Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Müntz/Wachowitz
In der Endphase der sogenannten
"DDR", im Jahre 1988 erschien ein Handbuch "Kirchen und
Religionsgemeinschaften in der DDR". Verlegt wurde es von der "Ingenieurschule
für Seefahrt" in Warnemünde/Wustrow vom dortigen Arbeitskreis des
"Wissenschaftlichen Atheismus". Als Autoren zeichneten D(ieter) Müntz und
H(arald) Wachowitz.
Mutet schon eine Ingenieurschule für
Seefahrt als Herausgeber einer solchen Publikation skurril an, so ist die Liste der
"Merkwürdigkeiten" damit noch keineswegs erschöpft. Spiritus rector jenes
"Wissenschaftlichen Atheismus" war der inzwischen verstorbene Hochschullehrer
Olof Klohr. In den sechziger Jahren hatte er an der Universität Jena mal für kurze Zeit
einen Lehrstuhl für "Wissenschaftlichen Atheismus", nach sowjetischem Vorbild
inne. Ihm war keine lange Dauer beschieden.
Kirchliche Kreise, um ihre eigenen
Pfründe besorgt, protestierten und sie hatten dahingehend Erfolg, dass Klohr sein Jenaer
Unternehmen sang- und klanglos abbrechen musste. Ja, man kann weitergehen und sagen, dass
er faktisch "in die Wüste" geschickt wurde, sprich an besagte
"Ingenieurschule für Seefahrt". Hatten die Kirchen Klohr auch erst einmal
Schachmatt gesetzt, so gab letzterer seine Intentionen dennoch nicht auf. Er begann de
facto in Warnemünde/Wustrow seine einschlägige Tätigkeit fortzusetzen.
Sichtbare Frucht dessen war eine
Schriftenreihe, gleichfalls mit dem Titel "Wissenschaftlicher Atheismus", von
der circa 50 Hefte erschienen. Zu den weiteren Skurrillitäten gehört es, dass dies
weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit" geschah. So besitzt beispielsweise
auch die Deutsche Bücherei zu Leipzig, diese Hefte nicht vollständig, obwohl die
Herausgeber zur Ablieferung von Pflichtexemplaren nach dorthin, auch gemäß DDR-Recht
verpflichtet gewesen wären.
Mitte der 80-er Jahre fühlte sich das
DDR-Regime den Kirchen gegenüber, partiell etwas "stärker". Sichtbares Signal
dafür war auch, dass an der Berliner Humboldt-Universität eine "zeitweilige
Arbeitsgruppe" gebildet wurde, deren Zielstellung die Aufarbeitung des Komplexes auch
der kleinen Religionsgemeinschaften war. Sie gab sogar eine eigene Zeitschrift
heraus:" Beiträge zur Theorie und Geschichte der Religion und des Atheismus".
In diesem sich nun allmählich
institutionalisierenden Rahmen, schrieben Müntz/Wachowitz eine Dissertation, die dann in
überarbeiteter Form von besagter "Ingenieurschule für Seefahrt" publiziert
wurde. Das Ende der "DDR" hatte sich schon zu diesem Zeitpunkt vorangekündigt.
Als es dann tatsächlich eintrat, überstürzten sich die Ereignisse. Auch der
ideologische Überbau an den DDR-Universitäten wurde in kürzester Zeit
"abgewickelt".
Ein "Nebenresultat" dessen
war auch, dass die Arbeit von Müntz/Wachowitz bis heute nicht in der
Hochschulschriftenabteilung der Berliner Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität
eingestellt ist (obwohl dies der gesetzliche Platz dafür gewesen wäre). Gleichfalls ist
zu registrieren, dass die genannte Buchausgabe auch nicht in der Deutschen Bücherei zu
Leipzig vorhanden ist. Der potentielle Interessent hat also einige nicht unerhebliche
Schwierigkeiten zu überwinden, will er noch heute eine Detailkenntnis dieser Arbeit
erlangen.
Müntz/Wachowitz besprechen in ihrer
Studie ein breites Spektrum der kleineren Religionsgemeinschaften. Unter anderem auch die
Zeugen Jehovas sowie einige spezifische mit ihnen in Beziehung stehende Gruppen mit
"DDR-Kolorit".
Ich lege für meine Person Wert auf
die Feststellung, dass die Thesen von Müntz/Wachowitz nicht die meinigen sind.
Müntz/Wachowitz waren in "DDR-konformer" Weise in jenem Staat eingebunden.
Meine Person hatte sich in einem Entwicklungsprozess in Opposition zu ihm entwickelt.
Unbeschadet dieser Sachlage, sind
dennoch die Ausführungen von Müntz/Wachowitz zu den Zeugen Jehovas, ein
zeitgeschichtliches Dokument, wie man quasi in der Endphase der "DDR" letztere
in offiziöser Weise einschätzte.
Aus den vorher genannten Gründen der
schwierigen Beschaffung dieser Arbeit, werden im nachstehenden einige wesentliche Passagen
von Müntz/Wachowitz zum Komplex Zeugen Jehovas wiedergegeben:
Nach der Befreiung des deutschen
Volkes vom Faschismus wurden besonders die bisher verbotenen und verfolgten, aber auch
alle anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften von der Sowjetischen
Militäradministration in Deutschland (SMAD) wieder zugelassen, wenn deren neue Satzungen
von faschistischer Ideologie frei waren.
Als im Faschismus verfolgte 'Sekte'
konnte auch die Organisation der Zeugen Jehovas ihre Arbeit wieder aufnehmen. Da jedoch
die meisten ihrer Funktionäre unter den Bedingungen des Kalten Krieges und beeinflusst
durch ihre Zentrale in den USA feindliche Positionen zur gesellschaftlichen Ordnung
einnahmen, wurde die gesamte Organisation 1950 durch ein Urteil des Obersten Gerichtes der
DDR verboten.
Seit 1945 erfolgte auf dem Gebiet der
DDR keine Neubildung von Kirchen und Religionsgemeinschaften, da dafür unter
sozialistischen Verhältnissen wesentliche soziale und politische Ursachen nicht mehr
vorhanden waren.
Die 1957/58 zugelassenen Abspaltungen
der Organisation der Zeugen Jehovas hatten sich bereits in den 20-er Jahren dieses
Jahrhunderts herausgebildet....
Die Zeuge, Jehovas entstanden im 19.
Jahrhundert unter den Bedingungen breiter endzeitlich orientierter Strömungen innerhalb
verschiedener Kirchen und Religionsgemeinschaften Nordamerikas durch die Aktivitäten C.
T. Russell's (1852-1916), eines Kaufmannes und Mitgliedes einer adventistischen
Splittergruppe.
Aus dem biblischen Bericht über die
'Prophezeiung' des Daniel zur Errichtung des "Reiches Gottes", glaubte er, einen
berechenbaren Plan Gottes für das Menschengeschlecht gefunden zu haben. Zur Propagierung
seiner Ideen gründete Russell die Zeitschrift "Zion's Wachtturm", um die sich
später, auf der Grundlage seiner Anleitungen zum Erforschen der Bibel, durch Älteste
geleitete unabhängige Studienkreise bildeten.
1881 gründete er die
Aktiengesellschaft Zion's Watch Tower Tract Society (WTG). Diese Verlags- und
Vertriebsfirma mit Sitz in Pittsburgh/Pennsylvania, ihre zunehmend profitablere Produktion
und die Gründung von Tochtergesellschaften führten zur internationalen Verbreitung des
Glaubens an eine unmittelbar bevorstehende "Wiederkunft Jesu", unter zahlreichen
Mitgliedern von Kirchen und Religionsgemeinschaften und dementsprechend zu
Kirchenaustritten.
Weitere Etappen bis zu dem für 1914
durch Russell propagierten Termin der "Wiederkunft Jesu", waren der Einsatz
hauptamtlicher Vertriebsmitglieder statt der ehemaligen Abonnementwerber, differenzierte
Werbemethoden, Aufbau eines Besuchernetzes, sowie eine intensive Rede- und
Vortragstätigkeit Russells. Mit dem folgerichtigen Nichteintreffen der Voraussage wandten
sich Tausende enttäuschte Anhänger von Russell ab, der bis zu seinem Tode versuchte, die
Krise der Bewegung zu meistern.
Die Nachfolge Russell's trat der
ehemalige Baptist J. F. Rutherford (1869-1942) an. Als ausgebildeter Jurist gehörte er
zum Kreis der sieben Direktoren der WTG sowie zum Redaktionskomitee des
"Wachtturm". Durch Wahlmanipulationen auf den Präsidentenposten gelangt, nutzte
er seine Stellung und juristischen Fähigkeiten, um Funktionäre, die seine Vorstellungen
von der zukünftigen Entwicklung der Organisation nicht teilten, zu entfernen.
Die WTG wurde zu einer
hochzentralisierten, autoritär gleichgeschalteten religiösen Eliteorganisation
umfunktioniert und gleichzeitig zu einer Art weltumspannenden Medienkonzern ausgebaut.
Wesentliche Lehrauffassungen Russell's
setzte man außer Kraft oder modifizierte sie, um missionarische Expansion und
massenhaften Absatz der WTG-Publikationen zu ermöglichen. Das Vertriebssystem basierte
nunmehr sowohl auf der religiösen Motivation jedes zum Verkäufer erklärten Mitgliedes
als auch auf dessen persönlicher Interessiertheit, da übernommene Literatur durch ihn
seither im voraus zu bezahlen ist.
Wegen dieser Entwicklung trennten sich
immer wieder Gruppen von der Wachtturm-Gesellschaft und bildeten z. T. eigene
Organisationen. Ausgangspunkt für die Herausbildung der größten Oppositionsbewegung war
die Krise der ZJ-Organisation in Folge der 'Weltendeprophezeiung' für 1925 und des
seitdem einsetzenden religiösen und organisatorischen Kurswechsels. Diese internationale
Bewegung gruppierte sich um die ZJ-Oppositionszeitschrift "The Dawn" (Der
Tagesanbruch/Die Morgendämmerung). Von den USA ausgehend verbreitete sie sich über
englischsprachige Länder, später auch in der Schweiz, Deutschland und in Polen.
Rückblickend verstand sich auch die 1945/46 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone
zugelassene Allgemeine Bibel-Lehrvereinigung als Teil dieser Oppositionsbewegung.
Ebenfalls in dieser Tradition steht
die Studiengruppe Christliche Verantwortung (CV). Bei ihr handelt es sich um einen Kreis
ehemaliger Mitglieder der ZJ in der DDR, die mit den politischen und religiös-fanatischen
Auffassungen, sowie den Ausbeutungsmethoden in dieser Organisation, der Heuchelei der
Führer und deren Missbrauch der Bibel in Konflikt geraten waren. Sie geben die
Zeitschrift "Christliche Verantwortung" heraus und haben es sich
verantwortungsbewusst zur Aufgabe gemacht, die Anhänger der ZJ über den Missbrauch durch
die ZJ-Funktionäre aufzuklären.
Rutherford's Lehren und Aktivitäten
wurden durch alle bisherigen Präsidenten der ab 1931 als Zeugen Jehovas bezeichneten
Organisation fortgesetzt.
Neuerlich fehlgeschlagene
Endzeitberechnungen (1975) führten zur Trennung weiterer Gruppen; eine Krise der
Organisation konnte jedoch mit entsprechend uminterpretierten Bibelzitaten, die
fortschreitende weltanschauliche Deformation der Anhänger ausnutzend, verhindert werden.
Gegenwärtig wird auf die Propagierung konkreter 'Endzeittermine' verzichtet, man lässt
jedoch durchblicken, dass einige der Generation von 1914 das Ende erleben werden. Die
Tatsache, dass sich die Zahl dieser Menschen immer mehr verringert, wird als Beweis für
das schnelle Näherrücken des Endes des gegenwärtigen Weltsystems ausgegeben. Zur
logisch widerspruchsfreien Begründung dieser Lehre schuf man für die Organisation der ZJ
eine spezielle Bibelübersetzung, die sogenannte Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen
Schrift.
Zentrum der religiösen und
politischen Auffassungen der WTG bildet die Orientierung auf die in der 'Offenbarung des
Johannes' dargestellte 'endzeitliche Vernichtungsschlacht Harmagedon', in welcher Jehova
alle Staaten, Regierungen, politische, ökonomische und ideologische Systeme
einschließlich aller religiösen Institutionen als 'Werkzeuge Satans' grausam vernichten
werde. Verschont blieben allein die treu zur Organisation der ZJ stehenden Anhänger.
Einziges Ziel der ZJ sei es, den Tag
der 'Rache Gottes' an der Menschheit und den einzig sicheren Weg der 'Errettung' zu
verkünden. Bedingungen für das überleben sei der Glaube an Jehova, Christus und die
Bibel, ein persönliches Fernhalten von der Politik gesellschaftlicher Systeme (Verbote
zur Teilnahme am Wehrdienst bzw. an bestimmten Ersatzformen, an Wahlen, Demonstrationen,
patriotischen Zeremonien sowie bedingungsloser Gehorsam gegenüber der WTG).
Einzuhalten sind auch einige aus dem
Alten Testament interpretierte Verhaltensvorschriften wie Verbot von Nahrungsmitteln, für
die Blut verwandt wurde, Bluttransfusionen, Tabak. Drogen, geschlechtliche Unmoral usw.
Politisch ordnen sich die Propaganda
und die Aktivitäten der Organisation seit Rutherford's Präsidentschaft zunehmend in die
Strategien US-amerikanischer Außenpolitik ein.
Durch die WTG als der internationalen
Hauptzentrale und politischen und religiösen Zentrum der gesamten ZJ-Organisation wird
seit 1923 ein offizieller Vertreter am Sitz US-State Department in Washington unterhalten,
der für Verbindung zwischen Außenministerium und der Brooklyner Zentrale verantwortlich
ist.
Seit den 20-er Jahren beinhaltet die
Propaganda der Antikommunismus in verschiedener Form. Zu Beginn dominierten schärfste
Angriffe gegen das sich entwickelnde sozialistische System in der Sowjetunion.
Durch die Führung des deutschen
Zweiges der Organisation wurde 1933 ein Bekenntnis zur faschistischen Religions und-
Kirchenpolitik abgelegt. Trotzdem wurden die deutschen Studiengruppen wegen konsequenter
Wehrdienstverweigerung verboten und viele Mitglieder inhaftiert. Nur das Zweigbüro
Magdeburg konnte bis 1935 auf der Grundlage der Einflussnahme des US-Außenministeriums
eingeschränkt weiterarbeiten.
1936 orientierte die WTG auf die
Verurteilung des Faschismus, den sie bereits zu dieser Zeit im Sinne des Totalitarismus
mit Kommunismus gleichsetzte. Die ersten organisatorischen und publizistischen
Aktivitäten der WTG nach der Zerschlagung des Faschismus erfolgten in den westlichen
Besatzungszonen Deutschlands durch persönliches Engagement des aus einem ZJ-Elternhaus
stammenden Generals Dwight D. Eisenhower. In der Organisation selbst standen
Lehrveränderungen in dieser Zeit vor allem im Zeichen einer Anpassung an den
Antikommunismus des Kalten Krieges.
Höhepunkt bildete eine 1950
angenommene internationale "Resolution gegen den Kommnismus". Man ging
publizistisch gegen den Stockholmer Appell zur Ächtung der Atomwaffen vor, intensivierte
die Verleumdung der Sowjetunion und orientierte z.B. die ZJ in der DDR unter der Losung
"Christentum oder Kommunismus" 1965 darauf, dass Ende des totalitären Systems
in Ostdeutschland abzuwarten.
Während der 70-er Jahre traten, die
US-amerikanische Menschenrechtskampagne aufgreifend, Berichterstattungen über angebliche
Vertreibungen, Inhaftierungen und Folterungen von ZJ in Gefängnissen sozialistischer
Länder stärker in den Vordergrund Zentrum der Angriffe bildete das sozialistische Kuba.
Mit Beginn der 80-er Jahre wurde der
Antikommunismus unter weiterer Modifizierung der bereits während der Zeit des Kalten
Krieges entwickelten Konzeption vom Kampf des kommunistischen Blocks unter Führung der
Sowjetunion als dem aggressiven 'König des Nordens' gegen den nichtkommunistischen Block
unter Führung der USA ('König des Südens') weiterentwickelt Dabei wurden
imperialistische Propagandaelemente wie der Export der Revolution durch die Sowjetunion,
ihre militärische Überlegenheit und durch sie geleitete ideologische Unterwanderung
junger Nationalstaaten genutzt. Der 'König des Südens' (USA) versuche, das Vordringen
des Einflusses des 'Königs des Nordens' (UdSSR) zu verhindern. Dabei werde es zum
militärischen Konflikt kommen.
Die konstatierte Unvermeidlichkeit
eines nuklearen Weltkrieges wird als die biblisch prophezeite 'Zeit der Bedrängnis'
interpretiert und mit Verweis auf den Propheten Daniel erklärt, dass die darauffolgende
Schlacht zwischen Jesus und Satan ('Harmagedon') nicht nur beide Blöcke, sondern alles
außerhalb der ZJ Existierende vernichten werde. Sie selbst seien unter 'Jehovas
Königsherrschaft' für das irdische Paradies ausersehen. Diese werden die einzig
mögliche gerechte Ordnung und dauerhaften Frieden bringen.
In diesem Zusammenhang werden
Abrüstung, internationale Verhandlungen u. ä. als sinnlos diffamiert und psychologisch
geschickt für die eigene Weltendedemagogie genutzt. Hauptangriffspunkte bildeten 1985/86
die Arbeit der UNO und die internationale Friedensbewegung.
Für die Politik der WTG in einer
zunehmenden Zahl Südamerikanischer und afrikanischer Länder werden aus der Theorie von
einer relativen Autorität staatlicher Regierungsvertreter (da Gott gegenüber
verantwortlich) Argumentationen gegen revolutionäre Befreiungsbewegungen abgeleitet.
Seit 1978 forciert die WTG ein
weltweites Bauprogramm, dass auf Modernisierung oder Neubau von WTG-Zweigbüros und
WTG-Druckereien gerichtet ist. So entstand in der BRD das neue Zweig- und Europabüro in
Selters/Taunus. Ihm ist ein supermoderner Druckereikomplex angeschlossen, in dem durch
Elektronikexperten der ZJ eines der international fortgeschrittensten, computergesteuerten
vollautomatischen Druckvorbereitungssysteme installiert wurde, das in Verbindung mit
modernen Rollenoffsetdruckanlagen Druckerzeugnisse in millionenhohen Auflagen gleichzeitig
in verschiedenen Sprachen (in Selters z. T. aber 80) herstellen kann. So werden 14-tägig
die Zeitschriften "Der Wachtturm" in 103 Sprachen mit einer Auflage von ca. 12,3
Mio und "Erwachet!" in 54 Sprachen und ca. 10,4 Mio Exemplaren gedruckt.
Die Organisation der ZJ umfasste 1986
nach eigenen Angaben 8. 160.597 Mitglieder (sogenannte Gedächtnismahlanwesende) in 208
Ländern, wovon 486.185 Personen in 33 Ländern illegal tätig sind.
Die extrem autoritär geleitete
Weltorganisation der ZJ gliedert sich in Zonen (mehrere Länder), Zweige (Land), Bezirke,
Kreise und Versammlungen. Angestrebt wird ein sogenanntes Heimbibelstudium von
Interessierten, das mit Einladungen zu Veranstaltungen wie 'Gedächtnismahl' einhergeht
und mit der 'Taufe (Erwachsenentaufe) abgeschlossen wird. Die Betreuung erfolgt während
dieser Zeit in der Wohnung. Anschließend erfolgt die Aufnahme in den Studienkreis.
Die leitenden Funktionäre werden von
der Hauptleitung eingesetzt, sind ihr rechenschaftspflichtig und arbeiten unter allen
Bedingungen nach deren Organisationsvorschriften und Anweisungen. Die Mitgliedschaft in
der Organisation der ZJ ist für die einzelnen Anhänger nicht automatisch mit
antikommunistischer Haltung verbunden; der überwiegende Teil von ihnen leistet beruflich
vorbildliche Arbeit.
Die anerzogenen ausgeprägt
religiös-fanatischen Einstellungen dieser Menschen ermöglicht es jedoch der Zentrale der
ZJ, sie für antikommunistische Ziele zu missbrauchen. In diesem Zusammenhang ist die
Organisation der ZJ in sozialistischen und aus verschiedenen Gründen in einer Reihe
anderer Länder verboten.
Zur Durchführung ihrer illegalen
Tätigkeit in diesen Staaten werden durch die Organisation konspirative Mittel und
Methoden wie Kuriersysteme, Decknamen für Funktionäre, chiffrierte
Nachrichtenübermittlung, Materialtransport in Fahrzeugen mit geheimen Containern etc.
genutzt. Elemente der ungesetzlichen Tätigkeit der ZJ bilden neben der illegalen
Literatureinfuhr die Ausschleusung von Binnenwährungen. Jeder einzelne ZJ ist
entsprechend der WTG-Organisationsanweisungen verpflichtet, monatlich über seine
Aktivitäten zu berichten. Verlangt werden darüber hinaus Berichte über alle Arten von
Vorkommnissen, Ereignissen und Erfahrungen vor Ort.
Diese Informationen gelangen
entsprechend eines vorgeschriebenen Berichtsweges bis zur Brooklyner Zentrale, die somit
über ein eigenes internationales Nachrichtensystem verfügt. Die Hauptaktivität der
Mitglieder besteht darin, während einer vorgegebenen Anzahl von Stunden im
'Haus-zuHaus-Dienst' neue Anhänger zu werben.
Wegen totaler Vereinnahmung durch die
WTG werden bei den Mitgliedern Mechanismen einer auf Angst (Bestrafung durch Jehova)
basierenden psychischen Abhängigkeit erzeugt, die soziale Deformation zur Folgen haben.
Vereinigung freistehender Christen
In den Jahren 1945 bis 1947 sammelten
sich in der damaligen sowjetischen Besatzungszone etwa 800 ehemalige Mitglieder der durch
die US-amerikanische Wachtturm-Bibel- und Traktat-Gesellschaft (WTG) geleiteten
Gemeinschaft der Zeugen Jehovas (ZJ) in ca. 40 örtlichen Gemeinden. Es handelte sich
dabei um Personen, die z.T. bereits während der 20-er Jahre vor allem Infolge einer
erneut fehlgeschlagenen Terminisierung des 'Weltendes' für 1925 zu kritischer Distanz
gelangt waren und WTG-freie Gruppen gebildet hatten. Hinzu kamen weitere oppositionelle
Kräfte, die den lehrmäßigen und organisatorischen Kurswechsel der Organisation Anfang
der 30-er Jahre nicht akzeptierten.
1929 wurde die vom Gründer der WTG
C.T. Russell vertretene und zum Dogma erhobene Auffassung widerrufen, wonach
Landesregierungen im Sinne der Bibel anzuerkennen und zu respektieren seien. Zur weiteren
Festigung des autoritären Regimes des zweiten WTG-Präsidenten J. F. Rutherford erklärte
man politische Regierungen zu ausschließlich 'satanischen Institutionen'. 1931 wurde die
Organisation international in ZJ umbenannt. Grundlage bildete die Herstellung einer
straffen, autoritären und diktatorischen Leitungsstruktur bei gleichzeitigem Abbau
früherer demokratischer Formen einschließlich der Unterbindung selbständiger
'Bibelforschung', die bis dahin Quelle für Unabhängigkeit und Kritik war.
Diese Differenzierungsprozesse kamen
durch die weitere Entwicklung während der Zeit des deutschen Faschismus nicht zu
organisatorischen Konsequenzen. Die gesamte Bibelforscherbewegung wurde 1933 In
Deutschland verboten, dass Magdeburger Zweigbüro der US-amerikanischen WTG trotz
Bekenntnis zur faschistischen Religions- und Rassenpolitik 1935 aufgelöst.
Nach 1945 konnten die verschiedenen
Gruppen unter dem Namen "Internationale Bibelforscher Vereinigung" ihre
Tätigkeit, wieder aufnehmen. Entsprechend individueller Einstellung wurden gemeinsame
Versammlungen entweder auf der Grundlage der Elberfelder Bibel oder ausschließlich durch
Instruktionsmaterial und Literatur der Brooklyner ZJ-Zentrale durchgeführt. Dabei
erlangten deutsche ZJ-Funktionäre, die auf der Grundlage Ihrer Inhaftierung in
faschistischen Konzentrationslagern und Zuchthäusern als Märtyrer auftraten, den
nötigen Einfluss, um den überwiegenden Teil der Anhänger für den Kurs der Brooklyner
Führung zu gewinnen.
Prediger und Gruppen, die diese
Entwicklung nicht, akzeptierten, wurden aus den Versammlungen entfernt. Diese Kreise
schlossen sich unter Vorsitz des ehemaligen WTG-Zweigdieners Paul Balzereit sen.,
Magdeburg, zur Allgemeinen Bibel-Lehrvereinigung (ABL) zusammen und verstanden sich als
Teil der internationalen Opposition gegen den durch Rutherford eingeleiteten Kurswechsel
der ZJ.
Sie erklärten in diesem Zusammenhang
Ihre Übereinstimmung mit den Glaubensauffassungen und Zielen der international
verbreiteten und in den USA konzentrierten Hauptabspaltung von den ZJ, der
Tagesanbruch-Bibelforscher-Vereinigung (Dawn), die sich 1929/30 konstituiert hatte und das
Erbe Russells in Ablehnung sämtlicher WTG-Weiterentwicklungen fortführte.
Durch die ABL wurde die Schrift,
"Das Evangelium Jesu Christi" herausgegeben. Die einzelnen Gruppen waren relativ
selbständig und örtlich z.T. als "Bibelgemeinde" oder "Ernste
Bibelforscher" registriert. Ihre Tätigkeit fand im Zusammenhang mit dem Verbot der
Organisation der Zeugen Jehovas 1950 In der DDR eine Unterbrechung. Die ABL als bis dahin
einzige organisierte Abspaltung von den ZJ konnte 1957/58 unter der neuen Bezeichnung
"Vereinigung freistellender Christen" Ihre Tätigkeit wieder aufnehmen, da sie
nachweislich nicht unter dem Einfluss der WTG stand.
Sie gaben die Zeitschrift
"Nachdenkliches aus Leben und Christentum" heraus, die wegen Mangel an
geeigneten Mitarbeitern in den 60-er Jahren Ihr Erscheinen einstellte.
Die Lehrauffassungen der VfC
beinhalten ausschließlich Ideen des WTG Gründers C.T. Russell, alle nach dessen Tode
1916 entwickelten Glaubensvorstellungen werden abgelehnt.
Die VfC lehnt, die zentrale ZJ-Lehre
ab, wonach eine Weltvernichtung durch den 'Krieg von Harmagedon' unmittelbar bevorstehe,
bei dem alle Menschen außer den ZJ grausam vernichtet werden und nach Vollzug der 'Rache
Gottes' für die ZJ das 'tausendjährige Gottesreich'. mit 'ewigem Leben' auf der Erde
beginne.
Man geht davon aus, dass an der
'Gottesherrschaft' auserwählte Menschen aus allen Kirchen und Religionsgemeinschaften
teilnehmen werden und versteht das 'Paradies' als jenseitige Erscheinung.
Die VfC wird heute überwiegend durch
ältere Mitglieder repräsentiert.
Die Gemeinschaft bezeichnet sich
selbst als "zwanglosen Zusammenschluss langjähriger Glaubensfreunde zur Abhaltung
gottesdienstlicher Zusammenkünfte (Versammlungen) sowie dem Studium der Lehre und
Verheißungen. der Bibel."
So ist die VfC in unabhängige und
selbständige Ortsgruppen gegliedert, die sich selbst einen Vorstand, bestehend aus
Ältesten und Lehrern wählen. Der Vorstand besitzt gegenüber den Mitgliedern kein
Weisungsrecht. Die Verbindung zwischen den Gemeindegliedern wird durch Korrespondenz und
gegenseitige Besuche gehalten. Örtliche Gemeinden des VfC bestehen in Dresden,
Karl-Marx-Stadt und Leipzig.
Zu Veranstaltungen in Karl-Marx-Stadt
werden in unregelmäßigen Abständen die Mitglieder aus der ganzen Republik eingeladen.
Das Gemeindeleben wird durch die
Anwendung der Bibelauslegung auf das persönliche Leben bestimmt. Es findet in Wohnungen
oder Räumen anderer Religionsgemeinschaften, vielfach der Kirche Jesu Christi der
Heiligen der letzten Tage (Mormonen) statt.
Versuche anderer in Opposition zu den
ZJ stehenden Gruppen, die VfC für eine Zusammenarbeit zu gewinnen, werden seit dem Tode
Balzereits 1959 durch die Forderung des VfC nach dem Anschluss an die eigene Gemeinschaft
zunichte gemacht. Jetzt betrachtet sich die VfC selbst als 'sterbende Gemeinde' und ist
nicht um Beziehungen zu anderen Kirchen oder Religionsgemeinschaften bemüht.
Die vertretene Russellsche
Orientierung auf ein 'jenseitiges Paradies' erschwerte die in den Satzungen vorgesehene
Hinwendung zu Anhängern der ZJ wesentlich, da diesen von der WTG religiös fanatisch ein
'irdisches Paradies' zu Ihren Lebzeiten versprochen wird.
Aus der Lehre ergeben sich eine Reihe
direkter Ansatzpunkte für eine Mitarbeit in gesellschaftlichen Gremien, die allerdings
wegen der geringen Mitgliederzahl und ungünstiger Altersstruktur kaum wirksam werden.
Bund freier Christengemeinden (BfC)
Zur Zeit der Wiederaufnahme der
Tätigkeit der Vereinigung freistehender Christen (VfC) 1957/58 kam es zur Abspaltung
einer größeren Gruppe, zunächst in der VfC-Gemeinde Dresden unter Leitung von Alfred
Diener.
Sie dehnte sich auf weitere Orte aus
und konstituierte sich als Bund freier Christengemeinden. Infolge der Einzelzulassung
jeder Gemeinde kam es örtlich auch zur Registrierung von Freien Christengemeinden.
Ursache für die Trennung vom VfC waren Differenzen in der Bewertung der Russellschen
Lehren. Die Anhänger Dieners sahen im verbindlichen Festhalten am Erbe Russells eine
Einschränkung ihres Glaubenslebens.
Ab 1962 wurde von der BfC-Gruppe in
Dresden mehrere Jahre eine Zeitschrift unter dem Titel "Unser Glaube"
herausgegeben. Heute unterhält die Leipziger Gruppe die Zeitschrift
"Weggefährte".
Die Gemeinschaft verwirft jedes
dogmatische Festhalten am Erbe Russells und bezieht diese Auffassung sowohl auf die Lehre
als auch auf die Organisationsformen. So ist der BfC nur ein lockerer Zusammenschluss, in
dem die Gemeinde völlig selbständig ist.
Man wendet sieh gegen eine
Schablonisierung der Aussagen der Bibel und halt für wichtig, wovon man sich selbst,
überzeugt habe.
Im Gegensatz zur VfC ist für sie
nicht Russell die maßgebliche Autorität. In der Bibelauslegung, sie handhaben im
Selbstverständnis 'die Heilige Schrift unmittelbar' . Grundlage der religiösen Arbeit
ist die Elberfelder Bibel. Die Lehrauffassungen des BfC unterscheiden sich kaum von denen
der VfC. So werden die Weltende-Lehren' der ZJ vollständig abgelehnt. Man orientiert auf
ein 'jenseitiges Paradies' und sieht von Berechnungen 'biblischer Endzeit' völlig ab.
Der BfC besitzt relativ wenige
Mitglieder. Zu ihm gehören u.a. Gemeinden in Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig.
Eine wichtige Funktion für den
Zusammenhalt der Gemeinden bildete bis 1962 die von der Dresdener Freien Christengemeinde
herausgegebene Zeitschrift "Unser Glaube - Schrift zur Verbreitung biblischer
Erkenntnisse''. Heute nimmt diese Funktion die durch die Leipziger Gruppe herausgegebene
Zeitschrift "Weggefährte" wahr.
Den Vorsitz des BfC hatte bis zu
seinem Tode im Jahre 1973 sein Gründer, Alfred Diener, Dresden. 1976 wählte eine
Bundeskonferenz den heutigen Vorsitzenden und seinen Stellvertreter, beider Wohnsitz
befindet sich ebenfalls in Dresden.
Der Prediger hat im BfC nur die
Funktion eines Diskussionsleiters, der im Gottesdienst die unmittelbare
Bibeltextbetrachtung durch die ganze Gemeinde leitet.
Gegenüber anderen Kirchen und
Religionsgemeinschaften entwickelte der BfC eine aufgeschlossene Haltung.
Die Leipziger Gruppe unterhält
Beziehungen zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden. Zu ähnlichen Gemeinden in der
BRD und der Schweiz werden lose Verbindungen unterhalten.
Die vom BfC formulierte Zielstellung
einer Betreuung von Mitgliedern der ZJ, 'um sie von Ihren Irrlehren zu befreien', ist
lehrbedingt erschwert durch Orientierung auf ein 'jenseitiges Paradies', wodurch diesen
die religiös-fanatische ZJ-Lehre von der Errichtung der 'tausendjährigen
Gottesherrschaft' zu Lebzeiten jetziger Mitglieder auf der Erde ansprechender erscheint.
Vertreter des BfC sind um ein gutes
Verhältnis zu den staatlichen Organen oder gesellschaftlichen Gremien bemüht wodurch sie
sich in einem völligen Gegensatz zur staatsfeindlichen Haltung der Zeugen Jehovas
befinden.
Dem Engagement für, Staat und
Gesellschaft sind durch die Lehrauffassungen keinerlei Grenzen gesetzt. Es wird jedoch
nicht wirksam, da sich die Leiter der kleinen Gemeinden nicht als deren Repräsentanten
verstehen.
Amazon.de, auf einen Blick Geschichte der Zeugen Jehovas. Mit Schwerpunkt der
deutschen Geschichte (Book on Demand)