Re: Bluttransfusion


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 28. Juli 2005 05:19:22:

Als Antwort auf: Re: Bluttransfusion geschrieben von D. am 27. Juli 2005 13:59:20:

Versuch einer Rekonstruktion..
Laut dem WTG-Buch „Babylon die Große ist gefallen" war es die englische „Watchtower"-Ausgabe vom 1. Juli 1945, welche erstmals die ZJ-Bluttransfusions-Doktrin einführte.

Ergänzend muss man noch hinzufügen. Der deutsche „Wachtturm" konnte in der Schweiz, nach einer Zwangspause ab Mitte 1940, erst wieder ab Oktober 1944 erscheinen. Einen wesentlichen Unterschied gab es aber in den Jahren 1944/45 noch. Der deutsche „Wachtturm" konnte vorerst nur einmal monatlich erscheinen. Hingegen erschien das englische Original auch zu dieser Zeit, ungebrochen zwei mal monatlich. Diesem Umstand ist es wohl zuzuschreiben, dass der fragliche Blutartikel im deutschen „Wachtturm" nicht nachweisbar ist. Man ist einzig und allein als Beleg auf das englischsprachige Original angewiesen.


Noch eine Beobachtung. In genannter „Watchtower"-Ausgabe gibt es nur einen Hauptstudienartikel „Immovable fort he Right Worship" überschrieben (S. 195 – 204). Der ist auch mit den Zeugen üblichen „Studienfragen" versehen. Das Thema Blut kommt darin zwar mit vor. Aber die Gesamtkonzeption dieses Artikels ist doch weiter gespannt. Das beginnt schon damit, dass man ihn ihm noch der zeitbedingten Zeugen Jehovas-These begegnet; der Teufel würde mittels „Religion" die Menschen von Gott wegziehen wollen. Zu jener Zeit noch, galt in den Augen der Zeugen, der Begriff „Religion" als etwas abscheuliches, als „Gimpelfang", und verächtlich wurde die religiöse Konkurrent als „Religionisten" tituliert. Erst auf dem 1950er Zeugen Jehovas-Kongress in New York 1950 wurde dann auch dieser zugespitzten These der Laufpass gegeben.

Dann benutzen die „Wachtturm-Schreiber den Psalm 16 als Aufhänger für ihre interpretierenden Ausführungen. Sonderlich „streng" indes halten sie sich nicht an jene Bibelvorlage, denn in jenem Psalm liest man ja auch die Sätze:
„Darum freut sich mein Herz wirklich, und meine Herrlichkeit ist geneigt zu frohlocken.
Auch mein eigenes Fleisch wird in Sicherheit weilen.
Denn du wirst meine Seele nicht im Scheol lassen.
Du wirst nicht zulassen, daß dein Loyalgesinnter die Grube sieht.
Du wirst mich den Pfad des Lebens erkennen lassen.
Freuden bis zur Sättigung sind bei deinem Angesicht;
Da ist Lieblichkeit zu deiner Rechten immerdar."

Vorstehendes nach der Zeugeneigenen „Neue Welt Übersetzung" zitiert, wird meines Erachtens in der Bibelübersetzung von Hermann Menge deutlicher artikuliert, wenn in letzterer der Vers 10 mit den Worten wiedergegeben wird:
„Denn du gibst meine Seele (= mein Leben) dem Totenreich nicht preis, du lässt deinen Frommen nicht schaun die Vernichtung."

Es ist also in der Konsequenz von einer Lebensbewahrung die Rede. Letzteres kann man von der ZJ-Blutdoktrin so wohl nicht sagen.

Als nächstes begegnet man der These, der Teufel habe schon seit Abels Tagen die „wahren Diener Gottes" verfolgt. Als neuzeitliches Beispiel, dass man nun glaubt siegreich überstanden zu haben, verweist man auch auf die „Nazistisch-faschistische Vatican Totalitätsherrschaft". Die nun überstanden zu haben; in diesem Kontext will man dann doch wohl den zitierten Psalm 16 interpretiert wissen.

„Der Misserfolg des Gegners, treue {ergebene} Männer wegzuführen von der Anbetung Jehovas, sogar unter religiös {gottgläubig} Verfolgungen und Martyrium, wurde veranschaulicht
vom Fall David, dem Krieger-Hirten. David im prophetischen Vorbild" (sinngemäß –nicht wörtlich) zitiert.

Unter Hinweis auf die „neue internationale Nachkriegsordnung", der man ein Scheitern prophezeit, verweist man erneut auf Psalm 16 als darin „vorhergesagt".

Etwas weiter begegnet man dann in der Tat einem „Die HEILIGKEIT DES BLUTES" überschriebenen Zwischenabschnitt. Da wird dann schon mal auf den englischen „Wachtower" vom 15. Dezember 1927 verwiesen, der sich schon mal zum Thema Blutessen geäußert habe. Das Thema Bluttransfusion" war allerdings im Jahre 1927 noch nicht akut.
„Ein Grund für den Tag der Rache Gottes, sei die grobe Übertretung durch die Nationen des mit Jehova' geschlossenen "immerwährenden {ewigen} Bund.. Dieser Vertrag wurde von ihm gemacht mit Noah nach der Ankunft aus der Arche, und war es symbolisiert durch den Regenbogen, den Gott verursachte."

In diesem Kontext wird dann auch noch ergänzend auf das in der Apostelgeschichte erwähnte „Apostelkonzil" verwiesen, mit seiner Aufrechterhaltung des Blutverbotes.
Dann meint der „Watchtower" auf 1. Chronika 11: 17-19 verweisen zu sollen, wo man gemäß der NW-Übersetzung liest:
17 Nach einer Weile bekundete David sein Verlangen und sprach: „O daß ich einen Trunk Wasser aus der Zisterne von B hätte, die sich beim Tor befindet!" 18 Darauf erzwangen sich die Drei ihren Weg in das Lager der Phillister und schöpften Wasser aus der Zisterne von Bethlehem die am Tor ist, und trugen es dann und brachten es zu David. Und David wollte es nicht trinken, sondern goß es für Jehova aus. 19 Und er sagte dann: „Es ist im Hinblick auf meinen Gott für mich undenkbar, dies zu tun! Sollte ich das Blut dieser Männer trinken, die ihre Seele eingesetzt haben? Denn unter Einsatz ihrer Seele haben sie es gebracht." Und er wollte es nicht trinken.

Dies nun meint der WT in dem Sinne deuten zu können, dass David damit dokumentieren wolle, das Blutverbot strikt einzuhalten. Darüber dass dies doch eine großzügige Auslegung ist, denn es ist doch nur vom beschaffen von Trinkwasser unter großer Gefahr im Feindesland die Rede. Darüber gibt sich der WT dann schon keine Rechenschaft mehr. Mit dem großzügigen Auslegen, hält er es ja generell.

Dann wird auch noch auf das Verhältnis des David zu Jonathan verwiesen und ausgedeutet. Auch dabei bleiben Fragen zurück. Erinnert sei daran, dass Rutherford in seinem Buch „Rettung" geradezu diesem Thema ein signifikantes Bild veröffentlichen ließ (in der deutschen Ausgabe in Schwarz-weiß. In der englischen Ausgabe hingegen in Farbe)


Dann meint der WT zu wissen, dass unter barbarischen Völkern der Brauch bestanden habe, das Blut besiegter Feinde zu trinken. Und in diesem Kontext wird dann erstmals der Begriff der Bluttransfusion eingeführt. „Selbstständig" ist der WT dabei aber auch nicht. Er verweist als seine Gewährsleute auf die „Enzyklopädie-Amerikana" Revidierte Ausgabe von 1929, Band 4. Dort soll berichtet sein, dass schon die alten Ägypter Experimente in Sachen Bluttransfusionen machten. In neuerer Zeit soll dann beim Papst Innozenz VIII im Jahre 1492 eine solche veranstaltet worden sein, die drei Jugendlichen das Leben kosteten, aber den Papst trotzdem nicht rettete.
Und genau dieser Aspekt, wird dann ja auch in dem eingangs genannten „Babylon"-Buch wiederholt.

Weiter geht's dann, immer noch in Zitierung mit der „Enzyklopädie-Amerikana", das die Entdeckung des Blutkreislaufes durch Harvey ein weiterer Meilenstein gewesen sei.
Zu letzterem kann man vergleichen:

http://www.onmeda.de/lexika/persoenlichkeiten/harvey.html

Daraus entwickelte sich perspektivisch dann auch die Bluttransfusionstechnologie, die dann wohl in den 1940er Jahren auch in das Bewusstsein der Wachtturm-Schreiber gelangten.

In Fortsetzung ihres vermeintlich „strengen Biblizismus" und unter Hinweis auf den Wasser vergießenden David, glaubt man jedoch auch dazu, eine negative Haltung einnehmen zu sollen. So wie man schon zuvor, wie in Artikeln des „Goldenen Zeitalters" nachweisbar, zu Impfungen negativ eingestellt war, und den diesbezüglichen Abscheu auch durch den Umstand geschürt sei, dass bei der Entwicklung von Impfseren, nicht selten bakteriell provoziertes Blut, Ausgangsstoff dafür ist.

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