Re: Herr Franke antwortet nicht

 

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 27. November 2005 04:52:13:

Als Antwort auf: Re: Horst Knaut über Heribert G. geschrieben von Drahbeck am 26. November 2005 06:59:43:
Laut veröffentlichter Verlagsvita des Autors Horst Knaut (Jahrgang 1926), war selbiger nach 1945 fünf Jahre im Polizei- und Kriminaldienst in Nordrhein-Westfalen tätig. Danach sattelte er auf Journalismus um. In dieser Phase unter anderem acht Jahre beim Deutschen Fernsehen tätig ("Tagesschau", "Report" ... dann Produzent eigener Dokumentar-Reihen für TV und Hörfunk).
Nachfolgend wohl dann als freiberuflicher Journalist tätig. Letzterer Phase ist auch sein 1975 erschienenes Buch "Propheten der Angst" zuzuordnen.

Wie man dieser Vita auch indirekt entnehmen kann, entwickelte er durchaus auch eine "Ader" in Richtung "Investgativem Journalismus". "Lammfromme" Verkündigungen von Selbstdarstellungen - etwa im Stile eines Herrn B. - sind wohl nicht das, was Knaut praktizierte. Er geht schon mal hart zur Sache, ohne Rücksicht darauf, ob dabei Augen trocken bleiben oder eben nicht.

Letzteres sollte auch ein Herr Franke von den Zeugen Jehovas einmal erfahren. Knaut scheute sich dabei auch nicht, jene Rolle mit anzusprechen, die Franke - faktisch - in der NS-Zeit spielte. Der Protest eines Herrn H. und Co (an dem zu Knaut's Zeiten noch nicht zu denken war), dürfte ihm dabei sicher sein. Sicher ist aber auch, dass ein Herr Knaut, sich durch das H.'sche Gebell nicht im geringsten beeindrucken läßt oder ließe.

Nachstehend die Ausführungen von Knaut in Sachen Konrad Franke:

Mister Richard Kelsey, Sonderbeauftragter für Europa der 'Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft' mit Amtssitz in Wiesbaden-Dotzheim ist nicht zu sprechen.
Er sei gerade auf Reisen, heißt es. Bruder Kelsey sei immer viel unterwegs.
Und Bruder Franke? Herr Konrad Franke?
Konrad Franke möchte zu den Fragen, die ich vorgelegt habe, schon gar nicht Stellung nehmen.
Aber weshalb nicht, frage ich daraufhin eine Zeugin in der deutschen Administration von Brooklyn. Mit Herrn Franke hätte ich früher nach Kongressen und Tagungen der 'Zeugen Jehovas' doch auch schon reden können.
Nun ja, es gehe eben nicht.

Ich wußte Bescheid. Die Fragen, die ich zuvor schon schriftlich angedeutet hatte, schienen wohl zu provozierend zu sein. Von Herrn Franke, dem Altdiener der deutschen 'Zeugen Jehovas', wollte ich zum Beispiel wissen, wie man sich als ein Gesalbter fühle, als ein Auserwählter also, der in Kürze nach der Schlacht von Harmagedon zu den 144 000 gehören werde, die an der Seite Christi vom Himmel aus das Tausendjährige Reich auf Erden leiten und lenken würden. In Kreisen der 'Zeugen Jehovas' gilt als sicher, daß Konrad Franke ein Gesalbter sei, ein künftiger himmlischer Minister also, gemeinsam mit den dahingeschiedenen früheren Präsidenten der theokratischen Organisation Charles Taze Russell und Josef Franklin Rutherford, freilich auch mit dem derzeitigen Chef von Brooklyn, Mister Nathan Homer Knorr.

Fragen an einen Gesalbten schienen mir insofern wichtig zu sein, als solch ein künftiger himmlischer Unterführer ja vielleicht doch etwas mehr, etwas Konkreteres über Zeitplan und Umstände der großen Vernichtungsschlacht auf Erden aussagen könne. Daneben, so dachte ich, wäre es auch interessant, zu wissen, wie man eigentlich ein Gesalbter werden könne, wer für diese Auswahl für ein schöneres Dasein zuständig sei, denn alle Angaben, die ich darüber in den Publikationen der 'Zeugen Jehovas' hatte lesen können, befriedigten mich nicht, sie waren zu vage, zu nichtssagend, zu widersprüchlich. Man müsse diese himmlische Berufung selber in sich spüren, hieß es da einmal: man wird somit also Gesalbter von eigenen Gnaden.

Woanders wiederum stand, daß die derzeit noch Lebenden der 'kleinen Herde' der 144 000 an dem Zeugen-Jehova-Abendmahl teilnehmen mußten, das einmal jährlich nach Sonnenuntergang am 14. des jüdischen Monats Nisan stattfinde. Wer sucht die Teilnehmer an diesem Abendmahl heraus? Ich muß zugeben, daß mich derartige Darstellungen verwirren, vielleicht, weil ich theokratisch zu ungeschult bin und immer zuviele Fragen stelle. 'Zeugen Jehovas' selbst stellen ja solche Fragen nicht, sie hören und lesen die Kunde von Brooklyn, und sie glauben.

Auch nach dem letzten Haushaltsplan des deutschen Zweiges hatte ich gefragt, nach den Einkünften aus Druckerzeugnissen und Spenden, nach den Besitzverhältnissen der Gesellschaft und ob man jetzt, kurz vor Harmagedon, noch an weitere Investitionen denke. Die Jahrbücher der 'Zeugen Jehovas', so sagte ich, würden zwar viele Aufschlüsse über geleistete Felddienststunden und ein gewaltiges Zahlenmaterial auf den Gebieten der missionarischen Eroberungen anbieten, aber konkrete Abrechnungen in Mark und Pfennig, die jeder Gesangverein seiner Jahreshauptversammlung öffentlich vorlegen muß, vermißte ich leider.

Meine Fragen jedenfalls, insgesamt 42, die ich Konrad Franke in Wiesbaden persönlich stellen will, werden nicht zugelassen. Will man mir die Fragen womöglich nicht beantworten, weil ich ein 'Toter im Glauben' bin, also kein 'Zeuge Jehovas'? Kann schon sein, denn wäre ich ein 'Zeuge Jehovas', würde ich derartige Fragen ja auch gar nicht stellen.

Ich reiche die Fragen nun noch einmal detailliert und schriftlich ein, mit einer freundlichen Bitte um Beantwortung, weil es schließlich um allgemein interessierende Informationen ginge. Doch nach drei Wochen bekomme ich diesen Fragenkatalog wieder zurück, ohne Beantwortung einer einzigen Frage. In einem Begleitschreiben ohne Unterschrift heißt es nur, ich möge mich an Hand der Kurzinformationen unterrichten, die anläßlich von Kongressen der 'Zeugen Jehovas' an die Presse gegeben würden. Die nichtssagenden Waschzettel werfe ich in den Papierkorb, denn schließlich wußte ich von meinen Begegnungen und von den Versammlungen mehr über Jehovas Plan und über die Abonnementspreise für 'Wachtturm' und 'Erwachet' sowie über den neuen grünen Schutzumschlag der 'Neue-Welt-Bibel', als auf diesen Zetteln stand. Vermutlich hatte bei den Kongressen auch jeder andere Kollege diese Waschzettel gleich in den nächsten Papierkorb geworfen, denn es waren Texte für Schwachsinnige, die man da als Presseinformationen verteilt hatte. Das teile ich dem deutschen Hauptquartier der 'Zeugen Jehovas' nun auch mit und spreche die Vermutung aus, daß meine Bitte um Beantwortung der Fragen wahrscheinlich an eine falsche Stelle gelangt sei.

Ich schicke die Fragen noch ein zweites Mal, diesmal per Einschreiben und direkt an Konrad Franke nach Wiesbaden. Aber wieder bleiben die Fragen unbeantwortet. Und aus einem neuen Begleitbrief ohne Unterschrift erfahre ich diesmal, daß man in Wiesbaden zwischenzeitlich in den Besitz einer Vorankündigung des R. S. Schulz Verlages für mein Buch gekommen sei, in der man lesen konnte, daß 'ein unheimlicher geistiger Bazillus lautlos durch unsere Welt schleicht'. Da dieser 'Bazillus' wohl auf die 'Zeugen Jehovas' bezogen sei, könne es sich bei meiner Arbeit wohl kaum um ein objektives Vorhaben handeln, das den 'Zeugen Jehovas' gerecht werde. Eben dieser Objektivität wegen bleibe diese Mitteilung aus der Wiesbadener Zentrale hier nicht unerwähnt.

Ehrlich gesagt, so wichtig war mir der Besuch in Wiesbaden von vornherein auch nicht gewesen, denn es geht mir um den Zeugen Jehovas selbst, um den kleinen Mann in dem großen Missionsheer, und nicht um eine Beschreibung der deutschen Filiale von Brooklyn mit Großdruckerei und Verwaltungsbau und einem Bethel-Heim, in dem sogenannte Pioniere, Vollzeitdiener, geschult werden. Und was die Fragen anbelangt, die ich Herrn Franke gern selbst gestellt hätte, muß ich gestehen, daß sie mir 'unten an der Front' zum Teil schon sehr eingehend beantwortet worden waren und demnächst auch noch an anderer Stelle von anderen beantwortet werden. Die Sache mit den Fragebogen war für mich eher ein kleines psychologisches Spiel, dessen Ausgang ich erahnt hatte. ...

Da gibt es ein Protokoll der Geheimen Staatspolizei Darmstadt vom 9. 9. 1936, in dem ein aus der Schutzhaft vorgeführter 'Zeuge Jehovas' eine ganze Liste von Dienstleitern der 'Zeugen Jehovas', mit denen er es einst zu tun hatte, preisgibt. U. a. nennt dieser vorgeführte 'Zeuge Jehovas' die Namen Valentin Steinbach aus Frankfurt, Karl Haas aus Mannheim, Mühlhäuser aus Karlsruhe, Albert Kern aus Offenburg, Erich Arnold aus Singen und einen gewissen Sand aus Speyer. Soweit ihm bekannt, gibt er auch die Adressen preis. Von einem Wilhelm Ruhnau aus Danzig gibt er sogar einen regelrechten Steckbrief; 'Er ist etwa 1,65m groß, hagere Gestalt, schmales Gesicht, bartlos und trägt meines Wissens eine Brille. Er ist meiner Schätzung nach 35 Jahre alt.' Die Vernehmung ist unterzeichnet von einem 'Zeugen Jehovas' namens Konrad Franke.

Es gibt in diesen Jahren eine ganze Reihe weiterer 'Zeugen Jehovas', die ihre im Versteck weiterarbeitenden Mitbrüder der Gestapo auslieferten. Der gesprächige Konrad Franke muß nun zwar auch leiden, neun lange Jahre, doch so wie die ganz und mit allen Konsequenzen in ihrer Religion ergebenen kleinen 'Zeugen Jehovas' kommt er nicht zum Exekutionskommando, muß auch keine Schwerstarbeit leisten. Er überlebt die Hitlerzeit, zuletzt in Haft auf der Insel Wight, gemeinsam mit dem deutschen Reichsdiener Erich Frost, der bei der Gestapo auch nicht gerade zurückhaltend gewesen war, als es um die Nennung von weiteren Gefolgsleuten ging, die noch auf den Suchlisten gestanden hatten.

Als im Frühjahr 1945 das Deutsche Reich in Scherben liegt, als man auch meint, es gebe keine deutschen Kirchenführer mehr, sofort in diesen Tagen des großen Zusammenbruchs sind es die 'Zeugen Jehovas', die zuallererst geistige und materielle 'Marshallplanhilfe' erhalten, wenn dieser Begriff auch erst Jahre später offiziell und für das übrige geschlagene Volk bekannt wird. 'Zeugen Jehovas' dürfen sofort wieder in Deutschland ihre Missionstätigkeit beginnen. US-Militärflugzeuge bringen ihnen Wachtturm-Schriften und erste Arbeitsunterlagen aus Brooklyn mit. General Dwight D. Eisenhower, selbst Sohn einer 'Zeugen-Jehova'-Familie, hilft der theokratischen Organisation beim Wiederaufbau des deutschen Zweiges, so gut das in seinen Kräften steht. Wachtturm-Präsident Nathan Homer Knorr kommt schon bald mit einer US-Militärmaschine über den Atlantik, als noch kein anderer Ausländer in ähnlicher Absicht deutschen Boden betreten kann. Eine Karlsruher Druckerei wird für die neuen Aufgaben der 'Zeugen Jehovas' beschlagnahmt. In Magdeburg wird ein neues Büro eingerichtet, daneben ein zweites für Westdeutschland in Wiesbaden-Dotzheim. Führer der 'Zeugen Jehovas' dürfen in Militärzügen reisen und in von der Militärregierung beschlagnahmten Hotels wohnen. Der ehemalige Reichsdiener Erich Frost ist wieder in vollem Einsatz - in Magdeburg wie in Wiesbaden. Sein engster Gehilfe ist Konrad Franke. Am 13. Januar 1946 darf Frost beim Sender Stuttgart einen ersten Rundfunkvortrag halten, vier Wochen später bekommt er eine Sendezeit bei Radio München. Noch nie zuvor hatten 'Zeugen Jehovas' in Deutschland Gelegenheit, über Rundfunk zu sprechen. Es sieht so aus, als wollten sie die neue deutsche Kirche werden ... 'Was hatte der Herr in dieser kurzen Zeit doch alles für uns getan! Wie machtvoll hatte er sein Werk vorangetrieben!', schreibt Frost in seinen Erinnerungen.

In der DDR werden die 'Zeugen Jehovas' im September 1950 als eine verfassungswidrige Organisation erklärt und verboten. Frost verläßt das Magdeburger Quartier ... Als Zweigdiener bringt er in unermüdlicher Arbeit den westdeutschen Zweig zur Blüte und macht ihn zum zweitstärksten Bollwerk der theokratischen Weltorganisation. Nur in den USA sind die 'Zeugen Jehovas' (zu damaliger Zeit) noch stärker repräsentiert.

Aus gesundheitlichen Gründen zieht er sich 1955 aus dieser leitenden Tätigkeit in Wiesbaden zurück. Erich Frost lebt heute 75jährig in Tuttlingen. Als einer der Ältesten gehört er der dortigen Ortsversammlung der 'Zeugen Jehovas' an. Inzwischen schwer herzkrank und an einer unheilbaren Wirbelverletzung leidend, ist er weiter nach bestmöglichen Kräften 'für die
Wahrheit' im Einsatz und erwartet Harmagedon.

Sein Amtsnachfolger im Dotzheimer Generalstabsquartier ist Konrad Franke, der Gesalbte. Auch zu diesem Historienkomplex und zu ein paar Fragen nach christlicher Reue, Schuldbekenntnis und Buße wollte ich mich so gern einmal mit einem Zeitgenossen unterhalten, der demnächst an der Seite Christi sitzen will...

Siehe auch: Parsimony.15635

 

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