Was wurde eigentlich aus Fritz Winkler?


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 05. Oktober 2005 03:51:45:

Herr H. ist unter anderem durch seine Erich Frost-Apologie in Erscheinung getreten. Im "Konzert" mit Herrn W. (letzterer "glänzte" mit der Zitierung der Erich Frost-Stellungnahme bezüglich der Vorwürfe an seine Adresse).
Es seien "Aufzeichnungen der für menschenunwürdig erklärten Gestapo zur Anklage gegen unbescholtene Bürger des Landes gebraucht" worden.

Herr Frost meinte weiter zu wissen:
"Denn ihre (der Gestapo) Behauptungen waren unwahr, und ein Gericht hätte sie damals zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Doch wir als Zeugen Jehovas hatten Wichtigeres zu tun. …"

Es ist durchaus bemerkenswert, dass jene eben zitierte Frost-Verteidigung, bis heute von der offiziellen WTG nicht veröffentlicht wurde. Lediglich W., als Leiter des WTG-Geschichtsarchivs besitzt ihre Kenntnis. Zur einer Volltext-Veröffentlichung dieses Erich Frost-Berichtes konnte er sich allerdings bis heute nicht entschließen. Das Argument, dass sei kein Text, der für einen kommerziellen Verlag, zur Veröffentlichung interessant wäre, zieht dabei nicht. W. nennt laut Eintrag bei Denic einige Webseiten sein eigen. Es wäre ein leichtes, dort den Komplett-Text einzustellen.

Auch die Aussage von Frost in jenem Text, muss als keineswegs befriedigend gewertet werden:
"Ich hatte über diese Anschuldigungen Bruder Knorr befragt, ob ich vielleicht etwas tun sollte. Doch er sagte mir: Nein, laß das sein, Bruder Frost! Was glaubst du, wie viele Anschuldigungen gegen mich gemacht werden. Wir schenken solchen keine Aufmerksamkeit. We put them in the file, d. h. wir legen sie ab, aber haben keine Zeit, sie zu lesen."

Fest zu halten ist weiter, dass Frost, entgegen seinen markigen Verteidigungsworten, eben nicht den möglichen Gerichtsweg eingeschlagen hat. Seine Unterstellung. Es wäre zu einer "Geldstrafe" gekommen ist keineswegs bewiesen.

Nun ist es offenkundig, dass Frost Opfer des Naziregimes ist. Ihn als "Täter" hinzustellen geht in der Tat zu weit. Man kann allerdings auch nicht an dem Umstand vorübergehen, dass Frost, sowohl im Naziregime (zeitweise) als auch nach 1945 (bis 1955) die Nummer 1 der deutschen WTG-Funktionäre war. Ein solcher Mann muss es sich schon gefallen lassen, dass seine Biographie auf ihre Schwachpunkte durchleuchtet wird. Und Schwachpunkte gab es offensichtlich.

Herr H. meint nun, die wären ja "intern" abgeklärt worden. Und (unausgesprochen). Durch seine Ablösung vom Zweig"Aufseher"-Posten, Ende 1955, sei dem ausreichend Genüge getan.
Und W. will diese Ablösung des 55-jährigen gar als "gesundheitlich" bedingt erklären.

Tja, es mag schon sein, dass kennt man auch von anderen Personen der Öffentlichkeit, die in die Schlagzeilen geraten, dass bei denen sich gesundheitliche Probleme einstellen. Das ist dann aber doch wohl eher dem Bereich "Folgewirkung" dieser Schlagzeilen zuzuschreiben.

Einen besonderen "Trumpf" meint H. bei seiner Erich Frost-Apologie noch mit ausspielen zu können. Der "Trumpf", das schon sehr frühzeitig die Stasi der DDR, dieses Thema an sich gezogen hatte.

Herr D. (S. 585) etwa, notierte dazu auch:
In der Folgezeit holte das St(aatssekretariat) f(ür) S(taatssicherheit) mehrere Angaben und Berichte über Erich Frost ein, so beispielsweise am 28. Juni 1955 eine Charakteristik von der Bezirksverwaltung Leipzig, Abt. V/4, in welcher der Lebenslauf von Erich Frost aus der Sicht des IM "Laune" geschildert wurde, der früher ein Zeuge Jehovas gewesen war. Die HA V ließ am 11. November 1955 eine Aussage von dem in Luckau inhaftierten Zeugen Jehovas Winkler über verschiedene in den Verhörprotokollen von Frost erwähnte leitende Zeugen Jehovas machen, insbesondere, inwieweit diese inhaftiert und in Haft verstorben waren."

Schade nur, dass D. nicht den Vornamen des mit genannten "Zeugen Jehovas Winkler" nennt. Diese Differenzierung ist schon wichtig, zumal in den von der WTG nicht geschätzten Gestapo-Akten, ein anderer Winkler (Fritz Winkler), gleichfalls eine unrühmliche Rolle spielt. Was wurde aus letzterem eigentlich. Das müsste doch für einen Geschichtsarchiv-Leiter doch auch eine interessante Aufgabe sein; dazu mal was mitzuteilen. Gell Herr W.? Ich vermisse allerdings bis heute eine Auskunft von Ihnen (oder dazu Beauftragten) dazu. Das aber nur nebenbei. Laut Hubert Roser, lebte Fritz Winkler noch bis 1978. Also durchaus Grund genug, sich auch über seinen Part nach 1945 noch Gedanken zu machen.

H. meint seinen "Trumpf" in Sachen Stasi und Erich Frost noch dahingehend erweitern zu können, dass die schon sehr früh (in den fünfziger Jahren) eigens eine Broschüre dazu anfertigen ließ.
Laut Auskunft von D´. indes, ist diese Broschüre in ihrer Ursprungsform, indes nie in die Öffentlichkeit gelangt.
Wie auch immer. Der Fall Frost gelangte dann durch einen "Spiegel"-Artikel des Jahres 1961 in die breite Öffentlichkeit. Und da setzt das konzertierte Missfallen der WTG-Apparatschicks ein.

Herr H. bringt dieses Missfallen sehr "gekonnt" mit dem Satz auf dem Punkt:
"Fest steht, daß ein westdeutsches Nachrichtenmagazin sich in die Rufmordkampagne des MfS zum Schaden von Erich Frost und damit zum Schaden für die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas einspannen ließ."

Da liegt also der Pudel begraben. Das die WTG-Organisation damit geschädigt wurde, ist ja unstrittig. Nur ist damit noch keinerlei Aussage über den Wahrheitsaspekt getätigt.

Besonders erbost sind die WTG-Appartschicks über den Umstand, dass diese vom Osten lancierte Aktion, auch in westlichen Gefilden, in der Folgewirkung des "Spiegel"-Artikels, eine gewisse Resonanz erfuhr. Besonders zwei Namen aus westlichen Gefilden, lassen dabei den WTG-Apparatschicks "den Kamm anschwellen". Einmal der des Kurt Hutten und zum anderen der des Dietrich Hellmund.

Sind diese Aversionen wirklich berechtigt? Was berichtete denn Kurt Hutten zeitgenössisch in seinem "Materialdienst"?

Nun, in dem "Erich Frost's Gedächtnislücke" überschriebenen Artikel unter anderem dies:
"Es ist alles in allem der Bericht von einem heldenhaften Widerstand, dem man den Respekt nicht versagen kann (Hutten bezieht sich auf eine Selbstdarstellung des Frost im "Wachtturm"). Nur an einem Punkt hat sich bei Frost eine Gedächtnislücke eingestellt, auf die der 'Spiegel' (30, 19. 7. 1961) aufmerksam macht.

Frost erzählt, wie er am 21. März 1937 morgens 2 Uhr durch zehn Leute der Gestapo aus dem Schlaf geholt wurde. 'Binnen weniger Sekunden lasse ich ein dünnes Papierröllchen mit wichtigen Aufzeichnungen in der Matratze der Bettcouch verschwinden. Das Papierröllchen wurde nie gefunden', und auch Folterqualen konnten ihm sein Geheimnis nicht entreißen: 'Mehr als einmal schlug man mich, bis ich bewusstlos war, überschüttere mich dann mit Wasser, um mich wieder zum Bewusstsein zu bringen. Bald konnte ich nicht mehr liegen und nicht mehr sitzen. Von Freitag bis Montag aß und trank ich kaum etwas, rief aber unablässig Jehova um Hilfe an, damit ich um der Brüder willen schweigen könnte.'

Und Frost schreibt, er habe tatsächlich schweigen können: 'Die Brüder waren nicht in das Netz geraten, das die Polizei gelegt hat.'
Der 'Spiegel' bemerkte dazu: 'Im Haftbuch Nr. 292 des Geheimen Staatspolizeiamtes in Berlin, Dienststelle II B 2 steht es freilich anders. Nach den noch vorhandenen Verhör-Protokollen, die von Frost Gefolgsleute berichtet. Frost schilderte - laut Verhör-Protokoll - detailliert die Tätigkeit seiner Organisation und verriet auch zwei Treffpunkte seiner Funktionäre: 'der (Berliner) Stadtbahnsteig Alexanderplatz' und 'bei Reiche in Zeuthen-Niersdorf, Lange Straße 5.' Schließlich nannte er - laut Verhör-Protokoll auch noch die Namen seiner Bezirksdiener', … aus allen Teilen Deutschlands, von denen damals erst einer bereits verhaftet war, während die anderen später ihre Freiheit verloren."

Ist dieser Tatbestand nicht kommentierenswert? Was sagt H. zu den angegebenen Treffpunktadressen, die für die Gestapo durchaus ein kleines Mosaiksteinchen darstellten, dass sie nicht missen mochte. Dazu sagt Herr H. - nichts.

Er polemisiert lieber darüber, wieviel Zweigdiener es in jener Zeit in Deutschland gab und meint da bei Hutten eine Ungenauigkeit wahrzunehmen. Dann bestreitet H. insbesondere den "Neuigkeitscharakter" für die Gestapo, diese Aussagen betreffend. Er meint zu wissen: Bereits seit Winklers Tagen kannte die Gestapo die Namen der "Zweigdiener".

Sein Missfallen äußert sich besonders in einer Polemik mit Dietrich Hellmund den er beispielsweise belehrt:
"'Einen von ihnen, Karl Siebeneichler, kostete das das Leben im KZ Sachsenhausen'. Damit hatte er nichts bewiesen, lediglich Angaben des 'Spiegel' kolportiert, und die Unwahrheit aus dem Jahre 1961 in die Gegenwart transportiert. Siebeneichler bereits vor Frost verhaftet und dass es neun Bezirksdiener und eben nicht acht" waren.

Damit wären wir nun beim Namen Dietrich Hellmund angelangt. Hat Hellmund unzulässig über die Frost-Affäre berichtet? Wohl kaum. Liest man seinen diesbezüglichen Text in seiner Dissertation, wird man ihm eher ein ausgewogenes Urteil dazu bescheinigen müssen. Er bringt durchaus mit zum Ausdruck, dass Frost ein Opfer war. Jener Umstand indes kann nicht darüber hinwegsehen lassen, das jener Frost eben ein ganzes Jahrzehnt nach 1945 weiterhin die Nummer Eins der deutschen Zeugen Jehovas war. Einer menschlichen Organisation mag man solche Fehltritte nachsehen. Indes die Zeugen Jehovas-Organisation will bekanntlich von ihrem Anspruch her, mehr, "besseres" sein. Da ist nur legitim, diesbezügliche Widersprüche aufzuzeigen. Nicht mehr und nicht weniger tat auch Dietrich Hellmund.

In seiner Dissertation schrieb er zum Thema Frost auch dies:
"In den Kurzbiographien … wiederholt sich holzschnittartig das Gesamtschickaal der Glaubensgemeinschaft in Deutschland."

Und im Detail führt er dann unter anderem aus:
"Ab 21.III.1957 kam es zur dritten Verhaftung. Drei Monate brachte er im Keller des Gestapo-Gefängnisses in der Prinz-Albreoht-Str. Berlin zu; anschließend wurde er zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, die er in Plötzensee und Emslandmoor abgesessen hat. Später saß er im KZ Sachsenhausen ein. Anschließend wurde er mit einem Strafkommando auf die Insel Alderney geschickt. Nach der Invasion wurde der Gefangene bis nach Oberösterreich verbracht. Dort erlebte er seine Befreiung. Nach seiner Heimkehr organisierte er das Königreichswerk in Magdeburg, dem früheren Sitz der WC-Gesellschaft. Er war Zweigdiener bis 1955, zuerst in Magdeburg, dann in Wiesbaden. Mit 55 Jahren wurde er aus diese Amt entfernt und versieht seitdem einen untergeordneten Dienst im Bethel Wiesbaden; Er ist für die deutsche WT-Ausgabe verantwortlich.

Im WT hat Frost auch behauptet, er habe unter den Folterungen und Quälereien seiner SS-Peiniger schweigen können und kein für die Polizei erhebliches Wissen verraten. So habe er Leben und Freiheit der Brüder schonen können.-

An der sachlichen Richtigkeit dieser Selbstdarstellung eines Märtyrers hat das Nachrichtenmagazin "DER SPIEGEL" wohlbegründete Zweifel angemeldet. Nach dem Kriege aufgefundene Vernehmungsprotokolle des Gestapa lassen erkennen, daß Prost wichtigste Interna der illegalen Arbeit an die Gestapo verraten hat.

Unter anderem gab er zwei Treffpunkte preis sowie die Namen und Aufgabenbereiche seiner acht Bezirksdiener. Einer dieser Funktionäre, Karl Siebeneichler, starb im KZ Sachsenhausen.

Vorgänge wie dieser dürften die Amtsenthebung des E. Frost verursacht haben. Der "Fall Frost" ist kein geeignetes Mittel zur Kritik an den ZJ. Frost verdient nicht unsere Verachtung, sondern aus Verstehen geborenes Mitleid."



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