise befriedigten mich".
Es wird deutlich, dass Russell bei diesen Treffen sämtliche Zeitberechnungen Barbours
übernahm, auch die für die Heidenzeiten.
Noch während Russell sich in Philadelphia aufhielt, schrieb er einen Artikel mit der
Überschrift "Die Heidenzeiten: Wann sollen sie enden?", den George Storrs in
seiner Zeitschrift Bible Examiner in der Nummer vom Oktober 1876 druckte.
Auf Seite 27 nimmt er dort Bezug auf die "sieben Zeiten" aus 3. Mose 26:27, 33
und Daniel 4 und gibt die Länge der Heidenzeiten mit 2520 Jahren an; diese hätten 606
v.u.Z. begonnen und würden 1914 enden, "wenn Jerusalem für immer befreit werden
wird und der Jude zu dem Befreier sagen wird:
'Siehe, unser Gott, auf den wir gewartet haben und der uns retten wird!'."
Was hat er nun für 1914 genau erwartet?
In seinem 1889 erschienenen Buch The Time Is At Hand (deutsch 1900: Die Zeit ist
herbeigekommen, später als Band 2 der Schriftstudien bezeichnet) schrieb er auf Seite
76-78 (deutsche Ausgabe Seite 73, 74):
Erstens, dass dann das Königreich Gottes ... volle und universelle, ,. weltenweite,
Herrschaft erreicht haben und "aufgerichtet," oder auf Erden fest gegründet,
sein wird.
Zweitens beweist es, dass er, dem das Recht, diese Herrschaft an sich zu nehmen,
gebührt, dann als der neue Herrscher der Erde gegenwärtig sein wird.
Drittens beweist es, dass etliche Zeit vor dem Ablauf von 1914 n.Chr. das letzte Glied
der göttlich anerkannten Kirche (Herauswahl) Christi, das "königliche
Priestertum," "der Leib Christi," mit dem Haupte verherrlicht sein wird
Viertens beweist es, dass von jener Zeit an Jerusalem nicht länger von den Nationen
zertreten sein, sondern sich aus dem Staub der göttlichen Ungnade zur Ehre erheben wird
...
Fünftens beweist es, dass mit jenem Datum, oder auch früher, Israels Blindheit
anfangen wird, sich Wegzuwenden; denn ihre "Blindheit zum Teil" sollte so lange
dauern, "bis dass die Vollzahl der Nationen eingegangen sein würde" (Rom.
11:25) ...
Sechstens beweist es, dass die große "Zeit der Trübsal," "dergleichen
nicht gewesen, seitdem ein Volk ist," (die englische Ausgabe fügt hier ein: in einer
weltweiten Herrschaft der Anarchie) ihren schließlichen Höhepunkt erreichen und an jenem
Zeitpunkt enden wird ... und "die neuen Himmel und eine neue Erde" mit ihrem
Friedenssegen werden dann von der durch Trübsal zerschlagenen Menschheit erkannt werden
Siebentens beweist es, dass das in Macht ein- und aufgerichtete Reich Gottes vor jenem
Datum in der Welt sein und das heidnische Standbild (Dan. 2:34) geschlagen und zermalmt,
die Macht dieser Könige verzehrt, haben wird.
Das waren nun wirklich wagemutige Voraussagen.
Glaubte Russell tatsächlich, diese bemerkenswerten Dinge würden alle innerhalb der
folgenden 25 Jahre wahr werden?
Ja, das tat er.
Er hielt seine Chronologie sogar für die Chronologie Gottes und nicht bloß für seine
eigene. Im Jahr 1894 schrieb er über das Jahr 1914:
"Wir sehen keinen Grund, die Zahlen zu ändern, und wir könnten das auch gar nicht,
selbst wenn wir es wollten.
Es handelt sich, so glauben wir, um Gottes Daten, nicht die unseren.
Man behalte aber im Sinn, das Jahr 1914 ist nicht das Datum für den Beginn, sondern für
das Ende der Zeit der Bedrängnis".
Man glaubte also, die "Zeit der Bedrängnis" solle einige Jahre vor 1914
beginnen, "nicht später als 1910", und 1914 ihren Höhepunkt erreichen.
Doch 1904, gerade 10 Jahre vor 1914, änderte sich Russells Sichtweise.
In einem Artikel von Zions Wacht-Turm vom August 1904 erklärte er unter der Überschrift
"Weltweite Anarchie unmittelbar nach Oktober 1914", dass die Zeit der
Bedrängnis nach Oktober 1914 beginnen solle:
Wir erwarten nun, dass die Anarchie, die den Abschluss bilden wird zur großen Zeit der
Drangsal, die den Segnungen des Millenniums vorausgehen wird, nach Oktober 1914
stattfinden wird - sehr bald darnach nach unserem Dafürhalten - "in einer
Stunde", "plötzlich."
[... Wir sollten] nicht erwarten ..., dass unsere 40jährige Ernte, die mit Okt. 1914 zu
Ende geht, die schreckliche Periode der Anarchie einschließen wird, die von der Heiligen
Schrift über die Christenheit verhängt ist.
Diese Änderung brachte einige Leser auf den Gedanken, es könnte in dem chronologischen
System noch weitere Fehler geben.
Ein Leser meinte gar, Bischof Ushers Chronologie könnte genauer sein, wenn sie für die
Zerstörung Jerusalems das Jahr 587 v.u.Z. statt 607 v.u.Z. ansetze.
Dann würden die 2520 Jahre 1934 enden statt 1914.
Russell aber bekräftigte seine Überzeugung von der Richtigkeit des Jahres 1914, wobei er
sich auf die anderen Zeitparallelen bezog, die darauf hinwiesen:
"Wir wüssten keinen Grund, um nur eine Ziffer ändern zu können; es würde die
Harmonie und die Parallelen zwischen dem Jüdischen- und Evangeliums-Zeitalter
zerstören".
Und in einer Antwort an einen anderen Leser schrieb er:
"Die Harmonie der prophetischen Zeitperioden untereinander ist einer der stärksten
Beweise für die Richtigkeit unserer Bibelchronologie.
Sie passen ineinander wie die Zahnräder einer vollkommenen Maschine.
Wollte man die Chronologie selbst um nur ein Jahr ändern, wäre diese ganze Harmonie
zunichte gemacht.
So genau sind die verschiedenen Beweise, die sich in den Parallelen zwischen dem
jüdischen und dem Evangeliumszeitalter finden".
Gestützt wurden diese Argumente noch durch Artikel der Brüder Edgar aus Schottland.
Russell war von seinen Daten also 1904 noch genauso überzeugt wie 1889, als er schrieb,
das Verständnis dieser Zeitzusammenhänge sei das "Versiegeln an der Stirn"
gewesen, das in Offenbarung 7:3 erwähnt wird.
Mit dem Näherrücken des Jahres 1914 allerdings wurde Russell in seinen Äußerungen
immer vorsichtiger.
In einer Antwort auf einen Leserbrief schrieb er 1907:
"Wir haben niemals behauptet, dass unsere Berechnungen unfehlbar seien.
Wir haben niemals gesagt, dass dieselben sich auf Wissen, auf unbestreitbare Beweise,
Tatsachen oder Erkenntnis gründen; wir haben vielmehr stets darauf bestanden, dass sie
sich auf Glauben gründen".
Anscheinend handelte es sich nicht mehr um "Gottes Daten", wie noch 13 Jahre
zuvor von ihm behauptet.
Sie könnten auch fehlbar sein. Russell zog sogar in Erwägung, dass 1914 verstreichen
könnte (und auch 1915), ohne dass irgend etwas von dem eingetreten sei, was man erwartet
habe:
Aber lasst uns einmal einen Fall annehmen, der zwar unsern Erwartungen durchaus
entgegengesetzt ist:
Angenommen, das Jahr 1915 geht vorüber, die Weltlage ist ruhig, und die Tatsache ist
offenbar, dass die "Auserwählten" noch nicht alle "verwandelt" sind
und die Wiederherstellung des Natürlichen Israel zur göttlichen Gunst unter dem Neuen
Bunde (Rom. 11,12.15), noch aus steht, was dann?
Würde damit unsere Chronologie nicht als falsch erwiesen sein?
Gewiss!
Und würden wir damit nicht eine bittere Enttäuschung erfahren?
Allerdings!
... Welch ein Schlag wäre das?
Eine der Saiten unserer "Harfe" würde gesprungen sein!
Nichtsdestoweniger, geliebte Freunde, würde unsere Harfe noch alle ändern Wohlgetönten
Saiten haben, und dessen könnte sich keine andere Vereinigung von Kindern Gottes auf
Erden rühmen.
Weiterhin bestand Unsicherheit darüber, ob in die Berechnungen ein Jahr Null eingehen
solle oder nicht (zwischen l v.u.Z. und l u.Z.). Russell brachte diesen Punkt bereits 1904
auf, doch als 1914 näher rückte, wurde die Frage immer drängender.
Auf 1914 war man gekommen, indem man einfach 606 von 2520 abgezogen hatte, allmählich
erkannte man aber, dass es in unserem Zeitrechnungssystem kein Jahr Null gibt.
Folglich waren es vom 1. Oktober 606 v.u.Z. bis zum 1. Januar 1 u.Z. nur 605 Jahre und 3
Monate, und vom 1. Januar 1 u.Z. bis zum Oktober 1914 nur 1913 Jahre und 9 Monate,
insgesamt also 2519 statt 2520 Jahre.
Demzufolge würden die 2520 Jahre nicht im Oktober 1914, sondern erst im Oktober 1915
ablaufen.
Im Jahr 1913 wurden Russells Äußerungen über 1914 noch vorsichtiger.
In dem Artikel "Lasst eure Gelindigkeit kundwerden allen Menschen" in der
Wacht-Turm-Ausgabe vom Juli 1913 ermahnte Russell seine Leser, keine "wertvolle Zeit
damit zu vergeuden, dass [sie] zu raten suchen, was dieses Jahr, oder das nächste Jahr,
usw., eintreten wird".
An seine früher veröffentlichte Chronologie glaubte er nun nicht mehr:
"Dies ist die gute Botschaft der Gnade Gottes in Christo - einerlei ob nun die
Vollendung der Kirche vor dem Jahre 1914 stattfindet, oder nicht".
Noch unsicherer klingt er in der Ausgabe vom Dezember desselben Jahres:
Wir warten auf die Zeit, da die Herrschaft der Welt auf den Messias übergehen wird.
Wir können nicht sagen, ob dies Oktober 1914 oder Oktober 1915 sein wird.
Es könnte möglich sein, dass unsere Rechnungsweise in Bezug auf den Gegenstand um
verschiedene Jahre von der Tatsache abweicht.
Wir vermögen es mit Gewissheit nicht zu behaupten.
Wir wissen es nicht; es ist eine Sache des Glaubens, nicht des Wissens.
Früher hatte es geheißen, 1914 zähle zu "Gottes Daten", und "wollte man
die Chronologie selbst nur um ein Jahr ändern, wäre diese ganze Harmonie zunichte
gemacht".
Jetzt aber "könnte [es] möglich sein, dass unsere Rechnungsweise [...] um
verschiedene Jahre [...] abweicht", und man kann über dieses Thema nichts mehr
"mit Gewissheit behaupten". Eine beachtliche Kehrtwendung!
Im Wacht-Turm vom März 1914 kommt Russells schwankender Glaube an seine Chronologie klar
zum Vorschein:
"Wie wir schon darauf hingewiesen haben, sind wir keineswegs sicher, dass dieses Jahr
1914 einen so radikalen und schnellen Wechsel der Zeitverwaltung bringen wird, wie wir ihn
erwartet haben".
Besonders aufschlussreich ist der Artikel "Nahe sind die Tage" in derselben
Ausgabe:
Wenn es sich später herausstellen sollte, dass die Herauswahl gegen Ende Oktober 1914
nicht verherrlicht ist, so werden wir uns mit dem Willen des Herrn zu begnügen suchen,
welcher Art er auch immer sein mag. ...
Wenn das Jahr 1915 vorbeigehen sollte, ohne dass die Herauswahl vollendet und die Zeit der
Drangsal hereingebrochen ist, so möchten einige darin eine Kalamität erblicken.
Bei uns würde dies nicht der Fall sein. ...
Wenn nach der Vorsehung des Herrn die Zeit fünfundzwanzig Jahre später kommen sollte, so
würde der Wille des Herrn auch unser Wille sein. ...
Wenn der Zeitpunkt Oktober 1915 vorübergehen sollte, während wir uns noch hienieden
befinden und die Dinge noch im wesentlichen so gehen wie heute, während die Welt in ihren
Bemühungen, schwebende Streitigkeiten zu schlichten, anscheinende Fortschritte macht, die
Zeit der Drangsal noch nicht in Aussicht steht, und die Namenkirche noch nicht verbündet
ist, so würden wir sagen, dass uns in unserer Zeitrechnung irgend ein Irrtum unterlaufen
ist.
In diesem Falle würden wir die Prophezeiungen weiter durchforschen, um zu sehen, ob wir
einen Irrtum entdecken können.
Und dann würden wir uns fragen:
Haben wir ein unrichtiges Ereignis zur richtigen Zeit erwartet?
Der Wille des Herrn könnte dies zulassen.
Auch in der Wacht-Turm-Nummer vom Juli 1914 (Watch Tower vom 1. Mai 1914) ließ Russell
seine Leser - in Missachtung all dessen, was er früher gesagt hatte - wissen, dass
"wir in dieser Zeitschrift und in den sechs Bänden der Schriftstudien alles in Bezug
auf die Zeiten und Zeitläufe in einer Form der Vermutung dargestellt haben; d.h. nicht in
positiver Weise, noch auch mit der Behauptung, dass wir es wüssten, sondern lediglich mit
dem Dafürhalten, dass die Lehre der Bibel 'so und so' zu sein scheine".
Zwei Monate später scheint Russell so weit gewesen zu sein, die eigene Chronologie ganz
und gar über den Haufen zu werfen.
Auf die Anfrage eines Kolporteurs, der wissen wollte, ob die Schriftstudien auch nach
dem Oktober 1914 noch verbreitet werden sollten,
"da Du anscheinend einige Zweifel hast, ob sich bis zum Oktober 1914 alles erfüllen
wird", erwiderte er:
Wir glauben, dass diese Bücher auch in 100 Jahren noch verbreitet und
gelesen werden, vorausgesetzt, das Evangeliumszeitalter und dessen
Werk gehen weiter. ... Wir haben nicht zu behaupten versucht, dass
diese Gedankengänge unfehlbar seien, sondern haben sie im einzelnen
genau dargelegt, wie auch die Berechnungen, so dass jeder Leser die
Verpflichtung und das Vorrecht hat, selbst nachzulesen, nachzudenken
und nachzurechnen. Das wird in 100 Jahren noch von Interesse sein;
und wenn ein Leser dann besser rechnen und denken kann, so wird er
sich immer noch für das interessieren, was wir vorgetragen haben.
Russell war also anscheinend inzwischen so weit zu akzeptieren, dass das
Jahr 1914 wohl ein Fehlschlag war und dass seine Äußerungen über dieses
Thema für Erforscher der Bibel in 100 Jahren nur noch von historischem
Interesse wären.
Doch dann brach der Erste Weltkrieg aus und Russells schwankendes Vertrauen zur
Chronologie begann sich wieder zu erholen.
Wenn auch der Krieg nicht genau in das vorausgesagte Schema von Ereignissen passte - dass
die Zeit der Bedrängnis ein Kampf zwischen Kapital und Arbeiterschaft sein und zu einer
Periode weltweiter Anarchie führen würde so sah er im Weltkrieg doch das Vorspiel zu
dieser Situation: "Wir glauben, dass auch der Sozialismus einen nicht unwesentlichen
Faktor in dem jetzt tobenden Kriege spielt, der der größte und schrecklichste und
wahrscheinlich auch der letzte Krieg der Erde sein wird".
Einige Monate darauf schrieb er.
Wir glauben, dass die gegenwärtigen Nöte der Nationen lediglich den Anfang der großen
Drangsal bilden....
Die Nationen werden einander aufreiben, und das Ergebnis wird die Zeit der großen
Drangsal sein [der englische Originaltext an dieser Stelle sagt abweichend: Die Anarchie,
die auf diesen Krieg folgen wird, wird die wahre Zeit der Drangsal sein]. ... Wir glauben,
dass der Krieg die Nationen derart schwächen wird, dass nach demselben das Volk die
Durchführung sozialistischer Ideen anstreben wird. Natürlich werden die an dem
Fortbestand der gegenwärtigen Ordnung interessierten Klassen dem Volke entgegentreten;
und es wird sich eine Drangsal entwickeln, die große Umwälzungen [im englischen Text:
weltweiten Klassenkampf und Anarchie] im Gefolge haben wird.
Weiterhin argumentierte Russell, dass zwar die Stadt Jerusalem noch von den Heiden
niedergetreten werde, die Zeiten der Heiden aber trotzdem geendet hätten:
Die Zertretung der Juden hat aufgehört.
In der ganzen Welt, sogar in Russland, sind die Juden jetzt frei.
Der Zar von Russland hat am S. September 1914, also noch vor dem Ablauf der Zeiten der
Nationen, eine Proklamation an alle Juden des Russischen Reiches erlassen, die den Juden
die Erlangung des höchsten Ranges in der russischen Armee ermöglicht und der jüdischen
Religion die gleiche Freiheit einräumt, wie den ändern russischen Religionen.
Wo werden die Juden noch "zertreten"?
Wo werden sie noch verspottet?
Gegenwärtig werden sie in keiner Weise mehr verfolgt.
[Die gegenwärtigen Leiden vieler Juden in Russland und in dem von den Russen besetzten
Galizien wären demnach nur Begleiterscheinungen des Krieges.]
Wir glauben, dass die Zertretung Jerusalems aufgehört hat, weil die dafür bestimmte Zeit
zu Ende gegangen ist.
(Der Einschub in Klammern erschien nur in der später erschienenen deutschen Ausgabe der
Zeitschrift.)
Wiewohl Russell die sozialistische Revolution in Russland 1917 und die Rückkehr der Juden
nach Palästina teilweise voraussah, hat er natürlich nicht vorhergesehen, wie die Juden
in Deutschland, Polen und anderen Ländern während des Zweiten Weltkriegs verfolgt werden
würden.
Russells Widergewonnenes Vertrauen zu seiner Chronologie blieb vom Ausbruch des Ersten
Weltkriegs an bis zu seinem Tod am 31. Oktober 1916 ungebrochen; das zeigen die folgenden
Texte, die verschiedenen Ausgaben des Wachtturm aus jener Zeit entnommen wurden:
1. Januar 1915:... der Krieg wird in der Heiligen Schrift als mit dem großen Tages
Gottes, des Allmächtigen, in Zusammenhang stehend vorausgesagt, dem "Tag der Rache
unseres Gottes".
15. September 1915: Wenn wir die Bibelchronologie herab bis auf unsere Tage verfolgen,
so finden wir, dass wir jetzt gerade im Anfang des großen Siebenten Tages der großen
Woche der Menschheit leben. Das wird von den Ereignissen um uns herum zur Genüge
bestätigt.
15. Februar 1916: In Band 4 der Schriftstudien haben wir deutlich auf die Dinge
hingewiesen, die sich jetzt abspielen, sowie auf die noch schlimmeren Zustände, die uns
bevorstehen.
15. April 1916: Wir glauben, dass die Daten sich als zutreffend erwiesen haben. Wir
glauben, dass die Zeiten der Nationen zu Ende gegangen sind, und dass Gott den Regierungen
jetzt gestattet, sich selbst zu zerstören, um dem messianischen Königreich freie Bahn zu
machen.
1. September 1916: Es erscheint uns ganz klar, dass die prophetische Zeit, als die Zeit
der Nationen bekannt, chronologisch im Oktober 1914 endete. Die Tatsache, dass der große
Tag des Grimmes über die Nationen damals begann, markiert sehr gut die Erfüllung unserer
Erwartungen.
Der Erste Weltkrieg endete aber 1918, ohne dass sich eine weltweite sozialistische
Revolution und Anarchie anschloss.
Weder war das letzte Glied der Kirche Christi verherrlicht worden, noch hatten die Heiden
aufgehört, die Stadt Jerusalem niederzutreten, noch hatte das Königreich Gottes das
"heidnische Standbild" zermalmt, und auch "die neuen Himmel und die neue
Erde" waren nirgends zu sehen inmitten der "durch Trübsal zerschlagenen
Menschheit".
Nicht eine einzige der sieben Voraussagen aus dem Buch Die Zeit ist herbeigekommen hatte
sich erfüllt.
Und doch, eines hatte sich ereignet: der Erste Weltkrieg.
So war man der Ansicht, die Zeit sei richtig gewesen, und konnte wieder einmal behaupten,
dass Russells Nachfolger - wie vor ihnen schon die Adventisten und die Miller-Anhänger -
"das unrichtige Ereignis zur richtigen Zeit" erwartet hatten.
Wie aber konnte die Zeit stimmen, wenn doch von den Voraussagen überhaupt nichts
eingetroffen war?
Weil nichts so gekommen war, wie es angekündigt wurde, befanden sich viele Anhänger
Russells über Jahre hinweg in einem Zustand großer Ratlosigkeit.
Nachdem einige Jahre verstrichen waren, begann J. F. Rutherford, der Nachfolger Russells
im Amt des Präsidenten der Watch Tower Society, Schritt um Schritt zu erklären, was sich
von 1914 an "wirklich" erfüllt hatte.
In seiner Ansprache "Das Königreich der Himmel ist nahe gekommen" auf dem
Kongress von Cedar Point vom 5.-13. September 1922 sagte Rutherford, das Königreich
Gottes sei tatsächlich 1914 aufgerichtet worden, zwar nicht auf Erden, dafür aber
unsichtbar im Himmel!
Und drei Jahre darauf, im Jahr 1925, wandte er Offenbarung 12 auf dieses Ereignis an;
gemäß dieser Prophezeiung sei Gottes Königreich im Himmel geboren worden.
Gleichfalls auf dem Kongress in Cedar Point 1922 äußerte Rutherford erstmals die
Ansicht, "dass im Jahre 1918 oder ungefähr zu der Zeit der Herr zu dem (geistigen)
Tempel kam". Früher hatten Russell und seine Anhänger gemeint, die himmlische
Auferstehung habe 1878 stattgefunden.
Doch 1927 verschob Rutherford sie auf 1918.
Und ebenso verschob Rutherford in den 30er Jahren den Beginn der unsichtbaren Gegenwart
Christi von 1874 auf 1914.
Damit ersetzte Rutherford nach und nach die unerfüllt gebliebenen Voraussagen durch eine
Serie unsichtbarer und geistiger Ereignisse, die alle mit den Jahren 1914 und 1918 in
Verbindung standen.
Rutherfords "Erklärungen" werden noch heute, ein ganzes Menschenalter nach
1914, von den Zeugen Jehovas als Glaubenssätze gelehrt.
Die Deutung der "Heidenzeiten", nach der diese 2520 Jahre dauerten und von
607 v.u.Z. (anfangs von 606 v.u.Z.) bis 1914 liefen, wurde Pastor Charles T. Russell nicht
auf wundersame Weise im Herbst 1876 offenbart.
Im Gegenteil, diese Auffassung hatte eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich und
ihre Ursprünge reichen bis weit in die Vergangenheit zurück.
Ihre Wurzel lag im "Jahr-Tag-Prinzip", das zuerst von Rabbi Akibah ben Joseph im
ersten Jahrhundert u.Z. formuliert wurde.
Vom 9. Jahrhundert an wandten andere Rabbis dieses Prinzip auf die Zeitperioden des Buches
Daniel an.
Das Jahr 1914 wäre wohl längst im Meer der unerfüllt gebliebenen anderen Daten
versunken und keiner würde mehr davon reden, wäre es nicht dem Datum des Ausbruchs des
Ersten Weltkriegs so nahe gekommen.
Russell übernahm Barbours Berechnung, als er sich mit ihm 1876 traf.
Barbour war damals 52 Jahre alt, Russell dagegen mit 24 Jahren noch sehr jung.
Ihre Wege trennten sich im Frühjahr 1879, doch Russell behielt die Zeitrechnung Barbours
bei, und seit jenen Tagen spielt das Jahr 1914 unter den Anhängern Russells eine so
herausragende Rolle bei der Deutung der biblischen Prophezeiungen.
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Als wir vom Dachboden hinuntergingen, hielten wir uns ganz fest an Großpapas Hand, um
ihm zu zeigen, wie sehr wir seine Weisheit und Leitung schätzten.
Es wurde Abend es wurde morgen der siebte Tag.
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