Etwas aus der Esoterik-Szene


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 17. Mai 2005 00:10:27:

Vor einiger Zeit gab es im Dreisat-Fernsehen (vom Schweizerischen Fernsehen übernommen), einen Bericht über eine Sektentragödie der etwas grotesken Art. Eine saturierte, gute bürgerliche Familie in der Schweiz, ist mit ihrem relativen Wohlstand nicht zufrieden. Sie will mehr. Namentlich die Mutter macht den Anfang und zieht weitere Familienmitglieder in ihren Sog. Ihr "Geheimrezept" heißt Esoteriktrip.

Offenbar gelangte sie dabei in einen Spiritistenzirkel, der sich durch "Medium" Geisterbotschaften verkünden lässt, die für bare Münze genommen werden. Auch dann, wenn sie sehr wohl in die Lebensgestaltung der dieserart Gläubigen aktiv eingreifen. Die Folgen ließen nicht auf sich warten. Die Familie verkaufte ihren gesamten, durchaus stattlich zu nennenden Besitz und übereignete ihn dieser Sekte. Wobei, man wundert sich schon gar nicht mehr, auch Endzeitthesen eine Rolle spielten. Der Weg führte als nächstes nach Portugal, und von dort schon nach kurzer Zeit in ein südamerikanisches Land (ich glaube es war Belize), wo eine Farm erworben wurde. In Außendarstellungen stellte sich diese Sekte als "Wohltäter" der Menschheit dar. Die Innensicht selbiger, ergab ein anderes Bild. Genannte Familie, die sich diesem Guru mit Haut und Haaren verschrieben, hatte auch, noch minderjährige Kinder.

Der Guru dieser Sekte nahm es sich heraus, auch die sexuell zu missbrauchen. Der Vater kam bei einer solch eindeutigen Situation als Augenzeuge hinzu. Der Guru hatte aber seiner Opfer schon soweit (bildlich gesprochen) hypnotisiert, dass selbst der Vater, das was er mit eigenen Augen sah, schweigend geschehen ließ.

Eines der sexuell missbrauchten Opfer, spielte die Hauptrolle in diesem Filmbericht. Es gelang ihr in späteren Jahren, inzwischen volljährig, eine Flucht aus der Sektenkolonie in Szene zu setzen, und mit materiell Nichts, in die Schweiz zurückzukehren. Sie hatte insofern noch Glück im Unglück, dass in ihrer weitläufigen Verwandtschaft in der Schweiz auch solche übriggegblieben waren, die ihr doch noch eine erste Starthilfe für den Neuanfang gewährten. Auch kam ein Kontakt mit dem Journalisten Hugo Stamm zustande (bekannt durch einige Bücher zur Sektenthematik), der ihr Hilfestellung leistete, ihre Südamerika-Erfahrungen, in Buchform einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Wobei eben auch genannter Fernsehfilm diese Rolle mit wahrnahm.

Nicht jeder solcher Fälle "landet" auch im Fernsehen. Es gibt auch ähnliche, über die man nur, eventuell in Buchform mal etwas erfahren kann. Über einen solchen Buchbericht, nachstehend weiteres.

Man glaubt es kaum. Dennoch es ist zu registrieren. Da veröffentlichte ein gewisser Reinhard Lier im Jahre 1994 im Selbstverlag (Lier-Verlag) eine Broschüre mit dem Titel:
„Religiöser Gruppenwahn und Endzeithysterie".
Wovon berichtet er. Etwa von aus Büchern zusammengelesenes? Nein, offenbar berichtet er von selbsterlebtem. Der „Guru" dem er und einige andere noch auf dem Leim gingen, bezeichnet er als eine charismatische Persönlichkeit. „Ludwig" nennt er ihn, fügt aber gleich einleitend hinzu, dass Namen und Orte aus rechtlichen Gründen geändert wurden.

So äußert er etwa (S. 11)
„Ludwigs Aussagen hatten Gewicht, waren für mich von großer Bedeutung. Immerhin kannte ich ihn schon seit 1982, als er Vorträge über Religionsfragen und viele andere Themen hielt. Für mich war er in den Jahren zu einem wichtigen geistigen Impulsgeber geworden. Er war es, der mir die Bedeutung Jesu Christi bewußt gemacht hatte. Durch ihn fand ich zu einem lebendigen Glauben. Sein geistiger Durchblick ließ mich unsensibel und blind werden für mögliche Schwachstellen in seinem Gedankengebäude."

Schon an dieser Stelle bleibt eine gewichtige Frage offen. Es ist von einem christlichen Background die Rede. Der aber wird nicht näher verifiziert. Unklar bleibt, ob dieser Ludwig von „Christentum" auf eigene Faust, oder ein solches in einem größeren Rahmen angebundenes, betrieb.

Jedenfalls die Ergebnisse sind erschütternd genug. Als Ende der 1980er Jahre der Ostblock seinen weltgeschichtlichen Crash erlebte, als der erste Irakkrieg von sich reden machte, da wurde das alles von diesem „Ludwig" endzeitlich verklärt. Und schlimmer noch: Er fand in dem ihm Hörigen gläubige Opfer

Zitat (S. 12, 13):
„Der Wirbelsturm, den Ludwig mit seinen defintiven Aussagen in meinem Freundeskreis auslöste, war enorm. Ich gab wie einige andere auch meine berufliche Tätigkeit auf und begann, den Verkauf einer geschenkten Immobilie einzuleiten. Meine Frau Katrin machte bei allem voll und ganz mit, ja ihre Entschlossenheit und ihr rigoroses Handeln bestätigten mich immer mehr, auf dem rechten Weg zu sein. Wir alle stürzten uns in 'Kriegsvorbereitungen', um gut gerüstet der für den 20. Juni 1990 angekündigten Katastrophe entgegenzugehen. Es wurden Geländewagen, Wohnwagen und Campingausrüstungen gekauft. Anna, ein Mitglied der Gruppe, verkaufte ihre Wohnung auf Ludwigs Anraten für über 400.000 DM und gab alles Geld zügig aus. Desgleichen Brigitte, die ein Haus für über 600.000 DM verkaufte, sowie auch Helga, die ungefähr 400.000 DM für ihr Haus erhielt. Ich erhielt für meine Immobilie 220.000 DM, die auch schnell ausgegeben waren: Zwei Geländewagen, zwei Wohnwagen, Rücksäcke, Zelte, Kleidung und vieles andere wurden schnellstens besorgt, denn wir standen unter Zeitdruck. Auch war von Ludwig die Anweisung gekommen, jetzt täglich mindestens zwei Stunden zu meditieren und zu beten, um sich immer mehr von der äußeren Welt und dem drohenden Chaos zurückzuziehen und die Wurzeln im Inneren zu stärken."

Weiter, dergleiche Verfasser:
„Ich gebe zu, ich - und letztlich wohl wir alle - fühlte mich als Auserwählter, als Eingeweihter. Ich durfte um Gottes Plan wissen und sollte zudem noch das ganze anstehende Chaos überleben. Daß sich dadurch sehr bald bei uns ein Elitebewußtsein entwickelte, dürfte klar sein. Später, als sich dann die Gruppe um Ludwig fest formiert hatte, kamen dann die großen Retter- und Menschheitsbeglückungs-Vorstellungen noch hinzu: Wir sollten nach der Katastrophe in der Lage sein, materiell und geistig die Überlebenden zu versorgen."

Offenbar spielte sich diese „Provinzposse" in deutschen Landen (und oder auch in Österreich) ab. Von einer missionarischen „Ausstrahlung" in weitere Länder ist nichts bekannt. Auch handelt es sich der Größenordnung nach, wohl um eine überschaubare Gruppe. Das alles änderte nichts daran, dass es kam, wie es kommen musste. Die schillernde Seifenblase zerplatzte in ein Nichts.

In der Folge bekamen nun auch noch einige Rechtsanwälte, Arbeit und damit verbundenes Honorar. Das hört sich indes leichter an, als es tatsächlich war. Das waren alles - theoretisch - mündige Bürger. Wenn sie als mündige Bürger Rechtsgeschäfte tätigten, dann hilft es wenig, diese dann nachträglich zu bedauern. Wenn mündige Bürger, dann noch Schenkungen vornehmen, wovon dieser „Ludwig" wohl nicht zu knapp profitierte, gilt ähnliches. Wenn sie dann gar noch Teile ihres vormaligen Eigentums in kommuneähnliche Unternehmungen investierten, dann es ist schwer, nach deren Scheitern, noch die Besitzanteile fein säuberlich sortieren zu können. Jedenfalls handelt es sich hierbei um doppelt Geschädigte. Ideell sowieso. Und zusätzlich auch noch materiell in beträchtlichem Umfang.

Von einer Verurteilung - etwa durch ein Gericht ausgesprochen - dieses „Ludwig" liest man keine Silbe in diesem Heft. Lediglich findet sich die Angabe noch, dass „eine Wiedergutmachung durch den Sektenführer nicht geschehen ist."
So liest man etwa noch S. 63, 64):

„5 Jahre danach...
Ludwig und seine Freunde reisen irgendwo im Wohnmobil umher und bemühen sich weiterhin, die Menschheit durch Traktate und Gespräch von ihrem Glauben zu überzeugen. Die immer noch sympathisierenden Freunde ignorieren alle geschehenen Unstimmigkeiten und Fehltritte ihres 'Führers' und finanzieren auch weiterhin diesen Gruppenwahn. ...
Zwei weitere Frauen, die beide kurz vor dem Selbstmord gestanden hatten, und drei Kinder schafften auch den Ausstieg. Ein paar der Gruppe leben in Österreich, andere bewirtschaften weiterhin treu und brav das landwirtschaftliche Anwesen. ..."

Tja, so soll das sein. Dummheit kostet eben einen hohen Preis!

Einen Nachtrag gilt es wohl noch zu machen. Recherchiert man etwas im Internet, findet man erstaunliches. Heute bezeichnet sich der vorgenannte Broschüren-Schreiber wohl als "Heilpraktiker" und betreibt ein "Privates Institut für Phänomenologische Studien".
Auch "Familienaufstellungen nach Bert Hellinger" gehören wohl zu seinem Programm.
Damit ist dann wohl, soweit es meine Person betrifft, der letzte Funken an Verständnis und "Mitleid", für diesen Fall, endgültig "den Bach herunter".

Da das Thema Hellinger hier schon mal vorkam, auch noch ein diesbezüglicher Linkhinweis:

Parsimony.7615


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